Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Jeder Schriftsteller, der sein Handwerk versteht, wird weder der traurigen, noch der lustigen Geschichten zu viel hinter einander folgen lassen. Billig ist es daher, wenn anders meine Leser würklich Mitleid mit Isabellen gehabt haben solten, daß ich durch eine Anekdote von ganz andrer Art sie wieder aufheitre. – Für etwas wichtiges, für etwas geheimnisreiches gebe ich zwar Fannys Geschichte nicht aus. Aber belustigend war damals ihre Rache für eine halbe Stadt; warum solte sie es nicht auch noch ein zehn Jahre später seyn. Und der Blick, den sie nebenbei ins weibliche Herz ertheilt – Kein Eingang weiter; denn ich fange schon an.
Für das Muster zweier Freundinnen galten Fanny Darby und Charlotte Wilkinson, zwei Lädis von Schönheit, Reichthum und Geist. Man pflegte sie Orest und Pylades, Achill und Patroklus, die Unzertrennlichen, die zwei Rosen auf einem Stocke, kurz, ich weiß selbst nicht mehr wie alles, ihrer dauerhaften Freundschaft wegen, zu nennen. Denn selten sah man eine ohne die andere, und ieder Streit, iede Schelsucht, ieder unwillige Blick war entfernt von ihnen; ein fast unglaubliches Wunder bei ihrer Jugend, ihren Reizen! Auch ihr Schicksaal hatte einige Aehnlichkeit; denn sie hatten beide den Verdrus gehabt, sich von ihren Eltern sehr iung an zwei alte Männer verheirathet zu sehn, und das Vergnügen, sie nach ein paar Jahren wieder zu verlieren. Jezt befanden sie sich im schönsten Stande, den eine Dame sich wünschen kann. Im Stande der iungen Witwenschaft, wo sie Freiwerber genug um sich sahen, und die Freiheit hatten, selbst zu wählen. Auch war es kein Geheimnis mehr, daß Charlottens Bruder, ein iunger reizender Hauptmann, Fannys Herz gewonnen habe, und noch enger das Band zwischen ihnen knüpfen werde; da fiel der Geburtstag unsers Königs ein.
Daß an diesem Tage sich alles, was zum Hofe, zum vornehmern Zirkel, und zur schönen Welt überhaupt gehört, vorzüglich puzt und schmückt; daß dann die Erfindungskraft der Modedamen, und die Geschicklichkeit der Modekünstler vorzüglich glänzt; und daß mancher oder manche ganze Monate gelaßen darben, um hier Stundenlang sich auszuzeichnen, das ist eine längst bekante Sache. Doch konten wenige Lädis in ganz England sorgsamer für ihren Anzug als Lädi Darby seyn. Des Tages dritter Theil war wenigstens dem Spiegel beschieden; und wenn sie manchmal des Nachts nur vier Stunden dem Schlaf widmete, waren die Sorgen, die sie wach erhielten, nie eine Herzensangelegenheit, selten ein Spielverlust, und fast immer nur ein gerathnes oder ein verdorbnes Kleid.
Diesmal traf es sich, daß sie des Tags zuvor eine sehr große Gesellschaft besuchte, von welcher auch ich, und zwar sichtbarlich, ein Mitglied ausmachte. Man sprach von mancherlei interessanten Dingen; zum Beispiel: daß es heute sehr neblichtes Wetter sei; daß die alte reiche Mistreß Y. doch würklich die Thorheit begehe, den iungen armen Z. zu heirathen; daß die neue Oper vortreflich und das neue Trauerspiel kläglich ausgefallen sei; und man kam endlich auch auf das morgende Fest. Verschiedne Männer versicherten die Ode, die Herr Whitead drauf gemacht hätte, schon gelesen zu haben; sie gestanden: daß sie schön sei; aber sie sprachen natürlich, zumal da es Standespersonen waren, von einer solchen Kleinigkeit nicht lange; und die Unterhaltung fiel endlich auf die weit wichtigere Materie der iezigen Kleidung. Nun sah man bald aller Mundwerk im vollsten Gange. Jedes zog wenigstens drei oder viere von seinen Bekanten durch. Man fand tausend Fehler, aber fast nie auch nur einen einzigen Vorzug; und man schlos meistens mit der menschenfreundlichen Beobachtung: »daß es unbegreiflich sei, wie Personen, denen es sonst gar nicht an Verstande mangle, in diesem Punkt einen so üblen Geschmack verrathen könten.« Die Männer nahmen, aus Gefälligkeit gegen die Damen, auch Kennerton und Kennermienen an. Wenigstens drei Liebhaber erwarben sich einen rechtsgegründeten Anspruch auf das Herz ihrer Angebeteten, weil sie den lezten Anputz einer Nebenbulerin recht lächerlich schilderten; und niemand blieb unverschont, als – versteht sich – dieienigen, die zugegen waren. Ja, auch dies nur mit der Beschränkung: wenn sie nicht etwan in der Mitte des Gesprächs weggingen.
