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XII.
Gedankt sei es dem Gott der Ehen,
was ich gewünscht, hab' ich gesehen:
ich sah ein recht zufriednes Paar.

Gleichheit in den Gesinnungen, sagt man gewöhnlich, macht das Glück des ehlichen Lebens aus. Ich habe alle Achtung für diese eine Stimme; und will, um sie zu bestätigen, von den mancherlei Beispielen gleichgestimter Ehleute, die ich belauschte, hier nur ein einziges ausheben. – Unter den zahlreichen Chor brittischer Schönheiten erschienen wenige mit einem so ausgezeichneten Beifall in Schauspielen, Spaziergängen und öffentlichen Gesellschaften, als Lädi Karoline Beautish. Volkomnes Ebenmaas in allen Zügen des Gesichts, feinsten Gliederbau und der schönste schlanke Wuchs – nicht oft sind diese Eigenschaften zusammen vereinigt. Bei ihr waren sie es, und machten doch lange noch nicht ihre Verdienste allein aus. Sie hatte ihren Geist gebildet. Eine gewisse Anmuth in ihrem Wesen gab, selbst den unbedeutendsten Dingen, die Gabe des Gefälligen. Sie war schön, wenn man sie sah; sie ward zauberisch, wenn man sie sprechen hörte. Ich erblickte sie nie, ohne an die Stelle im Milton zu denken, wo er von Even sagt:

Zu iedem Schritt ist Anmuth, in ihren Augen der Himmel;
Würd' und Liebe vereint sich in ihrer kleinsten Bewegung.

Schon sehr iung war sie mit dem Sir George Beautish verehlicht worden. Statt seiner und statt ihrer hatten Verwandten gewält. Aber algemein standen unsre beiden iungen Leute im Ruf der vergnügtesten Ehe. Schon oft hatte ich sie in der zärtlichsten Eintracht bei einander getroffen; und ich hielt es für überflüssig, sie weiter zu beobachten. Blos der Ruf, daß Sir George ein schönes Gemälde aus Welschland bekommen habe, bewog mich einst wieder hinzugehn, und da ich die Lädi eben beim Schreibetische ganz allein sizzend fand; da ich nun einmal schon das Recht hatte, in alle Billete über die Achsel zu schauen; so that ich es auch hier, und las zu meiner Befremdung folgende herzbrechende Zeilen.

Mein einziger, geliebtester Fillamur!

Dank sei der Freiheit und der Liebe! der Störer meines Glücks verreist auf einige Tage. Er hat seine theure Gegenwart einem Freunde bei der Jagd versprochen; und die nächste Nacht ist ganz mein eigen. Wissen Sie daher keine bessre Beschäftigung zu finden, so kenne ich Jemanden, der zwischen zwölf und ein Uhr mit dem zärtlichen Verlangen Ihrer wartet. Mein ganzes Haus soll dann zu Bette geschickt seyn, nur unsre getreue Rahel nicht. Das bewuste Zeichen wird Ihnen dann die Thüre öfnen. Lassen Sie mich wissen, ob ich Sie sehen werde. Ich hoffe es wenigstens, wenn die Schwüre aufrichtig waren, mit welchen Sie so oft Liebe zusicherten        Ihrer etc.

Sie klingelte; eben die Rahel, deren Treue erst gepriesen worden, empfing dies vorher versiegelte Briefchen; und indem sie ging, es gehörig zu bestellen, vertrieb sich Lädi mit einem neuen Romane die Zeit, die ihr lang genug zu werden schien, bevor Fillamurs Antwort eintraf. – »Er kömmt! er kömmt! rief sie freudig: höre, Rahel, es sind nur wenige Worte; aber auch in ihnen spürt man den mächtigen Unterschied, zwischen Ehmann und Liebhaber.

Theurer Engel!

