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Freund! Es hätte mich, wie gesagt, für jetzt zu weit geführt, in das Umständliche der Grundsätze und Maßregeln einzutreten, auf denen die Bildung zu den wesentlichsten Fertigkeiten des Lebens beruhet; hingegen will ich meine Briefe doch nicht enden, ohne den Schlußstein meines ganzen Systems, ich meine nämlich, die Frage zu berühren: Wie hängt das Wesen der Gottesverehrung mit den Grundsätzen zusammen, die ich in Rücksicht auf die Entwicklung des Menschengeschlechtes im allgemeinen für wahr angenommen habe? –
Ich suche auch hier den Aufschluß meiner Aufgabe in mir selbst und frage mich: Wie entkeimt der Begriff von Gott in meiner Seele? Wie kommt es, daß ich an einen Gott glaube, daß ich mich in seine Arme werfe und mich selig fühle, wenn ich ihn liebe, wenn ich ihm vertraue, wenn ich ihm danke, wenn ich ihm folge? –
Das sehe ich bald, die Gefühle der Liebe, des Vertrauens, des Dankes und die Fertigkeiten des Gehorsams müssen in mir entwickelt sein, ehe ich sie auf Gott anwenden kann. Ich muß Menschen lieben, ich muß Menschen trauen, ich muß Menschen danken, ich muß Menschen gehorsamen, ehe ich mich dahin erheben kann, Gott zu lieben, Gott zu danken, Gott zu vertrauen und Gott zu gehorsamen: »denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie will der seinen Vater im Himmel lieben, den er nicht sieht?«
Ich frage mich also: Wie komme ich dahin, Menschen zu lieben, Menschen zu trauen, Menschen zu danken, Menschen zu gehorsamen? – Wie kommen die Gefühle, auf denen Menschenliebe, Menschendank und Menschenvertrauen wesentlich ruhen, und die Fertigkeiten, durch welche sich der menschliche Gehorsam bildet, in meine Natur? – und ich finde, daß sie hauptsächlich von dem Verhältnis ausgehen, das zwischen dem unmündigen Kinde und seiner Mutter statthat. –
Die Mutter muß, sie kann nicht anders, sie wird von der Kraft eines ganz sinnlichen Instinktes dazu genötiget – das Kind pflegen, nähren, es sicherstellen und es erfreuen. Sie tut es, sie befriediget seine Bedürfnisse, sie entfernt von ihm, was ihm unangenehm ist, sie kommt seiner Unbehilflichkeit zu Hilfe – das Kind ist versorgt, es ist erfreut, der Keim der Liebe ist in ihm entfaltet.
Jetzt steht ein Gegenstand, den es noch nie sah, vor seinen Augen, es staunt, es fürchtet, es weint; die Mutter drückt es fester an ihre Brust, sie tändelt mit ihm, sie zerstreut es, sein Weinen nimmt ab, aber seine Augen bleiben gleichwohl noch lange naß; der Gegenstand erscheint wieder – die Mutter nimmt es wieder in den schützenden Arm und lachet ihm wieder – jetzt weint es nicht mehr, es erwidert das Lächeln der Mutter mit heiterm, unumwölktem Auge – der Keim des Vertrauens ist in ihm entfaltet.
Die Mutter eilt bei jedem Bedürfnis zu seiner Wiege; sie ist in der Stunde des Hungerns da, sie hat es in der Stunde des Durstes getränkt; wenn es ihren Fußtritt hörte, so schwieg es; wenn es sie sieht, so streckt es die Hand aus; sein Auge strahlt an ihrer Brust, es ist gesättigt, Mutter und Sattwerden ist ihm ein und eben derselbe Gedanke – es dankt.
