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Das Fräulein mit der goldenen Katze

Ja« meinte unser alter Freund Tribourdeaux, ein Mann von literarischer und philosophischer Bildung, wie man sie unter Militärärzten selten findet, – »ja, das Übernatürliche ist überall; es umgiebt, bedrängt und durchdringt uns ... die Wissenschaft möchte es greifen, aber es entzieht sich ihrem Bemühen und sie kann es nicht haschen. Unserem Geiste geht es wie den fernen Ahnen, die ein paar Morgen Waldes urbar gemacht hatten: sobald sie den Grenzen ihres Besitztumes nahe kamen, hörten sie dumpfes Gebrüll und sahen die leuchtenden Augen wilder Tiere. ... Ich selbst habe das Gefühl, hart an die Grenzen des Unerforschlichen zu stoßen, mehr als einmal in meinem Leben kennen gelernt ... einmal besonders.«

Eine junge Frau sagte:

»Doktor, Sie wollen eine Geschichte erzählen. Vorwärts!«

Der Arzt schüttelte den Kopf:

»Nein, ich will gar nicht. Ich erzähle diese Geschichte so selten wie möglich, denn sie beunruhigt die Hörer und verstört mich selbst. Aber wenn Ihr durchaus wollt, – meinetwegen.

Ich war 1863 Arzt zweiter Klasse in Orleans. Die Junggesellenwohnungen sind in dieser Adelsstadt, wo man überall vornehme Paläste sieht, selten. Ich brauche Raum und frische Luft und hatte mich deshalb im ersten Stock eines großen Gebäudes eingerichtet, das ganz am Ende der Stadt, dicht bei Saint-Euverte, lag und das ursprünglich einem Deckenfabrikanten als Magazin und zugleich als Wohnhaus dienen sollte. Der Fabrikant hatte Bankerott gemacht und die Riesenbaracke, die, trotz ihrer Neuheit, schon verfiel, weil kein Mensch sich um sie bekümmerte, war um einen Pappenstiel verkauft worden, – mit der ganzen Einrichtung. Der Käufer hoffte, später auf seine Kosten zu kommen, da die Bebauung der Stadtfläche nach dieser Seite ging; und ich glaube wirklich, heute giebt's da ein großes neues Quartier. Als ich einzog, stand das Haus wie eine Schildwache vor dem Lande, am Ausgang einer Straße, die, mit ihren leeren Grundstücken und vereinzelten Häuschen, einem Gebiß glich, in dem ein paar Zähne fehlen. Ich mietete die Hälfte des ersten Stockwerkes: vier Zimmer; die beiden, die auf die Straße gingen, nahm ich zum Schlafen und Arbeiten; in das dritte that ich Bretter und Töpfe mit Blumen; das vierte blieb leer. Mir gefiel meine Wohnung ganz gut. Zum Spazierengehen hatte ich, längs der Fassade, einen großen Balkon, – oder, richtiger, die Hälfte dieses Balkons, denn er war (Ihr hört doch aufmerksam zu?) durch ein niedriges Eisengitter, über das man leicht klettern konnte, in zwei Hälften geteilt.

Seit ungefähr zwei Monaten war ich eingezogen. Da, an einem Juliabend, als ich nach Hause kam, sah ich zu meinem Erstaunen hinter den Fenstern des unbewohnten Logis ein Licht schimmern. Der Effekt dieses Lichtes war sehr merkwürdig; mit einem blassen Reflex beleuchtete es einen Teil des Balkons, die Straße und ein Stück des unbebauten Landes. Ich dachte bei mir: ›Ich habe also einen Nachbar.‹ Das war mir langweilig. Als ich oben war, schlich ich geräuschlos auf den Balkon. Aber das Licht war schon aus. Ich ging in mein Zimmer zurück und las eine Stunde, vielleicht auch zwei. Mitunter kam mirs dabei vor, als hörte ich rings herum, gleichsam im Mauerwerk, Schritte. Ich legte mich ins Bett und schlief ein. Um Mitternacht fuhr ich jäh auf. Ich hatte das bestimmte Gefühl, dicht neben mir sei Jemand gegangen. Ich stand auf und machte Licht; und nun hört, was ich sah:

Mitten in meiner Stube stand eine große Katze, mit leicht gekrümmtem Rücken und sah mich mit ihren Phosphoraugen an. Eine prachtvolle Angorakatze mit langem Haar und buschigem Schwanz, aber mit merkwürdigem Fell, wie gelbe Raupenseide. Das Licht fiel auf dieses Katzenkleid, und das Tier schien ganz von Gold. Es kam näher, mit sammetenem Schritt und rieb die geschmeidigen Glieder sacht an meinen Beinen. Ich bückte mich, um es zu streicheln; es ließ sichs gefallen, murrte behaglich und sprang auf meine Knie. Da sah ich denn, daß ichs mit einer sehr jungen Katze zu thun hatte; die kleinen rosigen Saugwärzchen waren im dichten Bauchfell noch kaum zu sehen. Sie schien Lust zu haben, sich noch recht lange streicheln zu lassen. Ich setzte sie auf die Erde und wollte sie hinausjagen, aber sie versteckte sich unter meine Möbel. Kaum hatte ich aber das Licht ausgeblasen, da sprang sie auch schon auf mein Bett. Ich schlief trotzdem ein. Am anderen Morgen als ich spät erwachte, war mirs nicht möglich, das Tier wiederzufinden.

Man sollte nicht glauben, wie leicht ein Menschenhirn aus dem Gleichgewicht kommt. Was hatte ich schließlich erlebt? In einer unvermieteten Wohnung hatte erst ein Licht gebrannt und war dann ausgelöscht worden; eine Angorakatze von auffälliger Farbe erscheint und verschwindet geheimnisvoll. Bei Alledem, nicht wahr, ist nichts besonders Aufregendes? Und doch ... stellen Sie sich vor, daß diese kleinen Ereignisse sich während einer Woche täglich und völlig gleichmäßig wiederholen: Das genügt, um das Gehirn eines einsamen Menschen zu beunruhigen und um ihm das leise Gruseln einzuflößen, von dem ich vorhin sprach, das Gefühl, hart an der Grenze des Unerforschlichen zu stehen. Der Mensch, wie er nun einmal ist, verlangt unbewußt den zureichenden Grund; für jede Reihe gleichartiger Vorgänge sucht er einen Grund, ein Gesetz, und er wird unruhig, wenn er diesen Grund und dieses Gesetz nicht wittert.

Ich bin kein Hasenfuß. Aber ich habe bei anderen die Furcht eifrig beobachtet, von der naivsten Form, bei den Kindern an, bis zur Tragik bei den Tollen. Ich weiß, daß sie aus Ungewißheiten sich nährt und daß sie zur bloßen Neugier wird, wenn man ihr die Ursachen der Dinge zeigt. Ich mußte also die Wahrheit finden. Ich fragte meinen Burschen. Er wußte nichts von unseren Nachbarn. Jeden Morgen kam eine alte Frau und brachte nebenan die Wohnung in Ordnung; der Bursche hatte versucht, sie auszufragen, aber sie war entweder stocktaub oder sie wollte nicht antworten.

Dennoch konnte ich mir die erste Merkwürdigkeit erklären: das Ausblasen des Lichtes, als ich heimkam. Ich hatte bemerkt, daß die Fenster nebenan nur mit Spitzengardinen verdeckt waren; außerdem standen unsere Balkons in engster Verbindung; mein Nachbar oder meine Nachbarin konnte indiskrete Blicke befürchten, und deshalb wurde vielleicht das Licht ausgelöscht. Um zu sehen, ob meine Voraussetzung richtig war, brauchte ich, mit bestem Erfolg, ein sehr einfaches Mittel. Ich ließ mir gegen Mittag von meinem Burschen ein kaltes Abendessen aus dem Kasino bringen und ging abends nicht aus. Als es dunkel wurde, legte ich mich am Fenster auf die Lauer. Bald sah ich, wie vor dem Fenster der Nachbarwohnung der Balkon hell wurde. Leise schlich ich nun auf meinen Balkon und stieg über das Gitter. Jetzt, wo ich wußte, daß ich mich einer wirklichen Gefahr aussetzte – ich konnte den Hals brechen oder mit einem Manne handgemein werden, – spürte ich nicht die geringste Aufregung. Ich kam, ohne jedes Geräusch, bis an das erleuchtete Fenster: es war halb geöffnet; die Spitzenvorhänge, die mir, da ich im Dunkeln stand, den Blick frei ließen, machten mich für einen Beobachter in der Wohnung unsichtbar.

