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XVII.
Ein paar Worte gegen eine mächtige Monarchin. Schilderung eines Ehmanns, der Hörner zwar noch nicht trägt, aber schon sie verdient.

Jedes menschliche Herz ist zu bedauern, wenn irgend eine Leidenschaft sich seiner ganz bemeistert. Denn iede Leidenschaft ist da Tirannin, wo sie allein regiert. Doch keine einzige wüthet mit solcher Grausamkeit, solcher Unvorsicht und Unversöhnlichkeit, als – die Eifersucht. Schmerzlich in ihrem Wesen selbst ist sie noch verderblicher in ihren Folgen; gilt zwar für eine Probe der heftigsten zärtlichsten Liebe; aber quält den geliebten Gegenstand mehr, als der bitterste Haß es thun könte; versezt den, welchen sie trift, und den, welcher sie hegt, in gleich große, rastlose Unruhe; saugt ihren Gift oft aus einem Nichts, und ist gemeiniglich eben so thöricht, als unnüz. Nur alzu oft erzeugt sie eben das, was sie verhüten will; sizt wie die schwarze Sorge beim Horaz hinterm Reuter auf dem Pferde, und verläßt ihn auch dann nicht, wenn er auf sein Lager sich wirft, wenn er des Nachts von Träumen auffährt, nach Mitternacht erst einschläft, und vorm Hahnengeschrei wieder munter ist. Weil diese Leidenschaft oft almälig nur bei ihren Schlachtopfern sich einschleicht; aber da, wo sie einmal Plaz gewonnen, auch meistentheils unvertreiblich ist; weil schon so mancher Othello durch sie Glück und Seelenruh, manche Desdemona sogar ihr Leben verlohr; weil sie eine von denienigen Krankheiten ist, welchen man gleich bei ihrem ersten Aufkeimen entgegenarbeiten muß: so will ich meinen Lesern erzälen, wie ein Ehmann, der Liebe und der häuslichen Wohlfarth im Schoose, beide zertrümmerte; wie er eine tugendhafte, sich selbst beherrschende Gattin gleichsam zwang, ihn zu hassen, und – doch wer alles vorhersagt, bringt seine Leser um die nöthige Erwartung, und sich selbst daher auch leicht um die Leser.

Miß Leonore Shelburne war in ihrer Kindheit schon, von ihren Eltern dem Sohn eines benachbarten Esquire, Heinrich Belhove mit Namen, versprochen worden. Nur drei Jahr war der iunge Hall älter, und war ein Knabe, der künftig einen schönen Jüngling und einen braven Mann hoffen ließ. Sie wurden zusammen erzogen, wußten, daß sie für einander bestimmt waren, und waren sich wechselseitig mit einer Neigung, die zwar noch nicht Liebe, doch schon mehr als Freundschaft heißen konte, zugethan. Sie kamen so almälig dem Zeitpunkt, wo dieser Entwurf ausgeführt werden solte, immer näher und näher, als ein unseeliger Zwist, der beim Weinglas sich ansponn, die beiden Väter entzweite. Zwischenträger bliesen das Feuer immer stärker an; die ehmaligen Busenfreunde wurden Todfeinde. Jener Familienkontrakt ward ganz zerstört und dem iungen Heinrich sowohl als Leonoren, bei der Strafe der Enterbung, aller Umgang, alles Gespräch, selbst das bloße Ansehn untersagt.

Daß eine so plözliche, so strenge, und von ihnen selbst so unveranlaste Trennung unsern beiden iungen Leuten sehr ungerecht und grausam vorkommen muste, das versteht sich von selbst. Aber die Maasregeln, die man dabei traf, waren so ernstlich; der Jüngling und das Mädchen noch so iung; die Gesellschaften und Zerstreuungen, worein man sie führte, so mannichfaltig – kurz, als ein paar Monate vergangen waren, gedachte Heinrich an Leonoren, und Leonore an Heinrich, wie man an einen längst gestorbnen guten Freund gedenkt. Er galt bald für einen der muntersten iungen Männer, sie für ein reizendes Mädchen; aber beide glänzten in sehr verschiednen Zirkeln. Als Leonore ins neunzehnte trat, warb um sie Sir Edmund Warhite; ihr Vater begünstigte ihn; er wuste außer diesem Vorsprecher noch sich die Gunst der Lädi selbst zu erwerben. Sie nahm ihn von so ganzen Herzen, daß sie an ihrem Hochzeittage wahrscheinlich nicht ein einzigesmal an Sir Heinrich Belhoven gedachte.

