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3. Kapitel

Haralds Heimkehr

Wieder rauschte der Tanz auf. Wieder jubelten die Geigen von Hochzeitslust. Am Arme Rolf Ebelingks glitt, allen anderen Paaren voran, Maria durch den festlichen Raum, sie war bleicher, als Bräute sonst zu sein pflegen, wenn die wogen der Freude hochgehen; aber ihrer Schönheit tat das keinen Abbruch. Ja, zauberhafter noch schien jetzt ihr rotgoldenes Haar zu schimmern, wunderbarer noch zeichnete sich das edle Profil ab, blühte das Ebenmaß ihrer Glieder, so viele anmutige Mädchen, holderblühte Frauen auch den Saal schmückten, und so stolz jede von ihnen auf ihren Reiz war: Daß sie heute neben Maria nicht aufkamen, erkannte jede von ihnen fast neidlos an.

In das immer leidenschaftlichere, süßere, betörendere Jauchzen der Musik drang doch, manchmal die Klänge der Lust übertönend, vom Markte her zorniges Geschrei, so zurückhaltend, auf Matthias Holks Befehl, sich die Stadtwache auch zeigte, mitunter mußte sie gefährlich werdendes Gedränge doch mit harten Stößen abwehren. Und dann kam es jedesmal zu gereiztem Aufbrüllen der Getroffenen und ihrer Genossen, Wieder gellten, mitten in die Klänge des Fackelschleifers hinein, wüste Drohrufe, und als sich um Maria und Rolf Ebelingk die Fackeln tragenden Jungherren drehten und das Brautpaar mit dem Glanz der Edelwachsbrände überschüttete, sauste plötzlich durch ein vom Vorhang nur halb bedecktes Fenster ein schwerer Stein herauf. Mit lautem Aufschrei brach im Kreis der Jungfrauen ein holdseliges Mädchen zusammen.

Die Musik verstummte jäh. Mit einem Schlage wurde es seltsam still. Die rohe Störung brachte auch den Ausgelassensten die Gefahr, die abenteuerliche Seltsamkeit dieses Festes zum Bewußtsein, während man hier oben schwelgte und tanzte, von aller Pracht und Herrlichkeit der Welt umglänzt, von allem Reichtum des Nordens, allen Schätzen und Prächten des Südens, raste unten, von Stunde zu Stunde erbitterter werdend, die hungrige Menge.

»Wollen wir uns die Festlaune verderben lassen?« rief Rolf Ebelingk, nachdem die verwundete davongetragen worden war. »Ist es nicht genug, daß die Schändlichen und Feigen aus dem Hinterhalte in unsere Freude einzubrechen wagen, ohne auf der Stelle von erbarmungsloser Strafe ereilt zu werden? Daß der Pöbel so alle Furcht vor uns verloren hat, sind wir nicht selber schuld daran? Unsere Nachgiebigkeit ermutigt ihn zu immer größerer Frechheit, wer die Deiche abträgt, darf der sich wundern, daß das Meer weithin seine Acker und Wiesen überschwemmt? Unsere Güte hat die Knechte in den Wahn versetzt, daß sie sich uns gleichstellen dürften. Und im selben Augenblick, wo Bardowieck die schwerste und stolzeste Aufgabe zu lösen hat, die ihm seit tausend Jahren beschieden worden ist, im selben Augenblick entsteht uns, dank unserer weichmütigen Geduld, im eigenen Lager der schlimmste Widersacher. Aber noch ist es nicht zu spät, ihn mit festem Griff niederzuringen. Noch haben wir die Macht in der Hand, nicht nur die Macht der Waffe. Sie schreien draußen nach Brot und Korn. Gut! Wir wollen nicht unbarmherzig sein, meine Freunde! Wir wollen von unserem Überfluß geben, allen, die dessen würdig sind, allen, die unsere Herrschaft dankbar und demütig anerkennen. Herzog Heinrich, immer darauf bedacht, den hohen Rat und damit die Kraft der Stadt zu schwächen, hat den Zünften und Gilden Rechte gewährt, wie sie das Handwerk nirgendwo im ganzen Reiche genießt. Von diesen Rechten ist übler Gebrauch gemacht worden. Die sie verliehen erhalten haben, sind außerstande gewesen, sich und der Gemeinde damit zu nützen. Fressendes Gift bedeuten die Verträge. Nun wohl! Verzichten die Zünfte auf sie, so sollen ihnen unsere Scheuern geöffnet, soll Korn zu mäßigen Preisen verkauft und das Geld zinspflichtig vorgeschossen werden. Aber ohne Unterwerfung kein Brot, kein Korn!«