Eine zahlreiche Gesellschaft hindert mich, Ihnen den glüenden Dank abzustatten, den ihre gütige Einladung verdient. Nur soviel sage ich Ihnen: Keine irdische Kraft soll mich hindern, zur bestimten Stunde in die Arme meiner angebeteten Karoline zu fliegen. Bis dahin zält ieden Augenblick

ihr feurigster Anbeter.«

Kaum hatte Lädi Karoline die Lesung dieses Briefs geendet, als sie ihren Gemal kommen hörte; sie steckte rasch das Billet in Busen, und ging ihm, als er eintrat, mit einer so liebevollen Miene entgegen, daß ich selbst an seiner Stelle die musterhafteste Frau in ihr vermuthet haben würde. Unter dem Schein der ungeduldigsten Sehnsucht, fragte sie ihn sorgfältig aus: wie lange er wegzubleiben gedenke; bat ihn sich ia zu schonen, und überhäufte ihn mit Liebkosungen, die mir wie Dolchstiche durchs Herz gingen. – Würklich vermocht' ich nicht lange, ein Zeuge dieser Szene zu seyn; ich eilte hinweg, indem ich im Herzen die weibliche Falschheit wohl hundertfältig verwünschte, und ich nahm mir fest vor, in dies Haus lange Zeit keinen Tritt mehr zu thun.

Nichtig sind die Vorsäzze der Menschen. Auch diesmal machte ich die Erfahrung davon. In der Gesellschaft einiger Freunde hatte ich den Abend bis tief in die Nacht zugebracht. Es schlug schon ein Uhr, als ich nach Hause ging. Auf meinem Wege muste ich bei Karolinens Wohnung vorbei. Ich sah Licht in ihrem Schlafgemach. Gedanken, die sich leicht errathen lassen, stiegen in mir auf. – »Ohne Zweifel, dacht' ich, befindet sie sich iezt in den Armen ihres geliebten Fillamurs; vergißt im Rausch ihrer Leidenschaft, was Ehre, Pflicht, guter Name, selbst die Reize, die gütig ihr der Himmel gab, von ihr fordern. – Selbst in den Augen des feurigen Mannes, dessen Achtung sie so sehnlich wünscht, macht sie sich verächtlich.« – Ich wolte iezt um die Ecke herum, und nach meiner Behausung, ohne weitern Zeitverlust eilen; als ich zu meinem nicht geringen Erstaunen den Sir George begegnete. Ein fremder Bedienter leuchtete ihm, und er flog gleichsam seiner Wohnung zu. Diese Rückkehr, zu einer Zeit, wo man sich seiner, wie ich wuste, so wenig versah, ließ mich keinen Augenblick zweifeln: er müsse Nachricht von der Beleidigung seiner Ehre haben; müsse die Thäterin überraschen, und den Thäter vielleicht bestrafen wollen. So unwillig ich bisher auf Lädi Karoline gewesen war, so zitterte ich doch iezt für ihr Schicksal; durch ein glückliches Ohngefähr hatte ich den Gürtel grade bei mir; ich umgürtete ihn, und folgte dem Sir George.

Am Hause verabschiedete er seinen Leuchter, und klopfte an. Ein Bedienter, der den Befehl seiner Frau im Punkt des Schlafengehens nicht befolgt, und vielleicht etwas für sich auf seinem Zimmer zu schaffen hatte, hörte dies Klopfen, sah durchs Fenster, erkante seinen Herrn, kam eilends die Stiege hinab, und öfnete die Thür. Aber in dem Sir George hinauf gehen wolte, hörte Rahel, in einer Unterstube, wo sie den Anbruch des Tags und Fillamurs Weggehn erwarten wolte, das Getöse, öfnete die Thüre, und hätte vielleicht vor den Anblick eines Gespenstes nicht stärker, als vor den Anblick ihres Herrn, bei gegenwärtiger Lage, erschrecken können.

