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Man muß über die Lehre urtheilen nach den Wundern; man muß über die Wunder urtheilen nach der Lehre. Die Lehre unterscheidet die Wunder, und die Wunder unterscheiden die Lehre. Alles das ist wahr; aber es widerspricht sich nicht.
Es giebt Wunder, welche sichere Beweise der Wahrheit sind; und es giebt solche, die nicht sichere Wahrheitsbeweise sind. Es bedarf eines Merkmales, sie zu erkennen; sonst wären sie unnütz. Nun aber sind sie nicht unnütz, sondern im Gegentheil grundlegend. Die Regel welche man uns giebt, muß daher so beschaffen sein, daß sie den Beweis, welchen wahre Wunder von der Wahrheit, dem Hauptzweck der Wunder, liefern, nicht zerstöre.
Gäbe es keine Wunder mit Falschheit verbunden, so gäbe es Sicherheit. Gäbe es keine Regel zu ihrer Unterscheidung, so wären die Wunder unnütz und es läge darin kein Grund vor zu glauben.
Moses hat eine solche gegeben, die darnach urtheilt, wenn das Wunder zum Götzendienst führt (Deut. 13, 1, 2, 3); und Jesus Christus eine: »Derjenige, sagt er, der Wunder thut in meinem Namen, kann nicht bald übel von mir reden«. (Marc. 9, 39.) Daraus folgt, daß wer immer sich offen gegen Jesus Christus erklärt, nicht in seinem Namen Wunder thun kann. Thut er also deren, so geschieht es nicht im Namen Jesu Christi und er darf nicht gehört werden. Das sind die kenntlichen Gelegenheiten Wunder vom Glauben auszuschließen. Man bedarf keiner anderen Exclusionen. Im alten Testament, wenn man euch von Gott abwendet; im neuen, wenn man euch von Jesus Christus abwendet.
Sobald man also ein Wunder sieht, muß man sich entweder unterwerfen, oder befremdende Anzeichen vom Gegentheil haben; man muß sehen, ob der, welcher es thut, einen Gott, oder Jesus Christus und die Kirche läugnet.
Jede Religion ist falsch, die nicht in ihrem Glauben einen Gott als Ursprung aller Dinge anbetet, und die nicht in ihrer Moral einen einigen Gott als Ziel aller Dinge liebt. Jede Religion, die jetzt nicht Jesus Christus erkennt ist notorisch falsch, und Wunder können ihr zu nichts nützen.
Die Juden hatten eine Lehre von Gott, wie wir eine solche von Jesus Christus und durch Wunder beglaubigt haben; sie hatten das Verbot allen Wunderthätern, die ihnen eine andere Lehre vortrugen, zu glauben; und noch mehr das Gebot, zu den Hohenpriestern ihre Zuflucht zu nehmen und sich an sie zu halten. Und all' die Gründe, weshalb wir den Wunderthätern den Glauben verweigern, scheinen sie gehabt zu haben in Bezug auf Jesus Christus und die Apostel.
Gleichwohl waren sie sicherlich sehr schuldig, ihnen den Glauben zu verweigern, wegen ihrer Wunder, denn Jesus Christus sagt, sie wären nicht schuldig gewesen, wenn sie nicht seine Wunder gesehen hätten: » Si opera non fecissem in eis, quae nemo alius fecit, peccatum non haberent«. (Joh. 15, 24.) »Hätte ich nicht die Werke gethan unter ihnen, die nie ein anderer gethan hat, so hätten sie keine Sünde«.
Daraus folgt also, daß er seine Wunder für sichere Beweise seiner Lehre hielt, und daß die Juden verpflichtet waren ihr zu glauben. Und in der That sind es gerade die Wunder, welche die Juden in ihrem Unglauben schuldig machen. Denn die Beweise, welche man während des Lebens Jesu Christi der Schrift hätte entnehmen können, wären nicht beweisend gewesen. Man erkennt daraus z. B., daß Moses gesagt, es werde ein Prophet kommen; aber das hätte nicht bewiesen, daß Jesus Christus dieser Prophet wäre; und das war eben die ganze Frage. Diese Stellen ließen erkennen, daß er der Messias sein konnte; und das, in Verbindung mit seinen Wundern, mußte bestimmen zu glauben, er sei es in der That.
Die Prophetieen allein konnten Jesum Christum während seines Lebens nicht bezeugen. Und so wäre man entschuldbar gewesen, an ihn nicht vor seinem Tode zu glauben, wenn nicht die Wunder entscheidend gewesen wären. Die Wunder also genügen, wenn man sieht, daß die Lehre dem nicht widerspricht; und man muß daran glauben.
