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Sechstes Kapitel.

Lot und Hiob haben eine Idee. – »Wir werden belauscht!« – Die drei Yankees. – »Hurra!«

 

Erwartungsvoll stand die Gesellschaft und schaute zu, wie der Farmer mit den Papieren hantierte.

Endlich blickte derselbe auf.

»Ich denke,« so begann er, »da wir alle, die wir hier versammelt sind, sozusagen denselben Strang ziehen und ein gemeinschaftliches Interesse verfolgen, so dürfen Heimlichkeiten unter uns nicht existieren. Ihr beiden, Lot und Hiob, könnt daher hierbleiben und alles mit anhören.«

Die Genannten blickten sich gegenseitig stolz an und ließen dann ein Gemurmel der Befriedigung hören.

Der Farmer aber fuhr fort:

»Es sind hier sechs Dokumente vorhanden, die mir durchaus echt zu sein scheinen. Wie ihr seht, sind sie bereits vergilbt und abgegriffen, besonders in den Kniffstellen, trotzdem aber noch deutlich lesbar. Ich will ihren Inhalt vorlesen und mit dem obenauf liegenden anfangen. Es ist ein Brief, datiert ›Carleton, im Juli 18**‹. Wo liegt Carleton, Jungens?«

»Carleton,« brummelte Karl, »Carleton ...« als ob die Wiederholung des Namens ihm auf die Sprünge helfen könnte. »Carleton ... laß mal sehen ... hm ... Du Heinz, du mußt's doch wissen.«

»Warum muß gerade ich das wissen?« sagte Heinz, ganz empört über solche Zumutung. »Carleton liegt irgendwo ... na, meinetwegen in Irland.«

»Geographie schwach«, lachte Hans. »Du, Philipp, wo liegt's?«

»Meinst du, daß ich jedes Dorf der Christenheit kennen muß?« entgegnete der Gefragte. »Carleton liegt natürlich in Amerika, wollte sagen in Kanada.«

»Oho, raten gilt nicht!«

»Master Philipp hat richtig geraten«, bemerkte Lot, der Neger, in seiner tiefen Stimme. »Carleton liegt in Kanada, an der Chaleur Bai.«

»Lot hat recht«, bestätigte Hiob. »Ich bin zwar nicht dagewesen, aber Lot hat recht.«

»Gut, nehmen wir also an, Carleton läge in Kanada«, sagte Johann Bernsdorf. »Wir gewinnen dadurch einen wichtigen Ausgangspunkt, denn die folgenden Briefe enthalten allerlei über eine Fahrt nach nördlichen Gewässern. Nun hört zu und merkt auf. Also: ›Carleton, im Juli 18**‹ näheres Datum fehlt.

›Mein lieber, alter Jackson! Solltest Du mich überleben und mehr Glück haben, als ich, dann versäume ja nicht, die Fahrt auszuführen, die wir so oft besprochen haben. Wenn Du den festen Willen hast, dann findet sich auch die Gelegenheit dazu. Bist Du aber erst einmal auf der Fahrt, dann laß Dich durch nichts ablenken, sondern steuere direkt nach der Insel mit dem funkelnden Berge. Sie liegt auf ... ‹

Hier hielt der Farmer mit Lesen inne.

»Jetzt kommen Zahlen,« sagte er, »die aber sind sehr undeutlich. Soviel ich daraus entnehmen kann, soll das wohl 7615 heißen; dann kommt ein Buchstabe, der entweder ein schlechtes M oder ein noch schlechteres N ist. Dahinter stehen noch mehr Zahlen, aber gerade in dem Kniff. Das ist Pech! Ich glaube noch eine 5 zu erkennen, dann noch eine 8, dann eine 1 und dann eine 0.«

»Laß mich einmal sehen«, sagte sein Bruder Friedrich. »Die erste Zahl ist eine 3 und keine 5, wenn ich mich nicht sehr irre. Hm ... Na, lies nur vorläufig weiter.«

Johann fuhr im Lesen fort:

»Bist Du bei der Insel angelangt, dann hast Du Dich auf die östliche Seite derselben zu begeben. Dort funkelt und blitzt der Berg im Sonnenlicht, Du kannst gar nicht fehlen. Erklimme ihn und Du bist ein gemachter Mann.«