»Rechtes Wort zur rechten Zeit!« rief der trunkene Raynald Basedow, wieder nach dem Pokal tastend. »In Staub mit den Frechen! Heute, man merkt es wohl, vollzieht sich Bardowiecks Geschick, heute schmettern wir alle unsere Feinde uns zu Füßen. Frieden soll wieder in der Stadt herrschen wie ehedem, Frieden und Furcht vor den Geschlechtern. Keine Unterwerfung, kein Brot, kein Korn! Duckt die Knechte! Wir allein sind die Herren!«

Am Saaleingang entstand Bewegung. Unerwartete Gäste waren erschienen, und voll hastiger Neugier drängten die Festteilnehmer hinzu. Nach einer Weile lösten sich dann aus dem Gewühl Bürger der Stadt los, die kein Feierkleid trugen und die niemand hierher geladen hatte, wie grell unterschied sich ihr schlichtes Gewand von der farbensatten Pracht rundum! Es waren Wolf Vynke, ehrfurchtgebietend durch die ungebrochene Kraft und Zähigkeit seines Alters gleicherweise wie durch seine würdige Haltung, links von ihm Jan Dieter, dessen in Lumpen gewickelter Armstumpf jämmerlich abstach von dem gleißenden Prunk und Reichtum rundum. Ängstlich zu Boden blickend, vor Verlegenheit zitternd, trippelte hinter ihnen der Schuster Peter her, ein rundliches, fixes Männlein mit blühenden Wangen. Er gehörte noch zu den Jungmeistern des Schusterhandwerks, aber seiner überströmenden Redekunst wegen hatten sie ihn bei der letzten Wahl zu ihrem Führer gekürt. Zur Rechten Wolf Vynkes aber schritt, stolz aufgerichtet wie er und doch in lieblicher Holdseligkeit, ein schwarzhaariges Mädchen, wie eine nach Bardowieck verpflanzte Blume des Südens anzuschauen: Jussunda, seine Pflegetochter. Er hatte sie als zartes Kind vom Kreuzzug mitgebracht und großgezogen; seitdem betreute sie sein Haus und war ihm eine über alle Maßen liebevolle Tochter.

Mit ruhiger Stimme eröffnete Wolf Dynke den Ratsherren, die sich rasch um ihr scharten, daß die Menge ihn und seine beiden Genossen als Sprecher entsandt habe. Er wies dabei noch mit leichter Handbewegung auf Jussunda. »Ihr wißt, hochgebietende Herren, das Kind verläßt mich nie, so hat es auch auf diesem schweren Gange bei mir sein wollen.«

»Was ist euer Begehr?« fragte Matthias Holk nicht unfreundlich.

Jetzt schob sich trotz seiner Furchtsamkeit der Schuster Peter vor. In zierlich gesetzten Worten, anfänglich noch ein wenig stockend, bat er die mächtigen Geschlechter, sich der Hungernden zu erbarmen und morgen Befehl zur Brotverteilung zu geben. Selbstverständlich solle alles auf Heller und Pfennig bezahlt werden, nur bitte das durch die schlechte Ernte und mancherlei Brandunglück jämmerlich verarmte Volk um einige Frist.

»Wir sind keine Bluthunds,« schrie Basedow, sich am nächsten Sessel festhaltend, »und du, Peter, baust zwar einen elenden Stiefel, aber es läßt sich mit dir reden. Sage deshalb deinen Leuten, daß sie Brot genug für sich und ihre Kinder haben sollen, aber daß sie unterducken müssen. Seid gehorsam der Obrigkeit! So steht in der heiligen Schrift zu lesen, nicht wahr, Hochehrwürden Iso? Es muß nun einmal auf Erden Herren und Knechte geben; der Schöpfer selbst hat es so geordnet. Einer muß satt sein und der andere hungrig. Daran werdet ihr nichts ändern. Kerker und Hochgericht jedem, der sich unterfängt, die ewige, göttliche Ordnung zu stören. Unser Wort ist deshalb: Verzichtet auf alle die Narrenrechte, die euch der Herzog bewilligt hat, um euch mit uns zu verfeinden! Unterwerft euch wieder unbedingt der Ratsherrschaft! Dann sollt ihr so viel Korn haben, wie ihr begehrt.«