Bei wenig Ehen konte man sich mit so vielem Grunde ein ungestörtes Glück versprechen. Ihre Geburt und ihr Vermögen waren sich gleich. Ihre Jahre standen in dem gehörigen Verhältnis: sie war achtzehn, er fünf und zwanzig alt. Sie war äußerst liebenswürdig in Gestalt und Gespräch; er äußerst wohl gebildet von Körper und im Umgang. Er betete sie mit einer so romantischen Schwärmerei an, daß er oft schwur: ohne ihre Gegenliebe würde er durch Gift oder Dolch sein Leben geendigt haben; und was noch mehr ist: wer dies hörte, glaubte es ihm. Sie erwiederte seine Flamme mit aller der Zärtlichkeit, die ein vernünftiger Mann von einer tugendhaften Gattin zu fordern vermag. In den ersten einigen Monden ihres Ehstandes waren sie die Bewunderung und fast auch der Neid aller ihrer Bekannten. – Aber ach! ein iedes menschliche Glück ist dem Wandel unterworfen. Der Liebe und dem Vergnügen im Schoose fehlte Edmunden eine einzige Eigenschaft, aber freilich auch dieienige, ohne welcher uns alles fehlt – ein zufriednes Herz. Umsonst schüttet dann das Glück sein ganzes Füllhorn aus; wir werden immer noch etwas vermissen, und des Vermißten wegen alles Gegenwärtige nicht genießen können. Wir werden elend seyn, weil wir es seyn wollen.

Das Haus der beiden Neuvermälten, vor kurzem noch ein Schauplaz der Freude und des Vergnügens, ward plötzlich eine Höhle der finstern Schwermuth und endlich gar der Verzweiflung. Die Augen der reizenden Leonore zeigten sich oft roth von Thränen. An keinem öffentlichen Orte erblickte man sie mehr; auch zu Hause nahm sie nur selten Besuche an. Auf Edmunds sonst so heitrer Stirne herschte tiefer Gram und alle Kennzeichen der Unmuths. Jedermann spürte diese Veränderung. Den Grund davon errieth anfänglich keiner. Die Hausbedienten, diese ewigen Verräther aller Heimlichkeiten, entdeckten ihn zuerst, und theilten ihn redlich hundert andern mit. Bald zischelte man sichs vom Ohr zu Ohr, daß Edmund – so eifersüchtig wie ein Tieger sei.

Die erste Probe seines Wahnsinns war, daß er Leonoren aufs ernstlichste verbot: bei irgend einem Schauspiel, Ball, Oper oder Redoute, nach bisheriger Art zu erscheinen. Ohne Widerstand und ohne Murren entsagte sie allen diesen Vergnügungen; mit dem liebreichsten Tone von der Welt versicherte sie ihm sogar: auch dann, wenn sie diese Zerstreuungen zehnmal höher schäzte, als sie würklich thue, würde sie alles dies mit frohem Herzen aufopfern, um ihm einen Beweis ihrer Liebe und der Bereitwilligkeit in ihren Pflichten zu geben. Er starrte ihr einige Augenblicke gerührt ins Antliz, umarmte sie zärtlich, dankte für diese Nachsicht gegen seine Schwäche; schwur ihr die völligste Befriedigung zu, und war wenige Tage drauf – noch mismuthiger als bisher.

Er forderte nun grade zu: Sie solle keinen Besuch anders, als unter seiner Begleitung ablegen. Aus bloßer Gnade nahm er zwar seine Mutter, die schief gegenüber wohnte, aus; doch bedingte er sich auch hier, um ia nicht alzu gelinde zu seyn, daß er genau erfahre: Wenn sie hinzugehn, und wie lange sie dort zu bleiben gedenke, um sie zu gehöriger Zeit selbst wieder abzuholen. – Sogar nach dieser abgeschmackten Vorschrift bequemte sich die arme iunge Lädi; wahrscheinlich um ihn ganz von ihrer Unschuld, Liebe und Gefälligkeit zu überführen.

Aber leider, sie wusch einen Mohren! Alle ihre Nachgiebigkeit gegen seine grausame Launen besserte ihn – in nichts. So oft sie ausgiengen, und nur einer von Edmunds Bekannten der Lädi eine Höflichkeit erwieß, eine Artigkeit sagte, wohl gar nur eine Verbeugung ihr machte, gleich war sein Argwohn wach. Erwiederte sie vollends nur eines iener Komplimente auf irgend eine freundschaftliche, noch so unschuldige Art, wehe ihr dann, wenn sie nach Hause kamen!

