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Fünfzehntes Kapitel

Tankred erhält endlich eine Mutter

Wie dann die Herzogin in ihrem Schloß zu Charenton ihren verlorenen und wiedergefundenen Sohn in ihre mütterlichen Arme schloß, das war ein großes Glück und ein großes Weh.

Wieder flossen heiß ihre Tränen wie damals in der Schloßkapelle zu Préfontaine über dem vermeintlichen Grab des jungen Tankred. Aber dieselben Tränen flossen aus andern Quellen.

Und nicht nur, daß es damals Tränen zornigen Schmerzes waren und der Verzweiflung und daß jetzt eine Glückliche weinte: sie waren heut vor allem unendlich aufrichtiger.

Ihr ehemaliger zorniger Schmerz um den totgeglaubten Sohn hatte gar nicht diesem an sich gegolten; er entsprang einzig aus dem Verlust eines Wesens, das ihr darum so teuer galt, weil damit ein kostbares und unersetzliches Werkzeug ihren Händen unersetzliches Werkzeug ihren Händen entglitten war. Man weiß, wozu das Werkzeug dienen sollte.

Und wie sie ihn damals beweint, das Herz voll Heuchelei, ohne es zu ahnen, in dem gleichen Sinn hatte sie sich, die tiefgekränkte Mutter, als die sie sich selber gern ausgab, jetzt auf den Wiedergefundenen gefreut: gefreut im Triumph ihrer rächenden Gelüste, gefreut nicht viel anders als wie auf eine Rute, auf eine Geißel, die ihr vom gerechten Gott, wie sie meinte, von neuem in die Hand gegeben ward, um damit eine undankbare und unnatürliche Tochter endlich nach Verdienst zu züchtigen.

In solchen Gefühlen und keinen anderen hatte sie, ohne sich klare Rechenschaft darüber zu geben, dem Erfolg ihrer Gesandtschaft und dem Wiedersehen mit Tankred entgegengeharrt.

Aber die Herzogin wurde mit einem Schlag eine andere in dem Augenblick, wo sie den verstoßenen, mißhandelten, getretenen Sohn, der ihr bis zu diesem Tage nicht viel mehr war als ein Phantom, unter heftigem Schluchzen leibhaft an ihre Brust drückte.

In diesem Augenblicke wurde sie endlich eine Mutter – für Tankred. Sie sah in seinem Gesicht die Spuren der Erniedrigung, sie fühlte seine Hände übler zugerichtet als die ihres letzten Knechtes, und ein unendlich mütterliches Erbarmen kam über sie, ihr Gewissen erwachte, und sie fühlte zusammengedrängt in einen Moment ihr ganzes ungeheures Unrecht gegen ihr Kind während fast zwei Jahrzehnten.

Tief erschüttert brach sie zusammen. Die endlich erwachte Mutterliebe drohte ihr das Herz zu zersprengen, und es wäre schwer zu sagen, was größer und überwältigender war in ihrer Brust, das süße Glück oder das bittere Weh.

Aufrichtigere Tränen hatte die Herzogin von Rohan nicht geweint in ihrem Leben, aufrichtiger hatte sie nie geliebt.

Der Sohn seinerseits schien noch nicht recht zu begreifen, was es mit dieser neuen Mutter für eine Sache sei; er sprach noch immer von der Krämersfrau zu Leyden als seiner Mutter, und auch der Frau des Schulmeisters zu Gravensande, die ihn aufgezogen, gab er diesen süßen Namen. Das wollte der Frau Herzogin schier das Herz abdrücken.

Und sie mußte an demselben Abend des Wiedersehens noch etwas anderes erleben, das ihr schrecklich war. Sie hatte sich allmählich zur Gefaßtheit zurückgefunden, die Abendtafel stand bereit, ihr Sohn mußte sich neben sie setzen, sie bediente ihn, sie legte ihm eifrig die besten und leckersten Bissen auf seinen Teller. Da gewahrte sie plötzlich, wie er blaß wurde und immer blässer und sich dann stracks erhob.

Aber es war bereits zu spät. Sein Magen, an die stark gewürzten und mannigfaltigen feinen Speisen nicht gewöhnt, revoltierte.

