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Tojori-Hiaschi war in einer glänzenden Laune. Sein dreimastiges Boot mit den gelben, faltenreichen Segeln, bewegte sich rasch auf dem Meere. Schon beim Morgengrauen hoffte er die blaue Linie der Ufer Japans zu erblicken und schaute mit dankbarem Blick auf die breiten, ruhigen Seewellen, die das Boot leicht hin und her schaukelten.
»Es sitzt tief«, dachte Hiaschi, als er sah, wie die größeren Wellen auf das Deck liefen und an den Tauen leckten, die am Schiffsborde herumlagen.
Ja, das Boot mußte tief sitzen, da es eine volle Ladung trug. Es waren dunkelblaue Bündel eßbarer Algen, die in der Nähe der Küste von Korea gefunden werden. Eine gute und teuere Ladung war es; Tojori-Hiaschi berechnete seinen Verdienst und lächelte immer froher.
»Wir werden schon etwas für unser Alter verdienen, Wmiko!« rief Tojori, indem er sich zur Seite wendete, wo eine leichte Baracke neben dem Steuer aufgestellt war.
»Gesegnet sei der Name Kwan-Non,« ließ sich von der Hütte eine Frauenstimme vernehmen und ein junges Weib mit einem hübschen, seegebräunten Gesicht kam auf das Deck heraus. Sie war die Frau Hiaschis, die treue Gefährtin des Schiffers. Sie brachte eine Kanne mit und goß dem Manne Tee ein. Tojori klopfte sie auf die Schulter und wiederholte:
»Ja, Frau, wir werden schon etwas für unser Alter verdienen! Ich habe die Algen, trotzdem sie von der besten Qualität sind, billig eingekauft und ich werde sie in den Speisehäusern von Moiji und Schimonoseki gut bezahlt bekommen.«
»Hei! Ja!« antwortete sie mit einer lustigen Stimme.
Dann schwiegen sie beide und schauten auf das Meer und auf das, was auf dem Deck vorging. Drei Matrosen waren an der Arbeit. Der eine stand am Steuer, die zwei anderen verbesserten etwas am alten Segel und einer von ihnen stand von Zeit zu Zeit auf und machte sich an den Seilen, die die aufgeblähten Segel zusammenhielten, zu schaffen. Er verkürzte sie einmal, dann lockerte er sie wieder.
»Chejso, Chejso!« rief der Steuermann plötzlich mit einer lauten angsterfüllten Stimme. Tojori lief hurtig auf ihn zu und fragte verwundert:
»Was ist geschehen, Steuermann?«
Der Steuermann wies stillschweigend mit seiner abgearbeiteten Hand gerade vor sich hin.
Tojori-Hiaschi folgte mit seinem Blick. Sein Antlitz verfinsterte sich.
»Werden wir zur Zeit kommen oder nicht?« fragte er kurz.
»Nein«, murmelte der Matrose. Das Gesicht Hiaschis wurde noch dunkler und seine Augen nahmen einen düsteren Ausdruck an.
»Der Wille der Göttin Amaterasu geschehe!« rief der Matrose.
Hiaschi schwieg einen Augenblick und sagte dann plötzlich:
»Jungens, zieht ein wenig das Segel ein, und macht euch rasch an die Arbeit!«
Sie sahen den Schiffsherrn fragend an.
»Der Taifun nähert sich«, fügte er mit einer unwilligen Stimme hinzu als Antwort auf ihre stumme Frage.
Wmiko stand neben ihrem Manne und ließ ihren Blick nach dem Osten schweifen. Und da erblickte sie von weitem eine große rote Wolke, die anfangs weiß, dann immer gelblicher, sich so rasch wie ein Geschoß aus einer Kanone bewegte. Ein unbestimmtes Gefühl der Angst durchrüttelte die Frau. Doch nach ein paar Augenblicken begann sie sich geschäftig zu rühren, ihre Sachen zusammenzupacken, die Gefäße in der Hütte mit Schnüren zusammenzubinden.
Währenddessen schaute Hiaschi unentwegt auf das Meer. Es lag ganz golden da, flimmernd in der Sonne, die ihre Strahlen kaskadenartig auf das Wasser goß. Das Boot schwamm ruhig und leise, leicht schaukelnd dem Osten zu. Seine aufgeblähten Segel fielen von Zeit zu Zeit zusammen und rollten sich um die schlanken Maste, als wollten sie mit ihnen kosen.
Am Horizonte des Meeres schien alles weiter im geschmolzenen Golde zu baden. Doch nahe am Boote tauchten plötzlich zwei Haifische auf und vom Süden kommend, folgten sie ihm, schnitten das Wasser mit ihren Rücken und warfen durch die Schläge ihrer mächtigen Schwänze weißen Schaum in die Luft.
