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Soweit den Rhein Gebirge einfassen, wenden sie seinem Tale ihre schönste Seite zu. Der Unterschied ist nicht immer so schneidend wie im Westerwald oder in der Eifel, wo man aus dem mittelrheinischen Paradies so oft nur zu einer öden, armen, mit dünnen Schälwäldern bestandnen Hochfläche emporsteigt. Aber auch in dem durch seinen Waldreichtum an sich so anziehenden Odenwald, der noch immer hochstämmige Eichen nährt wie zu der Zeit, da Siegfried am Siegfriedsbrunnen, den man bei Fürth i. O. zeigt, erschlagen wurde, gliedert sich die rheinwärts gekehrte Seite, die Bergstraße, als bewegtere und lieblichere Landschaft ab. Ihr kommt es zugute, daß durch die Einschnitte ihres bewegtern Profils höhere Waldberge ernst in die hochkultivierte Landschaft herüberschauen. Vom Schwarzwald löst sich aber der Streifen der Vorberge wie ein Saum von Gärten los, bereichert in der Breisacher Gegend durch das eigentümliche Vulkangebirge des Kaiserstuhls, der sich in langen Wellenhügeln zu flachen Kegeln aufbaut. Das dunkle Gestein steht an wenig Stellen aus dem üppigen Kulturkleid hervor, das vorwiegend aus Reben zusammengesetzt ist. Der badische Weinbau erreicht hier einen seiner Höhepunkte. Im Auslande kennt man die »Kaiserstühler« wenig, da sie nicht in großen Mengen erzeugt werden. Im »Ländle« aber schätzt man sie nach Verdienst. Es ist darunter ein natürlicher Schaumwein, dem Asti verwandter als dem Champagner. Auch an den Vogesen, die vom Breisacher Schloßberg aus gesehen fast so nahe zu stehn scheinen wie der Schwarzwald – und beide sind hier zum Verwechseln ähnlich –, zieht sich in diesem oberrheinischen Winkel, der der wärmste Deutschlands ist, der hellgrüne, mannigfaltig in Weinberge, Äcker und Wiesen gegliederte und durch blühende Städtchen, Dörfer und Burgen belebte Kulturstreif noch höher hinauf. Er schlingt sein buntes Band bis sechshundert Meter Höhe um den Fuß des walddunkeln Gebirges.
Diese Kulturstufe erinnert schon an den Süden. Der Harz, der Thüringer Wald, der Bayrische Wald sind bis zum Fuß bewaldet. Das ist ein nordischer Zug, daß sich die Güldne Aue zu Füßen der walddunkeln Harzberge ausbreitet und sich selbst in die Täler nur schüchtern hineinzieht. Besonders auf der Vogesenseite gewinnt das Rheintal ungemein an Reichtum der Landschaftsbilder, die immer auch geschichtliche und Kulturbilder sind, durch das Hinaufranken der menschlichen Werke und Siedlungen an den Gebirgsflanken, ebenso wie ihnen dann am Westabfall der mildere Charakter der lothringischen Hochebene zugute kommt, die zwar der Rauhen Alb geologisch und geographisch entspricht, aber ohne rauh zu sein. Besonders der Landschaft von Metz ist ein warmer Ton eigen, man möchte sagen etwas an den Süden Erinnerndes. Der Mont St. Quentin von Osten gesehen, mit seinem Buschwald, seinem Nest zusammengedrängter Steinhäuser, im übrigen waldlos, ist schon kein deutsches Bild mehr. Es ist ein verstärkter Typus der Weinbergslandschaft: auf der sanften untern Bodenanschwellung Äcker, Wiesen, Gärten mit den endlosen Hainen von Mirabellenbäumen, die 1870 unsern Soldaten Labung boten, darüber das Dorf, dann beim steilern Anstieg die Weinberge, zuletzt der Buschwald. Es ist keine Landschaft von großen Formen, aber sie hat die besondre Größe, die der Landschaft eigen ist, die das für ein weites Gebiet Allgemeingiltige zum Ausdruck bringt.