Jesus Christus hat bezeugt, daß er der Messias sei, indem er seine Lehre und Sendung mehr durch seine Wunder, als durch die Schrift und die Prophetieen bewahrheitete.
Durch die Wunder erkennt Nicodemus, daß seine Lehre von Gott ist: »Wir wissen, daß Du bist ein Lehrer von Gott kommen, denn niemand kann die Zeichen thun, die du thust, es sei denn Gott mit ihm«. (Joh. 3, 2.) Er urtheilt nicht über die Wunder nach der Lehre, sondern über die Lehre nach den Wundern.
Wenn also auch die Lehre verdächtig wäre, wie die Jesu Christi dem Nicodemus sein konnte, weil sie die Traditionen der Pharisäer zu vernichten schien; wenn auf derselben Seite klare und evidente Wunder vorliegen, so muß die Evidenz der Wunder über die Schwierigkeit, welche sich von Seiten der Lehre darbieten könnte, den Sieg davon tragen: das gründet sich auf jenes unwandelbare Princip, daß Gott nicht zu Irrthum verleiten kann. cf. die cartesianische Philosophie.
Es besteht eine gegenseitige Pflicht zwischen Gott und den Menschen. »Klaget mich an«, sagt Gott bei Jesaias. (Jes. 1, 18.) Und an einer andern Stelle: »Was hätte ich doch mehr thun sollen an meinem Weinberge, das ich nicht gethan habe an ihm«? (Ibid. 5, 4.)
Die Menschen schulden Gott, die Religion, welche er ihnen sendet, anzunehmen. Gott schuldet den Menschen, sie nicht in Irrthum zu verführen. Sie würden aber in Irrthum verführt, wenn die Wunderthäter eine falsche Lehre, die der Erkenntnis des gesunden Menschenverstandes nicht sichtbar als falsch erschiene, verkündigten, und wenn nicht schon ein größerer Wunderthäter sie gewarnt, ihnen zu glauben. Wenn es also in der Kirche eine Spaltung gab, und wenn die Arianer z. B., die auf die Schrift sich zu gründen behaupteten, wie die Katholiker, Wunder gethan hätten, nicht aber die Katholiker, so wäre man zu Irrthum verführt worden. Denn wie ein Mensch, der uns die Geheimnisse Gottes verkündet, auf seine eigene Autorität hin nicht würdig ist Glauben zu finden: so verdient ein Mensch, der zum Zeugnis seiner Gemeinschaft mit Gott Todte auferweckt, die Zukunft vorhersagt, Berge versetzt, Krankheiten heilt, Glauben zu finden; und man ist gottlos, wenn man ihn weigert; wenigstens so lange er nicht durch jemand anders, der noch größere Wunder thut, widerlegt ist.
Aber ist nicht gesagt, daß Gott uns versuche? Und kann er uns also nicht durch Wunder versuchen, die zur Falschheit zu führen scheinen?
Es ist ein großer Unterschied zwischen versuchen, und zum Irrthum verleiten. Gott versucht; aber er verleitet nie zum Irrthum. Versuchen heißt, Gelegenheiten herbeiführen, die keine Nothwendigkeit auferlegen. Zum Irrthum verleiten heißt, den Menschen in die Nothwendigkeit versetzen, etwas falsches zu schließen und ihm zu folgen. Das eben kann Gott nicht thun, und doch würde er es thun, wenn er zugäbe, daß in einer dunklen Frage Wunder auf Seiten der Falschheit geschähen.
Daraus muß man folgern, es sei unmöglich, daß ein Mensch, der seine schlechte Lehre verbirgt und nur eine gute sehen läßt und mit Gott und der Kirche einstimmig zu sein behauptet, Wunder thut, um unmerklich eine falsche und subtile Lehre einfließen zu lassen: das geht nicht. Und noch weniger, daß Gott, der die Herzen kennet, Wunder zu Gunsten eines derartigen Menschen thue.
Es besteht ein großer Unterschied zwischen nicht für Jesus Christus sein und es sagen, oder nicht für Jesus Christus sein und es zu sein heucheln. Erstere könnten vielleicht Wunder thun, nicht aber letztere; denn von ersteren ist es offenbar, daß sie wider die Wahrheit sind, nicht aber von letzteren; und also sind die Wunder viel erkenntlicher.
Die Wunder also entscheiden in zweifelhaften Fällen zwischen Juden und Heiden, Juden und Christen, katholisch häretisch, Verleumdeten und Verleumdern; zwischen den drei Kreuzen.
