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Dritter Artikel.
Es ist schwer die Existenz Gottes aus natürlichen Erkenntnisquellen zu beweisen; aber es ist sehr sicher, ihn zu glauben.

1.

A. Laßt uns nach unsern natürlichen Einsichten sprechen. Wenn es einen Gott giebt, so ist er doch im höchsten Maße unbegreiflich, da er ohne Theile und Grenzen durchaus keine Beziehung zu uns hat: wir sind also außer Stande zu erkennen was er ist, noch ob er ist. Wer wird sich bei solcher Sachlage daran wagen, die Lösung dieser Frage zu unternehmen? Wir gewiß nicht, die wir keine Beziehung zu ihm haben.

2.

B. Ich werde es hier nicht unternehmen mit natürlichen Gründen die Existenz Gottes, oder die Dreieinigkeit oder die Unsterblichkeit der Seele oder irgend eine Frage dieser Art zu beweisen, nicht nur, weil ich mich nicht stark genug fühle Noch einmal, ist es möglich, daß Pascal sich nicht stark genug fühle die Existenz Gottes zu beweisen? in der Natur aufzufinden, womit verhärtete Atheisten überführt würden, sondern auch, weil diese Erkenntnis ohne Jesus Christus unnütz und unfruchtbar ist. Wenn ein Mensch überzeugt wäre, daß die Verhältnisse unter den Zahlen immaterielle, ewige, von einer ersten Wahrheit, in der sie begründet sind, abhängige Wahrheiten seien, und wenn man diese »Gott« nennte, ich würde nicht glauben, daß er damit einen großen Fortschritt für sein Heil gemacht habe.

3.

A. Es ist bemerkenswerth, daß nie ein kanonischer Schriftsteller sich der Natur bedient, um Gott zu beweisen: alle streben darnach ihn glauben zu lassen; niemals haben sie gesagt: es giebt durchaus keine Leere; also giebt es einen Gott. Das ist ein spaßhaftes Argument: Nie hat die Bibel gesagt wie Descartes: Alles ist voll, also giebt es einen Gott. Sie hätten viel geschickter sein müssen, als die geschicktesten Leute, die nach ihnen gekommen sind und die sich alle dieses Beweises bedient haben.

B. Ist es ein Zeichen der Schwäche, Gott aus der Natur zu beweisen, so achtet die Schrift nicht gering: ist es ein Zeichen der Stärke, diese Gegensätze erkannt zu haben, so achtet darum die Schrift hoch.

4.

A. Die Einheit dem Unendlichen hinzugefügt vermehrt sie um nichts, ebenso wenig wie ein Fuß mehr eine unendliche Länge. Das Endliche vergeht vor dem Unendlichen und wird ein reines Nichts. Also unser Geist vor Gott; also unsere Gerechtigkeit vor der göttlichen Gerechtigkeit. Es ist kein so großes Mißverhältnis zwischen der Einheit und dem Unendlichen, wie zwischen unserer Gerechtigkeit und der Gottes.

5.

B. Wir erkennen, daß es ein Unendliches giebt, und wir kennen seine Beschaffenheit nicht. Also wissen wir z. B., es ist falsch, daß die Zahlen endlich seien: folglich ist es wahr, daß es ein Unendliches in Zahlen giebt. Aber wir wissen nicht, was es ist. Es ist falsch, daß es gerade sei, es ist falsch, daß es ungerade sei; denn durch Hinzufügung der Einheit verändert es seine Natur durchaus nicht: gleichwohl ist es eine Zahl, und jede Zahl ist gerade oder ungerade; es ist wahr, daß das von allen endlichen Zahlen gilt.

Man kann also gar wohl erkennen, daß ein Gott ist, ohne zu wissen, was er ist: und ihr dürft nicht folgern, daß gar kein Gott existire, deshalb weil wir sein Wesen nicht vollkommen erkennen.

Ich werde mich, um euch von seiner Existenz zu überführen, nicht des Glaubens bedienen, durch den wir sie auf das gewisseste erkennen, noch all' der andern Beweise, die wir dafür haben, da ihr sie ja nicht annehmen wollt. Ich will mit euch nur nach euren eigenen Principien verfahren; und ich mache mich anheischig, euch auf dieselbe Art, wie ihr täglich über Dinge von geringerer Tragweite urtheilt, zu zeigen, wie ihr in dieser Angelegenheit urtheilen müßt, und welche Partei ihr bei der Entscheidung über diese wichtige Frage nach der Existenz Gottes ergreifen müßt.

