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18. Fortsetzung

Wir konnten nicht vorwärts. Wir mußten uns mit unsern Kugeln Bahn brechen. Die ersten Schüsse fruchteten wenig, und erst als wir wohl gegen zwanzig der Ungeheuer erlegt hatten, erhielten wir dadurch Luft, daß die andern über dieselben herfielen und sie in tieferes Wasser zerrten. Es war eine wirklich scheußliche Szene.

»Ich begreife nicht, wie es den Männern, falls sie unbewaffnet waren, gelingen konnte, von hier nach der Insel zu kommen!« sagte der Bruder.

»Es läßt sich erklären,« antwortete ich. »Die Tiere waren zerstreut und haben sich erst dann hier zusammengefunden, als sie durch die Hin- und Rückfahrt des Flosses darauf aufmerksam wurden, daß es hier vielleicht Leute gebe. Auch glaube ich, daß man sie mit den Bambusstangen von sich abwehren kann. Ein tüchtiger Hieb oder Stoß, zumal in das Auge, wird selbst von so einem Tiere gefühlt.«

Jetzt, da der Weg nun leidlich frei war, griffen wir zu den erwähnten Stangen und stakten uns vom Ufer fort. Wir mußten die tieferen Stellen des Wassers benutzen, doch betrug die Tiefe derselben nicht mehr als höchstens vier oder fünf Ellen. Sobald das Floß in Bewegung war, getraute sich keins der Krokodile mehr in die Nähe desselben; desto ausdauernder aber kamen sie hinterdrein geschwommen. Gefahr gab es nicht, aber unleidlich war der Gestank, welcher von diesen Sauriern ausging.

Mir war es ein Rätsel, wovon die Tiere lebten. Hatte es früher Fische und andere Tiere im Wasser gegeben, so mußten dieselben von den Krokodilen doch längst ausgerottet worden sein. Die Bestien lebten vielleicht nur von den schwächeren Individuen ihrer eigenen Sippe.

Da fünf Stangen in kräftiger Bewegung waren, so näherten wir uns der Insel so schnell, daß wir die darauf befindlichen Personen bald mit bloßen Augen erkennen konnten. Auch sie sahen uns. Sie standen am Ufer. Aber anstatt uns zuzurufen, verhielten sie sich still. Sie wußten nicht, ob wir in freundlicher oder feindlicher Absicht kamen. Als wir uns nahe genug befanden, sah ich, daß jeder von ihnen ein Messer in der Hand hatte. Ihre Mienen waren entschlossen. Man sah es den Leuten an, daß sie bereit waren, sich nötigenfalls in einen Kampf mit uns einzulassen.

»Halt!« rief uns einer in Spanisch er Sprache entgegen. »Kommt nicht näher heran! Wir müssen wissen, was ihr wollt. Wer seid ihr?«

Ich wollte antworten, aber vor mir ertönte des Fraters Stimme:

»Seit wann mißtrauen Sie mir, Sennor Harrico? Glauben Sie, in mir einen Feind sehen zu müssen?«

Der Bruder kannte zufälliger Weise den Mann, welcher der bereits erwähnte Vertreter eines Bankiers in Buenos Ayres war. Auch dieser sah jetzt, wen er vor sich hatte. Er antwortete:

»Bendito sea Dios! Der Bruder Jaguar! Wir sind gerettet! Sennores, diese Herren können nur in freundlicher Absicht zu uns kommen!«

Es wurde unserer Landung nichts in den Weg gelegt. Wir legten an und zogen das Floß so weit an das Ufer, daß es nicht fortgeschwemmt werden konnte. Die Leute reichten uns mit Freudenrufen ihre Hände entgegen, und dann wurden wir durch den Bruder und Sennor Harrico einander in aller Eile vorgestellt.

Es genügt nur, zu erwähnen, daß sich zwei Nordamerikaner unter ihnen befanden, welche natürlich von Kapitän Turnerstick mit lebhaftester Freude begrüßt wurden.