Und noch mehr als gewisse pöbelhafte äußerliche Manieren tat der Mutter seine Sprache im innersten weh. Sein Flämisch, das in einem bedenklichen Sinn des Wortes seine Muttersprache geworden, konnte die Herzogin nicht verstehen, und die wenigen Brocken Französisch, die Tankred von seinem Freund Jakob Renetz gelernt hatte, kamen in zu roher und verdorbener Gestalt heraus, um nicht ihr Herz in gleichem Maße wie ihr Ohr tief zu verletzen.

Darum wurde schon am anderen Tage, als erster, ein Sprachmeister für Tankred herbeigeschafft, dann auch ein Schreibmeister, ein Rechenmeister, ein Tanzmeister, ein Fechtmeister, ein Reitmeister. Unter ihrer Leitung gedieh Tankred in kurzer Zeit zum Kavalier, der er erst nur dem Kleide nach gewesen war. Die Lehrer entdeckten in ihm einen klaren Verstand, und die Schmeichler rühmten bald allenthalben seine Ingenuität, worunter sie eine seltene Paarung von Naivität und Geist verstanden wissen wollten.

Tankreds Erscheinen zu Charenton war kein Geheimnis geblieben. Schon sprach ganz Paris von dem unter so wunderbaren Umständen wiedergefundenen Prinzen, und nicht wenig regte sich die Hofgesellschaft darüber auf. Allenthalben fragte man sich: was wird die Herzogin-Witwe nur mit ihm vorhaben? Wird sie der Tochter ihr Erbe streitig machen wollen? Und diese selber und ihr Gemahl, was werden sie dazu sagen?

Die junge Herzogin von Rohan-Chabot zuckte einstweilen nur verächtlich die Achseln, die Mutter aber handelte.

Sie lud, nachdem einige Wochen vergangen, diejenigen Häupter der Familie und der protestantischen Partei, die sie sich ergeben wußte, zu sich wie zu einem großen Fest und stellte ihnen den jungen Tankred vor. Und alle, die erschienen waren, fanden den jungen Tankred entzückend. Die ganze protestantische Partei erkannte ihn jetzt schon feierlich als ihr künftiges Oberhaupt an.

Doch waren dies allerdings nicht mehr ganz die nämlichen Leute wie einst unter der Führung Heinrichs von Rohan. Die Vornehmsten und Mächtigsten unter ihnen hatten sich längst, der strengen Sitten des Hugenottentums müde, auf die Seite des Hofes geschlagen und, politisch gesprochen, die Sache des Protestantismus, zu dem sie sich kirchlich zum Teil noch bekannten, endgültig aufgegeben. So vor allem der eigene Neffe der Herzogin-Witwe, das gegenwärtige Oberhaupt ihrer Vaterfamilie, Maximilian Franz von Bethune, Herzog von Sully und souveräner Fürst von Enrichemont, der, wie erzählt worden, nicht nur die Heirat seiner Base Margarete von Rohan mit Herrn von Chabot, sondern auch deren Übertritt zur katholischen Kirche zu begünstigen für gut befunden.

Denn so hatten sich in Frankreich die Verhältnisse und die Geister allmählich gewandelt. Der religiöse Kult beherrschte nicht mehr wie früher vorherrschend die Köpfe und Herzen. Ein anderer Kultus, nicht weniger reich an Mysterien und dunklen Bangigkeiten um der Gnade beseligende Güter, war langsam an die Stelle des alten getreten und wurde immer allmächtiger in den Seelen der Großen und Vornehmen: der Kultus des Hofes, der »Hof« sozusagen als Religion, die höchste und unverbrüchlichste von allen.

Zwar erst im Aufgehen war dieser Kultus und sein höchster Gott noch in den Kinderschuhen, so daß sein alles verdunkelnder Nimbus in seiner nachherigen Zauber-Herrlichkeit einstweilen noch nicht einmal geahnt wurde: aber schon in ihrer Morgenröte wirkte sie, die neue Religion, mit unerhörter Macht auf die Gemüter.