»Um Gotteswillen, rief sie, wer hätte sich so spät noch Ewr. Gnaden vermuthet.« »Auch gedacht' ich heute, war seine Antwort, würklich nicht heimzukommen. Ist es denn aber so was unerhörtes, daß man sich anders besint?«

Mit diesen Worten wolte er die Treppe hinauf. Doch Rahel stelte sich hurtig dazwischen. – »Ich bitte Ewr. Gnaden, sprach sie, indem sie vorsichtig beim Rock ihn hielt, stören Sie Lädi nicht so hastig im Schlafe. – Sie war unpaß, als sie sich niederlegte; und wie Sie wissen, sind ihre Nerven sehr zart. – Haben Sie die Güte hier ins Zimmer nur einen Augenblick einzutreten – es ist geheizt. – Ich gehe indeß herauf; sehe, ob Lädi wacht, und melde ihre Ankunft.«

Sir G. Meine Frau unpaß? Was fehlt ihr denn?

Rahel. Es überfiel sie so ein – ia lieber Gott, ich kann den rechten Namen nicht nennen – aber warlich es war – es war ein ordentlicher Fieberanfall. – Sie muste sogleich sich legen. Aber ich will heraufgehn und Ewr. Gnaden melden.

Sir G. Nicht doch, nicht! Sie möchte eingeschlummert seyn, und dann thäte mir es leid sie zu stören. – Ich will euch folgen, Jungfer Rahel, und hier im Zimmer ein wenig einsprechen. Geht immer zu Bette Thomas! Ich habe weiter nichts nöthig.

Der Bediente ging. Und Rahel, wie man leicht aus ihren Mienen schließen konte, stand auch auf dem Sprunge. Sie hätte wahrscheinlich gern ihre Frau gewarnt, und den Fillamur versteckt. – Aber, was auch ihre Absicht seyn mochte, so stieg iezt in Sir Georgens Kopf ein ganz andrer Plan auf. Denn kaum war Thomas weg, so ergrif er das Mädchen, das allerdings hübsch war, ganz freundlich bei der Hand, und zog sie mit sich ins Zimmer.

»Rahel, sprach er, da ich so höflich bin, und meine Frau nicht beunruhigen will; so dächte ich, wäre es billig, daß du zur Schadloshaltung mir das Vergnügen deiner Gesellschaft göntest.«

O gnädiger Herr, erwiederte das Mädchen immer verlegener: welch Vergnügen könten Sie wohl in einer solchen Gesellschaft finden?

Soviel, als ich nur wünschen mag! – Komm, Kind, setz dich! zu mir her! da wir allein sind, müssen wir auch näher zusammenrücken. – Ich habe dir viel zu sagen. Und dieser Zufall kommt mir gelegner, als ichs aussprechen kann. – Du gefällst mir – ich liebe dich. Von dem Augenblick an, da du ins Haus herkamst, sucht' ich nur Gelegenheit dir's sagen zu können.

Welche Reden! gnädiger Herr! – Ich bitte, lassen Sie mich gehn und sehn, was die Lädi macht.

Sir G. Das solst du sicher nicht. Ich hier allein bleiben? Nein, Kind, das mag ich nicht. Meine Frau kann klingeln, wenn sie dich braucht. – Weg mit der Schüchternheit! – Wisse, alzuviel Zurückhaltung wenn du allein mit einem Mann bist, der dich liebt, und der dein Glück machen will, ist eben so fehlerhaft, als wenn du öffentlich alzugroße Vertraulichkeit gegen ihn blicken ließest.

Rahel. Ewr. Herrlichkeit, eine so schöne Frau, und Sie könten – –

Sir G. Du bist wenigstens eben so artig, als meine Frau, und was dort nur Pflicht und Wohlstand ist, das schmeckt tausendmal süßer, wenn eigne Wahl und ein verstolner Genus den Reiz erhöhn. – Komm, liebes Mädchen, komm. Sei versichert, daß ich deine Gunstbezeugung nicht umsonst verlange. Ich weis gar wohl, was Männern meines Standes in solchen Fällen ziemt; und du solst dich sicher nie beklagen, daß Kargheit mein Fehler sei.

