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Mit Tagesanbruch standen die Pferde bereit und siebzig wohlbewaffnete Krieger bei ihnen, nämlich die bereits erwähnten sechzig und außer denselben noch zehn ausgewählte Männer, welche uns nach der Pampa de Salinas begleiten sollten.
Die Pferde, welche wir gegen die unserigen erhalten hatten, waren ausgezeichnet, ebenso die Reservepferde, die mit den Vorräten bepackt waren, welche der Desierto für uns bestimmt hatte. Ich war nicht gewillt gewesen, meinen braven Braunen zu vertauschen, und hatte ihn also behalten. Da wir nun während des Rittes die Pferde wechseln konnten, war vorauszusehen, daß unsere Reise eine möglichst schnelle sein werde.
Nun galt es, Abschied zu nehmen. Sämtliche Bewohner des Dorfes, von denen die meisten gar nicht schlafen gegangen waren, befanden sich auf den Beinen, um uns Lebewohl zu sagen. Der alte Desierto konnte die Seinen ohne Sorge verlassen, denn er hatte meinen Rat befolgt, Späher auszusenden, um gegen die Chiriguanos Sicherheit zu haben, und von anderen Toba-Ansiedelungen Krieger herbeizurufen.
Von Unica wurde mir der Abschied nicht leicht, doch konnte ich ja hoffen, sie wieder zu sehen. Auch sie bat mich, recht schnell zu reiten, damit wir möglichst bald in Tucuman wieder zusammentreffen könnten. Leise flüsterte sie mir zu:
»Sie sind der vorsichtigste und zuverlässigste. Ihnen vertraue ich Sennor Horno an. Machen Sie ihn frei; aber sagen Sie ihm nicht, daß ich ihn mit Sehnsucht erwarte!«
Als ich ihr die Hand gegeben hatte und mich nun von ihr wendete, erblickte ich den Bläser der Signalpfeife. Er winkte mir und ging davon, indem er sich einige Male umsah, ob ich ihm folge. Er wartete an einer der nahen Hütten und schob mich hinein. Leider verstand er weder meine, noch ich seine Sprache. Dennoch hörte und begriff ich auf das deutlichste, weshalb er mir gewinkt hatte. Er ergriff nämlich sein Rieseninstrument, welches in der Ecke lehnte, spitzte den Mund, formte ihn zu einem weiten, runden Schlauch, legte ihn an das Loch der Pfeife und begann zu blasen, daß sein Gesicht blau, mir aber es rot und violett vor den Augen wurde. Er wollte, ehe wir auf Nimmerwiedersehen von einander gingen, mir noch einmal den Genuß bereiten, den er für den höchsten des Erdenlebens hielt. Ich hörte ihm zu, bis ich glaubte, Einhalt tun zu müssen, da er sonst unbedingt zerplatzen werde, und gab ihm einige Stücke kleiner Münzen, über welche er so erfreut war, daß er die Pfeife sofort wieder an den Mund setzte. Ich aber machte mich mit der Gänsehaut, welche er mir angeblasen hatte, auf das schleunigste von dannen.
Die zurückbleibenden Krieger und Amazonen waren angetreten; an ihrer Spitze stand der Trommler. Ich sagte Unica einige Abschiedsworte für die Leute, und sie verdolmetschte ihnen dieselben. Als ich dann zu Pferde stieg, hörte ich, daß sie den Truppen zurief:
»Lebt wohl – lebt wohl – lebt wohl!«
Das sollten uns die streitbaren Helden zu- und nachrufen. Sie taten es auch; aber anstatt der Worte ›lebt wohl‹ vernahm ich ein unentwirrbares Gemisch der schrecklichsten Konsonanten, zwischen denen nur das e und o, also die Vokale der beiden Worte, deutlich hervortraten. Die den Platz füllende Menge fiel ein; wir Reiter setzten uns in Bewegung, und noch als wir den Felsen mit seiner geheimnisvollen Wohnung hinter uns hatten, hörten wir in unserem Rücken ein nach und nach immer leiser werdendes und zuletzt verschwindendes Geschrei.