Ströme von Vorwürfen ergossen sich alsbald. Ihr Stillschweigen galt für überwiesenes Vergehn; ihre bescheidenste Vertheidigung für ein störriges Läugnen. Er brach dann in Benennungen aus, die seines Standes, und mehr noch ihres Karakters unwürdig waren; es kam zum offenbarsten Zank; und erst, wenn er sie genug gequält, wenn er nun in bittre, anhaltende Thränen sie ausbrechen sahe, dann machte er einen Stillstand auf – einige Stunden. Dennoch, indem er sie so mishandelte, liebte er sie; liebte sie bis zum Rasendwerden! Aber freilich, wie der Dichter sehr richtig sagt:

Des Eifersüchtigen Liebe zeigt sich nur
so wie des Kranken Leben – durch den Schmerz.

Als Edmunds Betragen (wie nicht fehlen konte!) der sogenanten feinern Welt bekannt wurde, fanden sich für eine Sache, wo eigentlich nur eine Stimme hätte seyn sollen, sehr verschiedne Richter. Die Klügsten tadelten Edmunden höchlich. Einige, die sich klug dünkten, meinten: Leonore könte doch durch irgend eine Unvorsichtigkeit die Ursach zu dieser Behandlung gegeben haben; Viele ihres eignen Geschlechts aber, beleidigt durch ihre Reize, neidisch auf ihre Verdienste, fälten ohne Bedenken ein Urtheil, das noch strenger als Edmund selbst war, und wodurch der kleinste nichtigste Argwohn zur Gewissheit erhöht ward.

Eben diese Urtheile dafür und dawider hatten auf meine Neugier den gewöhnlichen Einflus. Ich suchte mich mit eignen Augen zu überzeugen, und fand die iunge Lädi, wie ich sie schon geschildert habe, in einem Zustande, der wahres Mitleiden verdiente. Was ihr Unglück fast mehr als verdoppelte, war: daß sie keinen einzigen Freund besaß, in dessen Schoos sie ihre Klagen hätte ausschütten, bei dessen Erfahrenheit sie eines Raths sich hätte erholen können. Brüder, nahe Vettern hatte sie keinen; ihr Vater war bald nach ihrer Hochzeit aufs Land zu seiner ältesten Tochter gezogen, um dort seine Tage in Ruhe zu verleben. Von allen ihren ehmaligen Gespielinnen und Freundinnen war noch Miß Lucie, Edmunds Schwester, die einzige, die sie zuweilen sah. Ein Mädchen von wahrhaft guter Seele, überzeugt von Leonorens Unschuld; die oft ihrem Bruder den Text sehr ernstlich las, aber leider auch immer einem Tauben predigte.

Eines Tags, als Lädi Leonore diese ihre Schwägerin um die Theestunde bei sich zu sehen hofte, kam ihr Bedienter herein, übergab ihr einen Brief und sagte: Ein Unbekannter habe ihn gebracht, sei auch sogleich wieder fortgegangen, ohne eine Antwort zu erwarten. Ich muß bekennen, bei Anhörung dieser Botschaft beging auch ich eine Ungerechtigkeit gegen Leonoren; denn schon glaubte ich, der Argwohn ihres Gemals dürfte nur alzugegründet seyn; aber ich schämte mich meiner raschen Vermuthung, als ich über ihre Achseln sah, Miß Luciens Hand erkante, und folgendes las:

Meine theuerste Schwester!

Unmöglich können Worte ausdrücken, wie sehr es mich kränkt, daß ich heute Sie nicht persönlich, sondern nur schriftlich sprechen soll. Ich liebe und schäzze Ihren Umgang über alles; nie werde ich mich dessen auch eines Hirngespinstes halber berauben lassen, an welchem Sie, wie ich überzeugt bin, nicht die geringste Schuld haben. Nur heute – – einige falsche lügenhafte Histörgen, welche blos die eifersüchtige Laune meines unglücklichen, sich selbst quälenden Bruders veranlaßt haben mag – grade heute sind diese in einer mißmuthigen Stunde meiner Mutter in Ohren gekommen; sie verbot mir in der ersten Hizze, nicht eher wieder mit Ihnen umzugehn, bis Sie in den Augen der Welt über ienen Verdacht gerechtfertigt wären. Bald drauf hörte sie die Einladung, die mir Ihr Kammermädchen brachte, und erneuerte bei dieser Gelegenheit ienes Verbot. Es schmerzt mich, ich wiederhole es, es schmerzt mich dieses Verbot im Innersten meiner Seele. Aber es ist meine Mutter; die kindliche Pflicht zwingt mich ihr zu gehorchen; und nur dann ist ia dies Gehorchen verdienstlich, wenn es uns schwer fällt. Zudem hof' ich um meiner selbst und um Ihrentwillen, daß mein Bruder, meine Mutter, alle unsre Bekannten bald das Unrecht einsehn werden, das Ihnen, arme unschuldig Leidende, wiederfährt. Dann sollen die Freuden unsers Umgangs wiederkehren; dann will ich mit Thränen der Wonne wieder in Ihre Arme fliegen. Nur vergeben Sie iezt Ihrer, Sie wahrhaft, ewig und innig

liebenden Freundin
Lucie W.