Ich sah, im Schein einer Hängelampe, ein sehr großes Zimmer; sehr hübsche, aber sehr schlecht erhaltene Möbel; hinten ein sehr niedriges Bett, Stil Henri II. Auf diesem Bette lag, ganz entkleidet, eine hübsche junge Frau. Das aufgelöste Haar tauchte Kopf und Schultern in eine Goldflut. Sie betrachtete sich, streichelte sich, führte die Arme an die Lippen und wand sich in kätzchenhafter Geschmeidigkeit. Und jede Bewegung enthüllte Gold ...«

»Aber Doktor!« meinte einer bedenklich ...

»Bitte – ich erzähle diese Details nicht etwa, um meine Geschichte pikanter zu machen. Gleich sollen Sie sehen, wie nötig die Schilderung war.

Ich sah noch immer hin – ein bischen unruhig, offen gesagt –, als sich plötzlich die Augen des jungen Weibes auf mich richteten: seltsame Augen, wie aus grünem Phosphor und leuchtend wie eine Lampe. Ich wußte genau, daß man mich, da ich im Schatten lauerte, nicht sehen konnte, – und doch fühlte ich, daß man mich sah ... Die Frau schrie auf und verbarg dann den Körper in die Fußdecke, das Gesicht in die Kopfkissen.

Ich stieß das Fenster auf, sprang ins Zimmer und ging gerade auf das Bett los. Ich beugte mich über das Gesicht, das sie versteckte, und versuchte, in starker Erregung, mich zu entschuldigen und zugleich anzuklagen; ich behandelte mich selbst wie einen indiskreten Feigling, wollte geschlagen und fortgejagt sein, – aber nicht ohne ein Wort der Verzeihung. Lange quälte ich mich ohne Erfolg ab. Endlich drehte sie sich um: ich sah ein junges, ungewöhnliches, reizendes Gesicht, das mir zulächelte. Sie flüsterte Worte, deren Sinn ich nicht verstand: ›Sie sinds. ... Sie sinds.‹ Das Betttuch war ein bischen heruntergerutscht, ich sah eine zarte Mädchenbrust und Lippen, die zum Kuß riefen ... Ich fand kein Wort mehr, sah sie nur an und dachte, ganz verstört: ›Wo hast du nur dieses Gesicht, diesen Blick, diese Bewegung schon einmal gesehen?‹ Allmählich stieg ein heißer Wunsch in mir auf. Ich wollte die Unbekannte in die Arme schließen; sie entwand sich mir mit der Geschicklichkeit eines Akrobaten, lief zur Lampe und löschte sie aus. Dann kam sie zurück ... und nun nahm sie meinen Kopf in die schlanken Hände und küßte mich zärtlich.«

Ein Murmeln: »Rasch, Doktor, halten Sie sich dabei nicht auf! ...«

»Nur keine Angst! Ich erzähle nur das Nötigste. Als ich gegen vier, berauscht und verstört, das Zimmer verließ, ging ich, wie beim Hereinkommen, über den Balkon. Ich empfand etwas wie Furcht vor dieser schönen und leicht zu gewinnenden Frau, die zu mir sagte: ›Sie sind‹, als ob sie mich längst gekannt hätte, die so wenig sprach und allen Fragen auswich. Ihren Namen hatte sie mir genannt: Linda; aber das war auch alles. Ich wurde die Erinnerung an diese grünen Phosphoraugen, die man im Dunkel mitunter aufleuchten sah, und an die elektrischen Blitze nicht los, die aus ihrem Haar aufflammten, wenn ich streichelnd mit der Hand darüber hinfuhr. Kaum lag ich in meinem Bett da fühlte ich, wie eine Last mir auf die Beine fiel: die goldene Katze. Ich wollte sie wegjagen, aber sie kam wieder; endlich ergab ich mich drein und schlief, wie allnächtlich, in Gesellschaft meiner seltsamen Bettgenossin ein. Aber mein Schlaf war unruhig und von krampfigen Träumen gestört.

