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Elfter Artikel.
Beweise für Jesus Christus durch die Propheten.

1.

Der bedeutendste Beweis für Jesus Christus besteht in den Prophetieen. Sie sind auch am meisten Gegenstand der Vorsehung Gottes gewesen; denn das Ereignis, welches sie erfüllt hat, ist ein Wunder, welches seit der Geburt der Kirche bis an ihr Ende besteht. Also Gott hat Propheten erweckt während sechzehnhundert Jahren; und während vierhundert Jahren nachher hat er all' diese Prophetieen mit allen Juden zerstreut, daß sie dieselben trügen in alle Gegenden der Welt. So beschaffen war die Vorbereitung auf die Geburt Jesu Christi, denn ehe dessen Evangelium von aller Welt geglaubt wurde, bedurfte es nicht nur der Prophetieen, um es glauben zu machen, sondern diese Prophetieen mußten auch durch alle Welt verbreitet werden, um es von aller Welt willig aufnehmen zu lassen.

Wenn ein einzelner Mensch ein Buch der Vorherverkündigungen Jesu Christi nach Zeit und Art des Erscheinens verfaßt hätte, und wenn Jesus Christus in Übereinstimmung mit diesen Prophetieen gekommen wäre, so wäre das eine unendliche Kraft. Aber hierin liegt noch viel mehr. Es ist eine Reihenfolge von Menschen innerhalb vierer Jahrtausende, die beständig und ohne Veränderung einer nach dem andern dasselbe Zukunftsereignis vorausverkündigen. Ein ganzes Volk kündigt es an und es besteht durch vier Jahrtausende, um noch Zeugnisse der Versicherungen, die sie haben, abzulegen, und es kann nicht davon abgewendet werden, welche Drohungen und welche Verfolgung man auch über dasselbe verhänge: das ist in ganz anderer Weise beachtenswerth.

2.

Die Zeit war vorausverkündigt durch den Zustand des jüdischen Volkes, durch den Zustand des heidnischen Volkes, durch den Zustand des Tempels und durch die Zahl der Jahre.

Da die Propheten verschiedene Zeichen angegeben hatten, die alle bei der Erscheinung des Messias eintreffen sollten, so mußten all' jene Zeichen zu derselben Zeit eintreffen; und also mußte die vierte Monarchie gekommen sein, wenn die siebzig Wochen des Daniel voll waren; das Scepter mußte von Juda genommen sein und alsdann der Messias erscheinen. Und Jesus Christus erschien alsdann und nannte sich selbst den Messias.

Es war vorausgesagt, daß in der vierten Monarchie, vor der Zerstörung des zweiten Tempels, ehe die Herrschaft den Juden genommen, und in der siebenzigsten Woche des Daniel die Heiden unterrichtet und zu der Erkenntnis des Gottes der Juden geführt sein würden; daß die, welche ihn lieben, von ihren Feinden befreit und mit seiner Furcht und Liebe erfüllt sein würden.

Und es ist geschehen, daß in der vierten Monarchie, vor der Zerstörung des zweiten Tempels etc., die Heiden in Masse Gott anbeten und ein engelhaftes Leben führen; daß Jungfrauen Gott ihre Jungfräulichkeit und ihr Leben opfern; Männer auf alle Freuden verzichten. Wovon Plato einige wenige auserwählte und unterrichtete Männer nicht überzeugen konnte, davon überzeugt eine geheime Kraft hunderttausende von unwissenden Menschen durch die Macht weniger Worte.

Was bedeutet das alles? Es bedeutet, was so lange zuvor vorhergesagt war: Effundam spiritum meum super omnem carnem. (Joël 2, 28.) Alle Völker lebten in Unglauben und ihren Begierden: alle Welt entbrannte in glühender Nächstenliebe; Fürsten verzichten auf ihre Hoheit; Reiche verlassen ihre Güter; Jungfrauen dulden das Martyrium; Kinder verlassen das Haus ihrer Eltern, um in Wüsten zu leben. Woher kommt diese Kraft? Der Messias ist erschienen. Das sind Wirkungen und Zeichen seiner Ankunft.

