InhaltInhalt
- Multatuli
- Multatuli
- Die Abenteuer des kleinen Walther.
- Chronologisch-archäologische Untersuchung über den Ursprung dieser Geschichte. Über Poesie, unheilbare Liebe, falsche Haare, und den Helden der Geschichte, der gegen falschen Verdacht verteidigt wird. Die Gefahren des Ruhms, und der Vorzug des obersten Brettes ...
- Der Einfluß Fränzchen Hallemans auf Walthers Heldenstele, und die Beziehungen dieses Einflusses zum Propheten Habakuk. Große und kleine Mensche, der Zopf des Chinesen, und der Kragen der Menschheit.
- Ein italienischer Räuber auf dem Buitensingel zu Amsterdam. Das bittere Leiden der tugendsamen Amalia. Die Wachskerzen, Palladien der Moral. Die Feinheit der Hallemännchen, oder Ehrlich währt am längsten. Auch über Mangel an Raum.
- Der Unterschied zwischen verbummelten Zuckerdosen und verschärften Bibeln, oder die Macht des Gewissens. Leentjes Verdienste und Mängel, vom philanthropischen Standpunkte aus besehen.
- Die holländischen Grafen und die Fleischpreise, sowie der grundlose Verdacht gegen Pennewips Ehre. Leentjes heimliches Talent, Kleider und Seelen zu flicken.
- Das tiefsinnige Schweigen von Jüffrau Laps. Stoffels Predigt. Walthers standhafte Treue zu Glorioso. Rührender Rückblick auf Scelerajosos Tod, und das glorreiche Ende Gloriosos. Der letzte König von Athen. Verdorbene Magen und geplatzte Trommelfelle – ein eigenartiger Stoffwechsel.
- Betrachtungen, wie man ein großer Mann werden kann. Besuch bei M'sjö Willär, der so klug war. Steckenpferde. Der Leser wird mit Versen bedroht und schließlich um Anerkennung ersucht für die geschickte Art und Weise, wie ihn der Verfasser, nach vergeblichem Herumirren, zu Walther zurückführt.
- Vorbereitungen zu einer Gesellschaft. Rollenverteilung. Widerstreit zwischen Wollen und Sein, dargestellt in einer Kinderträumerei. Moddergraben-Phantasien, Strohhahnwettrennen, Entenkrieg und Mühlengeschichten, zum Schluß eine Lustreise.
- Dichtübungen, Perückenfreude, Perückenverdruß und Perückenverzweifelung.
- Ein Theeabend, und wie es anfing. Schreckliche Lücke im Wissen des Verfassers, der nicht einmal weiß, wer läutete, und was Wimpje geantwortet hat. Stoffels zoologischer Witz, Ursache des letzten punischen Krieges.
- Ein kurzes Kapitel mit viel Handlung. Der Vorteil des Rauchens. Der punische Krieg.
- Nachklänge des allerletzten punischen Krieges. Niederlage von Hannibal-Laps gegen Scipio-Pennewip. Die Litteratur der Zukunft. Der Leser erfährt, was alles noch passieren kann.
- Entwicklung der Gründe des langweiligen Friedens in Europa, woran sich der Nutzen des Studiums von Theeabenden ergiebt. Fortsetzung und Schluß der Gedichtproben. Sehr geeignet für Modedichter und andere kluge versaufsagende Kinder. Armer Walther ... reicher Walther!
- Ausführlicher Bericht, in welchem Zustande sich die Hauptpersonen dieser Geschichte nach der Katastrophe befanden.
- Der Autor beantwortet dem Leser eine einigermaßen wesentliche Frage, gleichgültig ob der Leser die Frage überhaupt stellen will oder nicht.
- Kosmopolitische Betrachtungen und die Geschichte von dem Willemsorden.
- Eine kleine Charakterstudie über unseren Walther und seine »Erzieher«.
- Wie die gute Leentje sich wunderte, und was Walther von der Sache hielt.