»Aber Sennor,« fragte der Bruder seinen Bekannten aus Buenos Ayres, »wie sind Sie nur auf diese Insel gekommen?«

»Um Nuestro Sennor Jesu Christo de la floresta virgen zu sehen.«

»Das ist ja nicht hier!«

»Leider ja. Wir wurden betrogen. Dieser Sendador ist ein ungeheurer Schurke. Und wir haben ihm ein solches Vertrauen geschenkt.«

»Er verdient es keinesfalls, wie ich beweisen kann!«

»Wir bedürfen Ihres Beweises gar nicht, denn er selbst hat es uns bewiesen. Aber was tun Sie in dieser Gegend?«

»Wir suchen Sie, um Sie zu retten.«

»Wo erfuhren Sie und durch wen, daß wir uns in Gefahr befanden?«

Bruder Hilario machte in aller Kürze die nötigen Mitteilungen. Die Männer und Väter gaben ihren Schrecken durch Ausrufe des Entsetzens zu erkennen. Der Bruder tröstete sie:

»Sie können ruhig sein, Sennores. Bis jetzt ist den Ihrigen nichts geschehen, und wir werden dafür sorgen, daß ihnen auch überhaupt nichts geschieht.«

»Aber der Überfall unserer Frauen!«

»Soll erst heute um Mitternacht vor sich gehen. Bis dahin aber haben wir vollständig Zeit, ihn zu vereiteln.«

»So sei dem Himmel und Ihnen Dank. Wir werden ja Zeit finden, uns näher auszusprechen, aber sagen Sie zunächst, wo sich der Sendador befindet.«

»Bei der Karawane.«

»Also bei der alten Niederlassung?!«

»Nein. Sie sind fort nach eben dem heiligen Bilde, dessen Namen Sie vorhin nannten.«

»Ohne uns? So befinden sich die Hilflosen in seiner Hand?«

»Einstweilen, ja. Aber ich gebe Ihnen die Versicherung, daß ihnen nichts geschehen wird. Jetzt ist es für uns die Hauptsache, zu erfahren, womit es ihm gelungen ist, Sie hierher zu locken.«

»Durch eine Lüge.«

»Natürlich. Aber durch welche?«

»Er sagte, daß wir hier das Kreuz unseres Sennor Jesu Christo finden würden.«

»Und nur aus diesem Grunde folgten Sie ihm? Welche Unvorsichtigkeit!«

»Er beschrieb uns dieses Kreuz in einer Weise, welche alle unsere Wißbegierde rege machte. Er sagte, ein Inka sei einst auf einem Kriegszuge hierher gekommen. Er sei ein Christ gewesen und hier von den Indianern überfallen worden. Er rettete sich mit einem Häuflein seiner Getreuen nach der Insel, wo sich die Tapferen bis auf den letzten Mann verteidigten. Wie sie fielen, so liegen sie noch heute. so neben und an einander gelegt, daß sie ein Kreuz bilden, eben das Kreuz unsers Sennor Jesu Christo de la floresta virgen.«

»Wunderbar, das zu glauben!«

»Warum sollten wir es bezweifeln?«

»Weil die Indianer Heiden waren. Sie hätten die christlichen Leichen nicht zu der heiligen Figur zusammengelegt.«

»O, der Inka starb zuletzt und bekehrte sie vor seinem Tode.«

»Ah so! Während er sich gegen sie verteidigte, fand er Zeit, sie zu bekehren?«

»Ja. Und die Bekehrung war eine so tiefe und wunderbare, daß die Heiden seihst die Schätze, die goldenen Rüstungen, welche die Inkas trugen, nicht anzurühren wagten.«

»Eine solche Bekehrung wäre freilich anzustaunen.«

»Der Sendador erzählte es, und wir glaubten es. Es sind ja noch ganz andere Dinge geschehen. Die Leichen, das heißt die Gerippe liegen noch heute hier auf der Insel, ein Kreuz bildend und mit allem ihrem Geschmeide angetan.«

»Ich verstehe. Diese Fabel hat der Sendador sich gar nicht übel zurecht gelegt. Die Geschichte von dem Leichenkreuze und den Schätzen ersann er, um Sie nach der Insel zu locken. Die Messer durften Sie mitnehmen, weil diese notwendig waren, um Schilf und Bambus zu einem Flosse zu schneiden. Andere Waffen aber waren verboten, denn wenn Sie Ihre Gewehre bei sich hätten, so wäre es Ihnen möglich gewesen, eine solche Menge von Krokodilen zu erlegen und zu verscheuchen, daß Sie ohne Schaden wieder an das Ufer hätten gelangen können. Haben Sie das alles denn wirklich geglaubt?«