Die Talöffnungen nach der Rheinebene zu umschließen die schönsten und reichsten Bilder des oberrheinischen Landes. Da liegen Städte, deren Häuser sich an den Höhen hinauf- und in einmündende Täler hineinziehen, und gleich darüber steht der dunkle Wald. Draußen nichts als ebene Äcker und Wiesen, in der Ferne der Silberhauch des Rheins. Von Höhenstufen aber sehen mit uns alte Burgen und erneuerte Kirchen ins Land hinaus. Und ihrer sind so viele, daß sie von Berg zu Berg einander ihre Eindrücke von der Welt da unten zuraunen könnten, die wohl nicht sehr schmeichelhaft für die hastenden Menschen wären. Diese Toren, möchte es da wohl lauten, glauben die Welt umzuwälzen, und da unten fließt der Rhein wie vor tausend Jahren, und der Wald, der ihn umsäumt, ist so frisch und wild wie je, und Rhein und Wald und wir mit ihnen, wir überleben diese atemlosen Geschlechter. Mit dem elsässischen Dichter höre ich noch andre Gespräche in dieser Gegend, die die Berge des Schwarzwalds und der Vogesen miteinander über den Rhein und über den Doppelsaum der Kiesbänke oder Uferwälder weg führen; ihr Gegenstand ist die Nichtigkeit der Sonderungen, die die Menschen in das von Natur zusammengehörende legen wollen. Der alte Rhein stimmt rauschend mit ein. Ich überschreite, solche Gedanken im Sinn, den Rhein nach der Schweiz hin, wo dieselben Burgen auf römischen Fundamenten auf Landschaften von demselben Charakter und ähnlich geartete Menschen hinabschauen. Ein großes, durch gleichen Ursprung und gleiche Geschichte verbundnes Land, das Erbe der Staufer und der Habsburger, schließt sich vor meinem geistigen Auge wieder zusammen, und der Horizont dehnt sich immer weiter nach Süden zu, bis das blaue Mittelmeer an provenzalischen Gestaden auftaucht: der alte burgundische und arelatische Anteil des Deutschen Reichs, der natürlichste, die Alpen umgehende Weg Südwestdeutschlands zum Meer.
Baden und Elsaß, Pfalz und Rheinhessen samt dem untern Mainland erscheinen mir in einem goldnen Lichte, wenn ich an die Zeit zurückdenke, wo hier das Herz des Reichs schlug. Hat uns der von den neuern Geschichtschreibern Deutschlands so viel gepriesene Drang nach Osten, dem das Verdrängtwerden aus dem Westen folgte, wirklich Ersatz gebracht für den Verlust der Rhone- und Alpenwege nach Süden und der Rheinmündungslande im Nordwesten? Wird die Zeit kommen, wo sich die Sackgassen aufschließen, in die nun seit vielen Jahrhunderten das reiche rheinische Leben südwest- und südostwärts hineindrängt? Man würdigt wohl nicht genug diesen Gegensatz zwischen Nord- und Süddeutschland, daß Norddeutschland die ihm von Natur gehörige Meereslage und Küste hat, während Süddeutschland nicht einmal mehr über die Alpenwege verfügt, die zum Mittelmeer führen. Die Industrie von Mülhausen und von Augsburg hat die Zollschranken vor der Tür, während Mittel- und Norddeutschland das freie Meer vor sich haben. Norddeutschland ist ein natürlicher abgerundeter Körper, Süddeutschland einer, dem Lebensorgane genommen sind.
Aus dem alten Gemäuer des seit zweihundert Jahren in Trümmern liegenden alten Schlosses von Baden, Hochbaden genannt. schweift der Blick in die Rheinebene hinaus, nach der sich zu beiden Seiten des schmalen Silberbandes der Oos die dunkeln Berge Badens in langen Wellen abdachen. Dumpfe Töne und zerrissene Stücke einer Melodie der Kurmusik schweben herauf durch die üppigen Wälder der Edelkastanien zu den Tannen und Fichten, die schon einen derbern, mehr gebirgshaften Wuchs zeigen. Sie mischen sich mit den seltsamen Klängen der durch die romanischen Doppelbogen des alten Schlosses ziehenden Bergluft, die zum Überfluß die Saiten einer Äolsharfe berührt. Deutlich erkennt man von hier oben den eigentümlichen Aufbau des Bodens der berühmten Bäderstadt, der im Grunde derselbe ist wie bei Heidelberg und Freiburg: das Tor eines dem Strome zu sich öffnenden Seitentales. Eigentümlich ist aber bei Baden die reiche Gliederung der Talweitung mit der Ausmündung der Oos. Da ist die Gruppe von Höhen im Norden, auf denen sich das neue und das alte Schloß erheben, die wichtigste wegen des Schutzes, den sie der Stadt gewährt. Dann die des Fremersbergs im Süden, und zwischen diesen der schön gewölbte, so recht zum Bau einer Villenstadt auffordernde breite Hügel im Osten. Zwischen ihm und den Nordhügeln lag die römische Aurelia, und liegt die alte Stadt; die neue zieht sich zwischen ihm und den Sandhügeln an der Oos hin, auf beiden Seiten eines der herrlichsten Baumgänge der Welt, der Lichtenthaler Allee, und schon fängt sie nun an, den Mittelhügel selbst von allen Seiten her zu überbauen. Von dem engen, häusererfüllten Tal der Altstadt erhebt sich eine schmale Stufe, auf der die Stiftskirche mit altbadischen Fürstengräbern steht, darüber eine breite mit dem neuen Schloß und dem wundervollen Schloßgarten. Ein sonniger Oktobertag unter den pfeilergetragnen Rebgängen, den uralten Linden und Ulmen dieses Gartens, im Ringe der alles so traulich umfassenden Waldberge gehört zum stimmungsvollsten der deutschen Landschaft. Die milde Lage Badens erlaubt es, daß noch im Oktober hier eine überraschende Menge von Palmen, Dracänen, Bananen usw. im Freien auf nordischem Rasen vor dem Dunkel der Tannen und Eichen steht: ein reiches Bild von einer Mischung, die nirgends so wiederkehrt. Freilich, es gehört auch die Feuchtigkeit dazu, in deren Menge und nachhaltigem Erguß diese Randlandschaften des Odenwaldes und des Schwarzwaldes nicht zufällig mit denen der Alpen wetteifern. Heidelberg, Baden und Salzburg, diese herrlichen Städtebilder, stehn in mancher Erinnerung nur wie Rauchbilder, d. h. höchstens der Vordergrund ist grün, alles andere verhüllt ein Nebelschleier eines aus feinen, endlosen Wassersträhnen gewobnen Landregens. Selbst über die Dinge im nächsten Vordergrund ist ein blauer Hauch gebreitet, und in den Kronen der Bäume schweben losgerissene Wolkenflocken. Alles trieft und schwillt durchfeuchtet.