Peter hatte mit tiefen Verbeugungen gedankt, während Wolf Dynkes Augen immer abweisender und zornvoller dreinblickten. Doch verstand er, sich zu beherrschen. Anders der düstere Jan. Hatte er schon während der nach seiner Meinung viel zu unterwürfigen Worte Peters nur mühsam an sich gehalten, so riß ihn jetzt roter Zorn schier zur Raserei fort. Jäh trat er einen Schritt auf Basedow zu. »Hütet euch, ihr Übermütigen!« schrillte seine Drohung in den Saal. »Nicht länger mehr werdet ihr unseres Elends spotten, ihr Verruchten! Die Stunde der Rache rückt heran. Und unbarmherzig, wie ihr heute gegen uns seid, nur auf Schacher bedacht, so wollen wir, kommt die Zeit, mit euch verfahren. Hättet ihr feinere Ohren und schärfere Augen, als das Übermaß des Weines euch gewährt, wahrlich, ihr sähet das Verderben über euch hereinbrechen, hörtet die Henkerkarren in der Ferne, die euch zum Schafott bringen werden!«

Seine heisere Stimme, seine unheimlich flackernden Augen, der gespenstische Hauch, der ihn umwitterte, schreckten manchen Festfreudigen aus dem Taumel auf. Wieder wurde es still rundum. Es war, als wehe ein Grauen durch den Saal, eiskalter Hauch der Verwesung. Nur Rolf Ebelingk ließ sich nicht einschüchtern. »Es ist lustig,« lachte er, »dich vom Schafott sprechen zu hören. Aber freilich, mit dem Schafott weißt du ja gut Bescheid, seitdem du es mit dem Arm gestreift hast. Dein rechter Arm ist schon dort geblieben, weil du für deine Mutter Brot gestohlen hast, du Dieb. Doch warte nur! Du prophezeihst uns böse, kommende Tage – so prophezeihe ich dir den Tag, wo dein wüster Kopf deinem rechten Arm folgen wird!«

Mit verzerrten Mienen hatte Jan den schneidenden Hohnworten gelauscht. Tränen sinnloser Wut tropften ihm aus den Augen, sein Atem keuchte. Dann griff er mit der Linken blitzschnell in seinen Rock, und schreiend vor Wut drang er, den herausgerissenen Dolch schwingend, auf Rolf Ebelingk ein. Doch der hatte sich vorgesehen. Er sprang zurück, im selben Augenblick blitzte die scharfe Damaszenerklinge auf. Jan aber war, von kräftigen Fäusten gepackt, entwaffnet und dröhnend zu Boden geschleudert worden. Und nun hob sein triumphierender Gegner in blinder Rachsucht die Waffe, zückte sie auf den Wehrlosen –

Da durchzischte ein wuchtig geführtes Eisen die Luft, und schwer polterte seine Klinge auf den Estrich nieder.

Überrascht und erschreckt fuhr Rolf zurück. Und betroffen starrte er dann, bleich und gelähmt, in Haralds entschlossenes Gesicht.

Von allen Seiten, aus allen Nebengemächern kam die aufgestörte festliche Schar entsetzt herbeigeeilt; von Mund zu Mund raunte die Kunde, daß der verbannte Gefürchtete unerwartet heimgekehrt sei.

Wie um vor unentrinnbarem Schicksal Schutz zu suchen, hatte sich Maria zu ihrem Vater geflüchtet. Aus ihrem schönen Antlitz schien jeder Blutstropfen gewichen, sie bebte am ganzen Leibe, und doch hingen ihre Augen wie gebannt mit verzehrender Inbrunst an der trotzigen Gestalt des Jugendgeliebten, am Glanz dieser königlichen Augen.

Keine Lippe regte sich. Alle Jubelstimmung war erloschen.

Mit übermenschlicher Gewalt rang Harald den Sturm nieder, der seine Seele durchtobte.

