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11. Kapitel.
Die Barrière der roten Parteigänger

In einem Tal, das zwischen zwei steilen Rücken lag, entdeckten wir eine Herde von Yaks und Rindvieh, die in nördlicher Richtung von zehn berittenen Sojoten in beschleunigtem Tempo getrieben wurde. Müde kamen die Sojoten auf uns zu und gaben uns nach einer Weile zu wissen, daß Noyon (Fürst) von Todji sie geheißen habe, die Herden, dem Buret Hei folgend, nach der Mongolei zu treiben, da er befürchtete, daß sie sonst durch die roten Parteigänger geraubt würden. Sie hätten entsprechend gehandelt, seien aber von Sojotenjägern dahin verständigt worden, daß dieser Teil des Tannu-Ola-Gebirges von Parteigängern aus dem Dorfe Wladimirovka besetzt worden sei. Infolgedessen seien sie gezwungen gewesen, umzukehren. Wir erkundigten uns bei ihnen nach der Stellung dieser Vorposten und nach der Zahl der Parteigänger, die den nach der Mongolei hinüberführenden Bergpaß besetzt hielten. Dann sandten wir unseren Tataren und den Kalmücken auf Kundschaft aus, während wir anderen uns auf den weiteren Vormarsch vorbereiteten, indem wir die Füße unserer Pferde mit unseren Hemden umwickelten und um ihre Nasen Tücher und Seilstücke banden, so daß sie nicht wiehern konnten.

Es war bereits dunkel, als unsere Kundschafter zurückkehrten und berichteten, daß ungefähr dreißig Parteigänger ein Lager etwa zehn Kilometer von uns entfernt aufgeschlagen hätten, und zwar in den Jurten von Sojoten. Am Paß stünden zwei Vorposten, der eine aus zwei, der andere aus drei Soldaten bestehend. Die Entfernung von den Vorposten nach dem Lager betrage wenig über eine Meile.

Unser Weg lag zwischen den beiden Vorposten. Vom Gipfel des Berges konnten wir sie ganz deutlich stehen sehen und hätten sie niederknallen können.

Als wir in die Nähe der Paßhöhe kamen, ließ ich unsere Gesellschaft zurück und nahm meinen Freund, den Tataren, den Kalmücken und zwei junge Offiziere mit mir. Von dem Berge sah ich in einer Entfernung von fünfhundert Meter vor mir zwei Lagerfeuer. An jedem derselben saß ein Soldat mit Gewehr. Die übrigen schliefen. Ich wünschte an sich nicht mit den Parteigängern zu kämpfen, aber die Vorposten mußten erledigt werden, und zwar ohne zu schießen, wenn wir überhaupt durch den Paß hindurchgelangen wollten. Meine Ansicht ging dahin, daß die Parteigänger uns später nicht nachspüren könnten, da die ganze Straße bereits dicht bedeckt war mit den Abdrücken von Pferde- und Rindviehhufen.

»Jene zwei kommen auf meine Rechnung,« flüsterte mein Freund, indem er nach dem linken Vorposten wies.

Wir übrigen sollten den anderen Vorposten erledigen. Ich kroch durch das Gebüsch hinter meinem Freund her, um ihm im Fall der Not beizustehen. Doch ich muß zugeben, daß ich seinetwegen nicht die geringste Sorge hatte. Er war ungefähr sieben Fuß hoch und so stark, daß, wenn zum Beispiel ein Pferd sich weigerte, das Gebiß zwischen die Zähne zu nehmen, er seinen Arm um den Pferdenacken zu schlingen und die Vorderfüße des Pferdes von unten her zu treten pflegte, so daß es hinfiel und er es mit Leichtigkeit am Boden aufzäumen konnte.

Als wir bis auf hundert Schritt herangekommen waren, blieb ich hinter dem Gebüsch zurück, um zu beobachten. Ich konnte das Feuer und den dösenden Posten ganz genau sehen. Er saß mit seinem Gewehr auf den Knien. Sein neben ihm schlafender Begleiter rührte sich nicht.