Der von Norden kommende Wandrer sieht sich in Baden-Baden zum erstenmal von Schwarzwaldbergen umgeben. Und diese Badener Berge gehören zu den schönsten des Gebirges. Indem sie Baden-Baden fast von allen Seiten einschließen – vom neuen Schloß gesehen liegt ja die Stadt mit allen ihren Ausläufern geradezu in einem Kessel, und die gerühmte Milde des Badner Klimas hängt wesentlich von dieser Lage ab –, zeigen sie die denkbar größte Mannigfaltigkeit in der Abwandlung der bekannten Mittelgebirgsformen und in der Höhenabstufung; den mehr kegeligen Gestalten im Osten liegen die stark gewölbten, im Westen um den Fremersberg gegenüber und zwischen ihnen schließen die flachen Höhen hinter Lichtenthal die Kette. Vor die einen wie die andern legen sich die schönen Anschwellungen niedrer Stufen. Es ist ein schöner Rhythmus in diesen Linien, bei aller Einfachheit des Themas eine Fülle der Abwandlungen. Insofern mag hier der Wandrer das Wesen der Schönheit des Schwarzwaldes und zugleich auch des Schwestergebirges im Westen gleich von Anfang vollständig in sich aufgenommen haben. Wieviel größere Berge und tiefere Täler er auch ersteigen und durchwandern wird, er wird immer wieder die Wellenlinien des alten abgeglichnen Gebirges finden, in deren allgemeiner Übereinstimmung eine Fülle von anziehenden Besonderheiten gegeben ist.
Besonders aber sorgen die Täler für Abwechslung, im Schwarzwald noch mehr als in den Vogesen. Wohl sind die Täler der Vogesen nicht so tief und auch oft nicht so steilwandig wie im südlichen Schwarzwald. Aber daß sie fast alle als Wiesentäler mit weichem Rasen, kleinem, klarem, über Felsen sprudelndem Bach durch den dunkeln Wald heraufschauen und schon von geringer Höhe in bläulicher Tiefe zu liegen scheinen, gibt ihnen gerade in der Vogesenlandschaft eine Bedeutung, die sich nicht an den Metern der Tiefe und Breite mißt. Und dann haben alle diese Täler Ursprungsgebiete, die das gerade Gegenteil der alpinen sind. In den Vogesen und im Schwarzwald ziehen sich die Wiesentäler schön sanft und grün zu den Kämmen hinauf, und diese obern Teile umschließen dann die breitesten Wiesen und Äcker der zerstreuten Weiler, die eben deshalb so oft von den Höhen in die grünen, unbewohnten Täler hinabschauen. In den Alpen ist es umgekehrt. Da liegen die Dörfer unten, wo sich hier der Wald von Hang zu Hang über das Tal erstreckt, und die Talanfänge sind wüste, ununterbrochen von Lawinen und Wildbächen umgewälzte Schuttkessel. Über diesen grünen Talanfängen schwebt etwas an die Ruhe des Alters erinnerndes. Wer das »große Tal« zwischen Hub und Dagsburg durchschreitet, vergleicht das kleine Bächlein von heute und die oberflächlich überhaupt ganz wasserlos hereinmündenden Nebentäler. Das kann nicht immer so gewesen sein. Wir wandern in uralten Gebirgen, bei denen nur die Pflanzendecke jung ist, und das Menschenleben und, verglichen mit der Geschichte des Gebirges, selbst die Burgen aus Römersteinen ganz nahe an die Gegenwart heranrücken.