Wir kamen an dem Lager vorüber, an welchem gestern der Kampf stattgefunden hatte. Dies gab mir Veranlassung, den Alten zu fragen:
»Haben Sie einen bestimmten Entschluß betreffs der gefangenen Mbocovis gefaßt?«
»Nein,« antwortete er. »Was ich tue, das werde ich erst wissen, wenn ich von der Laguna de Bambu zurückkehre. Mein Entschluß hängt von dem Erfolge unseres jetzigen Rittes ab. Befindet sich Horn wohl und gelingt es mir, ihn zu befreien, so soll keinem Mbocovi etwas geschehen; in diesem Falle gebe ich ihnen die Freiheit, nachdem ich sie gezwungen habe, auf ein Bündnis mit den Tobas einzugehen.«
»Und wenn Horn tot ist oder wir ihn überhaupt nicht finden?«
»So werden im ersteren Falle die Schuldigen mit dem Tode bestraft und im letzteren suche ich so lange, bis ich ihn entdecke oder auf meine vorige Überzeugung zurückkomme, daß er für uns verloren ist. Aber auch Sie müssen doch in Beziehung der Mbocovis gewisse Wünsche haben. Ihre Gefährten sind von ihnen überfallen und fortgeschleppt worden. Wollen Sie das ungestraft hingehen lassen?«
»Es wird sich von selbst bestrafen. Der Sendador ist der Haupt-, ja allein der Schuldige. Mit ihm rechnen wir ab. Wollte ich die Mbocovis dafür verantwortlich machen, so hätte ich das gestern tun müssen. Heute wäre es zu spät.«
Von dem erwähnten Lagerplatze an ging unser Ritt genau nach Norden. Wir kamen durch freie Camps und lichte Wälder, mit denen offene Prärien wechselten, zuweilen auch durch dichtes Buschwerk, welches nur schwer zu passieren war, oder über weite, sandige Strecken, auf denen kein Grashalm wuchs, obgleich es da mit Wasser gefüllte Lagunen gab; dieses Wasser war stark salzhaltig. Ich sah, daß der Alte, wie er vorhergesagt hatte, den Weg fast schnurgerade ›durch dick und dünn‹ nahm. Er hatte es sehr eilig und gönnte den Pferden nur am Mittag, als die Sonne am höchsten stand, eine Stunde Ruhe.
Als die Nacht hereinbrach, lagerten wir uns am Rande eines Waldes und aßen von den mitgenommenen Vorräten. Beim Grauen des Tages wurde wieder aufgebrochen. Der zweite Tag verlief wie der erste, nur daß wir mehr durch Wüste als durch Wald und Savanne kamen. Am frühen Vormittage des dritten Tages änderte der Desierto die bisherige Richtung, indem er westlich auswich. Er deutete nach Osten, wo ein dunkler Strich am Horizonte lag, und sagte:
»Dort gibt es undurchdringlichen Wald, durch welchen man sich nur mit Messer und Beil hauen kann. Tiefe Sümpfe liegen im Inneren desselben, bedeckt mit Wolken von Stechfliegen, welche die Pferde toll machen. Wir müssen einen Bogen reiten.«
»Und wann erreichen wir die Laguna de Bambu?«
»Am Nachmittag. Ich hatte gerechnet am Abend, aber wir sind sehr schnell geritten.«
»So gilt es nun, vorsichtig zu sein, damit wir nicht vorzeitig bemerkt werden.«
»Das ist jetzt noch nicht nötig. Die einzige Arbeit der zurückgebliebenen vierzig Mbocovis besteht darin, Fleisch für die Weiber und Kinder zu erjagen. Ihr Jagdgebiet aber liegt nach Norden, nicht uns entgegen, wo es nur Wüste und unpassierbaren Sumpfwald gibt. Verlassen Sie sich auf mich. Ich werde Ihnen schon sagen, wann es Zeit ist, auf der Hut zu sein.«
Pena war zwar auch schon an der Laguna de Bambu gewesen, unsern jetzigen Weg aber noch nicht geritten. Er behauptete, weiter ostwärts vorübergekommen zu sein.
»Dann hätten wir, wenn wir Ihren Weg geritten wären, zwei Tage verloren,« meinte der Alte. »Der Undurchdringliche zieht sich weit über eine Tagesreise von West nach Ost. In einigen Stunden werden Sie aber die Gegend, durch welche Sie kamen, wieder erkennen.«
Gerade um die Mittagszeit bog er wieder nach Norden ein, und dann sahen wir ostwärts Gebüsch zu unserer rechten Hand. Wir kamen durch eine Sandwüste, welche zu passieren wir eine volle Stunde brauchten. Mitten in derselben lag eine schmale, aber lang gestreckte und vielfach gewundene Lagune, in deren Nähe keine Spur animalischen und vegetabilischen Lebens zu bemerken war. Ihre Ufer erglänzten weiß von dem Salze, welches sich da abgelagert hatte.
»Ah! Ist das nicht die Laguna de Serpiente?« fragte Pena.