Das hat man in allen Kämpfen der Wahrheit wider den Irrthum gesehen, Abels wider Kain, Moses' wider die Magier Pharaos, Elis gegen die falschen Propheten, Jesu Christi wider die Pharisäer, St. Pauli wider Barjesu, der Apostel wider die Exorcisten, der Christen wider die Ungläubigen, der Katholiken wider die Häretiker; und dasselbe wird man sehen auch im Kampfe Elis und Henochs wider den Antichrist. Das Wahre überwiegt stets bei den Wundern.
Niemals endlich im Kampfe um den wahren Gott oder die Wahrheit der Religion ist auf Seiten des Irrthums ein Wunder geschehen, ohne daß ein größeres auf Seiten der Wahrheit geschehen sei.
Nach dieser Regel ist klar, daß die Juden verpflichtet waren Jesus Christus zu glauben. Jesus Christus war ihnen verdächtig: aber seine Wunder waren unendlich viel deutlicher, als der Argwohn den man gegen ihn hatte; man mußte also an ihn glauben.
Die einen glaubten zur Zeit Jesu Christi an ihn, die anderen glaubten nicht an ihn, weil die Prophetieen aussagten, der Messias müsse in Bethlehem geboren werden, während man glaubte, Jesus Christus sei in Nazareth geboren. Aber sie hätten besser Acht geben müssen, ob er nicht etwa in Bethlehem geboren wäre. Denn da seine Wunder überzeugend waren, so konnten jene vorgeblichen Widersprüche zwischen seiner Lehre und der Schrift und jene Dunkelheit sie nicht entschuldigen, aber sie verblendeten sie.
Jesus Christus heilte die Blindgeborenen und that eine Anzahl Wunder am Sabbath. Dadurch verblendete er die Pharisäer, welche behaupteten, man müsse über die Wunder nach der Lehre urtheilen.
Aber nach derselben Regel, wonach man Jesus Christus glauben musste, wird man den Antichrist nicht glauben dürfen.
Jesus Christus sprach weder gegen Gott, noch gegen Moses. Der Antichrist und die falschen Propheten, im alten und neuen Testamente vorausverkündigt, werden offen gegen Gott und gegen Jesum Christum reden. Einem versteckten Feinde würde Gott nicht erlauben, öffentlich Wunder zu thun.
Moses hat Jesum Christum vorausverkündigt und geboten ihm nachzufolgen. Jesus Christus hat den Antichristen vorausgesagt und verboten ihm nachzufolgen.
Die Wunder Jesu Christi sind nicht vorausgesagt vom Antichristen; aber die Wunder des Antichristen sind vorausgesagt von Jesu Christo. Wenn also Jesus Christus nicht der Messias wäre, so hätte er stark zu Irrthum verleitet; man würde aber vernünftiger Weise nicht dazu verleitet werden können durch die Wunder des Antichristen. Und deshalb schaden die Wunder des Antichristen denen Jesu Christi durchaus nicht. Hat Jesus Christus, wenn er die Wunder des Antichristen voraussagt, in der That glauben können, den Glauben an seine eigenen Wunder zu vernichten?
Es ist kein Grund vorhanden an den Antichristen zu glauben, der nicht auch einer dafür wäre, an Jesum Christum zu glauben. Aber es giebt Gründe, an Jesum Christum zu glauben, die keine dafür sind, an den Antichristen zu glauben.
Die Wunder haben gedient zur Gründung und werden dienen zur Erhaltung der Kirche bis auf den Antichrist, bis an das Ende.
Deshalb hat Gott, um diesen Beweis seiner Kirche zu erhalten, die falschen Wunder entweder zu Schanden gemacht, oder sie vorhergesagt; und durch beides hat er sich über das, was nach unserer Betrachtung übernatürlich ist, erhoben und hat uns selbst darüber erhoben.
Ebenso wird es in Zukunft geschehen: Gott wird falsche Wunder entweder nicht gestatten, oder er wird für größere sorgen. Denn die Wunder haben eine solche Kraft, daß Gott nothwendig gewarnt haben mußte, an sie zu denken, wenn sie gegen ihn seien, so offenbar es auch sei, daß es einen Gott gebe; sonst wären sie im Stande gewesen irre zu führen.