Mit allen unsern Waldgebirgen teilen diese beiden die Ausdehnung und Schönheit der Wälder. Schon Baden-Baden, Gernsbach, Wildbad und die andern jährlich mehr besuchten Fremdenorte des nördlichen Schwarzwaldes bieten eine endlose Variation von Waldwegen, und das ist gerade wie bei Eisenach und Harzburg ihre den meisten zugänglichste und verständlichste, die meisten ergreifende Schönheit. Daß die Wege seltner in den Tälern als an und auf den Hängen hinführen, ist die Ursache herrlicher von Bäumen eingerahmter Ausblicke. Besonders in den nördlichen Vogesen tritt dies hervor, wo die Täler oft so tief und schmal in den bunten Sandstein eingeschnitten worden sind. Da schmiegt sich der Weg in ganz eigentümlicher Weise dem überall hervortretenden Gesteinskern des Berges an, dessen braunrote Schichtenflächen ihn wie auf natürlichen Stufen am Berge hinleiten. Biegt er ein, so ist er wohl auf beiden Seiten von Felsvorsprüngen umdrängt, zwischen denen er sich hindurchwindet. Man ist oft zweifelhaft, ob man auf natürlichen Buntsandsteinplatten wandelt oder auf einer alten römischen Pflasterung. Damit sind auch steile Abfälle gegeben, wie der Schwarzwald sie seltner hat. Mit diesen Felsgebilden und daraus hervorwachsenden Mauern und Türmen, ihren weit hinausgebauten Kirchen und Kapellen, ihren Dörfchen auf hohen Talrändern sind die Vogesen das Land der Silhouetten. Das gilt ja sogar von Straßburg mit seinem hohen Münsterturm; und wie scharf zeichnet sich Fröschweiler auf seinem Höhenrücken ab! Am Fuße der Berge sind die Dörfer und Städtchen oft so eng an den Gebirgsrand gedrängt, daß man von dem oben hinführenden Wege nur ihre Kirchturmspitze und die vorgeschobensten Häuser sieht.
Wo die Sandsteinquadern so viele natürliche Mauern gebaut haben, ist die unmittelbare Bedeutung des Buntsandsteins für den Burgenbau schon der Römer und mehr noch des Mittelalters als Fundament und Quaderbruch ebenso klar wie die der phantastischen Felsgebilde auf die Volksphantasie und – die Phantasie der Keltomanen. Wo ein Sandsteinfels ein natürliches Fundament ins Tal hinausbaute, mußte eine Burg darauf gesetzt werden, und wo der Fels eine natürliche Säule war, mußte er einen Grenz- oder Grabmonolith bedeuten. Der alte Sagenreichtum des Elsaß hängt damit ebenso zusammen wie das wuchernde Gedeihen der modernen Keltensagen in den Vogesen.
Schwarzwaldkenner vermissen in den Vogesen die malerischen Gruppen alter Holzhäuser. Sie fehlen nicht ganz, es liegt aber nicht in der Besiedlungsweise der im Innern wenig bewohnten Vogesen, so zahlreiche hochgelegne Dörfchen zu haben wie der Schwarzwald. Die rechte Rheinseite hat dafür nicht die Menge der alten Burgen aufzuweisen, die sich in den Vogesen an manchen Stellen geradezu drängen. Die nächste Umgebung von Zabern und Lützelburg hat deren sieben wohl erkennbare und daneben noch vereinzelte Trümmer. In Baden sind auch so interessante alte Städtchen nicht häufig, wie in dem politisch einst so viel buntern und eigentümlichern Elsaß. Mit ihnen können sich einige der vor den Talausgängen des südlichen Schwarzwaldes am Rhein liegenden Städtchen, wie etwa das in der Kirchengeschichte des Oberrheins und der Schweiz berühmte Säckingen, die Stadt des heiligen Fridolins, oder das einst starke Waldshut vergleichen. Die Nüchternheit der meisten badischen Amtsstädte bezeugt dagegen deutlich, daß niemand von der Bureaukratie, und wäre sie so gebildet wie die badische, Schöpfungen von eigner Art verlangen darf. Und man möge nicht vergessen, daß das rechte Rheinufer von schwerer verwüstender Kriegsnot in demselben Zeitalter heimgesucht wurde, wo sich das linke unter Frankreichs Schutz tiefer Ruhe erfreute.