»Komme ich zur unrechten Stunde, ihr Herren?« wandte er sich, auf sein Schwert gelehnt, an den Kreis der Schweigenden. Und Maria nur mit raschem Blick streifend, fuhr er fort: »Daß ich in deine Hochzeit einbrechen würde, hohe Frau, war mir nicht bewußt, und ich bitte dich um Verzeihung deshalb.« Seine Stimme blieb fest, wie er das sagte, nichts als eisige Ablehnung lag darin. »Wir sind nun wohl miteinander fertig, Matthias Holk! Der Vertrag, den wir geschlossen haben, ist gebrochen, gebrochen durch dich. Dein Betrug, dein Meineid löscht ihn aus. Das Spiel ist vorbei. Gib mir mein Eigentum zurück! Wisset, ihr Herren, daß keine Woche vergehen wird, ehe mein Vater, dieses Landes Herr und Herzog, vor euren Toren liegt. Ich bin gekommen, euch zu warnen, wie es meine Pflicht war. Von dieser Stunde an aber hütet euch vor mir.«

Laut auf lachte Rolf Ebelingk. Aber niemand war, der es ihm nachtat. Sorgenvoller Ernst lag auf allen Gesichtern, keiner zweifelte an der Wahrheit des niederschmetternden Worts. Geflüster hier und da, verlegenes Schwanken, dann trat Matthias Holt aus dem Kreis seiner Freunde.

»Auf sieben Jahre hat dich der hohe Rat dieser Stadt aus Bardowieck verbannt. Angekündigt ward dir der Tod, wenn du früher zurückzukehren wagtest. Dein Leben ist damit verwirkt. Doch in Güte und Barmherzigkeit und um des freudigen Anlasses wegen, der uns heute vereint sah, wollen wir dich noch einmal begnadigen, wenn du unverzüglich den Stadtbann verlässest.«

Ehe Harald antworten konnte, hatte sich der Ratsherr Stephan Brugg aus der Menge hervorgedrängt. »Du drohst uns mit dem Heere deines Vaters? Von wann ist dir die Mär gekommen? Wähnten wir dich doch alle auf der Nordsee und sind nun über die Maßen erstaunt, dich nach so kurzer Zeit wieder innerhalb unserer Mauern zu erblicken.«

»Laßt mich Antwort geben, hochgebietender Herr,« meldete sich da Heini Hoyer. »Wir haben die Koggen des Herzogs auf hoher See gesichtet. Es mögen bei fünfzig oder sechzig sein. Und damit ihr uns glaubt, sehet hier zwei seiner gefangenen Krieger!« Er wies auf die beiden reisigen Knechte hin, während er seine Augen übermütig durch den Saal schweifen ließ und auf der ringsum prangenden Frauenschönheit ruhen ließ.

Doch keines von den lieblichen Mädchen hatte in dieser Stunde Sinn für die Huldigungen des übermütigen Malers. Verschüchtert und ängstlich, sorgenvoller noch als die Männer, sahen sie in eine finstere Zukunft, die diese helle Nacht der Freude überschatten wollte. »Seid ihr allein, ihr Vier, oder habt ihr die ganze Mannschaft des Butenspälers mitgebracht?«

»Die Kogge ist draußen auf der Ilmenau angetaut, dreihundert Schritt vom Hafen, neben einer, die wir dem Herzoge abgejagt haben.«

»Wie die Dinge liegen, wollen wir dir verzeihen, daß du den Stadtbann gebrochen hast, Harald,« begann Matthias Holk wieder, »wichtig genug ist ja die Meldung, so daß sie dein eigenmächtiges Tun entschuldigt. Nun aber hast du deine Pflicht erfüllt, und nun heische ich abermals von dir, auf der Stelle die Stadt zu verlassen.«

»Unser Vertrag ist abgelaufen,« beharrte Harald unbewegt. »Du weißt, was du mir in der Abschiedsstunde zugesichert hast, du weißt, daß ich nur deshalb von Bardowieck schied. Als ein Wortbrüchiger stehst du jetzt vor mir, alter Mann! Was zwischen uns vereinbart war, ist zerrissen und ich bin adlerfrei, wie vorher. Unglück und Grauen ohnegleichen hängen über dieser Stadt. Schämt ihr euch nicht, ihr in Überfluß und wilden Wonnen Ertrinkenden, daß die da draußen vor Hunger schreien? Auf meinem Wege zu euch habe ich gesehen, was ihr aus dem armen Volke gemacht habt. Doch bei dem Gott, an den ich glaube und dessen Feuer ich im Herzen trage, nicht länger dulde ich die Schande, die ihr ihm und meiner Heimatstadt antut. Ich kam hierher, um ihr zu helfen, als ein Getreuer, der mit euch zusammen für die Freiheit gegen Herzog Heinrich, meinen Vater, auf der Wacht zu liegen gedachte. Jetzt aber seht ihr mich bereit, euer Unrecht zu züchtigen und die Hungernden vom Tode zu retten. Ich will –«