N. S. Meine Mutter ist zwar entschlossen, selbst mit Ihnen darüber zu sprechen, doch darf sie nicht wissen, daß ich Ihnen etwas davon verrathen habe. Aus dieser Ursache habe ich auch durch eine fremde Person dies Billet Ihnen zugeschickt. Aus dieser Ursache beschwör' ich Sie auch, es gleich nach seiner Durchlesung zu verbrennen. Noch einmal – mit blutendem zerrißnem Herzen sag' ich dies – noch einmal leben Sie indeß recht wohl und glücklich!

Die Wange der iungen Lädi glühte für Zorn, so wie sie nur die ersten Zeilen dieses Briefs gelesen hatte. »Wie, rief sie aus: auch meiner Lucie, auch meiner lezten Freundin soll ich nun beraubt werden? Und dies unter einem so beleidigenden Vorwande? Guter Gott, welch' ein Verbrechen hab' ich, oder welches haben meine Voreltern begangen, daß ich grade in diese Familie kommen muste? Mutter und Sohn sind gleich ungerecht, undankbar, niedrigdenkend und grausam. Allen Vergnügungen des Lebens hab' ich schon entsagt; habe meine Jugend den eigensinnigen Launen eines gebietrischen Gatten unterworfen; hab' es zu meiner einzigen Beschäftigung gemacht, ihm gefällig zu werden; und iezt empfang' ich dafür einen so unedelmüthigen, barbarischen Dank? Meine Tugend im Verdacht! Meine Ehre geschmäht! Jeder Umgang mit mir für eine Schande gehalten! O nein, nein, dies ist zu viel! Das übersteigt die Grenzen menschlicher Gedult!«

Es kostete ihr viel Mühe, das Schreiben vollends durchzulesen; und als sie es endlich gethan hatte, stieß sie noch einigemal die Worte aus: »Ah, ich verdamt also, einsam, gequält, verläumdet, gelästert zu leben! Unmöglich, das ist für eine Unschuldige alzuviel. Du, der mich kent, der wohl weiß, daß ich noch nie von ehlicher Pflicht mich entfernte, gieb mir Mittel und Wege, meinen guten Namen wieder herzustellen, und an meinen Verfolgern mich zu rächen.« – Jezt erinnerte sie sich auch an Luciens Bitte, ihren Brief zu verbrennen. Mit Heftigkeit warf sie ihn ins Feuer des Kamins, und rief: »Arme Lucie, deiner Freundschaft wegen sollst du nichts zu dulden haben!« In diesem Augenblick trat Edmund ins Gemach.

Die Thüre desselben hatte zur Hälfte offen gestanden. Gleich dran stieß die Treppe; indeß er sich leise nach Art der Eifersucht hinauf geschlichen, hatte er wohl gesehen, was Lucie that, doch nicht verstehn können, was sie sprach. Schnell wie der Bliz flog er zum Kamin, um das Papier noch zu retten, welches, wie er glaubte, sichre Beweise für seine Eifersucht enthielt. Aber die Flamme war doch noch rascher als er; und nicht ein Stückgen von dem, was er so gern ganz zu sehen wünschte, war noch übrig. Diese vergebne Mühe, und das, was er von Leonoren bereits gesehen hatte, erhizten sein Blut noch stärker; mit einem Blick, der da schien, als ob er tödten wolle, und mit dem Tone des bittersten Unwillens rief er aus:

Ha vortreflich, Madame! Ich bekenne, Sie sind schlauer, als ich. Nur einen Augenblick früher, und ich hätte sicher durch dies Papier Dinge erfahren, die alle ihre pralerischen Schwüre von Tugend und Treue Lügen gestraft haben würden.

Leon. Nicht doch, Sir! Meine Schwüre werden warlich Sie nicht belästigen. Ein Mann, der mit einem so niedrigen, so grundlosen, so anhaltenden Verdacht seine Gattin verfolgt, verdient nicht einmal, daß sie sich ihn zu widerlegen bemüht.