Baden hat sich jedoch in seinen alten Bischofs- und Fürstenstädten, besonders in Konstanz, Freiburg, Baden-Baden und Heidelberg, genug geschichtliche Denkmäler bewahrt, daß es seinen Nachbarn im Westen nicht zu beneiden braucht. Ja in Rastatt und Karlsruhe verdankt es seinem Fürstenhause Städte, die zu den eigentümlichsten Deutschlands gehören. Rastatt trägt die Spuren des Markgrafen Ludwig aus der ausgestorbnen Baden-Badenschen Linie, des Siegers von Zenta, des Gefährten des großen Eugen. Es ist eine ausgesprochne Militärstadt. Die Festung und nach der Festung die Garnison haben die Residenz verschlungen. Einige Denkmäler erinnern an die Kriege mit Türken und Franzosen, der Stil Ludwigs des Vierzehnten ist mit Glück nachgeahmt. Das Rastatter Schloß aber, breit, geräumig, imposant wie alle Rokokobauten, ist trotz seiner Nutzbarmachung als Kaserne des dritten badischen Infanterieregiments Nr. 111 eine traurige Ruine. Der Eindruck des Vergeblichen, vollkommen Überflüssigen ist besonders allen Bemühungen der Götter und Genien eigen, die in unzählbarer Menge die Zinnen, Giebel und Galerien bevölkern. Der vergoldete Jupiter auf der Spitze der Kuppel mag noch so gleißende Blitze schleudern, sie erreichen nicht das Bajonett des kleinen badisch-preußischen Musketiers, der langweilig unten auf und ab schreitet. Den edeln und mannigfaltigen Bemühungen der mit allen Geräten, Waffen und Früchten der Erde ausgestatteten steinernen Götter spricht die einförmige Übung des Stechschritts Hohn, die die Rekruten auf der Ebene der Sandwüste hinter dem Schloß ausführen. Und ganz besonders ergebnislos kommt uns die Anstrengung der Genienpaare vor, die auf allen Seiten das badische Wappen zeigen. Sie vermögen höchstens die Neugierde eines zufälligen Besuchers zu reizen, dessen Aufmerksamkeit im nächsten Augenblick durch die sehr leserliche Inschrift: Kgl. Preußisches Proviantamt abgelenkt wird. Jedoch geht seit der Niederlegung der Wälle Rastatt als Mittelpunkt der badischen Rheintalbahnen, der Murgtalbahn und der Linie nach Selz und Hagenau einer gesunden Entwicklung entgegen, die sich schon in einem nicht unbeträchtlichen neuen Bahnhofstadtteil ausspricht. Die strategischen Erwägungen des alten Türkenbesiegers bei der Befestigung Rastatts sind durch die Zurückgewinnung von Straßburg hinfällig geworden; zugleich wird aber durch diese Rastatt einer neuen Blüte entgegengeführt. Und das hat sich der alte Feldherr wohl nicht träumen lassen, wieviel Weisheit auch seine mächtige Allongeperücke bedeckt haben mag.
Karlsruhe wird von vielen, die es nicht genau kennen, als eine der langweiligsten Städte Deutschlands bezeichnet; seine Fächeranlage ist allerdings sehr regelmäßig, und da es nicht älter als hundertachtzig Jahre ist, kann es keine ehrwürdigen Denkmäler umschließen. Ich teile jene Ansicht nicht, finde vielmehr gerade in dieser jungen Stadt erfreuliche Zeugnisse dafür, daß der diesen warm- und weichherzigen Südwestdeutschen eigne Schönheitssinn nicht bloß als ein geschichtlicher Schatten dünn und grau in alten Städten, Münstern und Schlössern umgeht. So herrliches er dort geschaffen hat, das Schönste bleibt doch, daß er lebendig geblieben ist. Er war nur eingeschlafen. In einem Schlaf, den Not und Verkümmerung so tief gemacht haben, entstanden die ärmlichen Neustädte mit den unglaublich kleinen, absolut schmucklosen Häusern, die man hierzulande einstöckig nennt; in Wirklichkeit bestehn sie nur aus einem Erdgeschoß. Aber als Friede und Gedeihen einzogen, da wachte sogleich der alte Schönheitssinn wieder auf. Karlsruhes Baugeschichte zeigt die Stufen dieses Aufsteigens sehr deutlich. In der 1740 gegründeten Stadt gab es außer dem zopfigen Schloß nur Kleines, Ärmliches; sogar die Ministerien und die Wohnungen der Prinzen sahen nur größern Bürgerhäusern gleich. In den ersten beiden Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts mit der auf diese dörfliche Residenz zurückwirkenden Vergrößerung Badens wurden einfache Kirchen in antikisierendem Stil, zwar nüchtern, aber durch die großen Verhältnisse wirkungsvoll von Weinbrenner gebaut, der besonders als theoretischer Kenner der antiken Baukunst geschätzt war. Das jetzt durch den pompösen Prachtbau des Erbgroßherzogschlosses verdrängte »Schlößle,« damals für eine der Prinzessinnen gebaut und später von der Mutter des regierenden Großherzogs bewohnt, entsprach als einfache Villa, schmucklos, aber mit großen Räumen, auf originellem Felsenunterbau dem Streben nach größern Dimensionen bei einfachster Haltung im Äußern. Auch die innere Ausstattung dieses Schlößchens war bis zu seinem Abbruch einfacher als die von Tausenden von Wohnhäusern und Villen moderner Geldprotzen. In dieser Zeit wohnten die Würdenträger des Hofs und des Staats und die Aristokraten, die sich in Karlsruhe niederließen, fast alle in der Stefanienstraße in bürgerlich einfachen, äußerlich absolut schmucklosen Häusern, die im Innern ein eben zureichendes Maß von Bequemlichkeit hatten. In vielen waren die Wohnungen, wie im Bauernhaus, gar nicht vom Hausgang abgeschlossen. Der Eintretende gelangte ohne Hindernis bis an die Eingänge der Küche, Wohn- und Dienerzimmer, die alle in derselben Flucht lagen. Das Schöne an diesen Häusern war, daß ihre tiefen, schattigen, obstreichen Gärten bis an den damals noch nicht »angelegten« Hardtwald reichten. In einem solchen Haus, das Stadt und Land verband, hat Scheffel seine Knabenjahre verlebt. Ich habe nie eine stillere Straße gesehen als diese. Man mag das langweilig nennen, man kann es auch poetisch finden. Scheffel hat als Mann gern in dieser Straße gewohnt. Viele Stunden des Tages konnte man sie durchwandern, ohne einem Menschen zu begegnen. Die Bepflanzung mit Bäumen, wie in andern deutschen Städten in den fünfziger Jahren durchgeführt, hatte sie wesentlich verschönert.