»Ja,« antwortete der Desierto. »Man hat sie wegen ihrer schlangenartigen Windungen so genannt.«
»Nun kenne ich mich aus. Wir kommen über eine kurze Savanne, dann durch einen großen Wald, hinter welchem ein Camp beginnt, an dessen Rande die Laguna de Bambu liegt. Das Dorf der Mbocovis befindet sich zwischen dem Walde und der Lagune, mehr in der Nähe des ersteren.«
»Das ist richtig. Können Sie sich noch der Gestalt erinnern, welche das Dorf besitzt?«
»Sehr genau, denn sie ist bei den Indianern außerordentlich selten anzutreffen. Die Niederlassung bildet nämlich ein genaues Rechteck.«
»Das ist gut für uns,« bemerkte ich, »da diese Gestalt uns den Angriff ungemein erleichtert. Hätte das Dorf eine langgestreckte oder überhaupt unregelmäßige Figur, so müßten wir uns zerstreuen und mancher der Bewohner könnte uns entkommen.«
»Der Ort ist von den Jesuitenpatres angelegt worden,« sagte Pena zu dem Alten; »denn es gibt sogar heute noch eine Kirche da.«
»Eine Kirche?« fragte der Desierto. »Von der weiß ich nichts.«
»Nun, wenn ich von Kirche spreche, so dürfen Sie freilich nicht an ein mächtiges Gebäude mit hohem Turme denken. Sie ist auch nur eine Hütte, aber die größte und geräumigste des Ortes.«
»Ist ein Kreuz an oder auf diesem Bauwerke zu erblicken?«
»Nein.«
»So ist es auch keine Kirche. Zwar sind viele Mbocovis katholische Christen, aber nur dem Namen und dem Scheine nach. Eine Kirche brauchen sie sicherlich nicht. Gab es einen Priester dort?«
»Nein.«
»So dient das Gebäude gewiß einem ganz anderen Zwecke. Waren Sie drin?«
»Nein. Man erlaubte es mir nicht. Als ich den Wunsch dazu aussprach, erhielt ich die Antwort, die Casa de nuestro Sennor dürfe kein Fremder betreten.«
»Die Casa de nuestro Sennor, also das Haus unseres Herrn. Das klingt freilich ganz so, als ob es den Zweck eines Gotteshauses habe.«
»Ganz dasselbe dachte auch ich. Es muß aber ein Geheimnis dabei sein.«
»Welches sich vielleicht unschwer erklären läßt,« fiel ich ein.
»Wieso?« fragte der Alte.
»Dadurch, daß mit den beiden Worten nuestro Sennor nicht Gott oder Christus, sondern der Sendador gemeint ist.«
»Ah! Wie kommen Sie zu dieser auffälligen Vermutung?«
»Sie ist nicht auffällig, sondern sehr gerechtfertigt. Sennor bedeutet nicht nur Herr, sondern auch Oberhaupt, Gebieter, Befehlshaber, überhaupt eine Person, welche die andern in irgendeiner Beziehung überragt.«
»Das ist ganz richtig, aber noch kein Grund, hierbei an den Sendador zu denken.«
»O doch! Es ist fast Gewißheit, daß er seinen Hauptaufenthalt hier hat. Befindet er sich oft und viel hier, so übt er als Weißer und gerade als der Mann, der er ist, gewiß einen größeren Einfluß auf die Roten aus als selbst der Häuptling derselben. Er hat ihnen durch seine Raubzüge Nutzen gebracht und, wenn auch nur in seiner Weise, Gutes erwiesen. Wir haben ja gehört, daß die Mbocovis überzeugt sind, daß der Sendador sie nie betrogen habe. Ist es da ein Wunder, wenn sie, sich der spanischen Worte bedienend, ihn nuestro Sennor, unser Herr, unser Befehlshaber nennen? Er hat ja auch wirklich bewiesen, daß er ihr Befehlshaber ist.«
»Hm! Ihre Logik hat etwas für sich.«
»Nicht wahr? Es ist doch leicht erklärlich, daß der Sendador den Roten nicht erlaubt, einen Fremden, zumal einen Weißen, sein Haus betreten zu lassen. Vielleicht, ja sehr wahrscheinlich ist in demselben gar manches zu sehen, was auf die verborgene und verbrecherische Wirksamkeit des Sendador ein Licht wirft und überhaupt seine Geheimnisse verrät. Aber ergehen wir uns nicht in Vermutungen, die doch nur unnütz sind. Ich denke, wir werden bald Gelegenheit haben, dieses mysteriöse Haus zu betreten und seinen Zweck und Inhalt kennen zu lernen. Warum wollen wir uns über eine Sache, welche bald klar vor uns liegen wird, unnötiger Weise den Kopf zerbrechen?«
Wir hatten mittlerweile den Sand hinter uns gelegt, befanden uns auf der schmalen Savanne und sahen den Wald vor uns liegen. Es war unmöglich, uns demselben unbemerkt zu nähern. Befand sich ein Mbocovi dort, so mußte er uns sehen, darum war es am besten, schnell zu reiten. Wir ließen also unseren Pferden die Zügel schießen und jagten im Galoppe dem Saume der Bäume zu. Dort angekommen, ließ ich halten, sprang aus dem Sattel und suchte nach rechts und links den Boden ab. Es war keine Spur eines erst dagewesenen Menschen zu entdecken, und wir durften also annehmen, daß wir nicht bemerkt worden seien.
»Wie breit ist der Wald?« fragte ich den Desierto.
»Wenn wir im Schritte reiten, brauchen wir wohl eine Stunde,« antwortete er.
