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Zwanzigstes Kapitel.
Fest-Vorabend. Die nächtliche Runde

Nach allseitiger Begrüßung, die reich an bedeutsamen Auftritten war, senkte sich endlich die Dämmerung des Festvorabends stiller und dichter über den Klosterhof, und die Gäste, teils noch von der Reise müde, teils nach den aufregenden Vorfällen Ruhe suchend, zogen sich in ihre Zellen und Zimmer zurück.

Im Vorgefühl einer seltenen Feier waren auch die übrigen Bewohner des Hauses nachdenklicher geworden, und erholungsbedürftig verlor sich eines um das andere.

Das Haustor schloss knarrend; Nacht war's; über dem massiv aufstarrenden Klosterbau wölbte sich ein wolkenloser Nachthimmel voll zuckender Sterne; die Milchstraße zog über dem stumpfen Turme hin … Was ging da oben auf den Miriaden von Welten vor, die nur bestimmt scheinen, in den schwarzen Locken unserer Nacht als Diamantenschmuck zu funkeln? … Was geht in der kleinen Welt des Klosterhofes vor? … Welche offenen und geschlossenen Augen durchwandern in traumhafter Rückschau noch einmal ein Leben voll Erinnerungen? Welcher Kämpfe, Bedrängnisse, Leiden und Freuden wird gedacht, deren Zeuge die lauschende Nacht jetzt ist? … Horchen – sehen wir selbst ein wenig in stiller Umschau …

Hier sitzt in seiner Zelle der erst abends angekommene, geräuschlos einquartierte Doktor und Professor der Philosophie. Ein Manuskript liegt vor ihm: seine Lebensgeschichte, sauber, mit festen Zügen verzeichnet. Wenig ist's, was der Mann erlebt hat, umso bedeutungsvoller erscheint ihm jeder Zug. Er hat sich nicht wie andere in den Kampf des Lebens großer Städte begeben, war seiner alma mater treu geblieben, habilitierte sich daselbst, vertiefte sich mit scharfem, rastlosem Geist in seine Wissenschaft, macht später »kritische Gänge« durch die verschiedenen philosophischen Systeme, lichtete hier furchtbar aus, geriet in hundert Fehden mit Kathederkollegen, und herb, rücksichtslos, scharf wie ein geschliffener Diamant, von erschreckender Klarheit und Härte in seinen Ansichten, ist er zum starren Sonderling geworden, persönlich gefürchtet und geflohen, von der wissenschaftlichen Welt aber hochgeachtet, ja bewundert.

Da sitzt er und durchspäht mit beinahe feindselig-kritischem Auge seinen Lebensabriss, ob keine schwache Stelle vorhanden, alles wohlgefügt sei, damit die Angriffslanze eines Gegners nicht etwa durch einen logisch-losen Panzerring eindringen könne. Weiß er doch – es war seine einzige Erkundigung im Klosterhof – dass sein Kommilitone, gegenwärtig ebenfalls Professor der Philosophie und seit Jahren sein wuchtigster Gegner schon seit heute Morgen angekommen ist … Der Schluss seines Lebensbildes lautet:

»Nicht in die Weite und Breite des Lebens zu streben, von der bunten Mannigfaltigkeit der Erlebnisse fort- und aus bewusster Eigenheit gerissen zu werden, war mein Ziel, vielmehr zur geistigen, unentwegbaren Zentralleuchte zu werden, die das gestaltenreich umwogende Leben im wahren Lichte der Vernunft erscheinen lasse.«

Welch' ein Zufall – bedenklich und folgenschwer!

Auch der Gegner, welcher drei Zellen weiter an seinen Lebensabriss eben auch die letzte Hand angelegt, schließt mit demselben Gedanken, fast mit denselben Worten seinen Vortrag ab.

Wird nun derjenige, welcher diese Pointe seines Lebensbildes zuerst zum Besten gibt, die Gelehrtenempfindlichkeit des Gegners nicht stacheln, seine objektiv-abstrakte Sentenz jählings in eine giftig-subjektive Anzüglichkeit zu verwandeln, unter Hinweis auf die großen und kleinen Leuchten der Gelehrtenwelt, die verschieden sind wie Sonne, Mond und Sterne – des Laternchen eines Johanniskäferchens nicht zu vergessen, das im holden Dunkel zwischen Blätterdickicht umirrt?