Mit dem Meister des neuromanischen Stils, Hübsch, trat ein neuer Abschnitt der Baugeschichte Karlsruhes ein. Die Kunsthalle in ihrer alten, jetzt durch Vergrößerungen wesentlich umgestalteten Form, das neue Theater zeigen einen feinen Sinn und ein Vermögen, mit geringen Mitteln Großes zu wirken und die romantischen Stilformen der Gegenwart anzupassen. Wenn die Geschichte der deutschen Kunst einst in einem das Kunstgewerbe umfassenden Sinn geschrieben werden wird, werden die Tonreliefs des Hoftheaters von Reich in Hüfingen hoffentlich nicht vergessen werden. In diese Zeit fallen die schönen Bauten Eisenlohrs, die besonders durch die virtuose Verwendung des bunten Sandsteins hervorragen. In den fünfziger Jahren war das Wohnhaus Eisenlohrs in der Karlsstraße eine Sehenswürdigkeit. Heute verschwindet es neben dem pompösen palastähnlichen Bau des Bürgers S. gegenüber. Auch der ältere Teil der Technischen Hochschule gehört noch dieser Zeit edler Einfachheit an. Alles Moderne ist geschmückter, wobei natürlich viel mehr Gelegenheit zur Entfaltung gegeben war. Karlsruhe war unterdessen der Sitz einer Architekturschule am Polytechnikum und einer Kunstschule und einer der belebenden Mittelpunkte des süddeutschen Kunstgewerbes geworden. Aber wir sehen noch immer mit Freude die Anregungen jener einfach-schönen Bauweise nachwirken, die besonders auch in der Verwendung des ungetünchten Braunrot des Buntsandsteins schöne Vorbilder gegeben hat. Die einfachsten Bauten der badischen Staatsbahn, aus grau beworfnem Backstein mit Fenster- und Türeinfassungen aus buntem Sandstein, konnten der Privatarchitektur zum Muster dienen und sind mit großem Glück z. B. in neuen Familienhausanlagen Freiburgs nachgeahmt.
Welche Wandlung hat dieser neuerweckte Kunstsinn aber erst in der alten Schwarzwälder Industrie bewirkt! Welcher Fortschritt von den karminroten Rosen auf dem weißen schön lackierten Schild der Schwarzwälderuhr von einstmals und den kunstvollen Aufbauten von geschnitzten Wand- und Regulatorengehäusen, die ein Besuch der Ausstellungen in Triberg oder der Uhrmacherschule in Furtwangen zeigt! Nicht früher als im Anfang der siebziger Jahre hat dieser künstlerische Aufschwung begonnen, also ziemlich gleichzeitig mit dem Erwachen aus dem allgemeinen Verfall, der das Gewerbe so ziemlich zwei Menschenalter immer tiefer aus dem römisch-französischen Stil des ersten Kaiserreichs durch den Biedermeierstil bis zur äußersten Verarmung der fünfziger Jahre hinab geführt hatte. Die Pariser Ausstellung hatte zuerst auf dem Gebiet der Uhrenindustrie eine so große Überlegenheit in der Ausstattung der Werke aus dem französischen Jura über die der Schwarzwälder und Schweizer gezeigt, daß man schon damals die Reform der Zeichen- und Schnitzschulen ins Auge faßte. Zuerst erschien nun ein merkwürdiges Gemisch des gewohnten Gewöhnlichen mit schulmäßig-klassischen und Renaissancemotiven, das sich sehr festgesetzt hat, und nur langsam hat sich das selbständige Kunstvermögen der Alemannen daraus wieder erhoben. Die künstlerische Ausstattung blieb nicht bei den Uhren stehn, sie hat sich auf alle Schwarzwälder Industrien ausgebreitet, und neue Zweige der Kunstindustrie haben sich besonders an die schon lange gepflegte Holzbildhauerei angeschlossen. Die Aufgaben werden auch hier immer schwieriger, aber ohne dieses Aufraffen hätte der Wettkampf mit den Nachbarindustrien nur mit Niederlagen auf der ganzen Linie geendet, während nun die Schwarzwälder Industrien ein zwar mühsames, aber stellenweis immer noch recht erträgliches Leben führen. Auch sie gehören zu dem, was im Schwarzwald den Wandrer anzieht und ihm Sympathie mit dem ebenso fleißigen wie findigen Volke einflößt.
