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11. Kapitel

Im Krummen Saladin

Noch war die Zechergesellschaft, die sich in dem verräucherten, mit Türkenlanzen, Sägefischschwertern, Walfischknochen geschmückten Gewölbe eingefunden hatte, nur erst klein. Aber der mächtige Kienbrand, der, von plumper Eisenzange gehalten, an der Decke hing, beleuchtete mit rötlichbraunem Schimmer schon ausgelassene Tollheit. Neben Heini Hoyer saßen zwei buntgekleidete Dirnlein, die der Ratsschreiber Adam bei abendlichem Spaziergang vorm Tor getroffen und mit in die Stadt genommen hatte; blond, rosig und quickmunter die eine, fraulichgesetzt, elfenbeinfarbig im Gesicht und mit kastanienbraunem Gelock die andere. Um die Hüfte der beweglichen Josa hatte Adam, ihr Entdecker, den Arm geschlungen. Das dürre Männchen, dem man so unergründlichen Durst gar nicht ansah, hielt bereits beim vierten Kruge. Mit Brigitt, der dunklen, plauderte Zachäus, Heinis Zunftgenosse, der doch in keiner Weise mit dem Meister wettzueifern sich unterfing. Er plauderte auf seine Art, denn er war ein reichlich schweigsamer Herr: Von Zeit zu Zeit trank er der Schönen zu und klapperte mit dem Deckel des Zinnkruges. Selbstverständlich hatte am Tische auch Kaspar, der Wirt, Platz genommen, wie immer an großen Abenden, schmückte ihn das prächtige Kleid des Seldschukkenkriegers. Kaspar war, wie er bei allen Heiligen Bardowiecks schwor, als zarter Bub vor vierzig und mehr Jahren mit den Kreuzfahrern nach Jerusalem gelangt und hatte dort unvergleichliche Heldentaten vollbracht, seinem furchtbaren Arm war ein heidnischer Seldschukkengeneral, ein Gewaltiger Saladins, erlegen, dem er dann zum Zeichen des Sieges sowohl das prächtige Gewand wie den krummen Türkensäbel geraubt hatte, wie grausam der Kampf zwischen beiden gewogt haben mußte, ging noch aus dem schaurig anzuschauenden großen Blutfleck hervor, der dunkel auf dem Gelb des Burnus haftete. Freilich gab es böse Zungen, die kecklich behaupteten, Kaspar sei auf seiner Fahrt nach Palästina nie weiter als bis Nürnberg gelangt, habe dort von einem Krämer Schwert und Gewand für ein Billiges erworben und den erschrecklichen Blutfleck, der kein Türkenblut, sondern schlichtes Ochsenblut sei, künstlich aufgepinselt. Indessen, solches Schlangengezischel der Verleumdung kümmerte Kaspar nicht. Ist es doch bislang jedes Helden Schicksal gewesen, von armseligen Neidern hinterrücks erniedrigt zu werden. Gebieterischstolz saß er, trotz seines gewaltigen Buckels, da, bemühte sich, den kahlen Kopf aus den Schultern herauszubekommen und heischte unausgesetzt die Huldigungen der Tischgemeinschaft.

Hinterm plumpen Schenktisch, breit an die Biertonne gelehnt, lugte Frau Trud, die fette Gemahlin des Krummen Saladin, hervor. Sie wachte scharf darüber, daß der Seldschukkenbesieger ihr alle geleerten Krüge spornstreichs zureichte, schenkte den schäumenden braunen Trunk ein, nicht zu übermäßig, und kreidete die Schuld auf dem Bauche des Fasses an.

»Heil und Preis dir, hoher Sultan!« rief Heini. »Möchten doch alle Christenmenschen so treu an ihrem Glauben hängen wie du am türkischen! Der Koran Verbietet den Frommen jeden Biergenuß; weil du aber in unsere ungläubige Stadt verschlagen worden bist und dich den hiesigen Bräuchen fügen mußt, so tust du wenigstens das Äußerste, uns ein möglichst dünnes Bier zu liefern und so der Satzung des Propheten auf Umwegen zu gehorchen. Auch daß du, den Vorschriften der ewigen Suren treu, die unschuldigen Tiere liebst, erkenne ich an der Beflissenheit, womit du alle Gerste deinen Gänsen vorwirfst, statt sie fürs Bier zu verwenden, sei mir deshalb aus tiefer Seele gegrüßt, krummbeiniger Held! Alt und grau bist du geworden, seit du von der Kreuzfahrt heimkehrtest, aber dein Bier bleibt ewig jung.«