Fanny und Charlotte hatten bei dieser Gelegenheit ihre Beredsamkeit kräftig, zumal die Erstere gezeigt. Sie hatte vorzüglich den an sich wahren Satz vertheidigt: daß nicht Pracht das nothwendige Erfordernis eines vortheilhaft kleidenden Puzzes ausmache; – Sie hatte, als ihre Nachbarin dem Gold und der Stickerei eine Vertheidigungsrede hielt, sich einigemal auf das leichte seidne Kleid bezogen, das sie gleich nach der Trauer getragen, und durch dessen Blumenmischung sie algemeinen Beifall erhalten habe; ia, sie hatte sogar die Antwort: daß man sich dessen zwar, doch auch des Hustens erinnre, der sie dann sechs Wochen lang, einer Erkältung wegen, im Zimmer festgehalten habe, großmüthig verschmerzt. Aber auf einmal verstumte sie ganz, als einige Damen von den Kleidern eine Beschreibung machten, die sie morgen anzulegen gedächten.
Eine solche Stille befremdete verschiedne von ihrer Bekantschaft; sie fragten endlich sie grade zu: In welchem Staat man sie zu sehen hoffen könne? Und Fanny erwiederte mit einem etwas stolzen Lächeln: Sie pflege in diesem Punkte nur vom Vergangnen, und nicht gern von der Zukunft zu sprechen.
»Man lege es mir nicht für eine Eitelkeit aus – fuhr sie fort – aber ich liebe die Ueberraschung. Selbst Lädi Charlotte, so sehr wir ein Herz und eine Seele auszumachen pflegen, weiß, nie um einen Augenblick früher, als die übrige Welt, worauf meine Wahl gerathen ist.«
»Das ist wahr, fiel Lädi Wilkinson ein, auch bin ich so gewöhnt dran, daß ich nie mehr sie frage. Nur soviel weiß ich, so überzeugt ich vom guten Geschmack dieser ganzen Gesellschaft bin, und so sicher ich hoffe, daß vorzüglich meine liebe Fanny für ihre Wahl und ihre Erfindung die gewöhnlichen Lobsprüche einerndten wird, so versprech' ich mir doch morgen auch einige Aufmerksamkeit zu erregen. Ich weiß nicht, ob man ie etwas gesehn haben solte, das sonderbarer und reizender zugleich, als mein neuer Anzug wäre.«
Die Neugier der ganzen Gesellschaft, zumal der weiblichen Mitglieder, ward durch diese Ankündigung rege. Man bat Charlotten, halb scherzend und halb ernsthaft, doch nicht so grausam, wie Lädi Darby zu seyn, und ein Vergnügen, das morgen doch algemein werden müsse, ihnen immer heute schon vorzugsweise zu gönnen. Ob Lädi Wilkinson im Ernst so gutmüthig war; oder ob ihr iezt schon nach Lob gelüstete, entscheid' ich nicht; kurz sie erwiederte:
»Ihr Wille soll geschehen. Nur erinnre ich noch zuvor: daß ich nicht stolz genug bin, mir das Verdienst der Erfindung ganz zuzueignen. Ein glückliches Ohngefähr gab mir die Veranlassung dazu; blos einige kleine Verbesserungen rühren von meinem Geschmack her. Um urtheilen zu können, ob er richtig sei, sollen Sie Kopie und Urbild sehen.«
Sie rief bei diesen lezten Worten ihren Bedienten, befahl ihm nach Hause zu gehn, und das Packt zu bringen, welches er zwei Stunden vorher vom Schneider empfangen habe. Die Nähe ihrer Wohnung machte, daß ihr Befehl bald volzogen ward; mit siegprangender Miene nahm Lädi Charlotte selbst die Umhülle hastig ab, und zeigte den treflichen Puz der ganzen Gesellschaft. Es war ein Stück weißer Satin, und auf denselben sah man von Wasserfarben eine ganze Menge Liebesgötter in sehr mannichfachen Stellungen gemalt, theils schwebend, theils stehend, theils kniend; aber alle mit gespanten Bogen, und alle nach Herzen zielend, die hier und da ausgestreut zu seyn schienen.