Welch' ein Keim von Zank und Streit, der später in heidelberger und jenenser Heften milde Schösslinge treiben kann! …

Da sieht es in einer Zelle ebener Erde schon heimlicher aus.

Dort ist ein dritter Kollege, ein Professor der Ästhetik, einquartiert. Bei noch rüstigem Aussehen umwallen schneeweiße Locken sein wohlgenährtes, weinrotes Gesicht, aus welchem eine gewisse Bonhomie spricht. Diese besitzt der Mann wirklich; nur hat er seine Aversion gegen Katzen und junge Poeten. Für ihn hört die deutsche Literatur hinter Goethe und Schiller platterdings auf. Seine Hefte, eine Kompilation aus allen erdenklichen Literaturgeschichten und Werken über Ästhetik, sind und bleiben unverändert seine Führer im Hörsaal. Seitdem einer seiner Hörer vielbelobter Lyriker geworden, übertrifft sein Hass gegen junge Poeten noch jenen gegen getigerte Kater. Das Abonnement der »Blätter für literarische Unterhaltung« hat er aufgegeben, als der junge Poet darin wärmstens empfohlen war; und als ein gelehrtes Fachblatt später »mit Befriedigung« die Mitteilung brachte, dass der treffliche Lyriker auf den Lehrstuhl einer mitteldeutschen Hochschule berufen sei, trug er auf Ausschluss des Blattes aus dem Lesezirkel an. Es erschien ihm unverzeihlich, Talent und Erfolg zu haben, ja Professor der Ästhetik zu werden, nachdem der Betreffende beim Examen beinahe »geworfen ward«, da ihm von den sieben tradierten Lesarten einer Stelle Vergils nur zwei (allerdings die besten) geläufig waren.

Das alles sieht man dem Manne freilich nicht an, wie er jetzt dasitzt in seiner Zelle, vor sich eine Flasche Medoc, daneben einen seltenen Imbiss und im Gemüt ungetrübtes Behagen. Seine ehrwürdige Erscheinung hatte den Erfolg gehabt, dass ihm »ja angeboten wurden Weine und Delikatessen«; und so wird er wohl auch noch die zweite Flasche entkorken, bevor er sein Lager aufsucht und vom »Bruder Schlaf« in die Arme geschlossen wird …

»Wie? Was? Eine Ratte?« … Nein, nein, das bemooste Haupt ist's, das dort im Stroh einer Scheuerecke rauscht. Strander hat sich etwas übernommen. Die Kunde von Delikatessen und Weinen war auch zu ihm gedrungen, und da er sich den Zutritt in den Keller nicht erzwingen konnte, schloss er sich dem Theaterdirektor an, dem auf Befehl der Frau Heimann endlich »ja auch angeboten wurde«. Dem humoristischen Direktor und seiner Unterhaltungsgarde kam der »Bemooste« gerade recht, und so wurde er, unfähig viel zu ertragen, unter den Tisch gezecht, und dann als unbewusster Narr von zwei bewussten Kulissennärrlein – fern von den Zellen würdiger Bewohner – in die Scheuerecke gelegt, um seinen Nebel auszudampfen. Dort ruhe denn, Verlorener! Du brauchst um einen Vortrag Deines Lebensabrisses nicht besorgt zu sein. Du erscheinst – und Du bist für jeden, der Du bist. Es wehrt sich selbst das Scheuerstroh, Dich ruhig zu tragen; wirst Du das Licht des Jubiläumstages ohne Beklemmung ertragen? Wirst Du Dich im Kreise vieler würdiger Kollegen selbst ertragen? …