Weit entfernt also, daß jene Stellen im dreizehnten Kapitel des Deuteronomium, die darauf hinauslaufen, daß man die welche Wunder thun und vom Dienste Gottes abwenden, durchaus weder hören noch ihnen glauben darf; und die bei St. Marcus: »Denn es werden sich erheben falsche Christi und falsche Propheten, die Zeichen und Wunder thun, daß sie auch die Auserwählten verführen, so es möglich wäre«, (Marcus 13, 22.) und einige ähnliche andere etwas enthalten wider die Autorität der Wunder, daß vielmehr nichts ihre Stärke mehr bezeichnet.
Der Grund, weshalb man den wahren Wundern nicht glaubt ist der Mangel an Liebe: »Ihr glaubt nicht, sagt Jesus Christus zu den Juden, denn ihr seid nicht von meinen Schafen«. (Joh. 10, 26.) Der Grund, weshalb man den falschen glaubt, ist der Mangel an Liebe: »Dafür daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, daß sie selig würden, darum wird ihnen Gott kräftige Irrthümer senden, daß sie glauben der Lüge«. (2. Thess. 2, 10.)
Indem ich darüber nachdachte, woher es wohl kommen möchte, daß man so manchen Betrügern, die da behaupten Heilmittel zu haben, so großen Glauben schenkte, daß man sogar oft sein Leben in ihre Hand gäbe, schien mir der wahrhafte Grund der zu sein, daß es wahre Heilmittel gäbe; denn es könnte unmöglich so viel falsche geben und man könnte ihnen unmöglich so viel Glauben schenken, wenn es keine wahrhaften gäbe. Wenn es nie solche gegeben hätte und wenn alle Übel unheilbar gewesen wären, hätten sich die Menschen unmöglich einbilden können, sie vermöchten solche darzubieten; noch weniger aber hätten so viel andere denen, die sich rühmten ihrer zu haben, Glauben schenken können. Ebenso würde, wenn sich jemand rühmte das Sterben zu hindern, ihm niemand glauben, weil das ohne Beispiel ist. Da es aber eine Anzahl von Heilmitteln giebt, die sich nach der Erkenntnis selbst der größten Menschen als wahrhaft bewährt haben, so hat sich der Glaube der Menschen dem gebeugt; und da die Sache nicht im allgemeinen geläugnet werden kann, da es ja einzelne wahrhafte Wirkungen giebt, so glaubt das Volk, welches unter diesen einzelnen Wirkungen die welche wahrhaft sind nicht herausfinden kann, sie alle. Ebenso ist der Grund, weshalb man so viel falsche Wirkungen des Mondes glaubt, der, daß er wahre ausübt wie die Meeresflut.
Also scheint es mir auch vollkommen klar, daß es so viel falsche Wunder, falsche Offenbarungen, Zaubereien etc. nur deshalb giebt, weil es deren wahre giebt; ebenso giebt es falsche Religionen nur, weil es eine wahre giebt. Denn wenn von alle dem niemals etwas bestanden hätte, so ist es ganz unmöglich, daß die Menschen es sich eingebildet, noch mehr, daß andere es geglaubt hätten. Da es aber sehr bedeutende Wahrheiten gegeben hat, und da sie auch von den größesten Menschen geglaubt wurden, so ist dieser Eindruck der Grund gewesen, weshalb fast alle Welt sich die Fähigkeit angeeignet hat, auch die falschen zu glauben. Statt also zu folgern, es giebt keine wahren Wunder, weil es falsche giebt; muß man vielmehr sagen, es giebt wahre Wunder, weil es so viel falsche giebt; und falsche giebt es eben nur deshalb, weil es wahre giebt; ebenso giebt es falsche Religionen nur, weil es eine wahrhaftige giebt. Das kommt daher, daß da der Geist des Menschen, sich in diesem Punkte von der Wahrheit gebeugt findend, dadurch für alle Falschheiten empfänglich wird.
Die Lösung dieses Problemes ist sehr leicht. Man beobachtet außerordentliche physische Wirkungen: Schelme machen sie als Wunder geltend. Man sieht Krankheiten bei Vollmond zunehmen; und Narren glaubten, das Fieber sei stärker wegen des Vollmondes. Ein Kranker, der besser werden mußte, befand sich wohler, nachdem er Tags zuvor Krebse gegessen; man folgerte – Krebse reinigten das Blut, weil sie gekocht roth sind.