»Es ist also nun Zeit, vorsichtig zu sein. Sie reiten voran. Ihre Tobas folgen Ihnen, indem sie einzeln hinter einander reiten. Der vorderste von ihnen läßt zwischen sich und Ihnen einen so großen Abstand, daß er Sie nur noch zu erblicken und ein ihm gegebenes Zeichen zu sehen vermag. Rechts von Ihnen reitet Pena, links ich. Wir drei bilden eine gerade Linie und halten auch uns in möglichst größter Gesichtsweite von einander entfernt. So rücken wir im Schritte vor und suchen das Schnauben der Pferde und jedes laute Geräusch zu vermeiden. Erhebt einer von uns dreien den Arm, so ist das ein Zeichen, daß er etwas Auffälliges bemerkt, und der Zug hat sofort zu stehen und sich unbeweglich zu verhalten, bis das Vorkommnis aufgeklärt ist. Jetzt vorwärts!«
Wir nahmen in der beschriebenen Weise Stellung und ritten weiter. Wir drei, die wir voran waren, hatten die Gegend, soweit unsere Augen reichten, zu durchforschen. Glücklicher Weise war der Wald nicht so dicht, daß dies große Schwierigkeiten geboten hätte. Der Boden war weich und feucht; also blieben die Huftritte der Pferde fast unhörbar. So kamen wir vorwärts, weiter und weiter. Ich sah, wie sorgfältig der alte Desierto bald nach vorn, bald nach rechts oder links ausschaute; aber es war nichts Verdächtiges zu sehen.
Eine Viertelstunde verging; aus ihr wurde eine halbe. Schon dachte ich daran, anhalten zu lassen, denn vollständig durch den Wald reiten, durften wir nicht. Ich wollte vielmehr die andern warten lassen und zu Fuße vorschleichen, um zu rekognoszieren. Da fiel mein Blick auf einen starken Baum, an dessen Stamm ein dünner, glatter, abgebrochener und gerader Ast, der keine Schale mehr hatte, zu lehnen schien. Die regelrechte Lage dieses Astes fiel mir auf. Ich sah schärfer hin und hob sofort den rechten Arm hoch empor. Mein Auge reichte nur bis zu dem Desierto; die andern konnte ich nicht sehen, aber ich bemerkte, daß er sein Pferd anhielt und nach rechts, zu Pena, und rückwärts winkte. Unser Zug hielt also. Kein Laut war zu hören.
Ich stieg ab, band den Zügel um den nächsten Baum und schlich mich dann, hinter jedem Stamme Deckung nehmend, nach dem erwähnten Stamme. Je näher ich kam, desto deutlicher sah ich, daß der betreffende Gegenstand nicht ein Zweig oder Ast, sondern ein geschnitzter Bogen war, wie die dortigen Indianer sie zum Versenden ihrer Pfeile brauchen.
Dann erblickte ich hinter dem dicken Stamme die Kniee eines Menschen, welcher also mit an den Leib gezogenen Beinen dort lag. Jedenfalls ruhte er aus oder schlief sogar, keinesfalls aber konnte er mich gesehen haben, denn sonst hätte er schleunigst nach seinem Bogen gegriffen.
Ich näherte mich also dem Stamme nun direkt, ohne weiter Deckung zu suchen, erreichte ihn mit unhörbarem Schritte, blickte herum und sah einen Indianer, welcher in der angedeuteten Körperstellung dalag und wirklich schlief. Ich bückte mich, kroch auf den Händen zu ihm hin und war ihm nun so nahe. daß er meinen Atem gefühlt hätte, wenn er wach gewesen wäre. Es war ein wohl über sechzig Jahre alter, schwächlicher Mensch, dem sein Köcher als Kopfkissen diente. Im Lendenschurze, welcher seine einzige Kleidung bildete, steckte ein Messer. Ich zog es leise heraus und schob es unter meinen Gürtel.
Es tat mir leid, diesem Alten wehe tun zu müssen, aber ich durfte nicht daran denken, ihn auf gewöhnliche Weise zu wecken. Er hätte schreien und dadurch etwa anwesende andere Indianer aufmerksam machen können. Ich legte ihm also die linke Hand an die Kehle, die rechte unter die Achselhöhle, hob ihn empor und trug ihn zu dem Desierto hin. Der Mann zappelte erst ein wenig und hing dann wie leblos in meinen Händen. Er war dürr und so leicht wie ein Kind. Als ich ihn auf den Boden legte und die Hände von ihm nahm, holte er einige Male tief Atem, öffnete dann die Augen und sah mit erschrockenem Blicke zu mir auf, ohne zu wagen, einen Laut von sich zu geben
»Ein Indianer!« rief Desierto halblaut, indem er vom Pferde stieg und Pena einen Wink gab, worauf derselbe herbei kam. »Wo steckte er denn, und was tat er?«
»Er lag hinter einem Baume und schlief, bis ich ihn in so unsanfter Weise weckte.«
»Sehr gut, daß wir ihn gefunden haben, denn nun werden wir alle gewünschte Auskunft über das Dorf erhalten. Ich werde ihn in seiner Sprache fragen und Ihnen dann die Übersetzung geben.«
