Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

buchschmuck

Mutter Joachim

An einem feuchten, trüben Tage in den Fasten betrat Susanne Laurier mit schwerem Herzen die Kirche von Savigny, um die Predigt anzuhören. Sie hatte einen Streit mit ihrem Liebsten gehabt, und in ihrem verwundeten Herzen regte sich ein leises Sehnen nach Bekehrung.

Der Abbé, ein schöner junger Priester mit dunkeln Haaren, redete von der Hölle und insbesondere von den Strafen, die dort den Unkeuschen vorbehalten waren. Das höllische Feuer, die Finsternis, die Verstoßung aus dem Angesicht Gottes, eine ganze Ewigkeit von Todesqualen noch vor der furchtbaren Entscheidung – Seligkeit – oder Verdammnis – diese Vorstellungen prägten sich dem leicht beweglichen Hirn Susannes mit allen ihren Schrecknissen ein. Ja, die Foltern, von denen der Abbé sprach, waren ihr bestimmt. Susanne arbeitete ja nie, ihr einziges Geschäft war die Liebe. Sie ließ sich von ihrem »kleinen Jacques«, Jacques Mireur, dem Advokatenschreiber, aushalten – und sie betrog ihn zuweilen noch mit anderen. Nicht zum Vergnügen, Gott bewahre, nein, nur aus Not. Man mußte doch schließlich etwas zu essen haben, man brauchte Kleidung und Wohnung, und Jacques hatte wahrhaftig nicht über große Mittel zu verfügen. Kurz, es war ein schlimmes Leben, was sie führte, es war genau das Sündenleben, wie es der Prediger darstellte. Als die Rede zu Ende war, stürzte Susanne in die Sakristei und warf sich dem Prediger zu Füßen, noch ehe er das Chorhemd abgelegt hatte. Mit großer Geschicklichkeit wußte der Abbé Chadourne diese reuige Seele zu ködern. Er war ein kluger Mann und wußte, daß eine einzige Nacht ausreichen kann, um die guten Vorsätze des Abends zu Nichte zu machen. Deshalb brachte er die Neubekehrte noch denselben Abend nach dem einige Meilen von Savigny gelegenen Hospiz des heiligen Franziskus, dessen geistlicher Vorstand er war.

Das Hospiz war eine aus Privatwohlthätigkeit hervorgegangene Stiftung für verwahrloste, kleine Kinder.

Einige alte Damen leiteten, von Krankenpflegerinnen unterstützt, die Verwaltung. Die Einnahmen des Hauses bestanden in Legaten, die der Stifter hinterlassen, und dem Ertrage der in der Umgegend veranstalteten Sammlungen. Aber die Anstalt war durchaus nicht reich. Die Ausgaben wuchsen von Tag zu Tag, und die Almosen flossen nicht allzu reichlich.

Susanne Laurier wurde den Händen der Vorsteherin, Madame Zyte, überliefert. Zwei Monate hielt man sie noch dem gemeinsamen Leben fern. Sie lebte während dieser Zeit in der Kapelle, im Privatkabinett des Abbé Chadourne, der sie in Religion unterwies, oder in dem Zimmer einer kränklichen alten Dame, deren Obhut man sie anempfahl, und der sie aus frommen Büchern vorlesen mußte. Sie fühlte sich glücklich. Freilich, als ihr die schönen kastanienbraunen Haare abgeschnitten wurden und man sie in ein einfaches schwarzes Kleid mit der weißen Nonnenhaube einkleidete, da hatte sie wohl geweint. Aber bald kam eine süße, mystische Trägheit über sie. Das Niederknieen, die andächtigen Stellungen, die langen, innigen Gebete in der blauen Dämmerung und dem Wachsduft der Kapelle, alles das nahm ihre Sinne gefangen. Sie gewann Geschmack an der Beichte, an diesem geheimnisvollen Flüstern mit einem unsichtbaren Mann.

An die einfache, regelmäßige Kost des Hauses gewöhnte sie sich um so rascher, da sie früher von Gemüsen, unreifem Obst und Kuchen gelebt hatte. Sie begann sich zu ändern. Sie vergaß sogar sich um ihre Schönheit zu kümmern, fing an sich zu vernachlässigen und immer weniger Sorgfalt auf ihren Körper zu verwenden. Und das, was sie früher so nett ihren »Zeitvertreib« genannt hatte, wirklich, daran dachte sie jetzt überhaupt nicht mehr.