Die Keime der Liebe, des Vertrauens, des Dankes erweitern sich bald. Das Kind kennt den Fußtritt der Mutter, es lächelt ihrem Schatten; wer ihr gleichsieht, den liebt es; ein Geschöpf, das der Mutter gleichsieht, ist ihm ein gutes Geschöpf. Es lächelt der Gestalt seiner Mutter, es lächelt der Menschengestalt; wer der Mutter lieb ist, der ist ihm auch lieb; wer der Mutter in die Arme fällt, dem fällt es auch in die Arme; wen die Mutter küßt, den küßt es auch. Der Keim der Menschenliebe, der Keim der Bruderliebe ist in ihm entfaltet.
Der Gehorsam ist in seinem Ursprunge eine Fertigkeit, deren Triebräder den ersten Neigungen der sinnlichen Natur entgegenstehen. Seine Bildung ruht auf Kunst. Er ist nicht eine einfache Folge des reinen Instinkts, aber er hangt mit ihm innig zusammen. Seine erste Ausbildung ist bestimmt instinktartig. So wie der Liebe Bedürfnis, dem Dank Gewährung, dem Vertrauen Besorgnis vorhergeht, so geht auch dem Gehorsam eine stürmische Begierde vorher. Das Kind schreit, ehe es wartet, es ist ungeduldig, ehe es gehorcht; die Geduld entfaltet sich vor dem Gehorsam, es wird eigentlich nur durch die Geduld gehorsam; die ersten Fertigkeiten dieser Tugend sind bloß leidend, sie entspringen hauptsächlich durch das Gefühl der harten Notwendigkeit. Aber auch dieses entwickelt sich zuerst auf dem Schoße der Mutter – das Kind muß warten, bis sie ihm die Brust öffnet, es muß warten, bis sie es aufnimmt. Viel später entwickelt sich in ihm der tätige Gehorsam, und noch viel später das wirkliche Bewußtsein, daß es ihm gut sei, der Mutter zu gehorchen.
Die Entwicklung des Menschengeschlechts gehet von einer starken, gewaltsamen Begierde nach Befriedigung sinnlicher Bedürfnisse aus. Die Mutterbrust stillet den ersten Sturm sinnlicher Begierden und erzeugt Liebe, bald darauf entfaltet sich Furcht; der Mutterarm stillet die Furcht; diese Handlungsweise erzeuget die Vereinigung der Gefühle der Liebe und des Vertrauens und entfaltet die ersten Keime des Dankes.
Die Natur zeigt sich unbiegsam gegen das stürmende Kind – es schlägt auf Holz und Steine, die Natur bleibt unbiegsam, und das Kind schlägt nicht mehr auf Holz und Steine. Jetzt ist die Mutter unbiegsam gegen die Unordnungen seiner Begierden; es tobet und schreit – sie ist forthin unbiegsam – es schreit nicht mehr, es gewöhnt sich, seinen Willen dem ihrigen zu unterwerfen – die ersten Keime der Geduld, die ersten Keime des Gehorsams sind entfaltet.
Gehorsam und Liebe, Dank und Vertrauen vereiniget, entfalten den ersten Keim des Gewissens, den ersten leichten Schatten des Gefühls, daß es nicht recht sei, gegen die liebende Mutter zu toben – den ersten leichten Schatten des Gefühls, daß die Mutter nicht allein um seinetwillen in der Welt sei; den ersten Schatten des Gefühls, daß nicht alles um seinetwillen in der Welt sei; und mit ihm entkeimt noch das zweite Gefühl, daß auch es selbst nicht um seinetwillen allein in der Welt sei – der erste Schatten der Pflicht und des Rechts ist an seinem Entkeimen.
Dieses sind die ersten Grundzüge der sittlichen Selbstentwicklung, welche das Naturverhältnis zwischen dem Säugling und seiner Mutter entfaltet. In ihnen liegt aber auch ganz und in seinem ganzen Umfange das Wesen des sinnlichen Keims von derjenigen Gemütsstimmung, welche der menschlichen Anhänglichkeit an den Urheber unsrer Natur eigen ist; das heißt, der Keim aller Gefühle der Anhänglichkeit an Gott durch den Glauben ist in seinem Wesen der nämliche Keim, welcher die Anhänglichkeit des Unmündigen an seine Mutter erzeugte. Auch ist die Art, wie sich diese Gefühle entfalten, auf beiden Wegen eine und ebendieselbe.