Das Hausieren mit Schwarzwälder Holzwaren soll bis ins frühe Mittelalter zurückgehn, die »Glasträger« haben ihre zuerst sehr einfachen Gläser wahrscheinlich schon im sechzehnten Jahrhundert ins Rheintal und in die Nachbarländer getragen. Ein Glasträger soll aus Böhmen im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts die erste Holzuhr in den Schwarzwald gebracht haben, die dann die geschickten »Schnefler« (Schnipfler, Schnitzer) nachmachten, und aus der die große Schwarzwälder Uhrenindustrie hervorgegangen sein soll. Aber das war überhaupt die Art der Hausierer, daß sie von ihren Wanderungen alles mitbrachten, was die Heimat brauchte, und die Heimat erhielt dadurch manche Anregung zu neuen Erzeugnissen. Wie die Hausierer organisierte Gesellschaften bildeten, die in alljährlich wiederkehrenden Versammlungen der Heimgekehrten in Triberg, Steig und andern Orten ihre Absatzgebiete verteilten, Preise bestimmten und sich Gesetze gaben, das möge der Leser in Trenkles Geschichte der Schwarzwälder Industrie (1874) nachschlagen. Man muß den Hut abziehen vor diesem Fleiß, dieser Selbständigkeit und diesem Sinn für billiges, gesetzliches Handeln. Es gibt kaum ein Gewerbe von der einfachsten Holzarbeit und Strohflechterei bis zur kunstvollen Baumwollweberei und Uhrmacherei, das die Schwarzwälder nicht aus eigner Kraft in der Form der Hausarbeit bei sich eingebürgert hätten. Natürlich hat sich keines ganz in dieser Form erhalten lassen, und besonders in der Uhrmacherei hat die Großunternehmung an der Notwendigkeit der Verfeinerung des Mechanismus und der künstlerischen Ausstattung Bundesgenossen erhalten, gegen die sogar jene Handfertigkeit nicht aufkommt, die einst die berühmten genauen Schlaguhren bis auf das letzte Rädchen aus Holz zu schaffen wußte.
Die Industrie hat sich im Schwarzwalde hauptsächlich auf den Hochebenen entwickelt, die sich in breiten Wellenhügeln, an die schwäbisch-bayrische Hochebene erinnernd, vom Schwarzwald östlich abdachen. Im östlichen Teil, in der Baar, ist diese Landschaft getreidereich und reich an stattlichen Dörfern. Die Breg, der Donauquellfluß, windet sich hier langsam durch ihr Wiesental zwischen Baumgruppen hin. Wer in diesem Tal aus der Alb dem Schwarzwald zuwandert, der mache in Donaueschingen Halt, wenn auch nicht wegen der schön gefaßten Donauquelle. Er betrachte sich einmal diese stille Residenz des reichsten deutschen Standesherrn und besonders die wundervollen Sammlungen, die der Fürst von Fürstenberg dort vereinigt hat und mit freiem Sinn und freigebig verwalten läßt. Die Bibliothek, die Urkundensammlung, die Gemäldesammlung und das geologisch-paläontologische Museum sind ebenso viele bedeutende Sehenswürdigkeiten. Das kleine Städtchen der Baar ist durch sie ein geistiger Mittelpunkt geworden. Leute wie Scheffel, Riezler, Baumann haben hier gelebt und gearbeitet. Wie gut wäre es, wenn viele Glieder unsers hohen Adels dieses Beispiel nachahmten; und wie viel besser noch, wenn sie nach dem Beispiel eines Duc de Broglie, eines Duke of Argyll selbst mit Hand anlegten. Krupp hat nicht bloß ein interessantes Waffenmuseum, sondern auch eine schöne geologische Sammlung zu zeigen, und seine Privatbibliothek ist ansehnlich. Der verstorbne Gruson hatte die schönsten Orchideen und Kakteen, die in Deutschland eines Privatmanns Garten zieren. Es ließen sich noch viele Namen nennen. Aber im allgemeinen ist das alles gar nichts im Verhältnis zu dem, was bei uns Staat und Körperschaften für Wissenschaft und Kunst leisten müssen, und noch mehr außer Verhältnis zu den Mitteln jener Leute. Um so erfreulicher ist das Bild, das Donaueschingen gewährt. In dem an seltenen Bäumen reichen Schloßgarten erhebt sich das jetzt eben vollendete neue Schloß als ein stolzer Renaissancebau, neben dem das aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts stammende »alte« Schloß nur ein gemütliches ländliches Herrenhaus von etwas größern Verhältnissen ist. Dieses war seinerseits an die Stelle des Hüfinger Schlosses getreten, das einer ganz andern, feste Mauern und sichere Gänge liebenden Zeit angehörte. Die neuen fürstlichen Bauten in Donaueschingen erinnern ausfallend an Karlsruher Vorbilder, durchaus nicht zu ihrem Nachteil; sie sind von einheimischen Künstlern entworfen und ausgeführt.