»Du willst?« lachte Rolf höhnisch auf. »wer bist du, daß du uns zu schrecken trachtest? Der Bankert eines landverjagten, kranken und müden Fürsten! Wir, die sich vor deinem Vater nicht neigten, als er noch ein mächtiger Kriegsherr war, wir, meinst du, werden uns deinem dreisten Befehl unterwerfen? Verlaß die Stadt auf der Stelle, und damit wir dir gestatten, sie ungefährdet zu verlassen, wahre deine Zunge! Dreiste Bettler jagt man mit Hunden vor das Tor. Holla,« schrie er, sich dem Saaleingang zuwendend. »Die Waffenknechte her, und die Hunde her!«

Ein furchtbares Licht stieg in Haralds Augen, rote Äderchen sprangen durch ihr Weiß. Hoch riß er das Schwert, entschlossen, einer gegen hundert, am verhaßten Feinde die Beleidigung zu sühnen. Entsetzt hob Wolf Vynke die Hand. Und da, seltsamer, ergreifender Mut, eilte die zarte Schwarzhaarige, die ihm zur Seite ging, auf Harald zu und legte ihre feine, bleiche Hand wie begütigend auf seine wetterbraune Faust. Er fuhr jach herum und sah erstaunt in ein holdes, blasses Gesicht, aus dem die reine Mädchenseele flehend zu ihm sprach, wortlos und doch überirdisch beredt, wie durch ein Wunder beruhigte sich sein heißes Sachsenblut. Nur ein kurzer Kampf mit sich selbst – dann hatte Harald sich bezwungen, das nun tief errötende Kind war Siegerin geblieben.

Stolz zurückgeworfenen Hauptes trat Harald jetzt auf Rolf Ebelingk zu. »Du drohst mir mit Hunden? Du? Aber freilich, du hast recht – wer handelt klüger als der, der mit seinesgleichen vereint auf den Gegner losgeht? O, beschimpfe mich nur, Rolf Ebelingk! Keine stolzere Ehre könnte mir widerfahren. Wen Rolf Ebelingk beleidigt, der muß fürwahr ein ganzer, rechter Edelmann sein, wahrlich, vernahm ich aus deinem Munde ein Schmeichelwort, dann, aber auch nur dann ging' ich beschämt und traurig meiner Wege.«

Rolf Ebelingk erbleichte bis in die Lippen. »Hunde her!« brüllte er, seiner selbst nicht mehr mächtig. »Und wer mein Freund ist, drauf und dran! schlagt ihn nieder, rächt die Schmach, die er mir angetan hat.«

Die Weiber kreischten laut auf und stoben auseinander, als die aufgestachelten, zornwütigen Männer nach den Waffen griffen und sich rachsüchtig auf den kühnen Eindringling stürzen wollten, auf den verhaßten Störenfried, den gefürchteten Träger böser, verhängnisvoller Kunde. Aber entschlossen warf sich ihnen Wolf Vynke entgegen. »Wagt keinen Schritt weiter!« rief er ins brausende Getümmel. »Wagt es nicht, sie stürmen sonst euer Hochzeitshaus!« Und während die Entbrannten unwillkürlich stutzten und für die Sekunde die Geister des Weins von sich abschüttelten, stand er schon am Fenster, von Flackerbränden und Kerzen hell beleuchtet, und rief mit metallener Stimme zum Markt hinunter, daß es wie Trompetenklang dröhnte: »Der Retter ist da, Jung Harald, den ihr alle liebt! Jung Harald, der Herzogssohn ist wieder in der Stadt!« Atemlos hatte die dunkle Menge gelauscht. Dann aber erbrauste, grenzenlos wild, Jubelgebrüll aus tausend und aber tausend Kehlen. Es war, als ob plötzlich in später Mitternacht Sturmwind über den Markt rase, vom hohen Dom abpralle und sich auf das Holksche Haus stürzen wolle. »Harald, der Herzogssohn!« schrie und tobte es in seligem Entzücken. »Heil unserem Retter!« Unablässig donnerte der Ruf durch die Nacht.


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