»Elender Sklave, Feind des Propheten!« herrschte ihn Saladin an und rasselte mit der Eisenkette, an der das krumme Türkenschwert befestigt war. »Hüte dich vor mir! Noch niemand hat mich ungestraft beleidigt, übrigens ist mein Bier viel zu gut für so schlechte Zahler, wie du einer bist, und viel zu billig. Kannst es mir glauben, ich setze an jedem Eimer noch etwas zu.«

»Ja, zwei Eimer Wasser!« entgegnete ihm Heini. »Dennoch, Genossen meines Unglücks, laßt uns fröhlich sein! so wenig Saladin sein Bier mit Hopfen verbittert, so wenig wollen wir uns das Dasein verbittern. Und ein Durst quält mich heut abend, als hätte mich meine selige Frau Mutter mit Heringsmilch gesäugt.«

Währenddessen hatte sich Adam, der Ratsschreiber und Ratsrechner, erhoben und seine Geige herausgeholt, die dem einsamen und kunstfreundlichen Junggesellen manche lange Abendstunde verkürzte. Er setzte sie zärtlich an die Brust und begann zu fiedeln. Kreischend und mißtönig zwar, so daß sich Heini entsetzt die Ohren zuhielt, aber doch hinreißend genug, um die beiden Fahrenden zu bewegtem Tanz anzufeuern. Sie kamen weit im Lande herum, sahen und lernten manches Neue und gaben es in heiterer Kumpanei gern zum besten. Josa sprang wie ein Federball auf den breiten Eichentisch und drehte sich, zierlich und doch voll flammender Kraft, jeden übermütig anlachend, vor den entzückten Augen der Gäste. Anders Brigitt, die die Augen schüchtern gesenkt hielt, nur leichte, leise Bewegungen machte und damit doch am Ende ebenso dröhnenden Beifall hervorlockte, wie ihre Wandergenossin.

»Allzu ängstlich und hausväterisch ist deine Musik, aus so reinem und schönem Herzen sie auch kommt,« tadelte Heini den Ratsschreiber. »Daß sie herrlicher schalle, müssen wir sie verstärken. Trud, wirf mir den Bierhammer herüber. Fülle mir aber zuvor den Krug und füll' ihn so, daß ich mir nicht beim ersten Zuge den Magen nur mit Luft vollpumpe!«

»Füll' mir den Krug,« äffte Frau Trud ihm nach, »aber wann wirst du uns den Beutel mit Brakteaten füllen? Unheimlicher von Tag zu Tag schwillt deine Zeche an, so daß ich dich heut ernsthaft fragen muß, ob du sie noch in den nächsten zehn Jahren zu begleichen gedenkst.«

»Herrliche Frau,« erwiderte der Maler mit einer tiefen Verbeugung, »was fragst du, die Seherin und Druide, mich nach Dingen, die menschlicher Verstand nicht zu beantworten vermag? Wohl habe ich, ein ernster Freund der Weisheit, zeitlebens über alle Welträtsel nachgegrübelt und keine von den tiefen Fragen, die je durch Philosophenhirne gewandelt sind, ist mir fremd geblieben. Aber das glaube mir, von all diesen geheimnisvollen, unergründlichen Fragen des Schicksals dünkt mich keine schwerer zu beantworten als die, wie ich dir jemals meine Zeche bezahlen soll.«

»Du Gauner –«

»Schenk' ihm nur ein, er zahlt schon!« ermunterte Saladin gutmütig sein Eheweib.

»Zahlen? Der Vagant und zahlen? Das kann nur so ein Esel wie du behaupten!«

»Esel nennst du mich?« schrie Saladin und sprang zornglühend auf. »Hüte dich!« wieder riß er am Schwerts. »Noch niemand hat mich ungestraft beleidigt.«

»Ja, so nenn' ich dich!« keifte ihm Trud ins Gesicht. »Der größte Esel aller Zeiten bist du.«

»Wahr gesprochen!« stimmte ihr Heini bei. »Denn sonst hätte er dich nicht geheiratet.«