Aber leider dauerte diese friedliche Existenz nicht allzulang. Nach einigen Wochen hielten der Abbé Chadourne und Madame Zyte die neue Heilskandidatin für hinreichend geläutert, um das gemeinsame Leben des Hauses zu teilen. Sie wurde zur Krankenpflegerin bestimmt und der Mutter Joachim beigegeben. Mutter Joachim versah außer den Geschäften einer Wirtschafterin die Generalaufsicht über die Küchen und stand der Abteilung für die ganz kleinen Kinder vor. Früher war sie Magd in einer Meierei gewesen und hatte die Manieren und die Sprechweise dieser Zeit beibehalten.

Sie war kurz, dickbäuchig, unförmlich und hatte Hände wie ein Mann, ihre Füße steckten in Socken und Holzschuhen. Sie war eine richtige Trampel in der Nachtmütze. Im Haushalt geizte sie wie der ärgste Filz, man hätte sonst auch die Hälfte der verpflegten Kinder fortschicken müssen.

Als man ihr Susanne brachte, empfing sie dieselbe mit den Worten:

»Nun, es ist wahrhaftig Zeit, daß man Sie zum Arbeiten herankriegt. Oder meinen Sie, daß wir junge Damen brauchen können? Eine Besserungsanstalt haben wir hier nicht, mein Engel!«

Susanne würgte ihre Thränen herunter, sie hätte nicht gewagt laut zu schluchzen, während sie der Alten in die Krankensäle folgte. Dort, wo die kleinen, anderthalbjährigen Patienten auf ihren gleichförmigen Bettstellen lagen, war Mutter Joachim wie verwandelt. Das war so recht ihr Beruf, diese kleinen Schreibälge zu pflegen, die mit ihren triefenden Mäulchen und den von Ausschlag bedeckten Stirnen doch so entzückend lächeln konnten und deren schwache, furchtsame Bewegungen so herzgewinnend waren. Die groben Finger der früheren Magd wußten sie mit unendlicher Zartheit zu behandeln, und über ihr ganzes Gesicht, so gewöhnlich mit all seinen Falten und Unebenheiten, verbreitete sich ein Lächeln, wenn sie die Kleinen betrachtete. Für sie allein hatte sie Kosenamen wie »Meine Lieblinge«, für sie, nur für sie geizte sie nicht. Die großartigsten Einrichtungen hätte sie für ihre Kleinen gewollt, sie hätten es so gut und behaglich haben sollen, wie die Kinder reicher Leute, – schön gemalte Wiegen von Drahtgestell mit Tarlatan-Vorhängen. Sie waren ihre Leidenschaft, der sie fröhnte, ihre geheime, kostspielige Leidenschaft – diese kleinen zahnlosen Mäuler waren es, die das ganze Vermögen des Hauses verschlangen.

Die Krankenpflegerei sagte Susanne nicht besonders zu, aber sie hatte solche Angst vor Mutter Joachim, daß sie ihr Unbehagen überwand und sich sogar hin und wieder deren Anerkennung erwarb. Die Alte hatte Susanne vom zweiten Tage an geduzt sie sprach gern mit ihr und fragte sie über ihre Vergangenheit aus. In ihrer naiven Schwatzhaftigkeit erzählte Susanne alle Einzelheiten ihres Abenteuerlebens in der Provinz – bei dem sie schon früh auf die Wege der Liebe geraten war. Sie sprach auch von ihrem kleinen Jacques, selig, seinen Namen aussprechen zu dürfen, ohne damit eine Sünde zu begehen.

Mutter Joachim hörte gespannt zu, dann fragte sie: »War Dein Jaques reich?«

»Sein Vater schon. – Er selbst bis jetzt noch nicht. Aber er war doch immer so lieb mit mir.«

Die Hände über ihrem dicken Bauch gekreuzt, dachte die Alte nach, sie schwankte zwischen dem Wunsch eine Frage zu stellen und der Furcht Susanne zu verletzen.