Rahel, die vorher schon nur wenig Worte antworten können, ließ iezt stumm, und mit fast einfältiger Miene den Kopf hängen. Daß sie das, warum man sie iezt bat, nie einen Mann noch gewährt haben solte, ließ sich von einer Unterhändlerin in Liebessachen kaum vermuthen. Aber die Furcht von ihrer Frau überrascht zu werden, die Sorge, wie sie ienen obern Gallan verbergen könne, mochten wohl den Hauptgrund ihrer Unentschlossenheit ausmachen. George hingegen, der ihr Stillschweigen für eine halbe Einwilligung aufnahm, fand, daß bloße Worte nun ein Fehler wären; schritt zu Küssen und zu Umarmungen; und die Hize, mit welcher er sie am Busen schlos, fand bald Erwiederung. Was den Ausschlag gab, war eine Börse mit zwanzig Guineen. Bei diesen Anblick funkelte die Freude in den Augen des gewinnsüchtigen Mädchen, und gedachte an die Rede, die Dryden im Amphrituo seinem Jupiter in Mund legt:

Als ich das Gold schuf, schuf ich einen Gott,
weit größer, als ich selbst; und gab
ihm meine eigne Allmacht mit.

Wahrlich, wie hätte wohl auch ein Mädchen dem Gözen widerstehen können, vor dem der Erdkreis kniet; dem Männer, die von Ehr und Tugend, von Redlichkeit und – was mir schwer zu sagen ist, – von Religion ein hohes Wesen machen, doch tagtäglich zollen; der alles erhält, und – leider alles verdirbt! Jezt vergaß Rahel Posten und Gefahr; daß sie Zucht und Ehrbarkeit längst vergessen hatte, ist noch minder ein Zweifel; sie erwiederte fast feuriger noch iene Liebkosungen, und eine Szene fing sich an einzuleiten, der – ich nicht zusehen mochte.

In ein nachbarliches offen stehendes Zimmer flüchtete ich mich, und dachte da in Einsamkeit, Finsternis und Stille über die sonderbare Wage der menschlichen Dinge nach, die so gern und so häufig gleiches mit gleichen vergilt; über die Blindheit menschlicher Lüste; über das enge Band zwischen Laster und Strafe; kurz, über tausend Dinge, die schon in manchem Buche standen, auf mancher Kanzel gepredigt, von manchem Gewissen empfunden wurden, und die doch nie auf dieser Mondenwelt zuviel gelehrt werden dürften. Cowleys Ausspruch: daß das Getümmel dieser Erde einem faden, schlechtgespielten Schauspiele ähnle, schwebte mir hundertfältig auf der Zunge; und ein paar Stunden vergingen mir unbemerkter vielleicht, als unsern beiden schweigenden Paaren.

Endlich brach der Tag an; und bald drauf hörte ich zwei Personen, die halb leise die Treppe hinunter kamen. Es war Lädi Karoline mit ihrem Fillamur. Da sie ihre bestelte Hüterin nirgends fand, öfnete sie ihm selbst die Thüre und wahrscheinlich unerfahren in dieser Verrichtung, that sie es bei weitem nicht leise genug. Sir George hörte das Geräusch, war im Begriff heraus zu springen, und zu sehn, was es gäbe. Rahel, die auch ungesehen es errieth, bat ihn zu bleiben, weil es niemand als der Kutscher sei, der früh in Stall zu gehen pflege. Er glaubte es; und der Lädi Ehre war gerettet, wenn sie nicht selbst sich verrathen hätte.