Zweitausend Jahre hindurch war der Gott der Juden unter der endlosen Menge heidnischer Nationen unbekannt geblieben: in der vorhergesagten Zeit beten die Heiden in Masse diesen einigen Gott an; die Tempel sind zerstört; selbst die Könige unterwerfen sich dem Kreuze. Was bedeutet das alles? der Geist Gottes ist über die Erde ausgegossen.

Es war vorhergesagt, daß der Messias einen neuen Bund aufrichten würde, der den Auszug aus Egypten vergessen machte (Jerem. 23, 7), daß er sein Gesetz nicht in Äußerlichkeiten, sondern in den Herzen aufrichten würde (Jes. 51, 7); daß er seine Furcht, die nur äußerlich gewesen war, mitten in ihr Herz geben würde. (Jerem. 31, 33 u. 32, 40.)

Daß die Juden Jesum Christum verwerfen würden, und daß sie von Gott würden verworfen werden, weil der auserwählte Weinstock nur Heerlinge brachte. (Jes. 5, 2. 3. 4.) Daß das auserwählte Volk gottlos, undankbar und ungläubig sein würde: Populum non credentem et contradicentem. (Jes. 65, 2.) Daß Gott sie mit Blindheit schlagen würde und daß sie am hellen Mittag wie die Blinden tappen würden. (Deut. 28, 28. 29.)

Daß die Kirche bei ihrem Beginn klein sein und nachher wachsen würde. (Hesek. 17.)

Es war vorhergesagt, daß alsdann die Götzendienerei ausgerottet würde; daß dieser Messias alle Götzen vertilgen und die Menschen zu der Verehrung des wahren Gottes führen würde. (Hesek. 30, 13.)

Daß die Tempel der Götzen vernichtet würden und daß man unter allen Nationen in allen Gegenden der Welt ihm ein reines Opfer darbrächte, und nicht Thieropfer. (Mal. 1, 11.)

Daß er die Menschen den rechten Weg lehren würde.

Daß er König der Juden und Heiden wäre.

Und niemals, weder vorher, noch nachher ist irgend ein Mensch gekommen der etwas dem Ähnliches gelehrt habe.

Nachdem so viel Menschen diese Ankunft vorausgesagt, ist Jesus Christus endlich gekommen mit den Worten: Siehe ich bin da, und siehe die Zeit ist erfüllet. Er ist gekommen, den Menschen zu sagen, daß sie keine anderen Feinde haben, als sich selbst; daß nur ihre Leidenschaften sie von Gott trennten; daß er komme, sie davon zu befreien, ihnen seine Gnade zu geben, um alle Menschen in einer heiligen Kirche zu versammeln; daß er komme in diese Kirche Heiden und Juden einzuführen; daß er komme die Götzen jener und den Aberglauben dieser zu vernichten.

Was, hat er ihnen gesagt, die Propheten vorhergesagt haben, daß geschehen müsse, davon sage ich, daß meine Apostel es thun werden. Die Juden werden verworfen werden; Jerusalem wird bald zerstört werden; die Heiden werden eingehen zur Erkenntnis Gottes; und meine Apostel werden sie darin einführen, nachdem ihr den Erben des Weinbergs werdet getödtet haben.

Darnach haben die Apostel zu den Juden gesagt: ihr werdet verflucht werden; und zu den Heiden: ihr werdet eingehen zur Erkenntnis Gottes.

Dem widersetzen sich alle Menschen vermöge der natürlichen Widersetzlichkeit ihrer Concupiscenz. Dieser König der Juden und Heiden ward unterdrückt von diesen und jenen, die seinen Tod beschließen. Alles Mächtige in der Welt vereinigt sich gegen diese entstehende Religion; die Gelehrten, die Weisen, die Könige. Die einen schreiben, die andern verdammen, die dritten tödten. Und trotz all' dieser Hemmnisse: Jesus Christus herrscht nach kurzer Zeit über die einen wie die andern und zerstört einerseits den jüdischen Cultus in seinem Centrum Jerusalem und macht daraus seine erste Kirche, andererseits den Cultus der Götzen in seinem Centrum Rom und macht daraus seine Hauptkirche.