Dessen bedurfte es aber nicht, denn der Rote war nun so weit zu sich gekommen, daß er die Situation begriff. Er richtete sich auf dem einen Ellbogen auf, streckte mir den anderen Arm bittend entgegen und sagte in spanischer Sprache:
»Gnade, Sennor! Ich bin kein Feind. Ich wollte nur Vögel schießen und schlief darüber ein, weil ich müde war.«
»Sprich leiser!« gebot ich ihm. »Zu welchem Volke gehörst du?«
»Ich bin ein Mbocovi aus dem Dorfe, welches nicht weit von hier an der Laguna liegt.«
»Meinst du die Laguna de Bambu?«
»Ja. Wollen Sie hin? Ich will Sie hinführen. Aber stechen Sie mich nicht, und schießen Sie mich nicht! Man hat mich schon einmal mit einem Giftpfeile hierher geschossen, und dann bin ich lange Zeit sehr krank gewesen. Seit dieser Verwundung kriecht mir zuweilen ein Jaguar in den Kopf und brüllt in demselben tagelang. Also schießen Sie mich nicht!«
Er zitterte vor Angst. Es war klar, daß der Alte infolge des Giftpfeiles, welcher ihn in die Schulter getroffen und dort eine tief ausgeschwärte Narbe zurückgelassen hatte, geistesschwach geworden war. Vielleicht wurde er sogar tobsüchtig, wenn der Gedanke über ihn kam, daß sich ein Jaguar in seinem Kopfe befinde. Daß man diese Person ohne Aufsicht in den Wald gelassen hatte, war ein Zeichen, daß die Mbocovis sich ganz sicher fühlten; sie waren überzeugt, daß ihre ausgezogenen Gefährten als Sieger und mit reicher Beute zurückkehren würden. Das Nahen eines Feindes aber hielten sie wohl für ganz ausgeschlossen.
»Ich tue dir nichts,« versicherte ich ihm. »Du brauchst dich nicht zu ängstigen.«
»Aber Sie haben mich beinahe erdrosselt. Wer sind Sie?«
»Ich bin ein Fremder hier im Lande und will zu euch.«
»Als was? Als Freund oder Feind?«
»Das wird ganz darauf ankommen, ob du mich als Freund oder Feind behandelst.«
»Ich bin krank und behandle einen jeden, der mir nichts tut, als Freund. Und ich bin ein vornehmer Freund, denn ich war der Hechicero unseres Stammes. Aber seit mich der Giftpfeil getroffen hat, glaubt niemand mehr an mich.«
»Sind noch Leute deines Stammes hier im Walde?«
»Nein, kein einziger.«
»Weiß man, daß du hier bist?«
»Niemand bekümmert sich um mich, und niemand gibt mir freiwillig zu essen. Ich muß lange bitten, ehe ich etwas erhalte. Darum wandere ich oft wochenlang im Walde herum und schieße mit dem Bogen Vögel, die ich dann mit diesem Messer zerschneide, um sie roh zu – – – «
Er hielt inne, denn er hatte nach seinem Messer gegriffen und es vermißt. Ich zog es aus dem Gürtel, gab es ihm und sagte:
»Hier ist es. Ich nahm es dir vorhin ab, will es dir aber wieder geben, damit du erkennst, daß ich es gut mit dir meine.«
»Ja, Sie meinen es gut mit mir, sonst hätten Sie mir mein Messer nicht wiedergegeben, ohne welches ich nicht leben kann. Sie sind mein Freund.«
»Ich will es sein und für dich sorgen, daß du nicht mehr zu hungern brauchst, sondern Früchte, Mehl und gebratenes warmes Fleisch bekommst. Sind alle Krieger deines Stammes beisammen?«
»Nein, Sennor. Sie sind fort.«
»Wohin?«
»Das weiß ich nicht. Man sagt es mir nicht. Aber ich habe gehört, daß sie mit dem Yerno fort sind, um nuestro Sennor zu suchen und dann mit großer Beute zurückzukehren.«
»Kennst du diesen nuestro Sennor?«
»Natürlich!«
»Weißt du, ob er noch einen anderen Namen hat?«
»Freilich weiß ich es. Ich bin oft mit ihm, ehe mich der Giftpfeil traf, in den Städten und auf den Estanzias der Weißen gewesen und habe dort die Sprache derselben gelernt. Wenn er einen Raubzug unternehmen wollte, mußte ich den Stamm dazu begeistern. Er versprach mir dafür viel Geld und Gut, hat mir auch viel dafür gegeben; aber nun, da mich der Giftpfeil getroffen hat, hat er mir alles wieder genommen, und ich bekomme nichts mehr.«
»Nun, wie heißt der Mann?«
»Als er ein Kind war, hat sein Priester ihn Geronimo Sabuco getauft. Gewöhnlich aber wird er el Sendador genannt.«
»Weißt du, wo er wohnt?«
»Er ist überall, bald hier und bald dort, am meisten und liebsten aber hier bei uns, wo er ein großes Haus hat.«
»Wird dieses Haus die Casa de nuestro Sennor genannt?«
»Ja, denn es gehört ihm, und er ist unser Sennor.«
»Ist dieses Haus leer?«