»Ist das alles?« rief Heinrich. »Das wäre viel Geschrei um wenig Wolle, meine ich.«

»Nach deiner Meinung hat noch niemand gefragt, mein Sohn«, bemerkte Karl. »Abwarten, Naseweis, Vater ist noch nicht am Ende.«

»Hier ist ein Zettel mit allerlei Notizen«, berichtete der Farmer weiter. »Edelsteininsel ... reiche Schätze ... Jackson sprechen ... Davis-Straße ... grüne Küste ... Kurs – was dahinter steht, kann ich nicht entziffern ... NW ... Was mag das sein, eine Stadt, ein Fluß, oder was?«

»Wenn wir eine Landkarte hätten, dann würde uns die Sache vielleicht verständlicher«, sagte Friedrich Bernsdorf.

»War da nicht ein Atlas?« rief Philipp.

»Gewiß, hier ist er«, antwortete Vater Johann, seinem Bruder das abgegriffene Heft hinreichend.

»Aha«, sagte dieser. »Nun wollen wir einmal sehen. Kanada ... Davis-Straße. Hier sehe ich eine punktierte Bleistiftlinie, die bis an dies Kap hier hinaufgeht. Dann eine andere, die in einem kleinen Sternchen endet. Da, Johann, schau her.«

Johann nahm die Linien in Augenschein und wendete sich dann wieder zu den Papieren.

»Die übrigen Dokumente weisen nur allerlei Aufzeichnungen auf, die ohne eigentlichen Zusammenhang sind ... Andeutungen zur Auffindung eines Weges ... Küstenmerkmale ... Meeresströmungen ... Berggipfel und anderes. Halt, hier ist noch ein Zettel in anderer Handschrift ... Vielleicht hat das Jackson selber niedergeschrieben. Sein Inhalt lautet:

›Der Weg nach der Edelsteininsel ist nach den Angaben in dem Brief mit Sicherheit zu finden. Von Carleton führt er durch Labrador zur Mündung des Sealflusses und dann auf dem angegebenen Kurs weiter bis zum Ziel. Ich will's wagen. Es gilt. Hunderttausende, vielleicht Millionen zu gewinnen. Dick hat recht.‹«

»Wer ist Dick?« fragte Karl.

»Nun, Jacksons Freund«, antwortete Heinrich. »Ich bin jetzt überzeugt, daß etwas sehr Greifbares an der Sache ist. Wenn wir die unleserlichen Zahlen und Buchstaben entziffert haben werden, dann sind wir im Besitz des Schlüssels zu dem Geheimnis. Ihr sollt sehen, daß ich diesmal recht habe.«

»Ich möchte unserm Heinrich beinahe zustimmen«, sagte Johann Bernsdorf. »Er wird den Nagel auf den Kopf getroffen haben.«

»Dann mag er uns aber auch sagen, was die Eulenköpfe und Krähenfüße da auf dem Papier zu bedeuten haben, wenn er doch so klug ist«, bemerkte Karl.

»Masters,« nahm Lot langsam das Wort, »Hiob und ich, wir haben eine Idee, mit Respekt zu sagen.«

»Oh, das ist nett«, versetzte Johann Bernsdorf. »Laßt doch hören.«

»Nämlich die Idee,« fuhr der Schwarze fort, »daß die Zahlen und die Buchstaben die Längen- und Breitengrade bezeichnen könnten.«

Der Farmer schlug mit der Hand auf den Tisch.

»Bravo!« rief er. »Bravo, Lot und Hiob! So wird es sein und nicht anders!«

»Laß sehen«, sagte sein Bruder, mit dem aufgeschlagenen Atlas herantretend. »Eine 7 und eine 6, eine 1 und eine 5 ... Richtig, das ist's! 76 Grad und 15 Minuten, und der zweifelhafte Buchstabe ist ein N, also Nordbreite. Bravo, Hiob und Lot!«

Philipp und Hans klopften den glücklich grinsenden Farbigen anerkennend auf die Schultern.

»Die anderen Zahlen bedeuten 38 Grad und 10 Minuten Westlänge. Die Seekarte der Davis-Straße her!«

Johann schob ihm dieselbe auf dem Tische zu und stellte eine Laterne dicht daneben.

Die ganze Gesellschaft beugte die Köpfe darüber.