Endlich entschloß sie sich:

»Was gab er Dir monatlich?«

»Zweihundert Francs.«

»Und wenn – wenn Andere zu Dir kamen, was gaben Dir die?«

»Nun, je nachdem – 20 Francs. – Einige gaben noch mehr!«

Die Alte schüttelte den Kopf, und während sie einem ihrer kleinen Kranken die Windeln wechselte, brummte sie vor sich hin:

»Ist das eine Gemeinheit! Für unsere armen Lieblinge können sie nicht mit zehn Sous herausrücken, aber wenn es sich um ihre unsaubern Vergnügungen handelt, schmeißen sie gleich zwanzig oder hundert Francs hinaus.«

Nach dieser vertraulichen Unterhaltung wurde sie plötzlich schroff gegen Susanne, und hielt ihr beständig vor, daß sie nicht einmal ihr Brot verdiene, daß sie ein Obdach habe ohne etwas dafür zu bezahlen. Die Kleine wurde weinerlich, sie begann immer längere Beichten abzulegen, aber sie klagte nie, sie hatte es schon gelernt im Leiden eine Art Genugthuung zu empfinden.

Eines Tages sagte Mutter Joachim:

»Wenn Du nur etwas mehr Anstand hättest, Kleine, so würdest Du versuchen, auch etwas einzubringen – wenigstens das, was Du uns kostest.«

Susanne mit ihren vom vielen Weinen geschwollenen Augen stammelte:

»Ich will ja alles thun, was man von mir verlangt. – Soll ich sammeln gehen?«

»Ach was, sammeln! Du hast doch jemand, der sich für Dich interessiert, was?«

Sie sagte nichts weiter, Susanne hatte verstanden. Am nächsten Morgen suchte sie Mutter Joachim auf und, indem sie nach jedem Wort eine Pause machte, brachte sie hervor:

»Wenn Sie meinen – daß es ginge – will ich an Herrn Jacques schreiben – und mir etwas von ihm ausbitten ...«

Das Gesicht der Alten strahlte.

»Ei, da hast Du einen guten Gedanken gehabt. Gleich mußt Du ihm schreiben, dem Herrn – bitte ihn – nur nicht gleich zu viel. Sag ihm, daß Du es für Deine Kleidung brauchest – das ist doch wahr? Wie?« –

Nach drei Tagen antwortete Jacques. Mutter Joachim, die es zweifellos nicht für nötig hielt, den Geistlichen oder die Vorsteherin ins Geheimnis zu ziehen, unternahm es, Susannes Brief zur Post zu geben und die Antwort abzuholen.

Jacques sandte fünfzig Francs, mit einigen zärtlichen Worten, die den Wunsch aussprachen seine Liebste wiederzusehen.

Die alte Bauernmagd nahm das Geld und umarmte Susanne.

»Siehst Du wohl, damit können wir einen von unsern Lieblingen ein ganzes Jahr lang füttern. Glaubst Du nicht, daß Du dadurch Deine Sünden eher wieder gut machst, als wenn Du in der Kapelle die Zeit verschläfst?« –

Die nächsten Wochen verflossen angenehm für die Bekehrte. Sie wurde von Mutter Joachim gut behandelt, sie bekam Erlaubnis während der Erholungsstunden mit den andern jungen Krankenpflegerinnen in den Park zu gehen. Der Park war groß und wohlgepflegt, mit blühenden Teppichbeeten im Frühjahr. Susanne vergaß die Welt immer mehr. Das leichtsinnige Leben von früher verblaßte in ihrer Erinnerung. Es schien ihr jetzt fast ebenso weit zurück zu liegen, wie die Zeit, wo sie als Kind an den Bächen von Savigny gespielt hatte. Eines Morgens nahm Mutter Joachim sie beiseite:

»Du hast schon lange nicht mehr an Deinen Herrn geschrieben, Kind – Du solltest es wieder einmal thun.«

Und Susanne that es. Sie schämte sich so sehr, schon wieder zu betteln, daß sie zärtlicher und unterwürfiger schrieb als das erste Mal. Jacques sandte noch einmal fünfzig Francs, erklärte aber, daß er jetzt nichts mehr schicken würde.