- Eine Geschichte, die während einiger Jahrtausende spielt, oder mehr?
- Der würdevolle Besuch des Herrn Hauspastors, der anders abläuft, als der scharfsinnigste Leser ahnen kann. Über Sprache und Gnade, das Haus an der Ecke, die kompromittierte Frau aus Babylon u. dergl. Nachpredigt mit Gefühl.
- Schlagender Beweis von Walthers Besserung, mit Hilfe eines kirchlichen Zeugnisses. Walthers erste Einladung und Studie in der Liebe.
- Verschiedene Auffassungen von der Liebe. Das Paradies und die Peri. Pfänderspiel und Heimkehr.
- Große Veränderung in der Familie. Walther wird Hofpoet bei Jüffrau Laps. Die Berge Asiens als Prophylaxis gegen europäischen Hochmut. Die Waschfrau und ihre Tochter.
- Noch einmal Glorioso. Die Geschichte von den edelmütigen Inkasöhnen, weit von hier – lange her.
- Walthers Traum. Die vornehme Kutsche.
- Was die Jüffrau mit ihrem Verse für Not hatte. Ein seltsames Wiedersehen.
- Femke ist sich auch ohne Ariadne-Faden des rechten Weges wohl bewußt. Was sie auf der Suche erlebte, und was sie endlich fand.
- Der Geburtstag des Witwer-Onkels, und wie eine Überraschung manchmal ganz anders abläuft als man denkt.
- Walthers Genesung. Die Bilder des Doktors. Stoffels Allweisheit. Amsterdamsche Dramaturgie.
- Centripedale und centrifugale Kräfte, negative und positive Pole und dergleichen, nachgewiesen an einigen Besuchen, die Walther beinahe nicht abstattet.
- Unser Held stattet wieder einen Besuch ab und wohnt schrecklichen Schauspielen bei.
- Ophelia kommt zu hohen Ehren, und eine Liebeserklärung kommt zu einem seltsamen Ende. Die Schule und das Leben Berufswahl.
- Walther tritt in die wirkliche Welt. Die Firma Motto, Handel & Co. Über die Technik des Romans und die Schnupftabaktöpfe der Römer.
- Walther erhebt sich erfolgreich über die große Masse und profitiert von seinen Specialkenntnissen.
- Wie man ein Verschwender werden kann, wenn man die Geschichte vom verlorenen Sohn zu oft vor Augen hat.
- Warum wir diesmal Femke nicht zu sehen bekommen, und wie weltlich ein Diener der Kirche sein kann. Wir erführen beinahe, wieso Pater Jausen auf der einen Seite taub ist. Ankündigung großer Dinge.
- Vornehmer Besuch. Könige und Pfannkuchen. Die »Masse«. Schweben und Fallen. Der Autor schämt sich seines Helden und fürchtet, daß so etwas öfter vorkommt.
- Der junge Herr hat Gewissensbisse. Ein gutes Mittel gegen Lebensüberdruß.
- Unser Held geht mit dem Gedanken an Prinzeß Erika zu Bett. Wie liebenswürdig sie war. Sie!
- Die Stadt ist voll von Mördern und Spitzbuben. Don Quichotte geht auf Abenteuer aus, vergißt aber die Nebenumstände.
- Der berühmteste Niederländer des Jahrhunderts, und was er zuwege brachte. Jüffrau Laps auf dem Kriegspfade.
- Ein Kapitel ans der großen Welt. Der bescheidene Leser wird mit der ganz hohen Politik in Beziehung gesetzt.
- Der Glanzpunkt im Leben des Amstelhafenknechts und Jüffrau Laps' große Enttäuschung.
- Unterricht in der Lehre von der Zweckmäßigkeit. Das wunderbare Standbild in der »gekrönten Wacholderbeere«. Walther bekommt ein Küßchen.
- Ein Kapitel ohne Abenteuer. Wer es überschlagen will, kann es thun.