Doch viel zu erzürnt war sie über Rahels Nachläßigkeit, als bis zum hellen Tage mit ihrem Schelten warten zu können. Voll Unwillen riß sie die Thüre des Zimmers auf, wo ich mich befand, und wo das Mädchen hatte aufpassen sollen. Mit immer steigendem Eifer stürzte sie in das zweite Gemach, wo ihr treuer Gemal in den Armen der treuen Rahel noch ruhte. »Ihr verwaltet euer Amt herrlich! rief sie. Es ist heller Tag; und ich habe selbst die Thür öfnen müssen, wenn ich nicht klingeln und das ganze Haus wecken wolte. – Habt ihr gut geschlafen, faule Dirne? Kann man sich so auf euch verlassen, Zofe?«

Sir George, der seiner Frauen Stimme bei der ersten Silbe erkante, wahrscheinlich schon etwas vom wahren Zusammenhang muthmaßte, und sich doch nicht gern gegenseitig ertappen lassen mochte, hatte sich hurtig, ehe sie noch vorm Bette stand, hinter einen Schrank geflüchtet. Aber Rahels Verlegenheit überstieg alle Worte. Sich wohl bewußt, in welchen zwiefachen Maaße sie Vorwürfe verdiene; noch bewußter, welcher Zeuge dem allen zuhöre; stand sie zitternd da; konte eine geraume Zeit kein Wort sprechen; wischte sich die Augen; zwinkte mit dem Kopf und mit der Hand auf den bewußten Schrank; suchte durch hunderterlei Zeichen ihrer Frau zu verstehn zu geben: daß man sie höre, und daß sie nicht noch stärker sich verrathen solle; und rief endlich, als alles dies nicht helfen wolte:

»Um Himmels willen, gnädige Frau, was wollen Sie hier? Sie werden sich erkälten; werden ihr Fieber noch schlimmer machen! – Sie sind ia halb nackend. Hätten Sie mir doch geklingelt! Ich bitte Sie, lassen Sie mich sie hinaufführen; Ihre Krankheit könte würklich ernstlich werden.«

Doch ein Mühlrad hätte sich zehnmal leichter, wenn es den Berg hinunter rollt, einhalten lassen, als Karolinens Unwillen und Mundwerk. – »Ist die Vettel verrückt? rief sie! oder hat wieder einmal der Ratafia herhalten müssen? Gut, es ist euer eigner Schade. Ich wette drauf: Fillamur hätte fünf Guineen nicht geachtet, wenn ihr zu rechter Zeit ihn gerufen hättet. Jezt ist schon alles licht auf der Straße, und wer weiß, welcher Nachbar ihn gehn sah.«

»Wenn auch kein Nachbar ihn sah, so hörte ich ihn wenigstens! sprach Sir George, indem er hervortrat. Vortreflich, Madame, ich sehe, daß Sie sich zu helfen wissen; und daß Fillamur in meiner Abwesenheit Ihre Tröstung übernimt.«

Der kennt die menschliche Natur sehr wenig, der sich nicht denken kann, was bei dieser Stimme, bei diesem Anblick Lädi Karoline empfand. Schrecken, Schaam und Unwillen, daß sie so thöricht ihr Vergehn selbst gestanden habe, übermanten ihr Herz; und mit einem lauten Schrei stürzte sie halb ohnmächtig auf den nächsten Sessel. Rahel sprang ihr zu Hülfe, und that, indem sie solche wieder zu sich selbst brachte, alles mögliche, um Sir Georgen zu überreden, daß er auf ihre Worte nicht achten solte; daß sie würklich sehr krank zu Bette gegangen, und daß alles war sie gesprochen, bloße Fantaseien gewesen seyn müßten. Ihre Redekunst war vergebens. Er war von dem empfangnen Schimpf nur alzu überzeugt; und überhäufte seine Frau mit allen Schmachreden, deren unter solchen Umständen nur ein Eheman fähig ist.

Aber warlich, Karoline war ganz ein Weib! Wenigstens konte keine ihres Geschlechts in einer solchen Lage größern Muth und schnellere Entschließung zeigen. So wie sie wieder zu sich kam, winkte sie der Rahel sich zu entfernen: bedachte sich kaum zwei oder drei Sekunden; und entgegnete dann auf die Vorwürfe ihres Gemals mit einer Miene, die einer heiligen Agnes nicht übel gestanden haben würde.

