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Der Ungetreue.

Du sprichst, ich sey dir ungetreu,
mein Engel, glaub' es nicht,
ich liebe dich ohn' Heucheley,
bis mir das Herze bricht,
und wann ich gleich zum Zeitvertreib
bei einer andern stehen bleib',
so glaub', mein Engel, glaube mir:
mich dünkt ich steh' bey dir.

Sprichst du, das wäre leidlich noch,
wann's nur nicht weiter käm',
allein, mein Kind, bedenke doch
und dich nicht ferner gräm',
und wann ich gleich zum Possenspiel
ein ander Mädgen küssen will,
so glaub', mein Engel, glaube mir:
mich dünkt, ich thät' es dir.

Drum stelle nur dein Eifern ein,
schlag' alles aus dem Sinn,
es kann dir nicht nachtheilig sein,
daß ich nicht bey dir bin,
und wenn es endlich so weit käm',
daß sie mich mit zu Bette nähm',
so glaub', mein Engel, glaube mir:
mich dünkt, ich schlief bey dir.

Mich dünkt, ich fühle deinen Schoß,
wann ich die Flamme kühl',
es giebt sich unsere Liebe blos,
wann ich mit andern spiel',
und wann ich auch nach Jahreszeit
mit einem Kindgen werd' erfreut,
so glaub', mein Engel, glaube mir:
mich dünkt, es wär' von dir.

(Aus der Handschrift des Fräulein von Crailsheim. 18. Jahrhundert.)


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