- Ein sehr prosaisches Kapitel, voll lauter Realismus. Gymnastische Übungen einer kastalischen Nymphe. Ein Ritter, der einen Brief aus dem Himmel empfängt.
- Frau Claus' Ästhetik. Erscheinung einer Mütze und einer Sibylle. Der Spuk mit dem Dienstmädchen. Der Retter.
- Femke und nochmals Femke und wieder Femke. Verschiedene Liebenswürdigkeiten und Femke.
- Eine Theatervorstellung mit Hindernissen. Der Konflikt zwischen Napoleon und Minos von Kreta. Die Göttin auf dem Olymp. Kußhand und Rose!
- Ariadne auf Naxos und die Unbrauchbarkeit von Wundern. Wie Stoffel die Sache ansah, und Kaatjes Auffassung von der Vererbung.
- Rätsellösen und praktische Philosophie. Der Leser lernt seine nächstliegende Pflicht kennen. Der Autor auch.
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Walthers Traum. Die vornehme Kutsche.
Der Mond stand am Himmel und langweilte sich; die undankbaren Menschen schliefen und achteten seiner nicht, sollte er sich nicht ärgern? Er strömte sein Leid, das noch durch die gewaltige, Jahrtausende alte Schuld geborgten Lichtes vermehrt wurde, in herzbrechenden Elegien aus, bis der Nachtwind sich seiner erbarmte. Hopp, hopp! fuhr er in die Bäume, und die Blätter tanzten, hopp, hopp! fuhr er über die Dächer, und die Ziegel flogen, die Schornsteine verbeugten sich demütig, die Mühlen tanzten mit den Stämmen, die sie zersägen sollten, auf den Mauern und Schanzen. Da saß ein schlafend Mädchen im Grase... ob's Femke war? Die Wäsche tanzte nach der Musik des Windes um sie her, die Hemden machten possierliche Knixe und boten sich höflich die Manschetten; Schlafmützen, Vorhemdchen, Beinkleider tanzten Menuett, Strümpfe und Kinderkleidchen, Kragen und Taschentücher walzten immer dichter und dichter um das schlafende Mädchen herum, ihre Locken begannen zu flattern ... ein Lächeln, ein Seufzer ... sie sprang auf, der Wirbel ergriff sie, hob sie ... o Himmel ... Femke, Femke!
Und Walther griff nach der Erscheinung, die er in einer Wolke von Strümpfen, Socken, Unterbeinkleidern, Hemden und Kragen davonsausen sah, auf dem Wege zum Monde ...
»Mutter, Walther kneift mich!« rief Laurens, der Schriftsetzer lernte, und Jüffrau Pieterse stöhnte, daß die Jungens nicht einmal in der Nacht Ruhe halten konnten.
Das »Haus« Pieterse versammelte sich an Walthers Bett. Da war die edle Stammfrau, gehüllt in eine ehrfurchtgebietende Jacke, die in breiten Falten auf den Rock von schwarzem Merino niederfiel. Da war Trudchen mit ihren dummen blauen Augen. Myntje und Pietje – ach was rede ich! So hießen ja die Mädchen nicht mehr, nach dem großen Umzuge. Trudchen war eine Gertrude geworden, wie eine morganatische Fürstin von Hessen. Myntje hieß jetzt Mina, und wer ihr einen Gefallen thun wollte, sagte Mine, das klang französisch, fand sie. Aber ihr dummes Gesicht war noch dasselbe wie vorher. Und Pietje hieß Petro. Stoffel hatte gesagt, das wäre ein vornehmer Name.
Er selbst kam auch zum Vorschein und setzte sogar seine Mutter, die doch so viel von ihm erwartete, in Erstaunen. So würdevoll war Gang und Haltung.
»Was fehlt dir denn, Junge?« rief jedes Walther zu.
»O Mutter, Mutter ... Femke!«
»Der Junge ist närrisch« – das war das einstimmige Urteil der Familie Pieterse.
Und ganz unrecht hatten sie nicht. Walther fieberte.