»Ich gesteh es, Sir, der Anschein ist ganz gegen mich; und so bitter auch Ihre Reden seyn mögen, so ertrug ich sie daher doch, und verzeihe sie Ihnen sogar. – Gleichwohl, ich schwör' es Ihnen, hab' ich kein Verbrechen gegen Sie begangen; nur meine Eitelkeit verleitete mich zu einer Thorheit, die alle die Vorwürfe, die Sie iezt über mich ausschütteten, wohl verdient. Fern davon, mich und Sie entehren zu wollen, habe ich in dieser Nacht durch mein Betragen den Stolz und Troz eines Mannes gedemüthigt, der keck genug war, die Achtung und Liebe, die ich für Sie – für Sie nur! – empfinde, mit Ihnen theilen zu wollen.«

Sir G. O vortreflich! – Ueber alle Einbildung kühn! In ihr Schlafzimmer also ließen Sie den Sir Fillamur kommen; um ihm zu sagen – daß er ein eitler Thor sei? Eine Nacht brachten Sie mit ihm zu – um ihn zu verschmähen? Alle Reize Ihres Körper ließen Sie entkleidet ihn sehn; damit – ihre Entbehrung desto stärker ihm höhne?

Car. So seltsam es klingen mag, in Wahrheit, ich that alles dies nur, und nichts mehr! Meine Verachtung, mein strengster Ernst hielt ihn zurück: als er schon glaubte, es sei ihm nun alles erlaubt; hätte er mit Gewalt mich zwingen wollen, so war Rahel beordert, auf mein kleinstes Rufen herbeizueilen, und ihn –

Sir G. Nein, Madame, schonen Sie Ihren Odem, sparen Sie Ihre Worte. Denn so fangen Sie mich nie. Zwar habe ich oft sagen gehört, daß Frauenwiz auch in erwiesenster Schuld noch eine Ausrede habe: doch Ihre iezige würde auch den ernsthaftesten Gerichtshof zum Lachen zwingen. Sie sind eine Elende, Nichtswürdige. Ihr Mährchen wird den Fillamur weder von der gesezlichen Strafe schändlicher Ehebrecher, noch auch von der gerechten Rache meines Degens befreien.

Selbst diese Drohungen erschütterten Karolinens Herzhaftigkeit nicht. Sie sah freilich, daß ihr Mann zu klug sei, als durch ienen Kunstgrif sich berücken zu lassen; sie sah, daß er nun von Herzensgrunde sie verachte; aber sie sah auch, daß sie eben deshalb nicht weiter ihn zu schonen brauche; und indem sie allen ihren Muth samlete, indem sie mit einem Blick, fast noch verächtlicher, als der seinige war, auf ihn sah, erwiederte sie:

O sehr möglich, mein Herr! Sie haben freie Gewalt, sich aller möglichen Waffen zu Ihrer Rache zu bedienen. Aber bedenken Sie, daß es mir auch sehr gleichgültig seyn kann, ob Fillamur sie ersticht, oder Sie den Fillamur, um dann gehangen zu werden. – Was aber gerichtliche Anklage betrift, so dürfte es Ihnen schwer fallen, einen gültigen Beweis aufzutreiben. – Wer hat den Fillamur iemals bei mir im Bette getroffen? Wer kann mich einer sträflichen Vertraulichkeit mit ihm überführen? Und auf wen wird dann das Gelächter fallen als auf Sie? – Wollen Sie noch mehr? Ich habe keine Kinder von Ihnen: Vielleicht glückt es mir, ein Zeugnis Ihres Unvermögens aufzutreiben. Ich werde dann geschieden, Sie müssen mein Eingebrachtes mir erstatten. – Fragen Sie doch sich selbst, ob diese Wendung Ihnen behagen dürfte, da Ihrer Güter gröster Theil, soviel ich weis, schon versezt ist?