»Da,« sagte Friedrich Bernsdorf, den Finger auf einen Fleck der Karte legend, der bereits viele mehr oder weniger unsaubere Fingerspuren aufwies, »da haben wir's. 76° 15' Nordbreite und 38° 10' Westlänge. Da liegt die Edelsteininsel. Ich glaube jetzt steif und fest an die Richtigkeit der Sache.«

»Das hilft uns nur nicht viel«, entgegnete Johann. »Wir mögen's nun glauben oder nicht, hinkommen können wir doch nimmermehr.«

»Warum nicht?« fragte Friedrich schnell.

»Mein Gott, wie sollen wir das anstellen? Bedenke doch die Entfernung! Eine solche Reise durch ein unwirtbares Land und dann noch eine Seefahrt kosten ein Heidengeld, und wir sind so gut wie mittellos, wie du weißt. Wie also hinkommen?«

»In einem Schiff«, warf Philipp vorschnell ein.

»Halte den Mund, Bengel!« fuhr der Vater ihn an. »Du kannst doch unmöglich ernstlich an solch eine abenteuerliche Sache denken, Friedrich.«

»Ich sehe gar nicht ein, Bruder, warum ich nicht daran denken sollte. Anderwärts haben wir herzlich wenig Aussicht, etwas zu erreichen, das wirst du zugeben, Johann.«

»Leider muß ich das, aber möchtest du wirklich hinter solch einem Schemen herjagen?«

»Nun, einen Schemen dürfen wir die Sache, nach all den uns hier vorliegenden Anhaltepunkten, doch wohl nicht mehr nennen.«

»Du bist sanguinisch, Bruder«, lächelte Johann. »Da ist aber noch eine andere Schwierigkeit; jene Gegenden sind uns gänzlich unbekannt, keiner von uns ist jemals dort oben gewesen.«

»Bitte um Entschuldigung, Master,« bemerkte Hiob bescheiden, »Lot ist schon dort gewesen.«

»Was!« rief der Farmer erstaunt. »Lot, du wärst bereits da oben in der Nähe des Polarkreises gewesen?«

»Ja, Master, das bin ich, mit Respekt zu sagen«, antwortete der Schwarze. »Und noch weiter, auch schon in Grönland.«

»Das stimmt,« nickte Hiob eifrig, »auch in Grönland ist er gewesen. Ich wäre auch nach Grönland gegangen, wenn ich die Gelegenheit dazu gehabt hätte.«

Das war ein einwandfreies Zeugnis.

Der schwarze Lot war also ein Seefahrer gewesen.

Seine Herren, denen dies bisher unbekannt geblieben war, sahen einander erstaunt an.

Auf ihre Fragen berichtete Lot nunmehr, daß er auf einem Fahrzeuge der Hudsons-Bai-Kompanie in den nördlichen Gewässern dem Robbenfang obgelegen hatte.

»Also ein Robbenklopper bist du gewesen, Lot«, lachte Johann Bernsdorf jüngster Sohn.

»Jawohl, Master Philipp, ein Robbenklopper ist er gewesen«, bestätigte Hiob, mit einem stolzen Blick auf seinen Freund.

»Die Hudsons-Bai-Kompanie hat eine ganze Anzahl Expeditionen ausgesandt,« sagte der Farmer, »und zwar lediglich zum Zwecke der Pelztierjagd. Je spärlicher diese Tiere mit der Zeit wurden, desto weiter nach Norden mußten die Jäger vordringen. Ist's nicht so, Lot?«

»So ist's, Master Johann. Unser Fahrzeug sollte auch einen Seeweg nach dem Großen Ozean ausfindig machen. Das war aber nichts. Wir kamen nicht weiter als bis Baffinsland.«

»Nein, nicht weiter als bis Baffinsland«, bekräftigte Hiob mit großem Ernst. »Ich bin zwar nicht dabeigewesen, hätte aber dabei sein können.«

»Jetzt, Lot, sage mir deine Meinung über das, was mein Bruder aus jenen Dokumenten vorgelesen hat«, fuhr der Farmer fort. »Glaubst du, daß die sogenannte Edelsteininsel wirklich existiert?«

»Ja, das glaube ich, mit Respekt zu sagen, Master Johann. Ich habe von einer Insel, auf der ein funkelnder und blitzender Berg sein soll, schon früher gehört. Ist's nicht so, Hiob?«

