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An das Bauernhaus knüpfen die neuen Bestrebungen des Bauens an. Die Landhäuser auf der Dresdener Ausstellung bezeugten diese Bestrebungen. Sie gingen nicht etwa darauf aus, in mißverstandener antiquarischer Spielerei alte Bauernhäuser sinnlos abzuschreiben, sondern sie nahmen sich den Geist zum Muster, der ihrer Bauart zugrunde liegt. Sie entwickeln die Form aus den Bedingungen der Zwecke, des heimatlichen Materials, der klimatischen Verhältnisse, so daß die Form ein Resultat ihrer Wesensvoraussetzungen ist. Sie betonen das Material in seiner Eigenart, und sie betonen die verschiedenen Stoffe deutlich in ihren Funktionen: den Stein als Fundament, den Putz als Füllung, das Fachwerk als farbige, linienbewegte Rippen. Sie schaffen behaglich gegliederte Innenräume, die sich nach außen in den weitausladenden Fensterbuchten verkünden.
Das schmuckhaft Wirkende ist hier nie äußerlicher Ausputz, sondern immer ein dem praktischen Bedürfnis dienender Faktor, der eine, seinem Material und seinem Zweck gemäße Schmuckform gefunden, wie das ausgeschnittene Metallbandwerk der Fensterladen-Angeln, wie Klinken und Schlüssellochplatten, wie die Vergitterung des Oberlichts über der Tür und des herzförmigen Ausgucks.
Das neue deutsche Landhaus ist erst im Werden. Sein schwerer, an Irrungen und Wirrungen reicher Entwicklungsweg läßt sich an der Kolonie Grunewald ablesen. Hier finden sich alle Gegenbeispiele aus mißverständlichen Anfängerjahren, falsch friesierte italienische Lustschlösser, französische Châteaux, norwegische Hundinghütten, Schweizerhäuschen mit Laubsäge-Niedlichkeiten, Jenny Treibel-Villen, die ihren Familiensinn mit redseligen Sprüchlein auf der Fassade verkünden; weiter unorganische Produkte aus Übergangszeiten, an denen die Außenseite in charakterloser, kalter Pracht von einem unpersönlichen Baumeister vorgeklebt ist, zusammenhangslos mit dem Interieur, das von einem modernen, verständnisvollen Innenarchitekten, etwa Schulze-Naumburg, in solche undankbare Umrahmung geschickt hineinkomponiert wurde.
An manchen weitzügigen Siedelungen sind die Baulichkeiten zweiten Grades, die Ställe, Gärtner- und Portierwohnungen, das beste, weil sie am sachlichsten gehalten sind und als »unherrschaftlich« keiner Verführung zum prahlerischen Ausputz unterlagen. Ein Architekturbilderbuch mit leibhaftigem Anschauungsmaterial. Es fehlen auch nicht die Beispiele einer erkenntnisvolleren Gegenwart. Doch sind sie in der Minderheit. Das Rudimentäre überwiegt. Eine echte Erfüllung findet man aber z. B. in Nikolassee . Und es hat etwas sehr Befriedigendes für die Vorstellung, daß derselbe Mann, Hermann Muthesius, der durch seine Schriften so weckend und klärend wirkte, nun aus dem Theoretiker zum praktischen Baumeister wurde und seine Lehren überzeugungs- und ausdruckskräftig in die Tat umsetzte. Das Haus Freudenberg und sein eigenes sind dafür Wahrzeichen. Sie wurden nach keinem Stilschema entworfen, sondern von den Lebensbedingungen aus. Der Mensch ist das Maß der Dinge, seine Bedürfnisse geben die Richtschnur. Und so komponiert Muthesius seine Grundrisse, unabhängig von der Konvention, nach der Himmelsrichtung, so daß den Wohnräumen und vor allem den Zimmern, in denen wir einen so großen Teil des Lebens verbringen, den Schlafzimmern, der Platz an der Sonne, die Südseite, zufällt. Danach wird auch der Garten disponiert, in enggebundenem Zusammenhang mit den Wohnräumen ist er angelegt. Im Interieur spielen nicht die Möbel die Hauptrolle, sondern der Raum selbst ist in seinen Proportionen, seinen Wänden, dem Deckenansatz, der Fenster- und Türgruppierung, seinen zwanglos gewonnenen Plauderecken, seiner Paneelierung durch Wandschränke, mit seinen Durchblicken, seinen Farben, dem aus gemischten Hölzern zusammengesetzten Intarsia-Fußboden, den fein verteilten Beleuchtungs-Ornamenten, ein stimmunggesammeltes, harmonisches Ensemble. Und das große Fenster faßt einen märkischen Kieferausschnitt in seinen weißen Rahmen wie eine japanische Silhouette.