»Sie wollen sie wegtragen ... immer in die Runde ... sie griff nach dem Rauch ... Tochter der Sonne, entscheide... hier ist Telasco ... du sollst nicht sterben, Aztalpa ... Femke, bleibe, bleibe, ich will auf die Wäsche acht geben ... ich will die Hirschkuh schießen... ein Witwersmann mit Gott ... zusammen durch das elfenbeinerne Thor ... da ist sie wieder ... Omikron, bleibe!«
»Wenn wir einen Pfarrer rufen ließen?« fragte die Mutter zögernd. Sie wußte nicht, ob gebetet werden mußte oder gestraft ... oder beides.
Und jetzt hatte, vielleicht zum erstenmal in seinem Leben, Stoffel einen guten Gedanken:
»Mutter, ich glaube, daß hier ein Doktor nötig ist... Walther ist krank,«
So war es. Der arme Junge hatte ein Nervenfieber. Das war ein Glück für ihn, denn der Arzt, der ihn behandelte, war ein Menschenkenner, der durch liebevolle Zurechtweisung einen heilsamen Einfluß auf Walthers Gemüt ausübte. Aber das konnte erst später geschehen, denn im Anfang der Krankheit war die Krankheit des Kindes gefährlich.
Auch für Jüffrau Pieterse war diese Bekanntschaft nützlich. Der Doktor machte ihr zu ihrer großen Verwunderung klar, daß man seine Kinder nicht wie Gepäckstücke in der Bettstelle
einpacken soll. Daß Luft, Licht, Leben, Bewegung, Genuß nötig ist, um Seele und Leib zu entwickeln. Daß Strafen, ob mit oder ohne den Herrn, nichts nützen. Daß ihr Gottesdienst besser wegbleiben sollte – und mehr Dinge von der Art, die Jüffrau Pieterse noch nie gehört hatte, und gegen die sie sich doch nicht auflehnte, denn der Doktor...
»Ach, liebe Jüffrau Laps, Sie müssen's mal so einrichten, daß Sie hier sind, wenn er kommt. Er schreibt die Rezepte mit einer goldenen Feder und sein Kutscher hat ein braunes Bärenfell um den Hals ...«
Ja, so eine goldene Feder und ein Bärenfell! Ach, wenn doch alle Menschen, die die Wahrheit predigen, ihren Kutscher vornehm ausstaffieren könnten, dann würde es wohl bald mit vielen Vorurteilen vorbei sein. Aber meistens ist das nicht so.
Ja, ich kenne sogar viele wahrheitsliebende Leute, die überhaupt keinen Kutscher haben, sei es mit oder ohne Bärenfell.
Und auch die ... goldenen Federn sind oftmals in falschen Händen.
»Ich wollte bloß, daß Jüffrau Zipperman mal käme, wenn gerade der Doktor hier ist. Geh', sag's ihr doch mal, Schertrüde ... daß Waltherchen krank ist, mein ich ... und sag' ihr, wir frühstücken so gegen zwölf ... so spät kam er gestern. Und du, Leentje, geh' mal zum Kaufmann ... wir brauchen Salz... und mach' 'n Wörtchen ... 's ist nicht ums Klatschen ... du weißt, Klatscherei kann ich nicht leiden ... ich möcht' bloß wissen, ob's die Menschen gesehen haben. Und du, Petro, denk' dran, daß du mir 'ne reine Mütze giebst, wenn er wiederkommt... denn
dasist ein Mann, so ein Doktor! Ich bin noch ganz hin, wie er so sagte ... und dann gaff' ihn nicht immer so an, Mina, das paßt sich nicht ... aber ich bin doch wirklich neugierig, ob die im Laden ihn gesehen haben!«
Ich möchte nicht gern hart urteilen, aber wahrhaftig, es kommt mir vor, als ob Jüffrau Pieterse allmählich an Walthers Krankheit Geschmack bekam.
Es ist doch etwas Vornehmes, so eine Doktorkutsche vor der Thür.
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