A. Gleichwohl ist es sicher, daß Gott ist oder daß er nicht ist; es giebt keinen Mittelweg. Aber auf welche Seite sollen wir uns neigen? Die Vernunft, sagt ihr, kann nichts darüber entscheiden. Es giebt ein unendliches Chaos, das uns trennt. Man spielt auf diese unendliche Entfernung hin ein Spiel, wohin Kopf oder Wappen kommen wird. Was wettet ihr? Mit Vernunft könnt ihr weder das eine noch das andere bejahen; mit Vernunft könnt ihr keins von beiden verneinen.

B. Tadelt also auch nicht den Fehler derjenigen, die eine Wahl getroffen haben; denn ihr wißt nicht ob sie Unrecht haben, und ob sie schlecht gewählt haben.

A. Ich werde sie tadeln, nicht diese Wahl, sondern überhaupt eine Wahl getroffen zu haben; und der welcher Kopf, und der welcher Wappen nimmt, sie haben alle beide Unrecht: das Richtige ist gar nicht zu wetten.

B. Ja, aber man muß wetten: das ist nicht freiwillig; ihr habt euch einmal darauf eingelassen, und nicht wetten, daß Gott ist, heißt wetten, daß er nicht ist. Es ist offenbar falsch zu sagen: Nicht wetten, daß Gott ist, heißt wetten, daß er nicht ist; denn der welcher Zweifel und Aufklärung sucht, wettet gewiß nicht, weder für noch wider. Auch sonst scheint dieser Artikel etwas indecent und knabenhaft: diese Vorstellung von Spiel, von Verlust und Gewinn paßt gar nicht zu der Wichtigkeit des Gegenstandes. Noch mehr, das Interesse, welches ich daran habe etwas zu glauben, ist kein Beweis für die Existenz desselben. Ihr versprecht mir die Herrschaft über die Welt, wenn ich glaube, daß ihr Recht habt. Ich wünsche alsdann von ganzem Herzen, daß ihr Recht haben möget; aber ehe ihr es mir nicht bewiesen, kann ich Euch nicht glauben. Beginne, könnte man zu Pascal sagen, damit, meine Vernunft zu überführen: ich habe ohne Zweifel ein Interesse daran, daß ein Gott sei; aber wenn nach deinem System Gott nur für so wenig Menschen gekommen, wenn die Zahl der Erwählten so erschrecklich klein ist, wenn ich ganz und gar nichts aus mir selbst vermag, sag' mir, ich bitte dich, welches Interesse habe ich dir zu glauben? Habe ich nicht vielmehr ein ersichtliches Interesse daran vom Gegentheil überzeugt zu werden? Mit welcher Stirn wagst du es mir ein unendliches Glück zu zeigen, welches unter einer Million Menschen kaum einer mit Recht ersehnen darf! Wenn du mich überführen willst, versuche es auf andere Weise, nicht indem du mir bald von Glücksspiel, Wette, Kopf und Wappen sprichst, bald mich durch die Dornen erschreckst, die du auf den Weg streust, den ich gehen will und muß. Deine Auseinandersetzung würde nur Atheisten machen, wenn nicht die Stimme aller Natur uns zuriefe, daß ein Gott ist, mit ebenso viel Kraft, als diese Subtilitäten schwach sind. Was wollt ihr also wählen? Sehen wir, was euch am wenigsten interessirt: ihr habt zweierlei zu verlieren, das Wahre und das Gute; und zweierlei einzusetzen, eure Vernunft und euren Willen, eure Erkenntnis und euer Glück: und eure Natur hat zweierlei zu fliehen, Irrthum und Elend. Wettet also ohne Zögern, daß er ist; eure Vernunft wird, wenn ihr das eine wählt, nicht mehr verletzt, als wenn ihr das andere wählt; denn zu wählen ist einmal absolut nothwendig. Das ist eine abgemachte Sache; aber euer Glück? Wägen wir Gewinn und Verlust: nehmt ihr die Partei des Glaubens gewinnt ihr, wenn ihr gewinnt, alles; wenn ihr verliert, verliert ihr nichts. Glaubt also, wenn ihr es könnt.

A. Das ist bewunderungswürdig: ja, man muß glauben; aber ich wage vielleicht zu viel.

B. Laßt uns sehen: wenn ihr, da die Aussichten auf Gewinn und Verlust gleich sind, nur zwei Leben für eines zu gewinnen hättet, so könntet ihr noch wetten. Und wenn ihrer zehn zu gewinnen wären, so wäret ihr unklug euer Leben nicht zu wagen, um ihrer zehn zu gewinnen in einem Spiel, wobei die Aussichten auf Gewinn und Verlust gleich sind. Aber es giebt hier eine Unendlichkeit von unendlich glücklichen Leben zu gewinnen mit gleicher Aussicht auf Verlust und Gewinn; und das was ihr einsetzt ist so wenig werth und von so geringer Dauer, daß es Thorheit wäre, es bei dieser Gelegenheit zu sparen.