»Wenn Du wieder Geld brauchst«, hieß es in seinem Brief, »so besuche mich in der Rue Neuve und hole es Dir selbst! Auf Briefe, die Dir augenscheinlich von Leuten eingegeben werden, die Dich ausnutzen wollen, antworte ich überhaupt nicht mehr.«

Die Alte steckte das Geld ein, und einen ganzen Monat war nicht mehr die Rede von Jacques. Aber in den ersten Junitagen fragte sie Susanne eines Montags:

»Hättest Du nicht Lust einmal etwas hinauszukommen?«

»Hinaus? – In den Park?«

»Nein, nicht in den Park! Mein Gott, Du bist doch nicht im Kloster. Du kannst mit mir ausgehen, ich habe Erlaubnis.«

»Und wohin?« fragte Susanne, die sich nicht vorstellen konnte, daß ihr Kerker sich wirklich einmal aufthun sollte.

»Wir wollen nach Savigny, ich habe für die Anstalt Coupons abzuschneiden. Niemand wird Dich sehen. Wir fahren im geschlossenen Wagen, und Du kannst wenigstens einmal Luft schnappen. Schnell, eine andere Haube aufgesetzt. Madame Zyte hat es erlaubt.«

Es war ein sonderbares Gefühl für Susanne, so im Wagen über die Landstraße hinzurollen neben der alten Frau, die die Zügel hielt. Ganz ungewohnt kam es ihr vor, den weiten, freien Horizont zu sehen, und es war ihr, als ob die große, steinbesäte Ebene, aus der nur einzelne Baumgruppen emporragten, auf sie zukäme, als ob sich ihre Augen und ihre Brust erweiterten, um sie in sich aufzunehmen. Eine Art Trunkenheit kam über sie. Fluchtgedanken kreuzten ihr Hirn, sie hätte nie wieder nach St. Franziskus zurückmögen. –

Aber nein, es war nicht möglich fortzukommen. Da, neben ihr, – die schwarze Kapuze, die beiden Fuhrmannshände, die sich aus den grauen Ärmeln hervorreckten, um die Zügel zu halten – das war ihr Gefängnis, dem sie nicht entrinnen konnte.

An einer Biegung des Weges wurde Savigny sichtbar – Dächer, Schornsteine, Kirchtürme hoben sich von der Ebene ab. Dann fuhr der Wagen durch die Gassen der Vorstädte und dann sah man die Platanen an der Promenade in ihrem staubgepuderten Grün.

Als sie soweit waren, gab Mutter Joachim der Novize einen Ellbogenstoß.

»Nun, Kind, was willst Du denn machen, während ich beim Bankier bin? Im Wagen langweilst Du Dich.« –

Susanne verneinte – ihre Gedanken waren ganz wo anders.

»Doch, Du wirst Dich langweilen, das sag ich Dir. – Ich werde Dich in der Rue Neuve absetzen, bei Deinem Herrn. – Du kannst ihm schnell guten Tag sagen, während ich meinen Geschäften nachgehe.«

Bei den Worten »Rue Neuve« fühlte Susanne, wie ihr Herz unter dem Mieder klopfte. Ein Gewirr von Gedanken ging ihr durch den Kopf. Am meisten beunruhigte es sie, daß sie zu schlecht gekleidet war, um sich vor Jacques sehen zu lassen.

Und sie murmelte:

»Nein, nein – lieber nicht. Ich will lieber mit zur Bank.«

»Ach was«, war die Antwort, »laß mich nur machen. – Ich will Dir nun einmal ein Vergnügen bereiten.« –

Schon lenkte der Wagen in die Rue Neuve ein. Die Alte hielt vor dem Hause, wo Jacques wohnte. Susanne zögerte, aber ihre Begleiterin gab ihr einen Stoß und sagte fast rauh:

»So steig doch aus. In einer halben Stunde hole ich Dich wieder ab.«

Da entschloß sie sich denn, sprang herunter und ging, während der Wagen umkehrte, langsam die Treppe hinauf, die sie in den Tagen ihrer Freiheit so oft erstiegen hatte. –

»Herein!«

Sie öffnete die Thür. Jacques lag im Negligée auf dem Sofa und las einen Roman. Bei ihrem Anblick sprang er auf.