»O nein. Es befinden sich Waren darin, welche er von seinen Reisen mitbringt, um sie an uns zu verkaufen oder zu vertauschen, und Sachen. welche sein Anteil von der Beute waren, die wir machten, wenn wir mit ihm gegen die Weißen zogen oder einen von ihnen zum Gefangenen machten und Geld und Sachen erhielten, um ihn freizulassen.«
»So gibt es also bei euch zuweilen weiße Gefangene?«
»Sehr oft. Der Sendador oder sein Schwiegersohn bringen sie. Oder unsere Krieger ziehen mit beiden fort, um Weiße zu fangen.«
»Sind auch jetzt welche da?«
»Ja.«
»Wie viele?«
»Ich kann nicht mehr zählen, seit mich der Giftpfeil traf; ich werde irre.«
»Ist einer dabei, der Pardunna heißt?«
»Zwei sogar, Vater und Sohn aus der Stadt Goya.«
»Heißt ein anderer vielleicht Horno?«
»Ja, Adolfo Horno. Der berühmte Desierto soll entweder ausgeraubt werden oder für ihn bezahlen, aber Sennor Adolfo wird trotzdem nicht frei gegeben.«
»Sind auch noch andere da?«
»Mehrere; sie sind erst gekommen. Bruder Jaguar ist dabei.«
»Wo befinden sie sich?«
»Auf der Isleta del Circulo.«
»Dort werden sie bewacht?«
»Ja.«
»Von vielen Wächtern?«
»Nein, denn sie haben keine Waffen. Drei Krieger von uns sind genug, denn die Weißen haben große Angst vor unseren Giftpfeilen.«
»Diese drei Wächter sind stets auf dem Inselchen?«
»Bei Tag und bei Nacht. Sie werden täglich abgelöst.«
»Wie kommt ihr denn aus dem Dorfe auf das Inselchen?«
»Mit dem Boote, welches am Ufer versteckt liegt.«
»Würdest du mir die Stelle zeigen?«
»Ja, weil Sie mir mein Messer wiedergegeben haben.«
»Wie viele Krieger sind da?«
»Ich habe sie nicht gezählt, denn ich kann nicht mehr zählen, seit mich der Giftpfeil traf; aber ich habe gehört, daß zwanzig hier blieben, und zwanzig brachten die Gefangenen?«
»Also zusammen vierzig?«
»Wenn Sie es sagen, muß es richtig sein; ich kann nicht mehr rechnen, denn ich werde irre.«
»Wo befinden sich gegenwärtig diese Krieger?«
»In der Nähe des Dorfes, auf dem Camp.«
»Was tun sie dort?«
»Sie üben sich im Pfeilschießen, denn heute ist der Tag, an welchem geschossen wird.«
»Wann hört die Übung auf?«
»Wenn es dunkel geworden ist. Dann wird gegessen und geschlafen.«
»Wo schlafen die Krieger?«
»ln den Hütten, weil es jetzt im Freien so viele Stechfliegen gibt.«
»Wann wird die Wache drüben auf dem Inselchen abgelöst?«
»Täglich um die Mittagszeit.«
»Was tun die Wächter des Nachts?«
»Sie sitzen am Feuer und wachen. Zuweilen geht einer von ihnen um die Insel, um sich zu überzeugen, daß die Gefangenen kein Bambusfloß bauen.«
»Also man wird nicht nach dir suchen, wenn du heute, wenn es dunkel geworden ist, nicht in das Dorf kommst?«
»Nach mir zu suchen, fällt niemand ein. Man wäre froh, wenn ich tot wäre.«
»Das ist schlecht von ihnen! Möchtest du nicht lieber bei Leuten wohnen, welche dich lieb haben und dir alles geben, was du nötig hast?«
»Das möchte ich wohl; aber es gibt keine solchen.«
»Es gibt welche. Ich werde dir nachher davon sagen. Vorher möchte ich gern wissen, ob es hier im Walde, und zwar nicht zu weit von dieser Stelle, einen Ort gibt, wo sich hundert Männer und hundert Pferde verstecken können.«
»Einen solchen Ort gibt es nicht. Die Bäume stehen überall zu weit aus einander. Vor wem möchtest du dich denn verstecken?«
»Vor deinen Kriegern. Sie könnten mich für einen Feind halten und auf mich schießen.«
Er sah mich verständnislos an, schüttelte den Kopf und antwortete:
»Fürchte dich nicht; sie bleiben im Dorfe, denn heute ist Übungstag, und niemand kommt in den Wald, denn die Hongos, die es in demselben gibt, sind erst gestern und vorgestern gesammelt worden. Ich sage dir, daß niemand kommt. Und wenn sie alle kämen, so würde ich dich verteidigen und mich lieber töten als dich beleidigen lassen, denn du hast mir mein Messer wiedergegeben.«
Er sagte das im Tone herzlichster Aufrichtigkeit. Wie mußte man dem armen Manne mitgespielt und ihn vernachlässigt haben, wenn ihn eine so kleine Freundlichkeit zu solcher Dankbarkeit begeisterte. Ich antwortete ihm, nachdem ich mich durch wenige deutsche Worte mit dem alten Desierto verständigt hatte:
»Nun, eigentlich brauche ich mich nicht zu fürchten. Ich kann dich viel eher in Schutz nehmen als du mich, denn wir drei sind nicht allein; wir haben Krieger bei uns. Soll ich sie dir zeigen? Soll ich sie herbeirufen?«
»Nein, denn sie werden mich vielleicht mit einem Giftpfeile schießen!«
Er schauderte vor Angst zusammen.