»Gewiß, schon wer weiß wie oft hast du davon gehört«, versetzte der Getreue, wobei derselbe jedoch ein Hüsteln der Verlegenheit nicht unterdrücken konnte. »Die Insel existiert, und der Berg darauf ist so voll von Diamanten, wie die Nachtjacke des Großmoguls beider Indien.«

»Sachte, Partner«, raunte Lot ihm zu. »Nicht zu dick; laß es bei der Nachtjacke bewenden.«

Hiob nickte, indem er einen scheuen Blick auf seine Herren warf. Er hatte die Empfindung, als habe er diesmal den Mund ein wenig zu voll genommen.

Johann beugte sich wieder über die Seekarte. Unter den anderen aber entspann sich eine lebhafte Debatte über die Ausführbarkeit des Unternehmens. Man entschied sich einstimmig dafür, die Insel aufzusuchen.

»Unsinn, Friedrich! Unsinn, Jungens!« rief der Farmer, sich aufrichtend. »Wir können uns unmöglich darauf einlassen! Wir würden uns nicht nur lächerlich machen, sondern auch ruinieren. Laßt uns vernünftig sein, hierbleiben und nach Petroleum bohren, überlegt doch einmal! Wenn die Flamme schon gebrannt hätte, als noch Einwohner hier waren, dann hätte keine Seele den Ort im Stich gelassen; denn jeder hätte sich gesagt, daß in einem so gasreichen Boden unerschöpfliche Vorräte von Petroleum vorhanden sein müssen.«

Allein er predigte tauben Ohren.

Ein abenteuernder Geist hatte sich seines jüngeren Bruders bemächtigt, und daß sämtliche Knaben sich lieber an einer wildromantischen Fahrt nach einer geheimnisvollen Insel mit einem edelsteinfunkelnden Berge darauf beteiligen mochten, als in dieser öden Stadt langweilige Erdarbeiten zu verrichten, das braucht nicht erst hervorgehoben zu werden.

»Wenn hier soviel Petroleum sein soll, warum haben jene Leute, die sich doch gewiß die äußerste Mühe gaben, es denn nicht gefunden?« fragte Hans.

»Weil sie bei all ihren Bohrversuchen nicht auf die richtige Quelle gestoßen sind«, antwortete der Farmer.

»Wem mag dieser Ort eigentlich gehören?« warf Karl ein.

»Der Ort ist gegenwärtig herrenlos«, belehrte ihn sein Vater. »Wenn wir ein Inventar aufnehmen und der Staatsregierung melden, daß wir hier Besitz ergreifen wollen, dann wird uns das Terrain zugesprochen. Wir lassen uns darauf hier häuslich nieder, fördern und verkaufen Petroleum und verdienen einen Haufen Geld. Ich würde dringend dazu raten.«

»Wenn wir nun aber die richtige Petroleumquelle auch nicht finden?« bemerkte Hans.

»Oh, zum Kuckuck mit der richtigen Petroleumquelle!« rief Philipp, der Vorlaute. »Laßt uns nach Norden ziehen, zu den Eisbären, Füchsen, Robben und all den anderen bepelzten Kreaturen!«

»Den Schimären, zum Beispiel«, lächelte Karl.

»Von solchen Tieren habe ich noch nie gehört«, sagte Hiob. »Sind das Seehunde?«

»Nein, Hiob, aber Drachen«, versetzte Karl. »Mythologische Ungetüme mit Löwenköpfen.«

»Theologische Ungetüme«, wiederholte der Mulatte kopfschüttelnd. »Mit Löwenköpfen ...«

»Na gewiß, Hiob! Seelöwen, was denn sonst?« fiel Lot ein. »Die kenne ich, das sind gefährliche Kerle.«

Die Knaben lachten.

Dann wurde der abenteuerliche Plan noch einmal eingehend besprochen und erwogen; man beleuchtete die Möglichkeit, bisher unberührte mineralische Schätze zu heben und heimzubringen; man las die Papiere wiederholt laut und langsam durch, bis die lebhafte Unterhaltung plötzlich durch einen Ausruf Heinrichs unterbrochen wurde.

»Wir werden belauscht!« rief er. »Da sind fremde Männer an der Tür!«

Alle schauten auf und wendeten die Gesichter dem Eingang zu.