Mir scheint, die menschliche Natur braucht des Wahren nicht, um dem Falschen zu verfallen. Mast hat dem Morde tausend falsche Einflüsse zugeschrieben, ehe man das geringste von der wirklichen Beziehung zur Meeresflut wußte. Der erste kranke Mensch hat ohne Mühe dem ersten Charlatan geglaubt; niemand hat Wärwölfe oder Hexen gesehen, und viele haben an sie geglaubt; niemand hat die Verwandlung der Metalle gesehn, und manche wurden ruinirt durch den Glauben an den Stein der Weisen; glaubten denn Römer, Griechen und Heiden nur deshalb an Wunder, mit denen sie überschwemmt waren, weil sie wahre gesehen hatten?
Es ist gesagt, glaubt an die Kirche; aber es ist nicht gesagt, glaubt an die Wunder; denn das letztere ist natürlich, nicht aber das erstere. Ersteres bedurfte eines Gebotes, letzteres aber nicht.
Es giebt so wenig Menschen, denen sich Gott durch außerordentliche Vorgänge offenbart, daß man diese Gelegenheiten recht wahrnehmen muß; denn er verläßt das ihn bedeckende Geheimnis der Natur nur, um unseren Glauben anzutreiben, ihm mit umso mehr Eifer zu dienen, mit je größerer Gewißheit wir ihn erkennen.
Wenn Gott sich den Menschen beständig offenbarte, so wäre es gar kein Verdienst an ihn zu glauben; wenn er sich nie offenbarte, es gäbe wenig Glauben. Aber er verbirgt sich gewöhnlich und offenbart sich selten denen, die er zu seinem Dienste ausersehen. Dies strenge Geheimnis, in welches sich Gott gehüllt, dem Blicke der Menschen undurchdringlich, ist eine große Lehre, uns in die Einsamkeit zu begeben, fern den Blicken der Menschen. Er ist verborgen geblieben unter dem Schleier der Natur, der uns ihn verbirgt, bis zur Fleischwerdung; und da seine Erscheinung nothwendig war, hat er sich noch mehr verborgen, indem er sich mit der Menschheit verhüllte. Er war weit erkennbarer, da er unsichtbar war, als da er sich sichtbar machte. Und schließlich, da er sein den Aposteln gegebenes Versprechen, bei den Menschen zu bleiben bis zu seiner letzten Wiederkunft, erfüllen wollte, hat er erwählt bei ihnen zu bleiben in dem sonderbarsten und dunkelsten Geheimnis von allen, nämlich unter den Gestalten des Abendmahles. Dieses Sacrament nennt St. Johannes in der Apocalypse »ein verborgenes Manna« (Apoc. 2, 17.); und ich glaube, daß Jesaias ihn in diesem Zustande sah, wenn er im prophetischen Geiste sagt: »Fürwahr, du bist ein verborgener Gott. (Jes. 45, 15.) Das ist das äußerste Geheimnis, in dem er sein kann. Der Schleier der Natur, welcher Gott bedeckt, ist gelüftet worden von manchen Ungläubigen, welche, wie St. Paulus sagt, (Röm. 1, 20.) einen unsichtbaren Gott durch die sichtbare Natur erkannt haben. Viele häretische Christen haben ihn erkannt trotz seiner Menschheit und haben Jesum Christum angebetet als Gott und Menschen. Wir aber, wir müssen uns glücklich schätzen, daß Gott uns soweit erleuchtet hat, daß wir ihn unter den Gestalten von Brot und Wein erkennen.
Man kann diesen Betrachtungen hinzufügen das Geheimnis des Geistes Gottes, der noch in der Schrift verborgen ist. Denn es giebt einen zwiefachen vollkommenen Sinn, den buchstäblichen und den mystischen; und die Juden, bei dem einen stehen bleibend, denken nicht einmal daran, daß ein anderer existiren könnte, und sorgen nicht dafür ihn zu suchen: ebenso wie die Ungläubigen, die natürlichen Wirkungen beobachtend, sie der Natur zuschreiben, ohne zu denken, daß es dafür einen anderen Urheber gäbe: und wie die Juden, in Jesu Christo einen vollkommenen Menschen erblickend, nicht gedacht haben in ihm eine andere Natur zu suchen: »Wir haben nicht gedacht, daß er es sei«, sagt noch Jesaias (Jes. 53, 3): ebenso schließlich wie die Häretiker, die vollkommene Erscheinung des Brotes in der Eucharistie bemerkend, nicht daran denken, darin eine andere Substanz zu suchen. Alle Dinge bedecken irgend ein Geheimnis; alle Dinge sind Schleier die Gott verdecken. Die Christen müssen ihn in allem erkennen. Die zeitlichen Trübsale bedecken die ewigen Güter zu denen sie führen. Die zeitlichen Freuden bedecken die ewigen Übel, die sie verursachen. Bitten wir Gott, uns ihn erkennen und in allem dienen zu lassen; sagen wir ihm unendlichen Dank, daß er, so vielen andern in allen Dingen verborgen, sich uns in allen Dingen und auf so mancherlei Weise offenbart hat.