Auf beiden Wegen hört das unmündige Kind – glaubt und folget, aber es weiß in diesem Zeitpunkt in beiden Rücksichten nicht, was es glaubt und was es tut. Indessen fangen die ersten Gründe seines Glaubens und seines Tuns in diesem Zeitpunkt bald an zu schwinden. Die entkeimende Selbstkraft macht jetzt das Kind die Hand der Mutter verlassen, es fängt an, sich selbst zu fühlen, und es entfaltet sich in seiner Brust ein stilles Ahnen: ich bedarf der Mutter nicht mehr. Diese lieset den keimenden Gedanken in seinen Augen, sie drückt ihr Geliebtes fester als je an ihr Herz und sagt ihm mit einer Stimme, die es noch nie hörte: Kind! Es ist ein Gott, dessen du bedarfst, wenn du meiner nicht mehr bedarfst, es ist ein Gott, der dich in seine Arme nimmt, wenn ich dich nicht mehr zu schützen vermag; es ist ein Gott, der dir Glück und Freuden bereitet, wenn ich dir nicht mehr Glück und Freuden zu bereiten vermag – dann wallet im Busen des Kindes ein unaussprechliches Etwas, es wallet im Busen des Kindes ein heiliges Wesen, es wallet im Busen des Kindes eine Glaubensneigung, die es über sich selbst erhebt; es freut sich des Namens seines Gottes, sobald die Mutter ihn spricht. Die Gefühle der Liebe, des Dankes, des Vertrauens, die sich an ihrer Brust entfaltet hatten, erweitern sich und umfassen von nun an Gott wie den Vater, Gott wie die Mutter. Die Fertigkeiten des Gehorsams erhalten einen weitern Spielraum; – das Kind, das von nun an an das Auge Gottes glaubt wie an das Auge der Mutter, tut jetzt um Gottes Willen recht, wie es bisher um der Mutter willen recht tat.
Hier bei diesem ersten Versuche der Mutterunschuld und des Mutterherzens, das erste Fühlen der Selbstkraft durch die Neigung des Glaubens an Gott mit den eben entwickelten Gefühlen der Sittlichkeit zu vereinigen, öffnen sich die Fundamentalgesichtspunkte, auf welche Unterricht und Erziehung wesentlich ihr Auge hinwerfen müssen, wenn sie unsre Veredlung mit Sicherheit erzielen wollen.
Gleichwie das erste Entkeimen der Liebe, des Dankes, des Vertrauens und des Gehorsams eine bloße Folge des Zusammentreffens instinktartiger Gefühle zwischen Mutter und Kind war, so ist jetzt das weitere Entfalten dieser entkeimten Gefühle eine hohe menschliche Kunst, aber eine Kunst, deren Faden sich sogleich unter deinen Händen verliert, wenn du die Anfangspunkte, von denen ihr feines Gewebe ausgeht, auch nur einen Augenblick aus den Augen verlierst; die Gefahr dieses Verlierens ist für dein Kind groß und kommt frühe; es lallet den Mutternamen, es liebet, es danket, es trauet, es folgt. Es lallet den Namen Gottes, es liebet, es danket, es trauet, es folget. Aber die Beweggründe des Dankes, der Liebe, des Vertrauens schwinden beim ersten Entkeimen – es bedarf der Mutter nicht mehr; die Welt, die dasselbe jetzt umgibt, ruft ihm mit dem ganzen Sinnenreiz ihrer neuen Erscheinung zu: du bist jetzt mein.