In demselben erschienen drei Männergestalten in der Kleidung von Trappern oder Jägern.

Es war kein Zweifel möglich, die Fremden hatten schon eine Weile der Verhandlung zugehört.

»Guten Abend, Boß Anführer, Hauptmann.«, sagte der eine derselben, Johann Bernsdorf zunickend. »Sitzt hier ganz mollig, wie? Unsern Partner Jackson gesehen und gesprochen, was?«

»Ja«, antwortete der Farmer, sorgsam die Papiere zusammenlegend. »Wer seid ihr?«

»Wir? Wir sind Jacksons Partner und beste Freunde. Als die anderen abzogen, sind wir nach Pittsburg marschiert, um Medizin und ein Fuhrwerk für ihn zu holen. Der alte Knabe mag mich zwar nicht leiden, weil ich ein Yankee bin, trotzdem aber hege ich keinen Groll gegen ihn, und nicht um die Welt hätte ich ihn hier ohne Beistand sterben lassen.«

»Er ist aber gestorben und Ihr wart nicht bei ihm«, sagte Friedrich Bernsdorf.

»Leider. Ich kam eben zu spät. Seine Seekiste haben wir draußen auf unserem Wagen. Was ich aber sagen wollte – wir haben gehört, was ihr vorhabt, und wollen nun den Raub mit euch teilen – Yes, sir

»Welchen Raub?« fragte Johann ganz ruhig.

» Well, die Topase, Opale, Onyxe, Diamanten und all die anderen Edelsteine. Wir sind Jacksons Partner, Erben, Rechtsnachfolger und hinterlassene Busenfreunde. Wir wollen kein Blutvergießen, aber wir wollen unseren Anteil – Yes sir

»Der alte Mann hat seine Papiere mir und meinem Vetter vermacht, und keinem anderen«, bemerkte Heinrich mit derselben Ruhe, die er an seinem Vater und seinem Onkel wahrnahm.

»Oh, hat er das? Recht bedauerlich, denn die Papiere gehören uns. Gebt her, Boß!«

»Fällt mir nicht ein«, entgegnete der Farmer. »Wenigstens nicht so ohne weiteres. Wo kommt ihr her?«

»Von Pittsburg, wie ich schon vorhin gesagt habe.«

»Kennt ihr dort den Mr. Bates ... Robert Z. Bates?«

»Den Bergwerksbesitzer? Yes, Boß. Den kennt jeder.«

»Schön. Mr. Bates ist mein guter Freund, mein Name ist Johann Bernsdorf, ihr könnt euch bei ihm nach mir erkundigen, ich bin kein Yankee, sondern ein Deutscher, und als solcher –« hier riß er den Revolver heraus und legte auf den Amerikaner an – »lasse ich mich nicht von dem ersten besten Landstreicher ins Bockshorn jagen. Hände hoch!«

Im Nu waren auch Friedrich und seine Söhne sowie Karl und Philipp vom Tische aufgesprungen und standen nun schußbereit vor den Eindringlingen.

Auch Lot und Hiob machten drohende Gesichter.

Die drei an der Tür hielten gehorsam die Hände hoch.

Sie sahen ein, daß sie mit Gewalt hier nicht viel Glück haben würden.

»Ihr seid uns über, Boß«, sagte der Mann, der bisher das Wort geführt hatte. »Steckt eure Schießdinger weg, wir können gegen euch nichts ausrichten. Sollen wir noch lange die Hände hochhalten?«

»Nicht nötig«, versetzte Johann, die Papiere einsteckend. »Wir gestatten euch, euren verstorbenen Freund und Partner morgen, oder wann ihr sonst wollt, mit nach Pittsburg zu nehmen. Dem Mr. Bates könnt ihr bestellen, daß wir hier sind, und daß wir sehr bald auch nach Pittsburg kämen. Und jetzt entfernt euch, wenn ich bitten darf.