Die Runde johlte. Und während Heini nach dem Bierklöppel griff und damit den Eichentisch taktgemäß bearbeitete, hatte Zachäus seinen schweren Stuhl gepackt und stieß ihn rhythmisch auf den festen Lehmboden. Unter diesen Umständen konnte der krumme Saladin sich nicht lumpen lassen, zog das Schwert und ließ es klirrend immer wieder auf den Schenktisch, dicht neben Frau Trud, niedersausen, von dem rasenden Lärm dröhnte das Gewölbe, dröhnte um so mehr, als Trud mit gellender Stimme versuchte, den ihr angetrauten Seldschukkenhelden von seinem tollen Beginnen abzuhalten. Nur war es ihr ihres wuchtigen Umfangs wegen nicht möglich, unterm Schenktisch durchzukriechen und dem Gatten in den Arm zu fallen. Trotzdem wollte sich Adam beeilen, dem gefährdeten Wirt zu Hilfe zu kommen, da er aber schon zu viel des dicken Bieres genossen hatte, schlug er mit seiner Geige schwer zu Boden. Ohne alles christliche Mitleid ließ man ihn liegen; Josa vergnügte sich sogar damit, die Spitze ihres zierlichen Schuhs an seiner Nase zu reiben. Und Brigitt, der man solche Entschlossenheit gar nicht zugetraut hätte, bückte sich nach der Geige, um nun auch ihrerseits zu der festlichen Musik beizutragen. Daß sie vom Spiel nichts wußte und den Saiten nur üble Kratztöne entlockte, verargte ihr niemand.

Das verrückte Toben hatte noch nicht seinen Höhepunkt erreicht, denn eben begann Zinnober sich einzumischen und mit langgezogenen schaurigen Tönen ein Lied zu heulen, wie er es in seiner Jugend Rosentagen öfter schönen Hundefräulein vorgesungen hatte. Da aber öffnete sich die Gassentür. Lautes Gespräch brandete herein, und hinter Jan Dieter und Wolf Vynke tauchte ein Schwarm neuer Gäste, Handwerker und Hafenmänner, auf. Den Beschluß machten, etwas zögernd noch, Peter, der Schuster und Hans Jakob Tysenhusen. Der vornehm gekleidete Kaufherr schnüffelte ablehnend, als er den ungewohnten Raum betrat. »So wie dein Kienspan, Saladin, rußt kein anderer in Bardowieck! Ist das auch ein Kunstwerk deiner zaubergewandten Frau? Mehr Licht, mein Freund!«

»Salem aleikum! Allah akbar rahman!« erhob sich Kaspar mit tiefer, höhnischer Verneigung. »wozu mehr Licht? Kommt doch Ihr, gestrenger Herr, meine unwürdige Schenke mit Eurer strahlenden Anwesenheit zu erhellen. Niemals noch ist diesem Gelaß ähnliche Ehrung widerfahren, so viele Helden und tugendhafte Frauen« – hier wies er auf Josa und Brigitt – »auch schon in ihr geweilt haben.«

»Was kann Hans Jakob in dieser großen Stunde anderes zu uns treiben, als der tiefinnerliche Drang, unser Bier zu bezahlen?« fragte Heini. »Frau Trud, der Augenblick, den du so wehmütig und begehrlich ersehnst, ist gekommen, schreibe meine Zeche zusammen, Hans Jakob begleicht sie.«

»Er wird sich nicht kleinlich zeigen,« knurrte Zachäus, »und du, Heini, vergiß deines Zunftgenossen nicht. Habe ich auch keine Madonna im Dom gemalt, so mühe ich mich doch ohne Unterlaß in St. Lucae Diensten und darf fordern, gleich dir getränkt zu werden.«

Hans Jakob Tysenhusen machte gute Miene zum bösen Spiel, »Sei's ihnen gewährt!« stimmte er herablassend zu. »Man soll uns Königskaufherren nicht nachsagen, daß wir die Kunst ungefördert lassen.« Inzwischen hatte sich das Gewölbe bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf allen Bänken saßen dichtgedrängt, in allen Ecken und Winkeln standen die harten Männer der Arbeit herum. Frau Trud, die trotz ihrer Rundlichkeit gewandt wie die Jüngste hantierte, konnte nicht so viel Bier verzapfen, wie die Zecher heischten.

»Wann erwartest du den Führer zurück?« fragte Riele Haden, der Schmied, Wolf Vynke.