»Das werden sie nicht tun,« versicherte ich ihm. »Sie werden dir vielmehr zu essen geben, Sachen, welche du seit langer Zeit nicht mehr genossen hast.«
»So laß sie kommen; laß sie kommen, denn ich habe großen Hunger!«
Er hatte unsere Leute noch nicht gesehen, nicht einmal den Vordermann derselben, der in einer solchen Entfernung hielt, daß er gesehen werden konnte. Der alte Desierto gab demselben einen Wink, und nun kamen die Tobas herbeigeritten, um einen Kreis um uns zu bilden. Der Mbocovi betrachtete die bewaffneten Männer mit halb furchtsamen und halb begierigen Blicken. Einer von ihnen mußte Eßwaren auspacken und ihm vorlegen. Er zog sein Messer und begann zu essen wie ein Mensch, der seit Tagen nichts genossen hat. Ich wendete mich indessen an den Desierto:
»Ich werde jetzt mit Pena rekognoszieren gehen. Sprechen Sie nicht ohne Not mit diesem Manne. Am besten ist es, Sie beschäftigen ihn, bis ich zurückkehre, nur mit Essen. Seine Aussagen werden uns von großem Nutzen sein, und ich möchte ihm den Eindruck erhalten, den ich auf ihn gemacht habe. Lassen Sie Ihre Leute absitzen, sich aber bereit zur Gegenwehr halten; man kann nicht wissen, was passiert. Hören Sie einen Schuß fallen, so befinde ich mich in Not, und Sie eilen mir schnell zu Hilfe. Es versteht sich ganz von selbst, daß Sie in dem Irren den Gedanken, sich zu entfernen, nicht aufkommen lassen. Hegt er ihn dennoch, so reden Sie ihm in Güte zu. Gewalt aber dürfen Sie nur im Notfalle anwenden.«
Nach dieser Instruktion entfernte ich mich mit Pena. Wir schritten in der Richtung fort, welche wir bei unserem Kommen eingehalten hatten, und zwar in Eile, um so schnell wie möglich zurückkehren zu können.
Ich war überzeugt, daß der Mbocovi uns die reine Wahrheit gesagt hatte, und hielt es also nicht für nötig, allzu vorsichtig zu sein, wodurch wir Zeit verloren hätten. Wir gingen darum raschen Schrittes und so unbesorgt durch den Wald, als ob das Dorf der Mbocovis sich hundert Meilen entfernt von uns befunden hätte. Nach einer Viertelstunde traten die Bäume weiter aus einander, und wir erreichten den Saum des Waldes. Vor uns lag das Dorf und hinter demselben die Laguna, deren Ufer mit hohem Bambus, von welchem sie den Namen hatte, dicht bestanden war. Zu Pferde konnte man es in zehn Minuten erreichen. Auch ein guter Fußgänger brauchte nicht viel mehr als dieselbe Zeit.
Das Dorf lag zwischen uns und der Laguna. Es bildete, wie bereits gesagt, ein Rechteck, dessen eine lange Seite uns zugekehrt war. Wir hätten die Hütten nach sechshundert Schritten erreicht. In der Mitte des offenen Platzes, den die Gebäude umschlossen, stand ein Gebüsch, welches jedenfalls eine Quelle beschattete. Auf dem Platze tummelten sich Kinder herum; vor den Türen saßen Frauen, mit allerlei Arbeiten beschäftigt; ein Mann war nicht zu sehen. Aber draußen, links vom Dorfe, ging es lebhaft zu. Da sprangen die Männer der zurückgelassenen Besatzung lebhaft hin und her, mit kriegerischen Übungen beschäftigt. Einige warfen Lanzen; andere übten sich im Ringen; die meisten aber waren mit Pfeilen und Bogen beschäftigt.
Rechts vom Dorfe weideten die Herden auf dem offenen Camp, gehütet von einigen Männern und vielen Hunden. Darüber strahlte ein blauer, wolkenloser Himmel, über welchen die Flammenblitze der sich neigenden Sonne fluteten.