Das Kind höret die Stimme der neuen Erscheinung, es muß. Der Instinkt des Unmündigen ist in ihm erloschen, der Instinkt der wachsenden Kräfte nimmt seinen Platz ein, und der Keim der Sittlichkeit, insofern er von Gefühlen, die der Unmündigkeit eigen sind, ausgeht, verödet sich plötzlich, und er muß sich veröden, wenn in diesem Augenblicke niemand das erste Schlagen der höhern Gefühle seiner sittlichen Natur wie den Faden des Lebens an die goldne Spindel der Schöpfung ankettet. Mutter, Mutter! Die Welt beginnt jetzt dein Kind von deinem Herzen zu trennen, und wenn in diesem Augenblicke niemand die Gefühle seiner edlern Natur ihm an die neue Erscheinung der Sinnenwelt ankettet, so ist es geschehen, Mutter! Mutter! Dein Kind ist deinem Herzen entrissen; die neue Welt wird ihm Mutter, die neue Welt wird ihm Gott. Sinnengenuß wird ihm Gott. Eigengewalt wird ihm Gott.
Mutter! Mutter! Es hat dich, es hat Gott, es hat sich selbst verloren, der Docht der Liebe ist in ihm erloschen; der Keim der Selbstachtung ist in ihm erstorben; es geht dem Verderben eines unbedingten Strebens nach Sinnengenuß entgegen.
Menschheit! Menschheit! Hier beim Übergang der hinschwindenden Unmündigkeitsgefühle zum ersten Fühlen der von der Mutter unabhangenden Reize der Welt; – hier, wo der Boden, dem die edleren Gefühle unserer Natur entkeimen; das erstemal unter den Füßen des Kindes zu weichen anfängt; hier, wo die Mutter beginnt, ihrem Kinde das nicht mehr zu sein, was sie ihm vorher war, und dann im Gegenteil der Keim des Vertrauens auf die neu belebte Erscheinung der Welt sich in ihm entfaltet und der Reiz dieser neuen Erscheinung das Vertrauen auf die Mutter, die ihm nicht mehr ist, was sie ihm vorher war, und mit ihm das Vertrauen auf den ungesehenen und ungekannten Gott zu ersticken und zu verschlingen beginnt, wie das wilde Gewebe harter, sich tief ineinanderschlingender Wurzeln des Unkrauts das feinere Wurzelgewebe der edelsten Pflanzen erstickt und verschlingt – Menschheit! Menschheit! Hier in dem Zeitpunkt des Voneinanderscheidens der Gefühle des Vertrauens auf Mutter und auf Gott und derjenigen des Vertrauens auf die neue Erscheinung der Welt und alles, was darinnen ist: hier an diesem Scheidewege solltest du deine ganze Kunst und deine ganze Kraft anwenden, die Gefühle des Dankes, der Liebe, des Vertrauens und des Gehorsams in deinem Kinde rein zu erhalten.
Gott ist in diesen Gefühlen, und die ganze Kraft deines sittlichen Lebens hanget innig mit der Erhaltung derselben zusammen.
Menschheit! Deine Kunst sollte alles tun, beim Stillstehen der physischen Ursachen, aus welchen diese Gefühle bei dem unmündigen Kinde entkeimt sind, neue Belebungsmittel derselben zur Hand zu bringen und die Reize der neuen Erscheinung der Welt deinem wachsenden Kinde nicht anders als in Verbindung mit diesen Gefühlen vor die Sinne kommen zu lassen.
Es ist hier, wo du es das erstemal nicht der Natur anvertrauen, sondern alles tun mußt, die Leitung desselben ihrer Blindheit aus der Hand zu reißen und in die Hand von Maßregeln und Kräften zu legen, die die Erfahrung von Jahrtausenden angegeben hat. Die Welt, die dem Kinde jetzt vor seinen Augen erscheint, ist nicht Gottes erste Schöpfung es ist eine Welt, die beides, für die Unschuld seines Sinnengenusses und für die Gefühle seiner innern Natur, gleich verdorben ist, eine Welt voll Krieg für die Mittel der Selbstsucht, voll Widersinnigkeit, voll Gewalt, voll Anmaßung, Lug und Trug.