»Wenn er schon morgen auf den Herzog stößt, wird er vor Sonntag wieder bei uns sein.«

»Gebe ihm Gott Vater, der Sohn und der heilige Geist seinen Segen!« wünschte ein sorgenvoller Alter, der sich, der guten Sache wegen, zum ungewohnten Biergenuß hatte verleiten lassen, »was sollte aus uns werden, wenn Herzog Heinrichs Macht die Stadt bestürmte! Schon heut erwirbt unsereiner nur mit letzter Müh und Not sein bißchen Unterhalt; kommt neuer Krieg über uns und Belagerungsschrecken, dann ist das Handwerk ganz und gar verloren.«

»Mit Vertrauen hoffe ich auf guten Ausgang der Fahrt Haralds,« tröstete Wolf Vynke. »Und wenn dies Unwetter vorbei, Bardowieck mit dem Herzoge versöhnt ist, welche erquickliche Zeit des Wohlstandes wird dann allen Bürgern beschert sein!«

»Ihr vertraut dem Herzoge viel. Bisher war er seinen Städten und Vasallen kein so milder Herrscher,« warf Tysenhusen ein.

»Wir vertrauen ihm nicht mehr, als er verdient und als die Maus der Katze vertraut,« rief Jan. »Will er die Stadt nicht berennen, gut. Dann mag er in weitem Bogen um sie herumziehen, und wir werden ihn und sein Heer unbelästigt lassen, sonst aber findet er uns gerüstet.«

»Gerüstet an der Seite der Geschlechter!« schrie Peter und hob seinen Bierkrug.

»Darüber mag zu anderer Stunde geredet werden,« lehnte Riele Haden verdrießlich ab.

»Warum zu anderer Stunde?« rügte Jan den vorsichtigen Schmied. »Jeder von uns kennt seine Feinde, weiß, daß wir vom Herzoge nichts und nichts vom Rate zu erhoffen haben. Nun aber manche von euch Wolf Vynke folgen und es ablehnen, die Schärfe der Klingen Bardowiecks an Heinrich zu erproben, nun wollen wir zunächst wenigstens aufrechte Männer dem Rat gegenüber sein, wollen dafür sorge tragen, daß er uns nicht, wie schon oft, mit gleisnerischem, falschem Versprechen betrüge.«

»Sehr richtig, Jan,« pflichtete ihm Tysenhusen bei. »Du siehst die Gefahr, wo sie ist. Dich täuschen die ränkesüchtigen Schlauen nicht.«

»Ist wohl wahr, daß Ihr mein Bier bezahlt,« holte da Zachäus zornig zu einer Rede aus. »Und ich habe eben den fünften Krug.«

»Nein, den sechsten!« zeterte Frau Trud.

»Doch was habt Ihr, Hans Jakob, Euch um unsere Zunftsorgen zu kümmern? Eine Leidenschaft hat jeder, und die Eure, mein Bier zu bezahlen, ist entschuldbar, aber darüber hinaus dürft Ihr uns nicht in die Parade fahren.«

Nach dieser für Zachäus' Verhältnisse sehr umfangreichen Rede setzte er sich schnaufend nieder und gab der kecken Josa einen Kuß mitten auf den Mund.

Jan erkannte, daß die versöhnliche Stimmung bei der Menge überwog. Tadelnde Äußerungen des Argwohns gegen Harald, die er sich auch heute nicht versagen konnte, fielen fruchtlos nieder oder erweckten gar Zorn, der handgreiflich zu werden drohte. Mit all der wütenden Eindringlichkeit, deren er fähig war, versuchte er die Genossen davon zu überzeugen, daß das Volk sich so schnell wie möglich in den Besitz der entscheidenden Macht bringen müsse, um nicht am Ende, schnöde übervorteilt, zwischen Herzog Heinrich und den Geschlechtern zerrieben zu werden. Aber alles rundum war zu siegessicher und hoffnungsfreudig, um seinem Mißtrauen folgen zu können. Der einzige, der ihm unbedingt beigepflichtet hatte und auch weiter die Stange halten wollte, Tysenhusen, sah sich durch Zachäus' groben Angriff zum Schweigen gezwungen.

Noch spielte auf braunen Bierwogen das Hin und Her der Meinungen, aber weniger sturmvoll als sonst. Der Frieden, der Sieg, die endliche Aussöhnung mit den stadtadligen Herren schien der Menge durchaus gesichert. Und als zu noch vorgerückterer Stunde, kurz bevor Schluß geboten ward und die Bierseligen nach der Stadtordnung heimwandern mußten, als der trunkene Ratsschreiber Adam sich ein wenig aufrüttelte und wirre Geschichten zu erzählen begann, achtete außer Jan niemand recht auf ihn. Adam schwatzte in seiner Sinnlosigkeit von dreihundert herangeholten Waffenknechten, die Rolf Ebelingk in den Lagerhäusern vorm Osttor heimlich einquartiert hätte und spätestens morgen in die Stadt führen wollte, Waffenknechte, für die er, der in alle Geheimnisse eingeweihte Ratsschreiber und Ratsrechner, den Sold bereits zurechtgelegt hatte.