Einfache, machtlose Leute, wie die Apostel und die ersten Christen, widerstehen allen Mächten der Erde, unterwerfen sich die Könige, Gelehrten und Weisen und zerstören den überall geltenden Götzendienst. Und alles das geschieht allein durch die Kraft dieses Wortes, das es vorhergesagt hatte.

Indem die Juden Jesum Christum, um ihn nicht als Messias zu empfangen, tödteten, gaben sie ihm das letzte Messias-Wahrzeichen. Indem sie ihn fortgesetzt verkannten, machten sie sich zu unverwerflichen Zeugen; indem sie ihn tödteten und fortgesetzt verläugneten, erfüllten sie die Prophetieen.

Wer würde Jesus Christus nicht erkennen an so vielen einzelnen Umständen, die von ihm vorhergesagt waren? Denn es ist gesagt:

Er werde einen Vorläufer haben. (Mal. 3, 1.)

Er werde als Kind geboren werden. (Jes. 9, 6.)

Er werde geboren werden in Bethlehem; er werde hervorgehen aus der Familie Juda's und Davids; er werde hauptsächlich in Jerusalem erscheinen. (Micha 5, 1.)

Er müsse verblenden die Weisen und Gelehrten, und das Evangelium den Armen und Geringen verkündigen; den Blinden die Augen öffnen, und Kranke heilen, und zum Lichte führen die, welche in Finsternis schmachten. (Jes. 6, 10. 61, 1.)

Er müsse den rechten Weg weisen und ein Lehrer der Heiden sein. (Jes. 55, 4.)

Er müsse das Opferlamm sein für die Sünden der Welt. (Jes. 53.).

Er müsse sein der bewährte und köstliche Eckstein. (Jes. 28, 16.)

Er müsse sein der Stein des Anstoßes und des Ärgernisses (Jes. 8, 14.)

Jerusalem müsse anstoßen wider diesen Stein. (Jes. 15.)

Die Bauleute müssen diesen Stein verwerfen. (Ps. 118, 22.)

Gott müsse diesen Stein zum Eckstein machen. (Ibid.)

Dieser Stein müsse wachsen zu einem ungeheuren Gebirge und alle Welt erfüllen. (Dan. 2, 35.)

Er müsse also verworfen sein, erkannt, verrathen, verkauft, geohrfeigt, verhöhnt, gekränkt in unendlicher Weise, getränkt mit Gallen; seine Füße und Hände müssen durchbohrt werden; man würde ihn ins Antlitz speien; er werde getödtet und über seine Kleider das Loos geworfen werden. (Sacharj. 11, 12. Ps. 22, 17, 18, 19; 69, 22.)

Er werde am dritten Tage auferstehen. (Ps. 16, 10. Hos. 6, 2.)

Er werde auffahren gen Himmel und sich zur Rechten Gottes setzen. (Ps. 110.)

Könige werden sich gegen ihn waffnen. (Ps. 2.)

Zur Rechten des Vaters wird er Sieger über seine Feinde sein. (Ps. 72, 11.)

Könige der Erde und alle Völker werden ihn anbeten. (Jes. 60, 10.)

Die Juden werden als Nation bestehen bleiben. (Jerem. 31, 36.)

Sie werden umherirren, ohne Könige, ohne Opfer, ohne Altar etc., ohne Propheten, das Heil erwartend und es nicht findend. (Hos. 8, 4. Amos, Jes.)

3.

Der Messias mußte allein ein großes, erlesenes, heiliges und auserwähltes Volk erzeugen; es führen, es nähren, es einführen in den Ort der Ruhe und Heiligkeit; es Gott heiligen, einen Tempel Gottes daraus machen, es mit Gott versöhnen, es vom Zorne Gottes erretten, es befreien von der Knechtschaft der Sünde, die sichtbar im Menschen herrscht; diesem Volke Gesetze geben, diese Gesetze in ihr Herz schreiben, sich Gott statt ihrer darbieten, sich für sie opfern, ein fleckenloses Opferthier und zugleich selbst Opferer sein: er mußte sich selbst darbieten, sein Leib und Blut darbieten und gleichwohl Gott Brot und Wein darbieten. Jesus Christus hat alles das gethan.

