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Auch während meines Aufenthaltes in Urga versuchte ich eine Erklärung der Legende des Königs der Welt zu erhalten. Der Lebende Buddha hätte mir natürlich am meisten darüber sagen können. Deshalb versuchte ich von ihm etwas in Erfahrung zu bringen. Bei einer Unterhaltung, die ich mit ihm hatte, erwähnte ich den Namen des Königs der Welt. Als ich das tat, wandte der alte Hohepriester seinen Kopf scharf nach mir um und richtete seine unbeweglichen blinden Augen auf mich. Gegen meinen Willen wurde ich schweigsam. Unser Schweigen dauerte lange. Danach setzte der Hohepriester die Unterhaltung so fort, daß ich verstand, daß er auf meine Anregung nicht eingehen wollte. Auf den Gesichtern der anderen Anwesenden las ich infolge meiner Worte Staunen und Furcht. Dies traf besonders in Bezug auf den Hüter der Bibliothek des Bogdo Khans zu. Man wird verstehen, daß dies meinen Eifer nur bestärken konnte.
Als ich das Arbeitszimmer des Bogdo Hutuktu verließ, stieß ich mit dem Bibliothekar zusammen, der vor mir hinausgegangen war. Ich bat ihn, mir die Bibliothek des Lebenden Buddha zu zeigen. Das gab mir Gelegenheit zur Anwendung eines sehr einfachen Tricks.
»Hören Sie, mein lieber Lama,« sagte ich, »eines Tages ritt ich gerade zu der Stunde über die Steppe, als der König der Welt mit Gott sprach. Ich fühlte die eindrucksvolle Majestät dieses Augenblicks.«
Zu meiner Verwunderung antwortete mir der alte Lama sehr ruhig:
»Es ist nicht recht, daß die Buddhisten und unsere Gelbe Lehre es verbergen. Das Wissen von der Existenz des heiligsten und mächtigsten Mannes, des gesegneten Königreichs und des großen Tempels der heiligen Wissenschaft ist ein solcher Trost für unsere sündigen Herzen und unser verderbtes Leben, daß es eine Sünde ist, es vor der Menschheit zu verbergen ... Hören Sie, was ich sage,« fuhr er fort. »Das ganze Jahr hindurch leitet der König der Welt die Arbeiten der Panditas und Goros von Agharti. Nur gelegentlich begibt er sich zu der Tempelhöhle, in der der einbalsamierte Körper seines Vorgängers in einem Sarg aus schwarzem Stein liegt. Diese Höhle ist immer dunkel. Aber wenn der König der Welt sie betritt, dann erscheinen Flammenstreifen auf ihren Wänden und aus dem Sargdeckel züngeln Flammen hervor. Der älteste Goro steht mit bedecktem Haupt und bedecktem Gesicht und mit Händen, die über die Brust gefaltet sind, vor dem König der Welt. Dieser Goro entblößt niemals sein Gesicht, denn sein Kopf ist ein nackter Schädel mit lebenden Augen und redender Zunge. Er steht in Verbindung mit den Seelen aller, die dahingegangen sind.
Der König der Welt betet eine Zeitlang. Dann tritt er an den Sarg und streckt seine Hand aus. Darauf brennen die Flammen noch heller. Die Feuerstreifen an den Höhlenwänden verschwinden und kommen wieder. Sie zeigen Unterbrechungen und bilden mysteriöse Zeichen des Vatannan-Alphabets. Von dem Sarg ergießen sich durchsichtige Bänder eines kaum wahrnehmbaren Lichtscheines. Diese werden von den Gedanken des Vorgängers des Königs der Welt gebildet. Bald ist der König der Welt auf diese Weise von einem Strahlenglanz eingehüllt. Feurige Buchstaben schreiben auf den Wänden Wünsche und Befehle Gottes nieder. In diesem Augenblick steht der König der Welt in Berührung mit den Gedanken aller Männer, die das Los und Leben der Menschheit beeinflussen, mit den Königen, Zaren, Khanen, kriegerischen Führern, Hohenpriestern, Männern der Wissenschaft und allen anderen starken Persönlichkeiten. Er versteht ihre Gedanken und Pläne. Wenn diese Gott gefällig sind, wird der König der Welt sie fördern. Wenn sie aber Gott mißfallen, dann vereitelt sie der König. Diese Macht ist Agharti durch die mysteriöse Wissenschaft des Om verliehen worden, mit dem wir alle unsere Gebete beginnen. Om ist der Name eines alten Heiligen, des ersten Goro, der vor dreihundertunddreißigtausend Jahren lebte. Er war der erste Mensch, der Gott kannte und der die Menschheit Glauben und Hoffnung und den Kampf mit dem Bösen lehrte. Darauf gab ihm Gott die Macht über alle Kräfte, die die sichtbare Welt beherrschen.
Nach dieser Unterhaltung mit seinem Vorgänger beruft der König der Welt den Großen Rat Gottes, beurteilt die Handlungen und Gedanken großer Menschen und unterstützt sie oder vernichtet sie. Mahytma und Mahynga wissen diese Handlungen und Gedanken in den Ursachen zu bestimmen, die die Welt beherrschen. Hierauf begibt sich der König der Welt zu dem großen Tempel und verrichtet ein einsames Gebet. Feuer erscheint auf dem Altar, das sich allmählich zu den in der Nähe stehenden Altären ausbreitet. Durch die brennenden Flammen hindurch wird das Antlitz Gottes sichtbar. Der König der Welt vermeldet Gott ehrfurchtsvoll die Entscheidung und Beschlüsse des Rates Gottes und empfängt die göttlichen Befehle des Allmächtigen. Wenn er aus dem Tempel heraustritt, strahlt der König der Welt in göttlichem Lichte.«