Ein bleiches, fast gespenstisches Antlitz erscheint im Fenster dort und starrt in die Nacht hinaus. Der Untersuchungsrichter ist's, der die Ruhe nicht finden kann, nicht sucht. Er hat den Strander nach der Scheuer tragen sehen und die Witze gehört, mit welchen die Theaterkäuze ihre bemooste Last auf das Stroh fallen ließen. Aus dem Fenster eines gegenüber befindlichen Hofzimmers fiel ein zuckender Lichtschimmer auf die Szene. Mit einem weinselig-satirischen Gesichte, das, von unten auf beleuchtet, sich seltsam ausnahm, sah der Theaterdirektor »seine lustigen Jungen« den Kollegen zur Ruhe tragen. Er dachte der vielen tollen Streiche desselben in der Fülle strotzender Jugend und gibt sie seiner Weinlaune ohne Reflexion zum Besten; anders der tiefernste Untersuchungsrichter. In der kläglichen Rolle, die Stranders bewusstloser Leib soeben gespielt, erblickt der stille Zeuge da droben den schmerzlichen Untergang einer reichbegabten Natur. Er erinnert sich an Strander als trefflichen Studiosus, als hoch bewährten Freund, als Augenweide der Universitätsschönen, als Hoffnung wackerer Eltern, der Wissenschaft, des Vaterlandes … Wohin ist das alles? Ein Wanst, über welchem nur dann und wann ein wüster Kopf wach wird, um in neuem Genusswahnsinn sich zu entwürdigen, zu vernichten.

Das bleiche Gesicht wendet sich ab, entfernt sich vom Fenster. Will der ernste Mann endlich zur Ruhe gehen? Wenn dies nur auch von ihm abhinge. Sinnend steht er eine Weile, auf die Lehne eines Armstuhles gestützt, dann rückt er diesen sachte an die Zwischenwand des Zimmers und lässt sich nieder. Er will nicht horchen, und doch horcht er. Es ist nicht das Horchen eines polizeilichen Verderbers, es ist die Aufmerksamkeit eines teilnehmenden Freundes, eines tiefbewegten Nachbarn. – Da drüben, an die Zwischenwand gerückt, steht ein kleiner Schreibtisch, mit Heften und Notizblättern bedeckt, man hört dann und wann eines derselben wenden, aufheben und weglegen.

Der Oberschulrat, welcher am Tische sitzt, nimmt ebenfalls noch die letzte Durchsicht seines einfachen, aber tadellosen und segensreichen Lebens vor; seinen milden Ernst verklärt ein Schimmer jeder Seelenstimmung, die sagt: »Du darfst zufrieden sein« … Ein Bild wehvollen Gegensatzes, erscheinen in der schwachbeleuchteten Tiefe des Zimmers, auf einem Sofa sitzend, seine beiden schönen Töchter. Sie halten sich umschlungen. Die Blonde hat ihr Haupt an die Schulter der Schwester gelehnt, die Locken wallen ungebunden nieder. Die ältere Schwester sitzt aufrecht, tiefe Schwermut spricht aus ihren Mienen: ein mächtiger Entschluss, das Ergebnis einer Unterredung, die flüsternd geführt worden ist, gibt der bleichen, herrlichen Stirne einer schmerzlich energischen Ausdruck. Von der Sehnsucht war eben die Rede: stille, unversehens dahinzuscheiden und ein Geheimnis mitzunehmen, das nicht enthüllt werden kann, ohne dem kränkelnden Vater ein jähes Ende zu bereiten und sich selbst vor Gericht der schadenfrohen Öffentlichkeit als Beute auszuliefern. Die Furcht, es könne auch ohne ihr freiwilliges Bekennen das Geheimnis enthüllt und das stille Scheiden aus der Welt unmöglich werden, hat den Entschluss gereift, dem die ältere Schwester fest ins Auge schaut – den die jüngere Schwester noch nicht ganz zu denken wagt, indem sie die Arme zitternd um den Hals der Stärkeren schlingt, die Stirne an deren Schulter lehnt … Der Oberschulrat hat die Kinder wiederholt gemahnt, zur Ruhe zu gehen, jetzt beendet er seine Lektüre, deren Abschluss lautet:

»So habe ich gelebt und gestrebt als Mensch, Familienvater, Lehrer und Bürger meines Landes. Hätte ich keinen andern Lohn erreicht, als die Befriedigung, sagen zu können: mein Bemühen blieb nicht ohne Früchte, ich wäre schon zufrieden. Mir aber ist ein besserer Lohn geworden, glücklich zu sein in wohlgeratenen Kindern …«

Er blickt auf – er bemerkt die Töchter, welche ihre Umarmung eben lösen – und sagt mit sanft verweisendem Tone:

»Noch immer hier und wach? Zur Ruhe, Kinder, zur Ruhe; wir haben einen schönen Tag vor uns und wollen ihn wohlgemut erleben und begrüßen! …«

Ganz anders lauten die Worte, mit denen der Abend im Zimmer Nr. 8 abschließt. Schon den ganzen Tag über war die Justizrätin hinter ihrem Manne her, die auf ihr Betreiben eingefügte und vom Einfluss der Frauen handelnde Stelle seines Lebensabrisses immer wieder zu verbessern und endlich in eine unverhohlene Lobeshymne auf sich selbst umzuwandeln. Sie wollte durch den Mund ihres Mannes gefeiert sein und wissen sollte die Welt, dass der Justizrat, was er ist, durch ihren »höheren weiblichen Einfluss« geworden sei. Stille seufzend, der Wucht dieses Einflusses willenlos erliegend, gab der Gatte nach und suchte nur hie und da mit einem milden »Liebe Gattin!« eine schüchterne Mäßigung in die stilistische Fassung zu bringen – vergebens. Ein schrilles »Mathias!« fegte die Verbesserungslust hinweg, so dass endlich genau so, wie die hochweibliche Lebneslenkerin es wollte, die Hymne »auf die Frau aller Frauen!« im Hefte stand … So wurde vor dem Schlafengehen nur noch der Vortrag dieser Stelle diskutiert, die Rätin selbst las sie dem unglücklichen Gattenopfer wieder und wieder vor, bis der Resignierte sagte:

»Jetzt steht die Auffassung fest, meine Liebe; lass uns zur Ruhe gehen – geh' Du voran; ich möchte dem Rest dieser Flasche nicht gerne entsagen.«

Die Gattin wendet sich nach dem entfernten Ende des Zimmers, aus sie den Justizrat mit etwas schwerer Zunge sagen hört:

»Wäre doch Freund Heimann morgen hier, dass ich ihm danken könnte für dies Lebensöl, das mich aufrecht hält in dieser …«

»Mathias!« ertönt die Gattenstimme aus der Ecke herüber.

»In dieser meiner Liebe und Freude«, schließt der Justizrat schnell, und »Heimann hoch!« sind für heute seine letzten Worte …

Und »Heimann! Heimann!« tönt es auch im Zimmer Nr. 11 zu dieser Frist. Aber es ist ein Ruf des Schreckens, des Entsetzens; die Stimme der Frau Heimann ist es, die ihn ausgestoßen, und in der Tat nicht ohne Grund. – Frau Heimann hatte die letzten Stunden des Tages in rastloser Tätigkeit zugebracht, um sich und den Frauen Zutritt in die Versammlung der Jubilare zu erwirken und beim Arrangement des Festbanketts die Leitung an sich zu bringen. Es gelang ihr beides ganz nach Wunsch, und die hantierte mit großem Geschick, ja mit beinahe wilder Energie, der sich auch Meinböck und das Hauspersonal anfangs mit Widerstreben, dann mit aufgeräumter Ergebung unterwarfen. Als gern und viel lesende Freundin der Journale hatte Frau Heimann bald begriffen, dass das Jubiläum ein lohnender Gegenstand für Festberichte sei, und so telegraphierte sie aus dem nahem Badeorte zwei befreundete Journalisten herbei, um den Berichten ein ihr beliebtes und auch sie feierndes Gepräge geben zu lassen. Zufrieden mit ihren Erfolgen, hatte Recha schließlich keinen sehnlicheren Wunsch mehr, als ihren Mann ankommen zu sehen und mit ihm einige Pointen seines Lebensbildes festzustellen. Allein Heimann kam nicht; der Abend war hereingebrochen, es wurde Nacht, es wurde still und stiller im Klosterhof – Heimann ließ sich nicht sehen. Dies musste umso auffallender erscheinen, als die letzte Depesche bereits von der nächsten Station abgesendet war – leider aber auch fast unverständlich lautete. Auf Rechas telegraphische Rückfrage wurde nur erwidert: »Befragter sei bereits weiter gereist.« Frau Heimann war um elf Uhr nachts so klug – freilich auch umso aufgeregter – als zuvor. Schon wiederholt war angesichts der Unruhe seiner Gnädigen der glattrasierte Diener in Versuchung gewesen, sein Geheimnis auszuplaudern; endlich beschloss er, seinen Herrn im Versteck noch einmal aufzusuchen und ihn auf den Knien zu beschwören, dem Jammer seiner Gattin ein Ende zu bereiten und vor ihr zu erscheinen. Wie erstaunte er aber, die Zelle des Gebieters leer zu finden; wie erschauerte er, weiter spähend, in der anstoßenden Zelle seinen Herrn – in Gesellschaft des furchtbaren Kapuzinermönches zu erblicken! … Mit den religiösen Vorgängen seines Herrschaftshauses als echter Vertrauensdiener nicht unbekannt, überkam den »Glattrasierten« eine unheimliche Ahnung von den möglichen Folgen einer solchen Zusammenkunft – und ohne weitere Überlegung, der augenblicklichen Beklemmung seines Herzens folgend, stürzte er aus der Zelle fort, geraden Weges nach dem Zimmer der Frau Heimann, wo er mit verstörter Miene und stotternd der Gebieterin zu Füßen fiel und gestand, dass der gnädige Herr bereits längere Zeit im Hause sei und – wer weiß wie lange – mit dem unzweifelhaft bekehrungswütigen Mönch vertraulichen Umgang pflege!