Der Gedanke war so neu, die Ausführung desselben dem Maler so gut gelungen, und auch der Schneider hatte seine ganze Kunst so weislich dabei erschöpft, daß die Gesellschaft eben einstimmig in Lob und Beifall ausbrechen wolte, als ein unvermutheter Zufall plözlich die Aufmerksamkeit aller an sich zog. – Denn Lädi Fanny hatte kaum den ersten Blick hingeworfen, so stieß sie einen lauten Schrei aus, und fiel in eine Art von Ohnmacht. – Alles lief ihr zu. Charlotte legte freilich erst sorgsam ihr Kleid hin; aber dann kam sie auch sogleich, aufs zärtlichste beunruhigt, ihrer Freundin zu Hülfe. Kein Mensch begrif, woher das komme; als Lädi Fanny endlich wieder die Augen öfnete, und ausrief. –
O ich Unglückliche! – Wie ist das möglich? – Charlotte, hier herrscht die unwürdigste Verrätherei, oder der unseeligste Zufall. – Dieser seidne Zeug, oder vielmehr die Malerei auf ihn ist mein; – ist meine Erfindung! Wie in aller Welt, kam es in Ihre Hände?
Charlotte. (ganz erstaunt) Ist Ihre Erfindung? – Beste Fanny, sehn Sie mein Erstaunen! – Nehmen Sie den heiligsten Schwur, wenn ich davon ein Wort nur mutmaßte –
Fanny. O so ist es offenbar genug! der Niederträchtige, dem ich gab, was er forderte – dem ich noch überdies ein ansehnliches Geschenk machte, der Maler –
Charl. Ist unschuldig, liebste Fanny. – Ich weis nicht einmal, wer die Ehre für Sie zu arbeiten hat. Das ganze Räthsel will ich aber gleich Ihnen lösen. Nicht weit von mir hat eine Frau, die mit Fleckchen und Resten handelt, ihr Gewölbe; meinem Kammermädchen beliebte es vor acht Tagen hineinzusehn, um, ich weiß selbst nicht was, sich kaufen zu wollen. Sie sah dies Stück hier; nahm es mit, und zeigte es mir. Die edle Fantasie, die drinnen herscht, und die gewiß Ihrer Erfindung Ehre macht, wiewohl ich grade auf Sie nicht rieth, gefiel mir ungemein. Ich beschloß auf morgen ein Kleid davon mir zu bestellen; und nahm einige Aenderungen vor, die mir zweckmäßig zu seyn schienen.
Mit einem Fluß der Beredsamkeit, der die Gesellschaft heimlich nicht wenig belustigte, dessen Wiederholung aber hier wohl kaum unterhaltend seyn dürfte, schmähte iezt Fanny auf die Raubsucht der Schneider, die nicht nur so unverschämt entwendeten, sondern noch unverschämter das Entwendete mit einer solchen Eilfertigkeit verkauften, daß es eher im Laden einer Resthändlerin, als an dem Körper der Besizzerin zu sehen sei. Vergebens that Charlotte alles mögliche, um aufrichtig ihr Beileid über diesen Vorfall zu zeigen; vergebens versicherte sie: daß sie laut das Verdienst der Erfindung ihrer Freundin zugestehn werde. Diese erwiederte höhnisch, die Verbesserungen – die mit dem Muster verglichen, in einem reichen Boden, und in geschmackvoller Abwechselung der Liebesgötter bestanden – wären alzuwichtig, als daß sie mit ihrem einfachern Gewande dagegen auftreten könne: und sie erklärte endlich laut: Charlotte habe nur ein einziges Mittel, wodurch sie zu gleicher Zeit sie trösten, und auch den sprechendsten Beweis von ihrer Freundschaft ablegen könne; wenn sie nemlich verspräche: wenigstens vierzehn Tage lang noch nicht in diesem Puz zu erscheinen. Denn nur dann würde es als Nachahmung gelten, und für sie unbeleidigend seyn.