Denn es nützt nichts zu sagen, es sei ungewiß, ob man gewinnen wird, und es sei gewiß, daß man wage; und daß der unendliche Unterschied zwischen der Sicherheit dessen, was man einsetzt, und der Unsicherheit dessen, was man gewinnen kann, das endliche Gut, welches man sicher einsetzt, dem unendlichen, was ungewiß ist, gleichwerthig mache. Das verhält sich nicht so: jeder Spieler wagt mit Sicherheit, um mit Unsicherheit zu gewinnen; und gleichwohl wagt er sicher das Endliche, um unsicher das Endliche zu gewinnen, ohne deshalb wider die Vernunft zu fehlen. Es ist kein unendlicher Unterschied zwischen dieser Sicherheit dessen, was man einsetzt, und der Unsicherheit des Gewinnes; das ist falsch. Es ist in Wahrheit ein unendlicher zwischen der Sicherheit zu gewinnen und der Sicherheit zu verlieren. Aber die Unsicherheit zu gewinnen steht im richtigen Verhältnis zu der Sicherheit dessen, was man wagt, nach dem Verhältnis der Aussichten auf Gewinn und Verlust; und deshalb steht, wenn auf der einen Seite ebenso viel Aussicht wie auf der andern Seite ist, die Partie gleich gegen gleich; und alsdann ist die Sicherheit dessen was man einsetzt gleich der Unsicherheit des Gewinnes, geschweige denn, daß sie ihr unendlich ungleich sei. Und also ist unsere Voraussetzung von unendlicher Kraft, da man nur das Endliche zu wagen hat an ein Spiel, bei dem die Aussichten auf Gewinn und Verlust gleich und das Unendliche zu gewinnen ist. Das ist beweiskräftig; und wenn die Menschen einigen Wahrheiten zugänglich sind, so müssen sie es für diese sein.

A. Ich bekenne es, ich gestehe es. Aber dennoch gäbe es kein Mittel die verdeckte Seite des Spiels zu sehen?

B. Ja, durch das Mittel der Schrift, und durch all' die anderen Beweise der Religion, welche unendlich sind.

A. Die welche ihr Heil hoffen, werdet ihr sagen, sind dadurch glücklich; aber sie haben als Gegengewicht die Furcht vor der Hölle.

B. Aber wer hat mehr Grund die Hölle zu fürchten, der, welcher in Unwissenheit schwebt, ob es eine Hölle giebt, und in sicherer Verdammung, wenn es eine giebt; oder der, welcher in sicherer Überzeugung lebt, daß es eine Hölle giebt, und in der Hoffnung gerettet zu werden, wenn es eine giebt?

Wenn jemand, der nur noch acht Tage zu leben hätte, nicht zu der Überzeugung käme, daß es das Sicherste sei zu glauben, all' das sei nicht nur ein Spiel des Zufalls, der würde den Verstand völlig verloren haben. Wenn uns nun aber die Leidenschaften nicht zurückhielten, so wären acht Tage und hundert Jahre ein und dasselbe.

Was wird euch Übles geschehen, wenn ihr diese Partei ergreift? Ihr werdet treu, ehrlich, demüthig, erkenntlich, wohlthätig, lauter, wahrhaft sein. Ihr werdet in der That nicht mehr in jenen vergifteten Freuden, dem Ruhm, der Wollust, leben. Aber werdet ihr gar keine andere haben? Ich sage euch, daß ihr in diesem Leben gewinnen werdet; daß ihr bei jedem Schritte auf dieser Bahn soviel Sicherheit des Gewinns und in dem, was ihr wagt, ein solches Nichts sehen werdet, daß ihr schließlich erkennen werdet, ihr habt auf eine sichere und unendliche Sache gewettet und ihr habt nichts gegeben um sie zu erhalten.

A. Ja, aber meine Hände sind gebunden und mein Mund ist stumm; man zwingt mich zu wetten, ich bin nicht frei, man läßt mich nicht los: und ich bin von der Art, daß ich nicht glauben kann. Was wollt ihr also, daß ich thun soll?