»Sie fühlen das Nahen des Taifun«, sagte Hiaschi, »sie lauern uns auf!« So viele Mal im Leben hatte er schon den Taifun am Meere erlebt! Warum fühlt er diesmal eine böse Vorahnung, warum sind die Schläge seines Herzens so unruhig? Er entnahm seinem Ärmel eine Handvoll Reis und warf die Körnchen in das Meer.
»Für Dich, barmherzige Amaterasu«, flüsterte er, indem er seine Augen schloß. Als er sie dann nach einem Augenblick aufschlug, bemerkte er, daß sich alles um ihn plötzlich verändert hatte: das Wasser, der Himmel, die Wolken und die Gesichter der Matrosen sahen aus, als wären sie in gelbe Farbe getaucht. Auf der glatten, goldglänzenden Oberfläche des Wassers sehen die Meereswellen, die mit ihren auseinandergewehten weißen Mähnen mit einer rasenden Schnelligkeit näher kommen, wie silberne Streifen aus. Nun spritzt weiße Gischt hoch empor, zerstiebt in der Luft und geht unter, durch noch höhere Wogen verschlungen.
Der erfahrene Seefahrer weiß, daß dieser Sturm furchtbar in seiner Kraft sein werde ... Jetzt peitscht er schon die Wellen, treibt sie durch seine Windstöße gegen die Sandbänke und die schroffen Felsen am Ufer, wie um seine Kraft zu erproben.
Und nun hat der Sturm schon das Fahrzeug erfaßt. Er rollt heran, hebt es wie einen Ball auf die hoch getürmten Wogen, läßt es in den grünschimmernden Abgrund gleiten und hebt es wieder hoch! ... ein Schaukelspiel der grausamen Naturgewalt.
Der Wind biegt die Maste, reißt an den Tauen, heult ohne Unterlaß und mischt seine knirschenden, ächzenden Laute mit dem Krachen der Balken und Bretter und dem Gebrüll der Wogen. Er pfeift um die Maststange herum und in den Falten des wehenden Segels. Er spielt wie auf stramm gezogenen Seiten seine grauenhafte, düstere Melodie.
Da ändert der Taifun plötzlich seine Richtung. Im tollen Wirbeltanz peitscht er die Wellen hoch, wirft sie wie haßsprühend gegeneinander, zerreißt sie in grünfunkelnde Fetzen und schleudert sie mit betäubendem Lärm gegen die eine Seite des Bootes. Das Boot neigt sich hilflos und träge dem Wasser zu und schneidet mit seinem Segel die zischende Flut. Und nun beginnt das Segel Wasser zu schöpfen.
»Segel einziehen!« brüllt Hiaschi, um das Heulen des Windes zu überschreien. Zwei Matrosen stürzen hinzu, als im selben Augenblick ein mächtiger Windstoß die Segelstange entzweibricht. Ein schweres, nasses, gelbes Tuch flattert in die Höhe, schlägt peitschend gegen die heranlaufenden Menschen und reißt sie in die Flut herab.
Heiseres Menschengeschrei ... der Arm eines Matrosen streckt sich noch in die Höhe ... und wird von den Wellen verschlungen.
Der zurückgebliebene Hiaschi und sein Steuermann sehen bleich und starr dem grauenhaften Anblick zu. Der Taifun wild und wie freudenberauscht wirft das willenlose Fahrzeug hin und her, dann neigt er es endlich so tief, daß sein mit Muscheln und Seegras bewachsener Boden fast sichtbar wird.
Als der Anprall der Wogen sich auf einen Augenblick beschwichtigt hatte, wurde der Deckel der Lücke langsam und zögernd weggeschoben und das Gesicht des jungen Weibes erscheint, mit blassem und angstverzehrten Zügen.
Sie schaut herum und stößt einen fürchterlichen Schrei aus ... das Boot ist leer ... am Deck sieht sie niemand mehr ...
Nur der gebrochene Arm des Steuers liegt noch da, durch das Bündel der Seile festgehalten.
Wmiko stürzt aus der Hütte heraus, schaut noch einmal im Kreise herum, läuft taumelnd zur Hütte zurück und rutscht wie bewußtlos mit wehenden Haaren und in ihren klatschend nassen Kleidern am Deck hin und her ...
Sie schluchzt wild auf ... schreit nach ihrem Manne ... doch ihre Stimme geht im tosenden Sturm unter ...
Der Taifun läßt nicht locker ... Mit äußerster Kraft bläht er wieder seine gewaltige Brust und wirft jetzt turmhohe Wogen auf das Deck ...
Das laute Schluchzen war auf immer verstummt ...
Der Sturm dauert noch stundenlang. Die ganze lange Nacht tönt das Lied des Taifun, gewaltig, zischend und wogenrollend, einem Triumpfgesang des Todes gleich.