Unentschlossner konte Herkules nicht auf den berufnen Scheidewege stehn, als die arme Charlotte bei diesem bedenklichen Vorschlag. Die Freundschaft der Lädi Fanny war ihr lieb; aber ihr Puz an den morgenden Tage, die Hofnung, die sie vielleicht auf ihn gegründet hatte, ihre weibliche Eitelkeit? – Sie stand im Begrif allen diesen Empfindungen eine Schuzrede halten zu wollen. Neue Versicherungen ihres Bedauerns gingen voran. Ein Aber, von der Unmöglichkeit, in so kurzer Zeit einen andern Anzug sich zu besorgen, folgte; ehe sie schließen konte, unterbrach sie Lädi Darby:
Ich sehe, rief sie, was Sie wählen, und will iede weitere Entschuldigung Ihnen ersparen. – Der erste Unwillen überraschte mich. Jezt bin ich kälter geworden, und begreife: daß der ganze Handel eine Kleinigkeit sei. – Thun Sie morgen, übermorgen, und so lange Sie wollen, mit diesem Kleide, was Ihnen gut däucht. Das meinige ist nun unwiderruflich zum Verborgenbleiben verdamt. Es kömt zu sehr im Muster mit dem Ihrigen überein; und steht zu sehr in der Ausführung ihm nach. – Auch bin ich, wie Sie hoffentlich sehen, nicht mehr beleidigt dadurch. Auf Sie zu zürnen, wäre Thorheit, da ein Ohngefähr, wofür Sie nicht können, dies Zusammentreffen veranlaßte. – Umarmen Sie mich, liebe Charlotte, und lassen Sie uns von etwas andern sprechen.
Diese Veränderung war für die ganze Gesellschaft nach der Lädi vorherigen Aeußerungen äußerst überraschend; und ihre Mäßigung ward um so mehr gelobt, ie unvermutheter sie war. – Lädi Darby sezte sich bald drauf zu einem Spieltisch hin; und die Aufmerksamkeit, mit welcher sie nie einen Trick versäumte, nie einen ausgespielten Buben, geschweige einen König vergaß, ließ allerdings auf ein ruhig gewordnes Herz schließen; dennoch machte ich es, wie die Schiffer, die einem auf einmal eben gewordnen Meere grade am wenigsten trauen, und als die Gesellschaft voneinander sich trennte, nahm ich mir die Freiheit, Lädi Darby unsichtbar zu begleiten.
Meine Vermuthung betrog mich nicht. Kaum sah sie sich daheim, und frei von iedem Zeugen, den sie scheuen durfte, so überließ sie sich ganz den Empfindungen, die sie einige Stunden hindurch unterdrücken müssen. Wer in diesem Augenblick sie gesehn, und nichts von ienem Vorfall gewußt hatte, der würde geschworen haben, ein unglückliches Schicksaal hätte ihr Gemahl, Vater, Schwester, Geliebten, ihren Schooshund – kurz alles was ihr auf Erden theuer und werth seyn könne, geraubt. Jezt weinte sie, iezt warf sie sich mit Händeringen auf ihren Sofa nieder; iezt tobte sie mit den bittersten Klagen im Zimmer auf und ab; iezt stieß sie ihren Bologneser, iezt schlug sie nach ihrer Zofe; iezt lief sie gleichsam sinnenlos nach dem Kleide, dieser unschuldigen Ursach aller ihrer Schmerzen; besah es sich zwei Augenblicke, warf es dann, immer noch aufgebrachter, zum Boden hin, trat es mit Füßen, und schwur, daß es ihr nie wieder vor die Augen kommen solle. Rasch, indem sie dies noch sagte, ergrif sie es wieder, eilte zum Kamin, und war eben im Begrif es in die Flamme zu werfen, als ihr Kammermädchen – allerdings ein schlaues, entschloßenes Ding, hinzusprang, das schuldlose Opfer auffing, und ausrief:
So verderben doch Ihro Herrlichkeit dies allerliebste Kleid nicht ganz. Wenn es auch nicht die Ehre haben soll von Ihnen getragen zu werden, so ist es doch vielleicht sonst noch nüzbar. Ueberhaupt, wenn ich nur dürfte, so wüste ich wohl einen Rath, wie Sie herlich sich rächen könten.