Darum fand der Herzog von Sully, der Enkel des berühmten protestantischen Ministers, in seinem Verhalten keine kleine Gefolgschaft von Herren ähnlich hohen Ranges und Standes.

Und darum mußte es der Herzogin-Witwe um so mehr Genugtuung bereiten, daß sich auf ihre und ihres Sohnes Seite gerade die ansehnlichsten Häupter der Rohanschen Familie stellten, außer dem neukreierten Herzog natürlich: so der Fürst Herkules von Rohan, Herzog von Montbazon, dann Ludwig von Rohan, Fürst und Herzog von Rohan-Guémenée, endlich der junge Heinrich von Rohan, Herzog von Soubise. Aus der Herzogin eigener Vaterfamilie aber hatten ihrer Einladung Folge geleistet: Herr Hippolith von Bethune, Graf von Orval.

Wenn es die Rohanschen mit der Herzogin hielten, geschah dies wohl weniger aus persönlicher Sympathie für sie und den jungen Tankred, als aus Verärgerung über die Usurpation, wie sie sich ausdrückten, ihres illustren Namens durch den Herrn von Chabot, dem sie darum im höchsten Grad übel wollten.

Aber wie es nun auch um die Motive bestellt sein mochte, die Hauptsache blieb, daß sie gekommen waren: im ganzen an die dreißig vornehme und reiche Herren, die an diesem Tage mit der Herzogin zusammen Rat hielten und Beschlüsse faßten über die ersten einleitenden Schritte der Fürstin, um die Rehabilitierung und Anerkennung ihres Sohnes Tankred bei den maßgeblichen Instanzen durchzusetzen.

Die wesentliche Funktion in dieser Angelegenheit lag dem Parlament ob, gegen dessen endgültige Entscheidung in einem Fall wie dem vorliegenden, d. h. in einer reinen Rechtsfrage, der Hof sich ausnahmsweise zur Ohnmacht verdammt sah.

Und innerhalb des Parlaments wiederum war allein die sogenannte Kammer des Edikts das für die Herzogin kompetente Tribunal; denn ihren Namen hatte diese Kammer daher, daß ihre Gründung und Einrichtung auf dem Edikt von Nantes fußte. Sie war zur gleichen Hälfte aus Katholiken und Hugenotten zusammengesetzt, und ihre Bedeutung lag darin, eine Rechtsgarantie für die Protestanten zu bilden.

An diese Kammer richtete darum die Herzogin-Witwe eine Supplik, dahin lautend: daß es ihr verstattet sein möge, in öffentlichem Akt, d. h. in Beisein eines Mitgliedes des Parlaments, einen Familienrat zu versammeln, zum Zweck, ihrem und ihres Gemahls Sohn, dem Herrn Tankred von Rohan, in legaler Form einen Vormund zu setzen und diesen mit jeder Art Vollmacht bezüglich der Interessen seines Mündels auszustatten.

Von diesem Schritt ihrer Mutter wurde die junge Herzogin noch am gleichen Tage benachrichtigt, die nun ohne Verzug bei der gleichen Kammer einkam mit dem Ersuchen, der von der Herzogin-Mutter von Rohan gestellten Forderung keine Folge geben zu wollen.

Die Kammer des Edikts aber entschied zugunsten der Mutter. Ihrem Verlangen nach öffentlicher Einsetzung eines Vormundes wurde stattgegeben. Und der in einem Saal des Parlamentspalastes rechtsgültig versammelte Familienrat, ausschließlich aus der Partei der Herzogin-Mutter zusammengesetzt, erwählte zu dem genannten Amt den Parlamentsrat Joly, der seine vormundschaftliche Tätigkeit damit begann, daß er über die Entführung des Tankred aus dem Schlosse Préfontaine in der Normandie die gerichtliche Untersuchung einleitete.

Die junge Herzogin und ihr Gemahl, der Herzog Heinrich von Chabot-Rohan, legten wiederholt bei dem Parlament heftigen Protest ein gegen das Verfahren. Denn für beide mußten bei dieser Untersuchung unangenehme Ergebnisse herauskommen. Aber ihr Protestieren blieb unbeachtet, und alle Art peinlicher Verhöre und Protokolle nahmen ihren Anfang. Die Herzogin-Mutter schien wirklich das Spiel gewinnen zu wollen. Denn es war nur zu sichtbar, daß die hugenottisch gestimmte Kammer des Edikts ihre Sache nach jeder Richtung hin mit großem Eifer unterstützte.