» Well, Boß, Ihr seid kühl und kurz angebunden, das muß ich sagen«, entgegnete der Yankee. »Und dabei so verschmitzt wie ein Opossum!«

»Mag sein«, versetzte Bernsdorf. »Freut mich, daß wir uns verstehen. Gute Nacht; vergeßt nicht, daß wir jetzt hier das Hausrecht haben.«

» All right, gute Nacht, Boß«, war die Antwort. »Wir vergessen nichts. Wegen der Edelsteininsel aber reden wir noch ein Wort miteinander, und zwar ein ernstliches, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Also Achtung, Boß! Augen und Naslöcher auf! Die Insel gehört uns, und wir werden sie auch haben! Merkt Euch das!«

Damit verließ der Yankee mit seinen Gefährten das Hotel, und alle drei zogen die öde Straße hinab.

»Da sind wir plötzlich zu drei Todfeinden gekommen und wissen gar nicht wie«, sagte Friedrich Bernsdorf, als Lot und Hiob sich von dem endgültigen Abgang der Fremden überzeugt hatten. »Jedenfalls ist das eine neue Bestätigung für das Vorhandensein der Insel und des Berges mit den Schätzen. Wenn wir uns nun dieselben nicht holen, dann tun die es ganz gewiß. Ich für meine Person bin fest entschlossen, die Expedition zu wagen.«

Nach diesen mit großer Entschiedenheit gesprochenen Worten entstand eine lange Pause.

Plötzlich brachen die vier Knaben, wie auf ein Kommando, in ein lautes Hurra aus.

»Hurra!« schrien sie, daß die hölzernen Wände wackelten. »Hurra! Und nochmals Hurra!«

»Was, zum Henker, habt ihr so zu brüllen, Jungens?« fragte Johann Bernsdorf unwillig.

»Das galt unserer Expedition nach der Edelsteininsel, Vater!« erklärte Philipp ganz unverfroren. »Wir alle machen nämlich mit.«

»So?« sagte der Farmer in seiner bedächtigen Weise. »Ihr macht also alle mit. Meinetwegen. Dann darf auch ich wohl nicht zurückbleiben. Ich bin aber der Ansicht, daß wir unseren Anspruch auf dieses Terrain in aller Form registrieren lassen, ehe wir uns auf diese Narrenfahrt begeben. Meiner Überzeugung nach muß hier noch Petroleum zu finden sein.«

»Dagegen wird niemand etwas einwenden«, versetzte Friedrich. »Es ist sogar gut, wenn wir zwei Eisen im Feuer haben. Schlägt die Expedition fehl, dann bleibt uns immer noch die Aussicht, hier Petroleum und damit unseren Unterhalt zu gewinnen. Zunächst ziehen wir also nach Pittsburg, suchen dort Robert Bates auf, interessieren ihn für die Bohrungen hier im Tal, verschreiben ihm einen Anteil am Gewinn und bewegen ihn, sogleich mit der Arbeit beginnen zu lassen. Wenn er von der enormen Gasentwicklung hört, wird er ohne Zögern darauf eingehen. Ist's so recht, Bruder?«

»Ja. Die Abenteuerlust hat euch allen die Köpfe verdreht, was hilft da mein Gegenreden? Lot und Hiob wollen natürlich auch mit nach der Insel, wie?«

»Ja, Master, wir wollen mit. Uns ist's gleich, wohin es geht, solange wir Lohn und Essen und Trinken und Kleider kriegen. Ja, Master, Hiob und ich, wir bleiben bei Euch.«

» Very well. Da nun alles soweit festgesetzt und inzwischen auch die Mitternachtsstunde herangerückt ist, so meine ich, daß wir nun schlafen gehen. Karl und Lot, ihr bettet euch in dem einen Wagen, Heinrich und Hiob in dem andern. Philipp, Hans, mein Bruder, ich und der Hund, wir legen uns im Stall bei den Pferden aufs Stroh. Da wir aber auf der Hut sein müssen, so werden Wachen gesetzt. Ich übernehme die ersten zwei Stunden, dann wecke ich dich, Friedrich. Und nun marsch, zu Bett!«

Lachend und schwatzend zogen sich die Knaben mit den Laternen zurück.

Es dauerte lange, ehe sie einschlafen konnten, da die in Aussicht stehende abenteuerliche Fahrt ihre Phantasie auf das lebhafteste beschäftigte.

Endlich ward alles ruhig; nur die gleichmäßigen Schritte des auf dem weiten Hofe hin und her gehenden Farmers und das dumpfe Tosen der großen Flamme unterbrachen noch die tiefe Stille der Nacht.


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