»Ja.«

»Und es ist Ihnen gar kein Zweifel gekommen?«

»Nicht eher, als bis er uns verließ.«

»Haben Sie sich alle auf einmal auf dem Floß befunden?«

»Ja. Wir hatten Platz genug.«

»Wurden Sie nicht von den Krokodilen belästigt?«

»Nein. Diese Tiere richteten ihre Aufmerksamkeit erst später auf das Floß.«

»Sie stiegen alle an das Land?«

»Alle, nur der Sendador nicht. Als wir ihn fragten, warum er auf dem Flosse bleibe, antwortete er uns höhnisch, daß er uns das Vergnügen gönne, uns allein in die Kostbarkeiten zu teilen.«

»Und Sie hielten ihn nicht zurück?«

»Wir konnten nicht, denn er war schon wieder abgestoßen; die Krokodile kamen herbei, und wir hatten die Stangen auf dem Floße gelassen. Erst die Worte, welche er uns dann noch aus der sicheren Ferne zurief, daß er unsere Frauen mit den Indianern verheiraten und die schönsten unserer Töchter für sich selbst behalten werde, während uns hier die Krokodile auffressen würden, enthüllten seine Absicht. Wir wollten nur schwer an unsere Lage glauben. Vielleicht hatte der Sendador nur gescherzt. Wir durchsuchten die Insel nach den Inkas.«

»Natürlich fanden Sie nicht die geringste Spur von ihnen!«

»Nichts, gar nichts fanden wir. Da waren wir denn doch überzeugt, daß es auf unseren Untergang abgesehen sei. Von da an saßen wir beisammen und berieten uns. Aber keinem kam ein guter Gedanke. Darum sind wir alle voller Dank gegen Sie und Ihre Freunde. Hoffentlich findet sich eine Gelegenheit, Ihnen diesen Dank abzutragen.«

»Denken Sie nicht daran! Suchen wir vor allen Dingen, von dieser unglückseligen Insel fortzukommen.«

»Wird das Floß uns alle tragen?«

»Probieren wir es wenigstens.«

Die Probe erwies, daß wir es wagen konnten. Die zwanzig Unbewaffneten mußten sich lang neben einander legen, damit das Gleichgewicht des Floßes nicht gestört wurde. Fünf griffen zu den Staken, und wir andern knieten am Rande, um die etwas sich zu weit heranwagenden Krokodile zu erschießen. Da das Floß jetzt schwerer beladen war als vorher, ging es tiefer als auf der Herüberfahrt, aber es ragte doch so weit aus dem Wasser empor, daß wir nicht naß wurden.

Nachdem wir wieder einige der Alligators erlegt hatten, bemerkten die übrigen, daß es für sie gefährlich sei, in unsere Nähe zu kommen. Sie zogen in Folge dessen in solcher Entfernung hinter uns her, daß wir sie nicht zu fürchten brauchten. Wir gelangten glücklich an das Ufer zurück, wo unsere erste Sorge war, nach unseren Pferden zu sehen. Es war gar nicht mein Brauch, mein Pferd in dieser Weise wie heute zu verlassen. Ich mußte es als eine Unvorsichtigkeit bezeichnen, daß nicht wenigstens einer von uns als Wächter zurückgeblieben war. Wie leicht konnten sich Indianer in der Nähe befinden und unsere Tiere davontreiben. In diesem Falle wäre es uns wohl nicht möglich gewesen, unser Vorhaben auszuführen. Glücklicher Weise zeigte sich, daß meine Besorgnis überflüssig gewesen war.

Nun die zwanzig Männer sich wieder in Sicherheit befanden und keine Sorge mehr um sich zu haben brauchten, konnten wir beraten, was zu geschehen habe. Die Männer und Väter der bedrohten Frauen und Kinder drängten freilich zum schnellsten Handeln; aber ich riet von jeder Überstürzung ab. Eine Viertelstunde ruhiger Überlegung bringt später Stunden und wohl gar Tage ein, wie ich oft erfahren hatte.

Natürlich war es unsere Absicht, der Wagenkarawane nachzueilen. Holten wir sie noch vor der Zeit des geplanten Überfalles ein, so hatten wir es nur mit dem Sendador zu tun. Zwar war er nicht der einzige Mann, denn die Fuhrknechte befanden sich dabei; aber Harrico versicherte, daß sie treue Leute seien, welche sicher nicht mit ihm unter derselben Decke spielten. Sie brauchten wir also gar nicht zu scheuen.

Wir brachen auf. Ich war dagegen, daß sich je zwei Mann auf ein Pferd setzen sollten, da dadurch die Tiere zu schnell ermüdet würden. Da für dreißig Männer nur zehn Pferde vorhanden waren, so geschah es jedenfalls besser, wenn nur zehn ritten und desto häufiger abgewechselt wurde. Die andern waren einverstanden, und in dieser Weise wurde der Weg angetreten.