Welch ein Triumph endlich für diese Mutter, die so bitter gelitten – an ihr eigenes Unrecht dachte sie nicht – unter der stolzen Verachtung ihrer, wie sie sich ausdrückte, entarteten und unnatürlichen Tochter.

Nichtsdestoweniger stand ihr Haß gegen die junge Herzogin nicht mehr so im Vordergrund ihrer Gefühle. Das Bewußtsein, ihrer unbotmäßigen Tochter wehe tun zu können, bereitete ihr immer noch eine große innere Genugtuung; aber diese wurde verzehnfacht durch die Hoffnung, die ihr jetzt vor allem süß dünkte: ihren Sohn, an dem sie so schweres Unrecht getan, vor der Welt zu erheben und zu Ehren, Reichtum und Macht zu bringen.

Aber die junge Herzogin blieb unterdessen nicht müßig. Da das Parlament zu versagen schien, entschloß sie sich, solange es noch Zeit wäre, ihre Zuflucht zu einer anderen Instanz zu nehmen, die schon manchmal bewiesen hatte, daß, wenn auch Recht vor allem geht, die Macht doch sehr oft stärker ist und aus diesem Grunde das letzte Wort behält.

Diese Macht war der Hof. Solange das Parlament kein Urteil gesprochen hatte, konnte noch immer der königliche Staatsrat in Repräsentation des Königs sich auf mancherlei Art ins Mittel legen, ohne sich von dem strikten Boden der Legalität zu entfernen.

Auf die Begünstigung ihrer Interessen von seiten des Hofes zu rechnen, dazu hatte die junge Herzogin von Rohan-Chabot mehr als einen Grund. Hatte ihr doch Anna von Österreich, die Königin-Regentin, ihre diesbezügliche Unterstützung ausdrücklich zugesagt, und ebensolche, ja noch lebhaftere Versicherungen hatte sie von dem neuen Minister, dem Kardinal Mazarin erhalten.

Wohl war die Königin, die für die junge Herzogin von Rohan wenig Sympathie hegte, in ihrem Innern geneigt, an das Recht dieses Tankred zu glauben. Aber ein solches Recht stritt wider die Interessen ihrer Politik und mußte darum gegen diese zurückstehen. Denn nichts konnte der Königin unerwünschter kommen, als ein Wiederaufleben der alten konfessionellen Parteiungen unter den Vornehmen des Reiches, und der Name Tankred von Rohan schien geradezu das Losungswort zu bilden zu erneutem verderblichen Zwist. Schon hatte der verhängnisvolle Name im Schoße zweier der einflußreichsten und mächtigsten Familien den Hader entzündet; wie leicht konnte dieses böse Feuer, das man erloschen glauben durfte, frisch auflodernd um sich greifen und wie früher das ganze Reich in Brand setzen, ja das Königtum selber von neuem in Frage stellen.

In diesen Erwägungen wurden der Kardinal und die Königin lebhaft bestärkt von zwei Fürsten ersten Ranges und vornehmsten Mitgliedern des obersten Staatsrates: von Gaston von Orleans, dem Onkel des minderjährigen Königs, und von Herzog Heinrich von Bourbon, Fürsten von Condé. Durch den mächtigen Einfluß dieser beiden war allein die Heirat zwischen Margarete von Rohan und Heinrich von Chabot zustande gekommen, und so setzten beide ihre Ehre darein, ihr eigenes Werk nicht nachträglich zuschanden werden zu lassen.