Eine Zeitlang sah ich nichts von meinem Freunde. Am Lagerfeuer blieb alles ruhig. Plötzlich waren von den anderen Vorposten wenige unterdrückte Rufe zu hören. Dann war wieder alles still. Unser Posten erhob träge den Kopf. Gerade in diesem Moment richtete sich der riesige Körper meines Freundes auf, schob sich zwischen mich und das Feuer, und schon nach einem Augenblick sah ich die Beine des Postens durch die Luft fliegen, denn mein Gefährte hatte ihn bei der Gurgel ergriffen und schwang ihn in das Gebüsch hinüber, wo beide verschwanden. Nach einer Sekunde tauchte mein Freund wieder auf. Er schwang das Gewehr seines Opfers über dessen Kopf. Ich hörte einen dumpfen Schlag, dem eine absolute Ruhe folgte. Mein Freund kam zu mir zurück; verlegen lächelnd sagte er:

»Das ist gemacht. Hol's der Teufel! Als ich ein Knabe war, wollte meine Mutter aus mir einen Priester machen. Als ich erwachsen war, wurde ich Agronom, um – Menschen zu erwürgen und ihnen den Schädel einzuschlagen. Eine Revolution ist eine furchtbar dumme Sache.«

Aergerlich und angeekelt spuckte er aus und zündete sich seine Pfeife an.

Auch bei dem anderen Vorposten war alles zu Ende.

Noch in der gleichen Nacht erreichten wir den höchsten Rücken des Tannu-Ola-Gebirges, um dann in ein mit dichtem Gebüsch bedecktes Tal hinabzusteigen und uns durch ein förmliches Netz kleiner Flüsse und Ströme zu winden. Wir hatten das Quellgebiet des Buret Hei erreicht. Um ein Uhr etwa hielten wir an, um unsere Pferde zu füttern, da gerade an dieser Stelle das Gras sehr gut war.

Hier glaubten wir uns in Sicherheit zu befinden. Wir sahen manche beruhigenden Anzeichen. Auf den Bergen waren grasende Herden von Yaks zu sehen, und herbeikommende Sojoten bestätigten unsere Annahme. Hier hinter der Tannu Ola hatten die Sojoten rote Soldaten noch nicht gesehen. Wir schenkten diesen Sojoten einen Ziegel Tee und ließen sie glücklich und in der sicheren Annahme von uns fortgehen, daß wir »Tzagan«, »gute Leute« seien.

Während unsere Pferde sich ausruhten und auf dem gut erhaltenen Grase weideten, saßen wir am Feuer und überlegten unsere weiteren Reisepläne. Bei dieser Gelegenheit entstand eine scharfe Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Gruppen unserer Gesellschaft. Zum Wortführer der einen machte sich ein Oberst, dem zusammen mit vier Offizieren die Abwesenheit von Roten im Süden des Tannu-Ola-Gebirges einen so großen Eindruck machte, daß diese Leute beschlossen, sich nach Kobdo durchzuschlagen, um dann bis nach dem Lager am Emilfluß vorzudringen, wo die chinesischen Behörden sechstausend Mann von den Streitkräften des Generals Bakitsch interniert hatten. Mein Freund und ich zusammen mit sechzehn Offizieren zogen es jedoch vor, unseren früheren Plan auszuführen, nämlich danach zu trachten, die Ufer des Kosogol-Sees zu erreichen, um von dort aus nach dem Fernen Osten zu gelangen. Da keine der beiden Gruppen die andere dazu überreden konnte, ihre eigenen Ideen aufzugeben, teilte sich unsere Gesellschaft.

Am Mittag des nächsten Tages nahmen wir voneinander Abschied. Es zeigte sich, daß unsere eigene aus achtzehn Mann bestehende Gruppe unterwegs viele Kämpfe zu bestehen und mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden hatte, was uns das Leben von sechs unserer Kameraden kostete, doch daß die übrigen von uns so fest durch Bande der Treue miteinander verbunden an das Reiseziel gelangten, daß wir uns auch nachher die freundschaftlichsten Gefühle bewahrt haben. Die andere Gruppe, deren Führer Oberst Jukoff war, ging zu Grunde. Sie stieß auf ein starkes Rotes Kavallerie-Detachement und wurde von diesem in zwei Gefechten geschlagen. Nur zwei Offiziere entkamen, die mir diese traurige Nachricht und die Einzelheiten der Kämpfe später erzählten, als ich sie nach vier Monaten in Urga traf.

Unsere aus achtzehn Reitern und fünf Packpferden bestehende Gruppe folgte dem Tal des Buret Hei aufwärts. Wir schlugen uns durch Sümpfe, passierten zahllose schmutzige Ströme, wurden von kalten Winden durchgeschüttelt, von Schnee und Hagel geplagt. Aber wir hielten unermüdlich an unserem am südlichen Ende des Kosogol gelegenen Reiseziele fest. Unser Tatar führte uns in durchaus zuverlässiger Weise über die Straße, die durch die Fußspuren vieler von Urianhai nach der Mongolei getriebenen Rinder deutlich erkennbar war.


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