B. Erkennt wenigstens eure Ohnmacht zum Glauben, da die Vernunft euch dahin führt, und ihr gleichwohl nicht glauben könnt. Arbeitet also daran euch zu überzeugen, nicht durch Vermehrung der Beweise Gottes, sondern durch Verminderung eurer Leidenschaften. Ihr wollt zum Glauben gehen, und ihr wißt nicht den Weg; ihr wollt euch heilen vom Unglauben und ihr fragt nach den Mitteln: lernt sie von denen, die so gewesen sind, wie ihr, und die jetzt keinen Zweifel mehr haben. Sie kennen den Weg, den ihr gehen wollt; und sie sind geheilt von dem Übel, wovon ihr geheilt sein wollt. Folgt der Weise, womit sie angefangen haben; ahmt ihre äußeren Handlungen nach, wenn ihr noch nicht zu ihren inneren Neigungen gelangen könnt; verlaßt jene eitlen Vergnügungen, die euch ganz in Anspruch nehmen.

Ich würde diese Vergnügungen bald verlassen haben, sagt ihr, wenn ich den Glauben hätte. Und ich sage euch, ihr würdet bald den Glauben haben, wenn ihr diese Vergnügungen verlassen hättet. Es ist aber an euch anzufangen. Wenn ich könnte, würde ich euch den Glauben geben: ich kann es nicht, also auch nicht die Wahrheit dessen, was ihr sagt, beweisen; aber ihr könnt gar wohl jene Vergnügungen verlassen und erproben, ob das, was ich sage, wahr ist.

A. Diese Rede entzückt, bezaubert mich.

B. Wenn diese Rede euch gefällt und mächtig scheint, so wisset, daß sie gethan ist von einem Menschen, der vorher und nachher auf den Knieen gelegen, um jenes unendliche, theillose Wesen, dem er all' das Seine unterwirft, zu bitten, sich auch das Eure zu unterwerfen zu eurem eignen Heil und seinem Ruhm; und daß also die Macht sich mit dieser Niedrigkeit vereinigt.

6.

Man muß sich nicht verkennen: wir sind ebenso sehr Körper als Geist; und deshalb ist das Mittel zur Überzeugung nicht einzig und allein die Beweisführung. Wie wenig bewiesene Dinge giebt es? Die Beweise überführen nur den Geist. Die Gewohnheit macht unsere Beweise zu den stärksten. Gewohnheit ist hier nicht das rechte Wort. Nicht aus Gewohnheit glaubt man, daß es morgen werden wird. Sondern nach äußerster Wahrscheinlichkeit. Nicht vermöge unserer Sinne, unseres Körpers erwarten wir zu sterben; sondern da unsere Vernunft weiß, daß alle Menschen gestorben sind, so lehrt sie uns, daß auch wir sterben werden. Erziehung und Gewohnheit machen ohne Zweifel, wie auch Pascal sagt, Muselmänner und Christen. Aber die Gewohnheit läßt uns nicht glauben, daß wir sterben werden, wie sie uns an Mahomed oder Paulus glauben läßt, je nachdem wir zu Constantinopel oder Rom erzogen sind. Das sind Dinge sehr verschiedener Art. Sie beugt die Sinne, und diese ziehen den Geist mit fort, ohne daß er daran denkt. Wer hat bewiesen, daß morgen Tag sein wird, und daß wir sterben werden? und was giebt es, das allgemeiner geglaubt würde? Also überzeugt uns davon die Gewohnheit; sie ist es, die soviel Türken und Heiden macht; sie macht die Berufsarten, die Soldaten, etc. Es ist wahr, man darf nicht mit ihr beginnen, um die Wahrheit zu finden; aber man muß, wenn der Geist einmal die Wahrheit gesehen, auf sie zurückgreifen, um uns zu tränken und zu färben mit diesem Glauben, der uns stündlich entschlüpft; denn dafür stets die Beweise gegenwärtig zu haben, das wäre zu viel verlangt. Man muß einen leichteren Glauben erwerben, den der Gewohnheit, der ohne Gewalt, Kunst und Beweis uns die Dinge glauben läßt, und all' unsere Kräfte diesem Glauben beugt, so daß unsere Seele ganz natürlich darein verfällt. Es ist nicht genug, nur vermöge der Stärke der Überzeugung zu glauben, wenn die Sinne uns verleiten das Gegentheil zu glauben. Unsere beiden Theile müssen also zusammen gehen; der Geist vermöge der Gründe, die einmal in seinem Leben gesehen zu haben genügt; und die Sinne vermöge der Gewohnheit und indem man ihnen nicht gestattet, sich zum Gegentheil hinzuneigen.


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