Als darum durch ihre und der Königin Anregung die Sache wegen Tankred dem versammelten Staatsrat vorgelegt wurde, wußte diese erlauchte Versammlung zum voraus, was von ihr erwartet werde. Und danach faßte sie ihre Beschlüsse, die dahin gingen: daß in der zwischen Margarete von Sully-Bethune, Herzogin-Mutter von Rohan, und der Fürstin Margarete von Rohan, Herzogin von Rohan-Chabot, schwebenden Streitsache, als die Interessen und das Wohl des Staates berührend, nicht die Kammer des Edikts allein, sondern vielmehr die drei vereinigten Kammern, die des Edikts, die von La Tournelle und die Großkammer, im letzten Urteil zu entscheiden hätten und nur das Verfahren der Voruntersuchung der Kammer des Edikts einstweilen zu überlassen sei.

Indem das gesamte Parlament sich ohne Widerrede diesem Gewaltakt fügte, der doch einen Eingriff in seine inneren Angelegenheiten und in die geordnete Rechtspflege überhaupt bedeutete, zeigte es eine Nachgiebigkeit gegen den Kardinalminister, die ihm dieser selbstverständlich als Schwäche deutete, was dann für beide Teile übel ausschlug. Denn aus dieser Nachgiebigkeit des Parlaments schöpfte der Kardinal bald den Mut zu ferneren Vergewaltigungen, die immer weiter gingen und letztlich den Ausbruch eines Bürgerkrieges zur Folge hatten, wie ihn die Hugenotten zu dieser Zeit zu entzünden nicht mehr imstande gewesen wären, und der dann dem Schicksal Tankreds – wenig nur fehlte – gerade die Wendung zu geben drohte, die jene Beschlüsse zu verhindern suchten. Aber davon ist später zu reden.

Die Herzogin-Mutter aber erfuhr noch am gleichen Tage den bedrohlichen Akt der höchsten königlichen Ratsversammlung, der durch die Unterschrift der Majestät Gesetzeskraft erhielt.

Sie saß mit ihrem Sohn, denn es war ein schöner Sommertag, auf der Terrasse hinter dem Schloß in der Nähe einer Fontäne, in deren Mitte ein kleiner Herkules der Lernäischen Hydra die Köpfe abschlug, während aus der Brunnenschale hervor vier Schildkröten mir Wasser nach ihm spieen.

Tankred hatte eben einen Verweis von seiner Mutter erhalten. Er stand im Begriff, ihr eine spaßige Geschichte von seinem ehemaligen Leydener Freund, dem Studiosus Jakob Renetz, zu erzählen, aber die Mutter unterbrach ihn fast barsch.

»Ich habe Euch gebeten,« sagte sie, »mir niemals wieder von jener unrühmlichen Vergangenheit zu reden, die Ihr vergessen müßt. In die Zukunft muß Euer Blick gerichtet sein, nicht auf das, was hinter Euch liegt. Ihr seid zu Großem und Glänzendem berufen, jene dunklen Jahre müssen wie ausgelöscht sein aus Eurem Leben. Auch nicht einmal in Gedanken sollt Ihr Euch damit beschäftigen.«

Beschämt saß Tankred und schwieg. Das Reden konnte ihm die Mutter verbieten, aber das Denken? Äußerlich wollte er ihr gern gehorchen, er machte sich bittere Vorwürfe, daß er ihr Verbot einen Augenblick lang vergessen konnte; aber würde es je in seiner Macht liegen, innerlich aufsteigende Bilder und Erinnerungen ganz zu unterdrücken? Ist man denn Herr seiner Gedanken? Er wenigstens war es nicht. Eine solche Gewalt und Macht besaß sein Wille nicht, er schämte sich.

In diesem Augenblick trat ein Lakai aus dem Schlosse und überreichte auf silbernem Teller der Herzogin einen Brief. Darin berichtete ihr der Marschall von Châtillon die Vorgänge im Louvre. Das immer noch schöne, ja jugendlich aussehende volle Gesicht der Herzogin erbleichte. Am Hofe also war man entschlossen, der Sache Tankreds entschiedenen Widerstand zu leisten. Wird sie, die viel angefochtene und gebeugte Witwe, diese Macht zu überwinden vermögen? Sie sah von der Seite den getadelten und beschämten Tankred an und ihre harte Rüge reute sie. Er tat ihr bitter leid.

Seine große und glänzende Zukunft war auf einmal wieder bedenklich ferne gerückt.


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