»Tücke des Satans!« schrie Jan da in das Gebraus hinein. »Welche Schändlichkeit spinnen sie wieder im geheimen? Warum haben wir, ihre Vertrauensmänner von diesen dreihundert Söldnern des Rates noch nichts zu hören bekommen? Wie darf Rolf Ebelingk ohne unsere Erlaubnis fremdes Volk in die Stadt rufen?«

»Jedes Schwert, jede Pike ist jetzt ein Trumpf ohnegleichen,« meinte Peter gelassen. »Laß es dem Herzog beifallen und uns angreifen – müssen wir dann nicht auf den Knien für Rolf Ebelingks Tat danken?«

»Schwätzer, Tor!« tobte ihn Jan an. »Mit den neuen dreihundert Waffenknechten sind sie uns überlegen, sobald sie dies Gesindel in der Stadt haben. Nun und nimmer darf das geschehen, ihr Männer. Teuflischer Verrat ist im Spiel! Rafft euch auf, solange es Zeit ist und verhindert den Einmarsch der fremden Ratssöldner!«

»Listig haben sie den Zeitpunkt gewählt, um uns zu übertölpeln,« pflichtete Riele Haden ingrimmig bei. »Während Harald beim Herzog weilt, glaubt der Rat, uns den Daumen aufs Auge setzen zu können. Dulden wir's nicht! Setzen wir uns zur Wehr!«

Auch Tysenhusen sprang Jan mit Entschiedenheit bei. »Ohne euch zu fragen, durfte der Rat diesen gefährlichen Schritt nicht unternehmen. Das ist gegen die Abmachung, das ist ein Schlag ins Gesicht des freien Volkes.«

»Zu den Waffen!« wütete Jan. »Wer noch Blut in den Adern und Mut im Herzen hat, der schließe sich mir an! Nieder mit dem Ratsregiment! Über Bardowiecks Schicksal darf, dieser neue Schurkenstreich beweist es klar, nur das Volk entscheiden! Der Rat hat sein feierlich gegebenes Wort gebrochen, nun sind auch wir unseres Wortes ledig!« Und so eifrig sich Wolf Vynke mühte, den Zornentbrannten zurückzuhalten, Jan brüllte seine aufstachelnden Reden immer erregter in die trunkene Menge hinein.

Mordgeschrei stieg auf und hallte schauerlich im Gewölbe wieder. Messer blitzten, und wer keine Waffe bei sich trug, der hielt Stühle und Bierkrüge umklammert. Aber im Augenblick, wo Jan den Wahnsinnszug in die Stadt hineinführen wollte, drang plötzlich mit vorgehaltenen, blinkenden Hellebarden Wache in die Schenke. Hinter ihr sah man im Fackelschein, der die Gasse düster überglühte, unbekannte fremde Kriegsmannen aufmarschiert. Starres Entsetzen lähmte die Überfallenen. Mit einem Schlage war es sehr still geworden. Durch dies erwartungsbange Schweigen dröhnte um so unwiderstehlicher, bezwingender ein jäh aufsteigendes, übermütig lautes Lachen. Es drang aus der Ecke, wo Heini Hoyer mit Josa und Brigitte zusammensaß, es quoll aus so heiterem Herzen, klang so verführerisch lustig, daß bei jeder anderen Gelegenheit die Schar der Gäste hingerissen eingefallen wäre. Jetzt freilich verhallte es gespenstisch im Raum. Aus der Mitte der bewaffneten Knechte war Rolf Ebelingk hervorgetreten. Drohend wies er auf Jan. »Daß du neuen Aufruhr planst, ist mir schon heut mittag kundgetan worden; jetzt aber habe ich mit eigenen Ohren deine hochverräterischen Reden gehört. Hältst du den beschworenen Pakt so, du Lügner? Ergreift ihn und werft ihn in den Turm!«

Ein wilder Schrei brach aus Jans Kehle. Er stieß die ihm zunächst stehenden beiseite, um sich auf Rolf zu stürzen. Aber schon hatten ihn kräftige Fäuste gepackt. Niemand von den Freunden wagte ihm beizuspringen, selbst die Trunkenen hielten Ruhe. Und so haßerfüllte Blicke auch auf den Ratsherrn zuckten, nicht einmal fluchend den Bierkrug zu schleudern unterfing sich einer.


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