Die Fürsten von Fürstenberg sind stolz, die Herren der Donauquelle zu sein, in die in kräftigern Zeiten die hohen Besucher hineinsprangen, um ein Glas auf das Wohl der Herrschaft zu leeren. Die Gelehrten wollten ihnen diesen schönen Besitz streitig machen, indem sie sagten: Wohl entsteht die Donau bei Donaueschingen durch die Vereinigung der Breg und der Brigach, aber deren Quellen sind die Donauquellen. Hier sagt man aber: Der aus der Donauquelle im Donaueschinger Schloßhof herausfließende Bach vereinigte sich früher mit der Breg und Brigach bei deren Zusammenfluß und hieß Donaubach. Also liegt hier die Quelle. Einerlei, die offizielle Donauquelle ist ein großes, ungemein klares Wasser in einem kreisrunden Becken mit monumentalem Steingitter. Den Zweifler belehren monumentale Inschriften und Bilder. Auf der einen Seite »Bis zum Meer 2840 Kilometer,« auf der andern »Über dem Meer 678 Meter,« darüber thronend eine Quellnymphe, zu deren Füßen ein Kind die Quelle aus voller Vase ausgießt, und endlich im Kreis die Steinbilder des Tierkreises. Das Ganze, von Linden und Ahornen überschattet, ist ein reizendes Stück Natur und Kunst, dem wir nur die leeren, zwecklosen, gemeinen Zinkvasen auf der Balustrade wegwünschten.
Donaueschingen liegt frei auf weiter Hochebene. Gehn wir dem Schwarzwalde zu, so treten breite, flache Höhenzüge erst noch weit auseinander und lassen den Blick in die Ferne schweifen; dann nähern sie sich einander und führen sachte ins Gebirge über, indem sie den Fluß und den Weg von beiden Seiten immer mehr einengen und ihre hohen Tannen näher heranschieben. Dabei wird da und dort in der Flußrinne der Felsboden sichtbar, erst roter Sandstein, dann Granit, und zuletzt rinnt das Wasser an dunkeln Felsblöcken hin, die sich von dem ganz überrasten Talboden abheben. Das ganze Bregtal bis auf die Höhe hinauf ist aber immer nur von denselben flachen Wölbungen eingerahmt, und auch in der Ferne taucht kein höherer Gipfel auf, bis bei dem neuerdings von Sommergästen viel besuchten Oberbrand plötzlich das ausgedehnte Alpenpanorama im Süden und die südlichen Schwarzwaldgipfel im Westen auftauchen, worauf dann über Neustadt auch der höchste Schwarzwaldberg, der Feldberg, erscheint, der zwar an Höhe, kaum aber in der Form die bescheidnern Wölbungen übertrifft. Er zeigt im obersten Teil eine leichte Abweichung von der einfachen flachen Kurve, eine Annäherung an einen Gipfel, der aber doch flach ist. Und so kommt man eigentlich aus dem Hochebnenhaften nicht heraus, bis man in das Höllental hinabsteigt, wo der schmale Taleinschnitt das Großartige bewirkt, das die Erhebung nicht vermochte. Bei dem kühnen Felsenturm des Hirschsprungs erinnert man sich an ähnliche Bildungen im obern Bodetal und an so manche andre Felsklippen an den Hängen dieses oder jenes Mittelgebirgstales. Es zeigt sich darin das allgemeine Gesetz, daß die scharfen Formen in unsern alten Gebirgen nicht wie in den Alpen den Gipfeln und Kämmen, sondern den Taleinschnitten angehören. Deswegen ist auch das schönste am Feldberggipfel, der mit seinem gastlichen Hause dort herüberwinkt, genau wie beim Brocken, der Rundblick, der hier allerdings ein Alpenpanorama umfaßt, wie man es in den Alpen selbst nicht findet, und dazu den Blick ins Rheintal bis in die Vogesen hinein.
Die Hochebene der Baar senkt sich als ein ununterbrochen wohl angebautes Land zum Bodensee hinab. Im Westen tauchen an ihrem Rande die kalkgrauen Abfälle des Randen und die altvulkanischen Kegel des Hegau hervor. Das Nordufer des Bodensees aber gehört zu den ausgedehntesten Weinlandschaften Deutschlands. Von den Höhen hinter dem mauer- und türmereichen Meersburg, wo das Grabkirchlein herabschaut, neben dem das rührend einfache Grabdenkmal der Annette von Droste-Hülshoff steht, bis über Hagenau hinaus ist der ganze sanfte Abhang ein einziger Weingarten; das lichte Mattgrün der Reben bedeckt einförmig dieses Gestade, so wie in Flachländern Wiesen oder Rübenfelder weite Flächen einnehmen. Steigt man auf engen Wegen die heißen Wände hinauf, wo der edelste Seewein, der Meersburger, ausgebrütet wird, so sieht man auf der Hochebene Hopfengärten, Obstbäume, Kleefelder, aber meilenweit kein Getreide. Dahinter steht in der Ferne wieder der dunkle Rand des Waldes.