Kaum war auf alles dies Sir Beautish einer Antwort fähig, so sehr befremdete ihn diese Verwegenheit. Er schalt sie für ein Ungeheuer von Frechheit, für eine schaamlose Mezze; doch alles dies rührte sie nicht; sie fuhr ganz in dem vorigen Ton, ganz mit einer Gleichgültigkeit, als ob der Handel einen dritten beträfe, fort:

»Und was soll wohl diese ganze Wuth, Sir George, Ihnen helfen? Lassen Sie uns doch als Personen, die ein wenig wissen, wie es in der großen Welt hergebracht ist, oder auch nur als vernünftige Wesen mit einander reden! – Habe ich Ihnen noch zur Zeit den geringsten Vorwurf drüber gemacht, daß ich Sie gleichfalls bei meinem Mädchen hier, mit so zerstörter Frisur, und zu dieser Zeit antraf; daß Rahel nicht viel besser angekleidet war? daß dies Bette hier offenbar zeigt, daß man nicht ruhig in ihm, und nicht einzeln lag? Ich schwieg darüber; und werde es künftig thun. Was wir auch voneinander denken mögen, – der sicherste Weg für unsre Ehre ist: in den Augen der Welt friedlich zusammen zu leben. Ich sage Ihnen: ich bin unschuldig. Ihre Ruhe, Ihr Nutzen sowohl als der meinige, erfordern, daß Sie mir dies glauben. Thun Sie dies, so verspreche ich Ihnen mein Betragen stets so einzurichten, daß dabei weder mein guter Name, noch Ihre Ehre leidet. Wollen Sie es aber aufs äußerste ankommen lassen, so nöthigen Sie mich ein gleiches zu thun; und unsre beiderseitige Schande, unser beiderseitiges Verderben vielleicht, wird das Ende vom Liede seyn. Ueberdenken Sie sich, was ich iezt Ihnen sagte! In einem kältern Augenblick hoff' ich auf Ihre Antwort.«

Sie entfernte sich bei diesen lezten Worten ziemlich eilfertig. Sir George bezeigte keine Lust sie aufzuhalten. Aber er fuhr fort mit großen Schritten auf und nieder zu gehn; und durch Mienen sowohl als durch Bewegung seiner Hände, durch verschluckte Worte, und durch ein oftmaliges Stampfen mit den Füßen die innre Unruh seines Herzens zu erkennen zu geben. Nachdem er eine Weile noch mit diesem stummen Monolog sich beschäftigt hatte, und schon einige seiner Bedienten draussen wach verspürte, rief er einen davon; befahl ihm, ein Bett in seinem Zimmer zurecht zu machen, und begab sich selbst hinauf; meiner Meinung nach, nicht sowohl um zu schlafen, als weiter nachzudenken: was das rathsamste bei gegenwärtigen Umständen sei? Ich, der ich keine weitere Entdeckung vor mir sah, entfernte mich gleichfalls, sobald ich die Hausthür öfnen hörte; und so schlaflos ich die bisherige Nacht hingebracht hatte, so wenig vermocht' ich iezt noch zu schlafen. Denn Lädi Karolinens Betragen war bei aller Achtung, die ich für Frauenwiz und Frauengeist zu haben pflegte, doch so ganz über meine Erwartung gewesen, daß es Zeit brauchte, mich von meinem Erstaunen zu erholen.

Einige Tage hindurch war ich auf den Ausgang dieses Handels äußerst neugierig. Doch, da alles in der Stadt davon schwieg, so schloß ich almählig, daß iene klüglichen Gründe Statt gefunden, und der Ehmann seine Rache seinem Vortheil aufgeopfert haben möge. Bald sah ich meine Muthmaßung bestätigt; denn ehe eine Woche verfloß, sah ich Sir und Lädi Beautish in ihrem eignen Cabriolet zusammen fahren; und die Heiterkeit in beider Gesichtszügen verrieth auch nicht das kleinste Wölkchen, das ihren Himmel getrübt haben könne. Noch iezt gehörten sie zu der kleinen Anzahl von Ehepaaren, die man dann nennt, wann das Gespräch auf häusliche Eintracht, und auf die große Wahrheit gelenkt wird: daß auch Hymen seine Seeligkeiten habe.


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