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Dies amerikanische Buch verdankt einer Hotelbekanntschaft seine Entstehung. Mr. Lewis Stanton Palen, einer der besten Kenner Ostasiens in den Vereinigten Staaten, hörte die an Aufregungen und wichtigen Einblicken reiche Geschichte der Flucht des Verfassers durch Sowjetsibirien, Tibet und die Mongolei und entschied, daß sie ein Buch werden müsse. Der Erfolg, den das Werk in den literarischen Kreisen und darüber hinaus in der gesamten Oeffentlichkeit der angelsächsischen Länder fand, dankt ihm für den Entschluß.
Die Zuckungen des europäischen Geschehens dehnen sich aus bis an die Peripherie unserer Kulturwelt. Der Hirte in der mongolischen Jurte spürt das Beben unseres Erdteils ebenso wie der Bürger in den Großstädten der Zivilisation. Auch die Nomaden der unerschlossenen mittelasiatischen Hochländer fühlen das Kommen eines neuen Tages. Was geht heute in ihrer Seele vor? Darüber und über anderes berichtet das Buch Dr. Ossendowskis.
Wer das Werk zu lesen beginnt, mag eine politische Tendenz zu erkennen glauben. Das wäre ein Irrtum. Denn der Verfasser will lediglich wahrheitsgemäß schildern, was er erlebt und gesehen hat. In den Urwäldern Sibiriens und am Rande der mongolischen Steppen ist er den Grausamkeiten von Bolschewiken ausgesetzt, im Herzen der politisch bis an die Wurzeln ältester Traditionen und religiöser Mysterien durchbebten Mongolei aber hat er es mit der Verkommenheit russischer Offiziere, Bekämpfer der Revolution, zu tun. Das Buch steigert sich aus dem ruhigen Bericht des vorübergehend zum Einsiedler gewordenen Flüchtlings allmählich zu einer immer packender werdenden Erzählung, um schließlich, je tiefer sie in das Seelenleben der gespannt in die Welt hineinhorchenden Mongolen eintaucht, geradezu dramatische Wucht zu erhalten.
Zu uns spricht ein Mann, der unser Vertrauen verdient. Dr. Ossendowski, der in Sibirien im Dienste russischer Regierungen höhere Stellungen innegehabt hat, berichtet mit der Gewissenhaftigkeit des Wissenschafters und der Lebendigkeit künstlerischer Einfühlung. Die Länder, die er unter außerordentlichen Umständen durchquerte, waren ihm zum Teil nicht unbekannt. So sind der Schilderung seiner Erlebnisse und Beobachtungen Voraussetzungen gegeben, die sie über den Rahmen gewöhnlicher Reiseberichte weit hinausheben. Es ist mir, da ich viele Jahre im Fernen Osten verbracht und jene Gegenden selber bereist habe, eine angenehme Pflicht, dieses Buch im deutschen Leserkreise einzuführen.
Frankfurt a. M., im August 1923
Wolf von Dewall
Dr. Albert Shaw, einer der führenden Publizisten Amerikas an der »Review of Reviews«, hat den ersten Teil des vorliegenden Buches im Manuskript durchgesehen. Er bezeichnete den Verfasser als »den Robinson Crusoe des zwanzigsten Jahrhunderts«. Mit diesem Wort traf er eine Eigenschaft der Erzählung, die zugleich ihre reizvollste, aber auch ihre gefährlichste ist: Die ergreifenden und aufregenden Erlebnisse, die in dem Buch aufeinander folgen, wirken an manchen Stellen in den Farben zu kräftig, um selbst in dieser Zeit und bei dieser Generation möglich zu erscheinen.
Ich möchte dem Leser deshalb von vornherein die Versicherung geben, daß Dr. Ossendowski, als Gelehrter und Schriftsteller, ein Mann von langjähriger, vielseitiger Erfahrung ist. Er verfügt über die Ausbildung eines sorgfältigen Beobachters. Dies trägt dazu bei, der Erzählung den Stempel der Genauigkeit und Zuverlässigkeit aufzudrücken. Nur die außerordentlichen Ereignisse unserer außerordentlichen Zeit konnten einen Mann so vieler Talente in die Lebenshaltung eines »Höhlenmenschen« zurückwerfen und uns so diese ungewöhnlichen Aufzeichnungen persönlicher Abenteuer, großer menschlicher Mysterien und der politischen und religiösen Motive vermitteln, die das Herz Asiens zur Zeit bewegen.
Mein Arbeitsanteil bestand darin, Dr. Ossendowski zu veranlassen, seine Geschichte niederzuschreiben und ihm bei der Niederlegung seiner Erzählung in die englische Sprache behilflich zu sein.
Vor meinen Augen zog Rußlands blutige, wahnsinnige Revolution vorüber. Ich stand den Ereignissen dieser düsteren Zeit nahe, kenne alle Führer der Revolution und Gegenrevolution und behaupte jetzt, aus der geographischen und zeitlichen Entfernung rückwärts schauend, daß Roman Ungern von Sternberg, der »blutige Baron«, der »rasende Ungern«, die farbigste, interessanteste und geheimnisvollste Persönlichkeit für mich bleibt.
Fern in Urga, im Herzen des rätselhaften Asien, in Chatchis unendlichen Steppen führten wir beide lange Nachtgespräche, unterhielten uns im Angesicht des Todes, jeder durchwühlt von eigener, unerträglicher Qual und von verzehrender Sehnsucht. Und weit offen standen unsere Seelen, gereinigt und frei von den kleinen Zufällen des Alltags.
Wir sprachen viel von der historischen Feindseligkeit der Germanen und der Slawen (denen ich als Pole angehöre) und sahen ein, daß alle Rassen-, politischen, ökonomischen und religiösen Gegensätze zurücktreten müßten angesichts der unter der Vorhut Rußlands im Osten sich erhebenden Gefahr, welche die durch Christi und Buddhas Lehre geläuterte und in der Zivilisation fortschreitende Menschheit zu vernichten droht. Zugleich aber wurde uns klar, daß die Zeit gekommen sei, in der die materialistische und spekulative Kultur abgetan werden und die Menschheit an ihre Stelle eine neue Losung setzen müsse, die Losung: Kultur des Geistes.
Ich bin froh, daß meinem Buche von Asiens Herzen, von der Seele vieler Millionen Asiaten und dem Sänger dieser Seele Baron Ungern von Sternberg eine herzliche Aufnahme in Deutschland zuteil wurde. Ich sehe darin den Beweis, daß die geistigen Ideale die besten Mittel zur Errichtung des herrlichsten Denkmals der zivilisierten Menschheit sind, nämlich des dauernden Friedens, der sich gründet auf die Kenntnis der moralischen, psychologischen und ethnographischen Verschiedenheiten der Rassen und Stämme.
Wenn mein Buch auch nur einen kleinen Stein im Sockel dieses Denkmals darstellt, kann ich mich dem Gedanken hingeben, daß mein Leben, meine Mühe und die märtyrerhaften Leiden, die meine Wanderung durch Zentralasien mit sich brachte, nicht ohne Widerhall geblieben sind.
Warschau, im April 1924
Professor Dr. Ferdinand-Antoni Ossendowski