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Zwanzigstes Kapitel.
Am Ziel

 

Gut Nacht, ihre Herrn –
Ich bin's, der heut mit Recht der Sieger heiße.

Shakespeare

 

Einige Tage später durchschritt Florian an der Hand seines Freundes, des Friedländers, einen großen Bauernhof im Dorfe Täussen und merkte wohl auf, was der große Kenner und Beschützer lobend oder tadelnd erinnerte. Der Hof war Florians Eigentum geworden, ihn sollte er fürder als Herr bewohnen und im Umkreis dieses Aufenthaltes sollte sein künftiges Leben und Lebensglück wurzeln und gedeihen.

Der Friedländer war schon reisefertig, als er an der Seite Florians den Hof noch einmal durchschritt, dann, als es mit vielen guten Andeutungen und Lehren zu Ende war, sagte er:

»Noch ein Wort über deine Erlebnisse aus letzter Zeit, Florian, komm, setzen wir uns in den Schatten eines Baumes.«

Sie gingen nach dem Garten und, unter einen Nussbaum gelagert, fuhr Friedländer fort:

»Sieh da hinab und freue dich dieses Plätzchens! Bei heller Lust wie heute hast du deinen vorigen Wohnort mit der Gegend klar vor Augen, und manchmal wirst du abends auf dieser Stelle sitzen und deiner Leiden und Freuden aus den Tagen deiner Armut gedenken. Florian, jede Schule hat ihr Nützliches, und das Leben ist auch eine Schule; deine letzten Erlebnisse könnte leichtlich in Sprüche der Weisheit gebracht und zum Frommen vieler aufbewahrt werden. Ich aber will dir nur Zweierlei noch sagen.«

Nach einer Pause stillen Vorsichhinsehens sagte er weiter:

»Dich wird es wachend und träumend beunruhigen, wie und womit du all die Bitten und Wünsche der Leute befriedigen sollst; es haben sich Würdige und Unwürdige, Schuldige und Unschuldige an dich gewendet ... Hierüber höre mich ... Seitdem bekannt ist – und seit drei Tagen weiß es jedes Kind deiner früheren Heimat – dass du nicht Millionen, sondern nicht viel mehr als mancher reiche Hofbesitzer hier geerbt, seitdem hat schon der größte Teil der Bittenden seine Anliegen zurückgenommen und wird dich nicht mehr beschweren. Der unverschämte Rat des Grafen wird sich hüten, dich noch einmal ist Schloss kommen zu lassen; die würdige Rätin Fribert hat dir bereits sagen lassen, das sie deiner Hilfe nicht mehr bedürfe, und was unsern guten Hallhöfer anbelangt, da will ich selbst schon sorgen, dass er außer Sorgen komme. Die Sache des Herrn Försters ist nicht so dringend und will näher untersucht sein, ich werde später mit dir drüber reden ... Es bleiben noch Arme und Leidende, die der Hilfe wert und denen mit Wenigem geholfen ist. Hier schreite ein; hier helfe!«

Florian nickte freudig und ließ die Blicke auf der früheren Heimat ruhen; der Friedländer sagte weiter:

»Und jetzt noch eines ... Seh' dich um, du musst eine Hausfrau haben. Nehm' dir ein rüstig Mädel, das wacker schaffen kann und munteren Herzens ist. Auf Geld sehe nicht, aber auf den guten Sinn in ihr. Vielleicht schenkst du mir auch hierin dein Vertrauen, eh' du schon dein Wort gegeben. Aber geheiratet muss sein, ernstlich rat ich dir's, eine Wirtschaft geht nicht ohne Hausfrau ... So«, schloss der Friedländer und stand auf, »Für heute ist mein Amt zu Ende, Florian. Ich gehe. Willst du sonst noch Rat und Hilfe, so schicke oder komm gleich selbst zu mir; du weißt, wie ich's halte; lebe wohl!«

Er hatte diese Worte fest und heiter hingesagt, um Florian nicht weich zu machen; allein es ging doch nicht ohne Wehmut ab.

Florian hatte unwillkürlich nach des Freundes Hand gegriffen, sie fest gehalten und sagte nun bewegt:

»Ich geh' noch eine Weile mit, ich geh' noch mit – erlaubt es mir, ich kann euch nicht so von mir lassen!«

Was war zu tun?

So gingen sie denn eine Strecke miteinander, und der Friedländer, um die Stunde nützlich hinzubringen, unterließ es nicht, noch manchen guten Samen in des Burschen Brust zu streuen.

Er nahm von Neuem das Kapitel auf, von dem er manches schon gesprochen und fuhr dann fort; wie es die erste Lebensweisheit sei, auf Erden mit Behagen mitten unter Gütern zu verweilen, dass man mäßig und zufrieden das genieße, was man habe, dass man, wie es ehrlich angeht, den Besitz über dem Besitze sein Behagen nicht vergesse. Um den Übermut zu bannen, dürfe man nur hinab zur Armut sehen; und um zu lernen, wie man trotz des Reichtums nicht glücklich werde, dürfe man nur mit dem Reichtum wie gewöhnlich schalten sehen –

»Ich wollte, Florian, du hättest meine Augen, meine Erfahrungen – doch ein andermal davon. Wir werden ja noch öfter drüber reden ... Leb' wohl; geh' heim, du hast nun Herd und Heimat; geh' heim, vergesse deine Armut nie, vergesse nie die Armen!«

Der Friedländer drückte ihm die Hand und machte aber, dass er weiter kam, er wollte die bebenden Lippen und feuchten Augen Florians nicht sehen.

Dieser stand nun da – die Sonne ging eben schön wie je zur Ruhe – Wundersames regte sich in seiner Seele.

Der Freund war endlich dort vom Waldesschatten eingetrunken; die Sonne war unter – da lenkte er die Schritte heim – zu Haus und Hof, zu Gut und Geld.

Sein Hauptgedanke war, der Wälser Marianne heimlich Hilfe zu schaffen, der alten Walburg ein Geschenk zu machen und so mancher stillen Armut nachzuhelfen.

Aber sollt man es glauben?

Er fasste auch den Beschluss, in seinem Hause einen Taubenschlag zu bauen und – in demselben einsame Stunden ja ganze Nächte zuzubringen!

Wie einem Gefangenen die Zelle, hatte ihm sein Taubenschlag eine stille Neigung abgewonnen, und er konnte nirgends seine Ruhe und Sammlung besser als in so beschränktem Raume finden.

Doch welche Überraschung!

Als er nach Hause kam, saß auf dem Rand des Daches jener graue Cassius und dem Hallhof, der schon manchmal sein Gefährte einsamer Stunden gewesen – er hatte zufällig hier seinen neuen Wohnsitz aufgeschlagen – und ein Weib genommen!

Florian freute sich der lieben Nachbarschaft, und was die Hausfrau angelangt, so wird er sich wohl einst an das Beispiel seines grauen Freundes halten ...

 

Ende

 



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