Fanny. Mich rächen sagst du? An wem? Wie? Wodurch?
Kammermäd. Solt ich mich irren, wenn ich glaubte, daß Ew. Herrlichkeit auf Lädi Charlotten doch ein wenig ungehalten wären?
Fanny. Ungehalten, da hast du Recht! – Aber ein wenig? Da irrst du. – Mag es seyn, daß ein Zufall, wofür sie nicht konte, zu dieser verdamten Wahl sie bewog. Aber mir es abzuschlagen, als ich ihr vorschlug – Nein! nimmermehr sei ihr dies vergeben und vergessen.
Kamdch. Billig, sehr billig! Nur möcht' ich wissen, ob Sie noch genau auf die Veränderungen sich besinnen können, die Lädi Charlotte mit Ihrer Erfindung vorgenommen hat?
Fanny. O nur alzugenau! Auf meinem Sterbebette, glaub' ich, wird mir noch dies verdamte Kleid vor Augen schweben. – Es ist, als sähe ich es hier!
Kamdch. Um desto besser! – Nur auf Ewr. Herrlichkeit kömt es an, so soll der Beifall, den Lädi Charlotte sich morgen damit erwirbt, herzlich klein seyn.
Fanny. Wie das!
Kamdch. Aus dem Leibe ihres Kleides will ich soviel nehmen, als zu einem Jäckchen für ihre Meerkaze nöthig ist. Die Aenderungen im Muster besorge der Maler. Ein kleines Geschenk, und er sizt willig deshalb die ganze Nacht auf. Was den Besatz mit Tressen und Franzen betrift, so verwett' ich mein Leben, es ist alles fertig, wenn morgen die Damen nach Hofe gehn.
Fanny. Nun, und was weiter? du kanst doch mit der Meerkaze nicht bei Hofe erscheinen?
Kamdch. Nicht in den königlichen Zimmern, wiewohl es da Figuren genug geben wird, mit welchen ihr Liebling nicht tauschen würde. Doch bei der Haupttreppe will ich sie hinstellen, und bin sicher, daß Madame Pug Bemerkung findet, und Aufsehn macht.
Fanny. Mädchen, der Einfall ist Goldes werth! – – Küssen möcht' ich dich für Freuden. – Ja, du hast recht, das wird Aufsehn machen. – Ha, ich seh schon mein Meerkäzchen unten, und meine gütige Freundin oben! – das wird ein Streich seyn, wovon man wenigstens vierzehn Tage spricht! Warten Sie, Lädi Charlotte! begaft sollen Sie werden, aber nicht bewundert! – An Gelächter soll es nicht fehlen: aber Eroberungen dürften sie diesmal nicht machen. Doch hurtig! hurtig! denn es ist kein Augenblick zu verlieren. Johann soll augenblicklich zum Maler laufen; soll ihn, wenn er nicht daheim wäre, überall suchen; soll ihn schaffen, es koste, was es wolle.
Kamdch. Nur einen einzigen Umstand bitte ich noch zu bedenken.
Fanny. Welchen? Ja, kein Hindernis! – Ich wäre des Todes, wenn meine Hofnung zum zweitenmal fehlschlüge.
Kamdch. Daß Ewr. Herrlichkeit und Lädi Wilkinson Feinde werden –
Fanny. O, daran ist ohnedem kein Zweifel, und hat nichts zu bedeuten.
Kamdch. Nur der Lädi ihr Herr Bruder? – Ich weiß nicht, wie er diesen Streich aufnehmen möchte.