Kennen Sie das Gefühl – es ist fast wie eine Gehirnentzündung –, wenn ein verrückter, ein aberwitziger Gedanke, den Vernunft und Wille abwehren, wie die Blutteilchen sich gegen ein Gift sträuben, dennoch ins Hirn dringt, sich da festsetzt, einkapselt und weiter entwickelt? Während der Tage nach meinem sonderbaren Nachtabenteuer sollte ich dieses Gefühl unter Qualen kennen lernen. Neues passierte nicht; was geschehen war, wiederholte sich, – mit dem Unterschied freilich, daß ich jetzt von meiner Nachbarin erwartet wurde und nicht mehr eigenmächtig und überraschend eindrang. Beim Tagesanbruch verließ ich Linda. Kaum war ich in meinem Zimmer, so erschien auch die goldene Katze, sprang auf mein Bett, richtete sich da häuslich ein und blieb bis zum Morgen. Ich wußte jetzt, wem das Tier gehörte. Als ich einmal davon sprach, hatte Linda gesagt: ›Ach ja, meine Katze.., nicht wahr, sie sieht aus, als ob sie ganz von Gold wäre?‹ Neues passierte also nicht, – und doch lagerte sich allmählich ein dunkles Entsetzen über meinen Geist, die Entzündung im Gehirn nahm zu, der aberwitzige Gedanke erweiterte sich: erst ein Punkt, dann ein Fleck, endlich ein Sinnenaussatz, dem der Blick nicht mehr ausweichen konnte.«

Die junge Frau, die zuerst gesprochen hatte, meinte jetzt: »Das ist doch ganz einfach: Linda und die Katze waren eben eins.« Tribourdeaux lächelte.

»Ich hatte diese Sicherheit nicht, selbst damals nicht, ... aber ich kann nicht leugnen, daß die tolle Vorstellung mich in den wirren Stunden oft packte, wo ich schlaflos lag und mich nach Schlummer sehnte. Ja; in gewissen Augenblicken schien mirs, als ob diese beiden Geschöpfe mit den grünen Augen, den geschmeidigen Bewegungen, dem Goldhaar und dem geheimnisvollen Wesen nur eins wären, zwei Formen einer einzigen Seele. Bedenkt, daß es mir, trotzdem ich Linda darum gebeten hatte und oft versuchte, sie zu überraschen, nie gelungen war, sie beide zusammen zu sehen. Ich gab mir alle Mühe, mir selbst Vernunft zu predigen, ich sagte mir, daß schließlich in alledem, was ich erlebte, nichts absolut Unerklärliches sei; ich verhöhnte mich mit meiner Angst vor einem Weibe und vor einem kosenden Kätzchen: – am Ende, wenn ich mit dem Vernunftpredigen fertig war, fand ich, daß ich nicht vor der Katze und nicht vor dem Weibe Angst hatte, sondern vor einem symbolischen Dualismus, der meine Träume schreckte, Angst vor etwas Körperlosem, vor einem Gebilde meines Geistes, – die schlimmste Angst: die vor einem Gedanken.

Ich litt. Auf Nächte eines irren Rausches folgten Tage geheimer Qualen, wie die Wahnsinnigen sie kennen müssen. Langsam keimte ein Entschluß in mir, er wuchs und reifte in meinem Hirn. Das Weib hielt mich durch die Sinne; ich beschloß, das Tier zu töten.