Die Jungfrauen von Port-Royal, erstaunt darüber, daß man sagt, sie befänden sich auf einem Wege des Verderbens; ihre Beichtväter führten sie nach Genf; sie lehrten sie, daß Jesus Christus nicht im Abendmahl gegenwärtig, noch zur Rechten des Vaters sei: bieten sich Gott, da sie wissen, daß alles das falsch ist, dar in dem Zustande, daß sie mit dem Propheten zu ihm sprechen: »Siehe ob ich auf bösem Wege bin«. (Ps. 139, 24.) Was folgt daraus? Der Ort, den man den Tempel des Teufels nennt, Gott macht daraus seinen Tempel. Man sagt, man müsse die Kinder daraus entfernen; man sagt, es sei ein Arsenal der Hölle: Gott macht daraus das Heiligthum seiner Gnaden. Man droht ihnen endlich mit allem Zorn und allen rächenden Strafen des Himmels, und Gott überhäuft sie mit seinen Gnadenerweisungen. Man müßte den Verstand verloren haben, um daraus zu schließen, daß sie sich auf dem Wege des Verderbens befänden.
Die Jesuiten haben gleichwohl nicht unterlassen, diesen Schluß daraus zu ziehen; denn sie schließen aus allem, daß ihre Gegner Häretiker sind. Wenn diese ihnen ihre Ausschreitungen vorwerfen, so antworten sie, sie sprächen wie Ketzer. Wenn sie sagen, die Gnade Jesu unterscheide uns und unser Heil hänge ab von Gott: das ist die Redeweise der Ketzer. Wenn sie sagen, sie seien dem Papst unterworfen: geradeso, antworten sie, verbergen und verkappen sich die Ketzer. Wenn sie sagen, man dürfe keinen Menschen wegen eines Apfels tödten: sie bekämpfen, antworten die Jesuiten, die Moral der Katholiken. Endlich, wenn sich unter ihnen ein Wunder begiebt, so ist das kein Zeichen von Heiligkeit; nein, vielmehr ein verdächtiger Anschein von Ketzerei.
Zu so befremdlichen Ausschreitungen hat die Leidenschaft die Jesuiten fortgerissen; nur dies noch blieb ihnen übrig, um die Hauptgrundlagen der christlichen Religion zu zerstören. Denn die drei Kennzeichen der wahren Religion sind die Beständigkeit, der gute Lebenswandel und die Wunder. Die Beständigkeit haben sie bereits vernichtet durch die Probabilität, die ihre neuen Ansichten an Stelle alter Wahrheiten einsetzt; sie haben bereits vernichtet den guten Lebenswandel durch ihre verderbte Sittenlehre: jetzt wollen sie auch die Wunder vernichten, indem sie entweder ihre Wahrheit oder ihre Bedeutung vernichten.
Die Gegner der Kirche läugnen sie, oder läugnen ihre Bedeutung: die Jesuiten ebenso. Um also ihre Gegner zu entkräften, entwaffnen sie die Kirche, und verbinden sich mit allen ihren Feinden, indem sie von ihnen all' die Gründe entlehnen, womit sie die Wunder bekämpfen. Denn die Kirche hat drei Arten von Feinden: die Juden, die nie zu ihrem Leibe gehört; die Ketzer, die sich davon losgetrennt haben; und die schlechten Christen, welche sie im Innern verderben.
Diese drei Arten verschiedener Gegner bekämpfen sie für gewöhnlich in verschiedener Weise. Hier aber kämpfen sie alle auf gleiche Art. Da sie alle ohne Wunder sind, und da die Kirche stets Wunder wider sie gehabt hat, so haben sie alle das gleiche Interesse, sie fortzuschaffen und haben sich alle derselben Ausflucht bedient: man dürfe nicht über die Lehre nach den Wundern, sondern über die Wunder nach der Lehre urtheilen. Es gab unter denen, welche Jesum Christum vernahmen, zwei Parteien: die einen folgten seiner Lehre nach seinen Wundern; die anderen sagten: »Er treibt die Teufel aus im Namen Beelzebubs«. Es gab zwei Parteien zu Zeiten Calvins: die der Kirche und die der Sacramentirer, welche sie bekämpften. Heutzutage giebt es die Jesuiten, und die sogenannten »Jansenisten«, die im Streite liegen. Da aber die Wunder auf Seiten der Jansenisten sind, so mögen die Jesuiten zu der allgemeinen Ausflucht der Juden und Ketzer ihre Zuflucht nehmen: man muß über die Wunder nach der Lehre urtheilen.