Eine Pause des Erstarrens; dann ein dumpfer unartikulierter Schreckensruf der Herrin war die erste Wirkung dieser Kunde; dann folgte ein zweiter Ruf, ein Ruf unmessbaren Entsetzens, als die nach dem Korridor führende Türe aufging und – Heimann in das Zimmer trat, in einer Haltung mit einer Miene, würdig eines Hamlet, wie ihn Ophelia schildert und wie er zum ersten Male als Wahnsinniger auf die Bühne tritt.

Gebeugt, mit unsteten Blicken – es fehlt nur der schwarze Mantel und das hängende Strumpfband – erscheint Heimann-Hamlet an der Türe; er stiert den Diener an, dessen Gegenwart ihm unerwartet und lästig erscheint, gibt ihm mit rollenden Augen einen Wink, sich aus dem Zimmer zu scheren, versetzt dem in Eile Abziehenden noch einen Streich in den Nacken – und schreitet dann auf seine Gattin zu, mit schwermütigem Tone die Worte sprechend:

»O! finde ich Dich endlich – habe ich Dich endlich, liebreizende Recha?«

Ein schmerzlich angstvoller Ausruf: »Heimann! Heimann!« ist Rechas Antwort.

Hierauf nähert sich Heimann wieder einige Schritte, legt den Zeigefinder auf die Lippen und sagt halblaut:

»Sind wir ohne Verräterzeugen, Holde?«

Recha, auf ein Sofa gesunken, sprachlos, nickt nur mit dem Kopfe, dass er ungestört reden möge, worauf Heimann sich auf ein Knie niederlässt, die Hand der Gattin ergreift, sie küsst und dann wehmütig seufzend sagt:

»Fort – fort von hier, Recha … Meine Seele ist in Gefahr! … Sei meine Heldin, meine Retterin, Recha! Ich habe gefehlt – ich wollte einige Stunden unerkannt im Klosterhofe weilen, bin zu meinem Verhängnisse Zellennachbar eines seelengewaltigen Mönches geworden, der mich entdeckt, im Gewissen überwältigt und nahe dahin gebracht hat: in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückzukehren!«

Ein schmerzliches Stöhnen entringt sich der gepressten Brust der Gattin.

»Du fliehst mit mir – oder ich ende in einem Kloster meine Tage!« sagt Heimann und erhebt sich.

Bei diesen Worten ist Recha plötzlich wie mit einem Zauberschlag verändert. Sie springt auf, ruft das Kammermädchen herbei, schickt nach dem Glattrasierten und noch einem Diener, lässt Koffer und Schachteln herbeischleppen und packen und fällt ihrem Heimann mit dem Ausruf in die Arme:

»Gerettet! Gerettet! Mein Gatte! Du sollst der Gefahr – sollst der Nähe dieses furchtbaren Priesters entzogen werden! Wir entfliehen unverzüglich! …«


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