Es war vorausgesagt, daß ein Befreier kommen würde, der der Schlange den Kopf zertreten würde, der sein Volk von seinen Sünden befreien solle, ex omnibus iniquitatibus (Ps. 130, 8.), daß er ein neues Testament haben würde, das ewig wäre; daß er ein anderes Priesterthum haben solle nach der Ordnung Melchisedeks; daß dieses ewig sein werde; daß der Christ ruhmvoll, mächtig, stark, und gleichwohl so elend sein solle, daß man ihn nicht erkennen würde; daß man ihn nicht für das halten würde, was er ist; daß man ihn verwerfen, daß man ihn tödten würde; daß sein Volk, das ihn verläugnet, nicht mehr sein Volk sein würde; daß die Götzendiener ihn aufnehmen und ihm zulaufen würden; daß er Zion verlassen würde, um im Centrum des Götzendienstes zu herrschen; daß gleichwohl die Juden immer bestehen würden; daß er aus Juda kommen solle, und zwar wenn es keine Könige mehr habe.

4.

Man beachte doch, daß seit Beginn der Welt die Erwartung oder Anbetung des Messias ununterbrochen bestanden hat; daß er dem ersten Menschen sofort nach seinem Falle verheißen wurde; daß sich seitdem Menschen gefunden, die da gesagt, Gott habe ihnen offenbart, es werde ein Erlöser geboren werden und sein Volk retten; daß sodann Abraham gekommen und gesagt, es sei ihm offenbart, daß er von ihm durch einen Sohn, den er haben werde, geboren würde; daß Jacob erklärt hat, daß von seinen zwölf Kindern Juda der sei, von dem er geboren werde; daß Moses und die Propheten darauf gekommen und die Zeit und Art seiner Ankunft erklärt haben; daß sie gesagt, ihr Gesetz bestände nur in der Erwartung dessen des Messias; daß es bis dahin bestehen würde, daß aber das andere ewiglich dauern würde; daß also ihr Gesetz oder das des Messias, wovon das ihre die Verheißung, stets auf Erden sein werde; daß es in der That immer bestanden hat; und daß schließlich Jesus Christus unter allen vorausgesagten Umständen gekommen ist. Das ist bewunderungswürdig.

Wenn das nun aber den Juden so deutlich verkündigt war, wird man sagen, weshalb haben sie es denn nicht geglaubt? oder weshalb sind sie nicht ausgerottet, weil sie einer so deutlichen Sache widerstanden haben? Ich antworte, das eine wie das andere war vorausgesagt, sowohl daß sie eine so deutliche Sache nicht glauben würden, als auch daß sie nicht ausgerottet würden. Und nichts ist ruhmvoller für den Messias; denn es genügte nicht, daß er Propheten hatte; ihre Prophetieen mußten auch von Verdacht frei erhalten werden. Nun aber, etc.

5.

Die Propheten enthalten unter einander gemischt besondere Prophetieen, und die vom Messias, damit die Prophetieen vom Messias nicht ohne Beweise, und die besonderen Prophetieen nicht ohne Frucht wären.

Non habemus regem nisi Caesarem, sagten die Juden. (Joh. 19, 15.) Also war Jesus Christus der Messias, denn sie hatten nur noch einen Fremden als König, und wollten gar keinen anderen.

Die siebzig Wochen des Daniel sind zweideutig in Bezug auf den Anfangspunkt, wie überhaupt die Ausdrücke der Prophetie; und in Bezug auf den Endpunkt, wegen der Verschiedenheit der Zeitberechner. Aber der ganze Unterschied beträgt höchstens zweihundert Jahre.

Die Prophetieen, welche Jesus Christus als arm darstellen, stellen ihn auch dar als Herrn der Nationen. (Jes. 53. Sach. 9, 9.)

Die Prophetieen, welche die Zeit voraussagen, verkündigen ihn nur als Herrn der Heiden und duldend, und nicht in den Wolken, noch als Richter; und diejenigen, welche ihn darstellen also die Nationen richtend und in Herrlichkeit, bezeichnen gar nicht die Zeit.

Wenn von dem Messias gesprochen wird als groß und herrlich, so ist deutlich, daß es geschieht von ihm als Richter der Welt, und nicht als ihr Erlöser. (Jes. 66, 15. 16.)


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