»Was, Du Susanne? Du bist da?«

Er zog sie an sich. Dann betrachtete er sie, – wie war sie verändert, wie jämmerlich sah sie aus in dem schwarzen Kleid, mit ihren kurzen Haaren unter der weißen Haube.

Und er sagte immer wieder:

»Bist Du es denn, Suzon, Kleine, und wo in aller Welt kommst Du her?«

Sie antwortete in abgerissenen Sätzen, erzählte ihm, daß sie zufällig einmal hinausgekommen sei, und daß sie bald wieder zurück müsse.

Dann verstummte sie ganz. Hier in diesem Zimmer, wo sie einst munter und lustig wie ein Vogel herumgehüpft war, kam sie sich ganz verunglückt und so aller ihrer weiblichen Anmut beraubt vor.

Im Spiegel über dem Kamin sah sie ihr Bild, und fand sich so häßlich, daß sie anfing zu weinen.

Jacques wußte auch nichts mehr zu sagen. Er ließ sie auf dem Sofa niedersitzen und liebkoste, küßte sie. Die Erinnerung an die Wonnen, die sie hier miteinander genossen, kam prickelnd über ihn.

Susanne ließ alles mit sich geschehen und schluchzte nur leise. Als er dringlicher wurde, machte sie kaum einen matten Versuch sich zu wehren.

Und dann gehörte sie ihm an, einen kurzen Augenblick, der nicht einmal ihre Thränen versiegen machte.

Als es vorbei war, sah Jacques sie an. Jetzt, wo die Begierde seinen Blick nicht mehr verschleierte, wurde er erst gewahr, wie sehr sie sich verändert hatte. Nein, das war nicht mehr seine kleine Suzon, das war das entzückende Weib nicht mehr, das sie einst gewesen und das er so sehr geliebt.

Er fühlte das und in einer Anwandlung von tiefem Mitleid, wie es auch die Seele des Ungebildeten zu empfinden vermag, wenn sich ihm plötzlich der Einblick in ein gequältes Menschenherz aufthut, beugte er sich über sie und küßte sie brüderlich auf die Stirn.

Über das Straßenpflaster rollte ein Wagen und hielt vor dem Hause. Susanne fuhr in die Höhe, brachte ihre Kleidung in Ordnung und sagte:

»Man kommt mich abholen.«

Jacques wühlte in einem Schubfach, dann hielt er der Novize ein zusammengefaltetes Papier hin:

»Da, aber nur für Dich. Gieb es nicht her.«

Sie nahm es mit abgewandtem Gesicht. Dann schüttelten sie sich die Hände.

»Leb wohl.«

»Leb wohl.«

Und wieder rollte der Wagen durch die öde Ebene, mit ihren spärlichen Baumgruppen hin.

Mutter Joachim und ihre Gefährtin hatten seit der Abfahrt von Savigny noch kein Wort miteinander gewechselt. Gleich beim Einsteigen hatte Susanne der alten Krankenwärterin die Banknote eingehändigt, die diese schweigend in ihre Tasche gleiten ließ.

Die Waldungen von St. Franziskus stiegen am Horizont empor und kamen immer näher. Die Kleine starrte darauf hin ohne etwas zu sehen.

Eine maßlose Traurigkeit lastete auf ihrem Herzen. Von Zeit zu Zeit kam ein Anfall von thränenlosem Schluchzen über sie. Dann warf die alte Magd ihr jedesmal einen heimlichen Seitenblick zu.

Als das Thor des Hospizes sich hinter ihnen schloß, machte Mutter Joachim, während sie das Pferd am Strange faßte um es in den Stall zu führen, Susanne ein Zeichen und als diese herankam, raunte sie ihr zu:

»He, Kleine, Du mußt jetzt zum Pfarrer gehen und beichten«, und als Susanne bei dem Gedanken, ihre Schuld bekennen zu müssen, in Thränen ausbrach, faßte die Alte sie beim Kinn:

»Weine nicht, Kind, wenn Du »das« immer nur in Deinem Leben gethan hättest um unsern armen Lieblingen neue Windeln zu schaffen, dann hättest Du wahrhaftig den Abbé Chadourne nicht nötig, um in den Himmel zu kommen.« –

buchschmuck


 << zurück weiter >>