Eines abends, ehe ich über den Balkon zu Linda kletterte, nahm ich aus meiner Apotheke einen Topf mit Glycerin, ein Fläschchen mit Blausäure und ein kleines Glasstäbchen, wie die Chemiker sie benutzen. Linda und ich waren noch zärtlicher als sonst mit einander; ich umklammerte sie mit meinen Armen und aus ihrem Haar sprangen unter meinen streichelnden Fingern helle Funken. Als ich wieder in meinem Zimmer war, kam, wie gewöhnlich, die goldene Katze zum Besuch. Ich rief sie heran: sie rieb sich an mir, machte einen Buckel, hob den Schwanz und schnurrte. Ich nahm das Stäbchen, tauchte die Spitze ins Glycerin und hielt sie dem Tier hin, das sie mit der hellroten Zunge ableckte. Dieses Spiel wiederholte ich dreimal. Beim viertenmal tauchte ich das Stäbchen in die Blausäure. Die Katze leckte ohne Mißtrauen den Stab ab; sofort stand sie unbeweglich, wie erstarrt; dann sprang sie, in tetanischen Krämpfen, dreimal in die Luft und drehte sich um sich selbst; endlich fiel sie zu Boden, mit einem furchtbaren, einem furchtbar menschlichen Schrei: sie war tot.

Mit feuchten Schläfen und zitternden Händen beugte ich mich über den warmen Leichnam. Die verdrehten Augen hatten einen Ausdruck, der mir das Blut gerinnen ließ. Die Zunge hing schwarz zwischen den Zähnen hervor. Die Glieder waren in seltsamer Verkrampfung zusammengezogen. Ich zwang meinen Willen: ich nahm die Katze bei den Pfoten und trug sie aus dem Hause; ich lief durch die einsame Straße, immer gerade vor mich hin, bis zum Quai. Da warf ich meine Last in das Wasser der Loire.

Bis zum hellen Tag irrte ich durch die Stadt; ich weiß heute noch nicht, wo ich entlang strich. Als der Himmel heller wurde, beschloß ich, endlich nach Hause zu gehen. Ich zitterte, als ich die Hand auf die Thürklinke meiner Wohnung legte: ich fürchtete, das Tier, das ich getötet hatte, wie in Poes berühmtem Gedicht, lebendig wieder zu finden. Nein: mein Zimmer war leer. Wie vernichtet sank ich aufs Bett und fand zum ersten Male, da ich nun sicher war, allein zu sein, wieder Schlaf, den Schlaf eines erschöpften Tieres, ... den Schlaf eines Mörders. Ich schlief bis sechs Uhr abends.«

Alle schwiegen. Nur einer sagte: »Ich ahne den Schluß. Linda verschwand zugleich mit der Katze.«

»Seht Ihr«, antwortete Tribourdeaux, »daß zwischen den einzelnen Vorgängen dieser Geschichte ein geheimnisvoller Zusammenhang besteht, da Ihr den Ausgang ahnen könnt? ... Ja, Linda verschwand. Man fand in ihrer Wohnung ihre Kleider, ihre Wäsche, alles, was sie besaß, sogar das Hemd, das sie zuletzt getragen hatte, – aber keine Spur sonst von ihr. Der Wirt hatte an ›Fräulein Linda, Sängerin‹ vermietet; weiter wußte er nichts von ihr. Ich wurde vor den Untersuchungsrichter geladen. Alan hatte mich, in der Nacht, wo Linda verschwunden war, mit verstörter Miene nahe beim Fluß umherirren sehen. Zum Glück kannte ich den Richter; er war, abermals zum Glück für mich, kein gewöhnlicher Geist. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, wie ich sie Euch erzählt habe, – und er schickte mich heim. Selten ist einer so glatt dem nahen Strafgericht entschlüpft.«

Rings um den Erzähler schwiegen alle, plötzlich rief ein Herr, mit erzwungener Lustigkeit: »Na, Doktor, nicht wahr, die ganze Sache ist doch Spaß? Sie wollten unsere Damen nur vor dem Einschlafen bewahren?«

Tribourdeaux, verbeugte sich, ganz ernsthaft, und sagte:

»Ganz wie es Ihnen beliebt, geehrter Herr.«

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