Nicht Gottes erste Schöpfung, sondern diese Welt locket dein Kind zum Wellentanz des wirbelnden Schlundes, in dessen Abgründe Lieblosigkeit und sittlicher Tod hausen. – Nicht Gottes Schöpfung, sondern der Zwang und die Kunst ihres eigenen Verderbens ist das, was diese Welt deinem Kinde vor Augen stellt. –
Armes Kind! Dein Wohnzimmer ist deine Welt, aber dein Vater ist an seine Werkstatt gebunden, deine Mutter hat heute Verdruß, morgen Besuch, übermorgen ihre Launen; du hast Langeweile; du frägst, deine Magd antwortet dir nicht; du willst auf die Straße, du darfst nicht; jetzt reißest du dich mit deiner Schwester um Spielzeug – armes Kind, welch ein elendes, herzloses und herzverderbendes Ding ist deine Welt; aber ist sie dir etwa mehr, wenn du im goldgezierten Wagen unter Schattenbäumen umherfährst; deine Führerin betrügt deine Mutter, du leidest weniger, aber du wirst schlechter als die Leidenden alle. Was hast du gewonnen? Deine Welt ist dir noch mehr zur Last als den Leidenden allen.
Diese Welt ist in das Verderben ihrer unnatürlichen Kunst und ihres unnatürlichen Zwanges so eingewiegt, daß sie für die Mittel, Reinheit des Herzens in der Brust des Menschen zu erhalten, keinen Sinn mehr hat und im Gegenteil die Unschuld unseres Geschlechtes in dem mißlichsten Augenblicke wie das herzloseste Nachweib ihr Stiefkind einer Sorglosigkeit preisgibt, die in hundert Fällen gegen einen über das Scheitern der letzten Zwecke der menschlichen Veredlung entscheidet und entscheiden muß, weil die neue Erscheinung der Welt dem Kinde in diesem Zeitpunkte ganz ohne ein Gegengewicht für das Einseitige und das Einseitigreizende ihrer sinnlichen Eindrücke vor die Augen gestellt wird und also ihre Vorstellung, beides durch ihre Einseitigkeit und durch ihre Lebhaftigkeit, bei demselben ein entscheidendes Übergewicht über den Eindruck der Erfahrungen und Gefühle, welche der geistigen und sittlichen Ausbildung unseres Geschlechtes zugrunde liegen, erhaltet; wodurch denn auch die Bahn seiner Selbstsucht und seiner Entwürdigung von nun an einen unermeßlichen und unermeßlichen belebten Spielraum erhält; hingegen die Gemütsstimmung, auf deren sinnlicher Anbahnung die vorzüglichsten Kräfte seiner Sittlichkeit und seiner Erleuchtung beruhen, sich ebenso verlieren, die an sich enge Pforte seiner Sittlichkeit gleichsam verrammelt werden und die ganze Sinnlichkeit seiner Natur eine Richtung nehmen muß, die die Bahn der Vernunft von derjenigen der Liebe, die Ausbildung des Geistes von der Glaubensneigung an Gott trennt, eine mehr oder weniger feine Selbstsucht zum einzigen Treibrad seiner Kraftanwendung macht und dadurch über die Folgen seiner Ausbildung zu seinem eigenen Verderben entscheidet.