Nicht hier ist das Land der Wahrheit: es ist unbekannt unter den Menschen. Gott hat sie mit einem Schleier bedeckt, der sie diejenigen verkennen läßt, welche ihre Stimme nicht verstehen. Thür und Thor ist den Lästerungen, sogar über die sichersten Wahrheiten der Moral, geöffnet. Verkündet man die Wahrheiten des Evangeliums, so verkündet man entgegengesetzte und verwirrt die Fragen: so daß das Volk nicht unterscheiden kann. Auch fragt man: Wodurch wollt ihr euch glaubhafter machen als die anderen? Was für Zeichen thut ihr? Ihr habt nur Worte und wir auch. Habt ihr keine Wunder, so sagt man: »die Lehre muß durch Wunder unterstützt werden«; das ist eine Wahrheit, die man mißbraucht, um die Lehre zu lästern. Ereignen sich die Wunder, so sagt man: »die Wunder genügen nicht ohne die Lehre«; und das ist eine andere Wahrheit, um die Wunder zu lästern.
Was ihr froh seid, meine Väter, die allgemeinen Regeln zu wissen, vermeinend dadurch Verwirrung zu stiften und alles unnütz zu machen! Man wird euch daran hindern, meine Väter: die Wahrheit ist eine einige und feste.
Wenn der Teufel die Lehre, welche ihn vernichtet, begünstigte, so wäre er mit sich uneins, »jedes Reich das mit ihm selbst uneins«, etc. Denn Jesus Christus kämpfte gegen den Teufel und vernichtete seine Herrschaft über die Herzen, wovon der Exorcismus das Symbol war, um das Reich Gottes aufzurichten. Deshalb fügt er hinzu: »durch Gottes Finger«, etc. »so kommt das Reich Gottes zu euch«, etc. (Luc. 11, 17. 20.)
Es war unmöglich, zu Mosis Zeiten seinen Glauben für den Antichristen aufzusparen, da er unbekannt war. Aber es ist sehr leicht zur Zeit des Antichrists an Jesum Christum zu glauben, der schon bekannt ist.
Wenn die Schismatiker Wunder thäten, sie würden nicht zu Irrthum verleiten. Und deshalb ist es nicht gewiß, daß sie keine thun könnten. Das Schisma ist sichtbar; das Wunder ist sichtbar. Aber das Schisma trägt mehr das Zeichen des Irrthums als das Wunder das der Wahrheit. Also kann das Wunder eines Schismatikers nicht zu Irrthum verleiten. Aber außerhalb des Schismas ist der Irrthum nicht so sichtbar wie das Wunder. Also würde das Wunder zu Irrthum verleiten. Deshalb ist ein Wunder unter Schismatikern nicht so sehr zu fürchten; denn das Schisma, welches sichtbarer ist als das Wunder, bezeichnet sichtlich ihren Irrthum. Wenn aber kein Schisma vorliegt, und der Irrthum fraglich ist, so entscheidet das Wunder.
Ebenso verhält es sich mit den Häretikern. Die Wunder sind ihnen unnütz; denn die Kirche, ermächtigt durch die Wunder, welche den Glauben voreingenommen haben, sagt uns, daß sie nicht den wahren Glauben haben. Unzweifelhaft haben sie ihn nicht, denn die ersten Wunder der Kirche schließen den Glauben der ihrigen, wenn sie ihn haben würden, aus. Es gäbe also Wunder gegen Wunder, aber die ersten und größesten auf Seiten der Kirche; deshalb müßte man stets ihr wider die Wunder glauben.
Von hier aus wollen wir betrachten, was über die Wunder von Port-Royal zu folgern ist.
Die Pharisäer sprachen: »Der Mensch ist nicht von Gott, dieweil er den Sabbath nicht hält«. (Joh. 9, 16.) Die andern sprachen: »Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen thun«? Was ist das einleuchtendste?
Im gegenwärtigen Streite sagen die einen: Dies Haus ist nicht Gottes; denn man glaubt darin nicht, daß sich die fünf Propositionen im Jansenius befinden. Die andern: Dieses Haus ist Gottes; denn es geschehen dort große Wunder. Was ist das einleuchtendste?