Fanny. Schlimm ohne Zweifel! denn er liebt seine Schwester, die stolze Närrin! – Du hast recht, das ist ein wenig bedenklich; denn ich gesteh's – (sie ging ein paarmal auf und ab, und überdacht es sich.) Sei es; der Liebhaber giebt es mehrere; doch eine solche Gelegenheit zur Rache findet sich nicht wieder. – Eile! sende den Bedienten ab!
Das Kammermädchen flog zur Thüre hinaus; schon war sie draussen, als ihre Gebieterin sie noch einmal zurückrief.
Daß dein Vorschlag meinen Beifall hat, sagte sie, siehst du aus dem Eifer, mit dem ich ihn ins Werk zu sezzen suche. Nur must du mir noch heilig versprechen, ihn mir auch so ganz zu überlassen, daß du selbst gegen deinen Bräutigam nicht mit dieser Erfindung dich rühmst. Hier sind sechs Guineen, sie dir abzukaufen. Auch ist das Kleid dein, sobald es seinen Endzweck« erfüllt hat. Das Mädchen küßte die Hand, versprach Stilschweigen, und ging dann alles ins Werk zu sezzen. Ich hatte genug für heute; und bewunderte den Heroismus einer Dame, die bereit war, Freundschaft und Geliebten einem beleidigten Puztriebe aufzuopfern. Sage man nun noch, rief ich aus, daß die Männer und zumal die Negern rachsüchtig sind. Unsre europäische Damen sind es noch stärker.
Das Schauspiel lief ab, wie dessen Urheberin es vermuthet hatte. Als ich des andern Tags zur gewöhnlichen Hofstunde nach St. James ging, fand ich das Kammermädchen der Lädi Darby mit der Meerkazze schon auf ihrem Posten. Es war würklich ein lächerlicher Anblick, und das Mädchen hatte abermals eine große Geschicklichkeit in boshaften Einfällen gezeigt. Sie hatte nicht nur ihre Madame Pug so geschickt angekleidet, daß sie die beiden Vorderpfoten nicht frei hatte, mithin blos auf den Hinterfüßen stehen muste; sondern sie hatte auch, wie ich leicht bemerkte, im Band und Kopfzeug ganz die Farben und die Art nachgeahmt, wie die arme unschuldige Charlotte sich zu kleiden pflegte. Die meisten Frauenspersonen, selbst verschiedene Männer ließen ihre Chaisen anhalten, betrachteten diese possirliche Schöne, besahen ihr Gewand und die Figuren auf denselben, verstanden zwar noch nicht, was dieses Possenspiel bedeutete; erfuhren es eben so wenig, trotz mancher Fragen, von dem Mädchen; fanden es aber doch drollicht, und gingen lachend die Stiegen im Schloß hinauf.
Daß Fannys Rache nun nach Wunsche ablaufen werde, daran zweifelte ich weiter keinen Augenblick, und erfuhr es auch diesen Nachmittag noch, durchs laute Gerücht. Ein algemeines Zischeln, ein verächtliches Lächeln, bald ein spöttisches Husten und Flüstern hatte sich angehoben, wie Lädi Charlotte in den Saal eingetreten war. Bestürzt über einen solchen Empfang hatte sie bei einigen ihrer Bekanten um die Ursach sich erkundigt. Erst bei der vierten, fünften Frage hatte sie den Grund erfahren, war einer Ohnmacht noch näher, als Fanny des Tags vorher gewesen; hatte sich schnell entfernt, und zwei Monate lang alle Gesellschaft gemieden. Wer ihr diesen Streich gespielt, darüber brauchte sie keinen Augenblick nachzudenken. Fanny und sie wurden unversöhnliche Feindinnen. Auch verlohr die erste, wie sie vermuthet hatte, ihren Liebhaber. Aber sie war getröstet, denn sie hatte sich gerächt; gerächt für einen so kränkenden Zufall! und die feine Welt fand, daß sie eine Dame von Kopfe sei. – Billig aber, daß ihre Kammeriungfer noch außer den sechs Guineen iezt die Ehre wieder erhält, die ihr zukömt.