Es ist unbegreiflich, daß die Menschheit diese allgemeine Quelle ihres Verderbens nicht kennt; unbegreiflich, daß es nicht die allgemeine Angelegenheit ihrer Kunst ist, dieselbe zu stopfen und die Erziehung unseres Geschlechtes Grundsätzen zu unterwerfen, die das Werk Gottes das die Gefühle der Liebe, des Dankes und des Vertrauens schon im Unmündigen entfaltet, nicht zerstören, sondern dahin wirken mußten, die von Gott selbst in unsere Natur gelegten Vereinigungsmittel unsrer geistigen und sittlichen Veredlung in diesem, beide gefährdenden Zeitpunkte vorzüglich zu pflegen und Unterricht und Erziehung allgemein einerseits mit den Gesetzen des physischen Mechanismus, nach welchen sich unser Geist von dunkeln Anschauungen zu deutlichen Begriffen erhebt, anderseits mit den Gefühlen meiner innern Natur, durch deren allmähliche Entfaltung mein Geist sich zu Anerkennung und Verehrung des sittlichen Gesetzes emporhebt, in Übereinstimmung zu bringen. Es ist unbegreiflich, daß die Menschheit sich nicht dahin erhebt, eine lückenlose Stufenfolge aller Entwicklungsmittel meines Geistes und meiner Gefühle zu eröffnen, deren wesentlicher Zweck dieser sein müßte, die Vorteile des Unterrichtes und seines Mechanismus auf die Erhaltung der sittlichen Vollkommenheit zu bauen, die Selbstsucht der Vernunft durch die Erhaltung der Reinheit des Herzens vor den Verirrungen ihres einseitigen Verderbens zu bewahren und überall die sinnlichen Eindrücke meiner Überzeugung, meine Begierlichkeit meinem Wohlwollen und mein Wohlwollen meinem berichtigten Willen unterzuordnen.
Die Ursachen, die diese Unterordnung erheischen, liegen tief in meiner Natur. So wie meine sinnlichen Kräfte sich ausbilden, so muß ihr Übergewicht vermöge der wesentlichen Bedürfnisse meiner Veredlung wieder verschwinden, das heißt ihre Unterordnung unter ein höheres Gesetz muß eintreten. Aber ebenso muß auch jede Stufe meiner Entwicklung vollendet sein, ehe der Fall ihrer Unterordnung unter höhere Zwecke eintreten kann, und diese Unterordnung des Vollendeten und das zu Vollendende fordert ebenso vor allem aus reine Festhaltung der Anfangspunkte aller Erkenntnisse und die bestimmteste Lückenlosigkeit im allmählichen Fortschritt von diesen Anfangspunkten zum letzten zu vollendenden Zweck. Das erste Gesetz dieser Lückenlosigkeit aber ist dieses: der erste Unterricht des Kindes sei nie die Sache des Kopfes, er sei nie die Sache der Vernunft – er sei ewig die Sache der Sinne, er sei ewig die Sache des Herzens, die Sache der Mutter.
Das zweite Gesetz, das ihm folgt, ist dieses: der menschliche Unterricht gehe nur langsam von der Übung der Sinne zur Übung des Urteils, er bleibe lange die Sache des Herzens, ehe er die Sache der Vernunft, er bleibe lange die Sache des Weibes, ehe er die Sache des Mannes zu werden beginnt.
Was soll ich mehr sagen? – Mit diesen Worten führen mich die ewigen Gesetze der Natur selbst wieder an deine Hand, Mutter! Mutter! – Ich kann meine Unschuld, meine Liebe, meinen Gehorsam, ich kann die Vorzüge meiner edlern Natur beim neuen Eindrucke der Welt alle, alle nur an deiner Seite erhalten. Mutter! Mutter! hast du noch eine Hand, hast du noch ein Herz für mich, so laß mich nicht von dir weichen, und hat dich niemand die Welt kennen gelehrt, wie ich sie kennenlernen muß, so komm, wir wollen sie miteinander kennenlernen, wie du sie hättest kennen sollen, und wie ich sie kennenlernen muß. Mutter! Mutter! wir wollen in dem Augenblick, in dem ich Gefahr laufe, durch die neue Erscheinung der Welt von dir, von Gott und von mir selbst abgezogen zu werden, nicht voneinander scheiden. – Mutter! Mutter! heilige du mir den Übergang von deinem Herzen zu dieser Welt durch die Erhaltung deines Herzens! –
Lieber Freund! ich muß schweigen, mein Herz ist gerührt, und ich sehe Tränen in deinen Augen. Lebe wohl!