»Hm!« brummte Pena. »Mit einem sofortigen Überfalle ist es nichts.«
»Nein. Die Männer haben vergiftete Pfeile bei sich und würden uns gut bedienen. Wir sind ihnen um nur zwanzig, nein, dreißig Mann überlegen; der Angreifer befindet sich da im Nachteile.«
»Aber diese verteufelten Pfeile haben wir nicht bloß jetzt zu befürchten, sondern in jedem Augenblick.«
»Wenn wir offen angreifen, ja.«
»An welche andere Art von Angriff denken Sie denn?«
»Wir müssen List anwenden.«
»List und wieder List! Der Teufel mag sich da genug Pläne ersinnen! Und noch dazu bei jeder anderen Gelegenheit auch einen anderen Plan!«
»Eben die Veränderung der Verhältnisse bringt ganz von selbst eine Veränderung des Verhaltens mit sich. Man braucht bloß zuzugreifen.«
»Hat sich sein Zugreifen! Ich kann nachdenken wie ich will, so ersehe ich nur das Eine, daß wir uns auf alle Fälle den Giftpfeilen aussetzen werden müssen.«
»So strengen Sie sich lieber gar nicht an, und überlassen das Plänemachen mir!«
»Nun, Ihnen wird das auch nicht nur so zu geflogen kommen. Oder hätten Sie schon eine Idee?«
»Allerdings. Vor allem müssen wir unsere Gefährten von der Insel holen.«
»Warum das? Können wir nicht warten, bis wir im Besitze des Dorfes sind? Sollen etwa auch sie, die sich nicht im besten Zustande befinden werden, sich den Gefahren des Kampfes aussetzen?«
»Nein; aber es gibt mehrere Gründe, welche mich veranlassen, vor allen Dingen zunächst an sie zu denken. Wir sind doch gekommen, sie zu befreien. Das ist der einzige, wenigstens der Hauptzweck unseres Hierseins. Folglich müssen wir uns bestreben, ihn möglichst schnell zu erreichen. Und dann bringen wir sie durch unseren Angriff auf das Dorf in die größte Gefahr, wenn sie sich noch auf der Insel befinden. Die drei Wärter können leicht auf den Gedanken kommen, die Gefangenen umzubringen, damit diese nicht gegen sie aussagen können.«
»Das ist richtig. Weiter!«
»Ferner kennen die Gefangenen die hiesigen Verhältnisse jedenfalls besser als wir; auf die Aussagen des Irren dürfen wir uns nicht unbedingt verlassen, und so ist es gewiß von großem Vorteile für uns, erst die Gefährten zu befreien und später an den Angriff gegen das Dorf zu denken. Wollen Sie noch mehr Gründe?«
»Ich traue Ihnen zu, daß Sie noch einige vorbringen könnten, aber ich habe genug und muß Ihnen recht geben. Wie aber wollen Sie die Gefangenen von der Insel bringen?«
»Ich habe die Wahl zwischen zwei Wegen. Entweder machen wir erst die Wächter unschädlich, worauf die Bewachten leicht fortgeführt werden können; oder wir holen sie heimlich, ohne daß die Wächter etwas davon merken.«
»Beides ist schwierig. Wenn die Giftwaffen nicht wären!«
»Die sind ungefährlich, wenn wir so rasch und unerwartet über die Roten kommen, daß sie sich derselben gar nicht bedienen können.«
»Aber gerade dieses über sie kommen, ist ja das schwerste. Sie haben ein Feuer und sehen also unser Boot kommen. Auch machen sie oft die Runde. Man vermutet sie am Feuer und stößt dann plötzlich auf sie, um eine vergiftete Pfeilspitze in den Leib zu bekommen.«
»Nun, ich will Ihnen keineswegs zureden. Ihr Geist könnte mir später erscheinen und mir vorwerfen, daß ich Sie in einen so giftigen Tod getrieben habe. Ich getraue mir, den Coup ganz allein auszuführen. Nehmen wir uns in acht, so ist es gar nicht möglich, daß einer von uns verwundet wird, eben weil unsere Kugeln weiter fliegen als ihre Pfeile. Wir können die Kerle umzingeln und einzeln niederschießen, wie man Krähen von den Bäumen schießt. Aber das will ich nicht. Es soll so wenig wie möglich Blut, vielleicht nicht ein einziger Tropfen, vergossen werden. Morgen früh muß die Geschichte zu Ende sein, damit wir schon am Mittag wieder aufbrechen können.«
»Ich glaube nicht, daß sich die Sache so sehr schnell erzwingen läßt.«
»Und ich bin überzeugt davon. Streiten wir uns jetzt nicht, sondern kehren wir zurück. Wir wissen nun, woran wir sind und daß der Irre uns nicht belogen hat.«
Ich öffnete das Fernrohr und schaute durch dasselbe nach der Lagune. Der dieselbe umgebende Bambusgürtel war so dicht und so hoch, daß ich selbst mit Hilfe des Rohres nichts von der Insel, ja nicht einmal eine glänzende Stelle des Wassers bemerken konnte. Ich mußte mich also heute abend in der Dunkelheit zurecht zu finden suchen, nachdem ich mich vorher bei dem Irren genau erkundigt hatte.
Für jetzt war nichts zu tun, und so traten wir den Rückweg an. Einen so leichten und gefahrlosen Rekognitionsgang hatte ich noch nie gehabt. Es war wohl nur ein Zufall gewesen, daß sich auf dieser Seite des Dorfes kein Mensch befunden hatte.