Derselbe Grund also, der die Juden schuldig macht, nicht an Jesum Christum geglaubt zu haben, macht die Jesuiten schuldig, in der Verfolgung des Hauses von Port-Royal fortgefahren zu sein.
Es war den Juden so gut wie den Christen gesagt, daß sie nicht immer den Propheten glaubten. Gleichwohl aber machen die Pharisäer und Schriftgelehrten ein großes Wesen von den Wundern Jesu Christi, und versuchen zu beweisen, daß sie falsch oder vom Teufel gewirkt sind: sie wären nothwendig überführt worden, wenn sie erkannt hätten, daß sie von Gott wären.
Wir brauchen heutzutage diese mühevolle Unterscheidung nicht mehr zu machen; sie ist indessen sehr leicht zu machen. Diejenigen, welche weder Gott noch Christus läugnen, thun durchaus keine Wunder, die nicht sicher wären. Aber wir brauchen diese Unterscheidung nicht zu machen. Seht eine geheiligte Reliquie. Seht ein Dorn von der Krone des Heilandes der Welt, an dem der Fürst dieser Welt keine Macht hat, der die Wunder thut durch die eigene Kraft des Blutes, für uns vergossen. Gott selbst erwählt dieses Haus, um in ihm seine Macht erglänzen zu lassen.
Nicht Menschen sind es, welche jene Wunder vermöge einer unbekannten und zweifelhaften Tugend, die uns zu einer schwierigen Unterscheidung verpflichtet, thun. Gott ist es selbst; das Marterwerkzeug seines einzigen Sohnes ist es, welches er an verschiedenen Orten auserwählt hat, und läßt von allen Seiten die Menschen zusammenkommen, um von demselben jene wunderbaren Tröstungen in ihrer Schwachheit zu empfangen.
Die Hartnäckigkeit der Jesuiten übersteigt noch die der Juden, denn diese wollten Jesum Christum nur deshalb nicht für unschuldig halten, weil sie zweifelten, ob seine Wunder von Gott seien. Während die Jesuiten, welche nicht zweifeln können, daß die Wunder von Port-Royal von Gott sind, nicht aufhören noch immer an der Unschuld dieses Hauses zu zweifeln.
Aber, sagen sie, die Wunder sind nicht mehr nöthig, weil man ihrer schon hat; und also sind sie nicht mehr Zeugnisse von der Wahrheit der Lehre. Ja. Aber wenn man die Tradition nicht mehr hört, wenn man das Volk überrumpelt; und wenn also, da man die wahre Quelle der Wahrheit, die Tradition, verstopft, und dem Papste, ihrem Verwahrer, vorgegriffen hat, die Wahrheit nicht mehr frei erscheinen darf: dann, wenn die Menschen nicht mehr von der Wahrheit sprechen, muß die Wahrheit ihrerseits zu den Menschen sprechen. So geschah es zur Zeit des Arius.
Die, welche Jesu Christo nachfolgen wegen seiner Wunder, ehren seine Macht in allen Wundern, die sie hervorbringt; aber diejenigen, welche es zum Bekenntnis machen ihm für seine Wunder nachzufolgen, folgen ihm in Wirklichkeit nur, weil er sie tröstet und mit weltlichen Gütern sättigt: sie entehren seine Wunder, wenn sie ihren Neigungen im Wege sind.
Das ist die Handlungsweise der Jesuiten. Sie unterstützen die Wunder: sie bekämpfen diejenigen, die von ihnen überzeugt werden. Ungerechte Richter, macht keine Augenblicksgesetze; urtheilt nach denen, die von euch selbst aufgestellt sind: » Vos qui conditis leges iniquas«.
Wodurch sich die Kirche erhalten ist der Umstand, daß die Wahrheit unbestritten gewesen; oder wenn sie bestritten wurde, so hat es den Papst gegeben, und wenn nicht, die Kirche.
Das Wunder ist eine Wirkung, welche die natürliche Kraft der angewandten Mittel übersteigt, und das Nicht-Wunder ist eine Wirkung, welche die angewandte Kraft nicht übersteigt. Also thun die, welche durch Anrufung des Teufels heilen, kein Wunder; denn das übersteigt die natürliche Kraft des Teufels nicht.
Die Wunder bezeugen die Macht Gottes über die Herzen, vermöge der, die er über die Körper ausübt.
Es ist wichtig für Könige und Fürsten im Ruf der Frömmigkeit zu stehen; deshalb müssen sie sich zu euch bekennen. ( Des jésuites.)
Die Jansenisten gleichen den Häretikern in der Reformation der Sitten; ihr aber gleicht ihnen im Bösen.