Edm. Nicht? würklich nicht? Wenigstens wäre Ihre Mühe auch vergebens. – Ich kenne Sie nun alzugut. – Sie dürfen's nun nicht einmal wagen – nicht wagen sich zu vertheidigen, nach einem so überzeugenden Beweis Ihrer Treulosigkeit.

Leon. Beweis? und der wäre?

Edm. Dies Papier hier! – Ja treuloses, buhlerisches Weib! Auch in seiner Asche noch zeugt dies Papier gegen Sie, und würde selbst vor Gericht Sie überzeugen.

Leon. Ist dies Wahnsinn, oder nur ein Vorwand von Ihnen, um mich mishandeln zu können? – Was kann selbst der beleidigendste Argwohn daraus schließen, wenn man ein Blatt Papier ins Feuer wirft.

Edm. Wie? sah ich etwan die Art und die Hastigkeit nicht, mit welcher Sie es hineinwarfen? War nicht, indem es verbrante, ein Feuer, eine Ungedult in Ihren Augen, als sähen Sie den wollüstigen Buben selbst, der es beschrieben hat? Zeigte sich nicht plözlich iedes Merkmal der Bestürzung und der Strafbarkeit an Ihnen, als Sie mich erblickten? Und doch, doch ist dies noch das geringste. Weiß ich etwa nicht, daß ein fremder Briefträger ein Billet Ihnen gebracht hat? – Nun Heuchlerin, was haben Sie darauf zu antworten? Schickt es sich für eine verheirathete Frau von Ihrem Rang und Ihrer Lage, Briefe von solchen Händen anzunehmen?

Leon. Eine verheirathete Frau! Sagen Sie lieber einer unglücklichen Sclavin! Denn Sclavinnen sind alle dieienigen, welche das Unglück haben, an einen solchen Mann gekettet worden zu seyn.

Edm. Umsonst weichen Sie meiner Frage aus! Nur dann werden Sie verdienen, als Frau und nicht als Sclavin gehalten zu werden, wenn Sie aufrichtig gestehn, von welchem unter Ihren Liebhabern dies Briefchen kam.

Leon. Von keinem – keinem!

Edm. So war es vielleicht von weiblicher Hand? von einer schändlichen Kuplerin in Liebeshändeln? – Aber keine Ausflucht weiter! Entweder gestehn Sie alles, oder beim Himmel, dieser Degen –

Leon. Stoßen Sie zu! Dies wäre der einzige Liebesdienst, den Sie mir erweisen, und wofür ich Ihnen noch danken könte.

Edm. Ha, Nichtswürdige! So verstockt noch bei deiner Bosheit! den Augenblick aus meinem Gesicht! Ich könte sonst Dinge thun, die nachher mich reuen dürften.

Leon. Ungeheuer! Ihre Gegenwart zu meiden, ist ein Befehl, den ich stets mit Freuden erfüllen will.

Mit unbeschreiblichem Stolz in Blick und Ton verließ Leonore bei diesen Worten das Zimmer. Selbst aus Edmunds betretener Miene konte ich schließen, daß sie seiner Mishandlung zum erstenmal ein solches Betragen entgegensezze. Er stand ein paar Minuten im Nachdenken gleichsam verlohren. Dann hob er Hand und Augen gen Himmel, indem er ausrief: »Gütiger Gott, nur die unbefleckteste Unschuld oder das verworfenste Laster kann mit einer solchen Entschlossenheit aus weiblichem Munde sprechen. Ich weiß nicht, was ich denken soll!« – Er schlug die Arme über einander; er schien sich nochmals in Zweifel und Ueberlegung zu verlieren. Aber bald brach er in die Worte aus: Sie unschuldig? Würde sie mir dann wohl den Inhalt dieses verdamten Briefes verheimlichen? O nein, sie ist strafbar! Sie ist es nur alzugewiß. Umsonst bemüht sich mein verliebtes, verblendetes Herz, sie zu entschuldigen. Alles, alles spricht gegen sie! Aber ich will hindurch; will nicht ruhen, bevor ich sie überführt habe; und dann – –

Er stürzte fort, indem er dies noch sagte. Schon besorgte ich, er würde nochmals Leonoren nacheilen und von neuem sie quälen; doch da ich sah, daß er aus dem Hause gehe, entfernt' ich mich auch für diesmal; doch in der Absicht bald wiederzukommen, und zu sehen:

»Wohin des Schicksaals Waage wiegen werde?«


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