Er war zunächst kein beschwerlicher, denn er führte durch den ebenen, grasigen Camp, auf welchem sich nur hier und da einmal eine Buschinsel befand. Das Gras stand weder hoch, noch dicht, in Folge dessen diejenigen, welche zu Fuße gehen mußten, nicht schnell ermüdeten, obgleich sie gezwungen waren, mit den schnell ausgreifenden Pferden gleichen Schritt zu halten.

Ich befand mich unter den Fußgängern, da ich meinen Braunen einem andern übergeben hatte. Sennor Pena hatte dasselbe getan und sich dann zu mir gesellt, um mit mir über das bevorstehende Abenteuer zu sprechen. Als wir unsere Ansichten ausgetauscht hatten, kam die Rede auf unsere mexikanischen Erlebnisse. Bei dieser Gelegenheit brachte ich seine Nationalität zur Sprache, indem ich ihn fragte:

»Sennor, sind Sie von spanischer Abstammung?«

»Nein,« antwortete er.

»Ich vermute allerdings, daß Sie ein Deutscher sind.«

»Sie vermuten nur? Das können Sie doch gewiß wissen.«

»Dazu würde ein Scharfsinn gehören, den ich vielleicht nicht besitze. Dennoch hegte ich die Ansicht, daß Sie ein Deutscher sind; aber ich konnte das eben nur vermuten, da Sie sich in Mexiko darüber ausschwiegen.«

»Das hatte damals einen guten Grund.«

»Darf ich erfahren, welchen?«

»Ja, denn heute kann ich darüber sprechen. Man kennt mich hier als eifrigen Chinarindensammler und Goldsucher. Ich ging nach Mexiko in der letzteren Eigenschaft, wollte das aber nicht wissen lassen. In meiner damaligen Gesellschaft befand sich einer, welcher mich zwar gar nicht persönlich, aber doch meinen Namen und auch sonstiges von mir kannte, da er längere Zeit hier im Süden gewesen war. Ich sah mich also gezwungen, meine deutsche Abstammung zu verleugnen und legte mir in Folge dessen einen spanischen Namen bei.«

»Aber wenigstens gegen mich konnten Sie aufrichtig sein!«

»Nein. Sie waren zwar kein Goldsucher, und ich hatte ihrerseits also keinen Konkurrenzneid zu befürchten, aber Sie konnten mich leicht durch ein unbewachtes Wort verraten.«

»Wenn Sie so außerordentlich vorsichtig verfuhren, so mußten die Gründe, welche Sie hatten, sehr zwingende sein.«

»Das waren sie allerdings.«

»Sie hatten wahrscheinlich einen glücklichen Fund im Auge?«

»Das hatte ich. Auf welche Weise ich zu der betreffenden Erfahrung gekommen war, das tut nichts zur Sache, kurz und gut, ich hatte mir eine Gegend beschreiben lassen, in welcher sehr wahrscheinlicher Weise eine Goldgrube zu finden sein würde. Aus diesem Grunde ging ich nach Mexiko und schloß mich jenen Leuten an, welche auf ihrem Zuge durch die betreffende Gegend kommen mußten. Natürlich verheimlichte ich meine Absicht, sonst hätte ich die andern alle auf dem Halse behalten.«

»Und hatten Sie Erfolg?«

»Mehr als ich erwartete. Als wir durch die Gegend kamen, erkannte ich auf den ersten Blick aus der Formation derselben, daß meine Reise nicht vergeblich gewesen sei. Ich ritt noch eine Tagesreise weiter mit und entfernte mich dann heimlich des Nachts, um zurückzukehren. Nach einem dreitägigen Suchen entdeckte ich die Ader, welche außerordentlich ergiebig sein mußte. Ich verbarg die Stelle mit Sand und Steingrus und ritt davon, um meine Entdeckung zu verkaufen.«

»Fanden Sie einen Käufer?«

»Sofort. Ich führte ihn in die Berge und zeigte ihm den Fund. Er war ein Kenner und ersah seinen Vorteil augenblicklich. Erst schlug er mir vor, die Goldgrube in Kompagnie auszubeuten; da ich aber wieder nach den La-Plata-Staaten wollte und auf diese Offerte also nicht eingehen konnte, kaufte er mir meine Entdeckung ab. Die Summe, welche ich erhalten habe, ist mehr als genügend, mir eine sorgenfreie Zukunft zu sichern.«

»So gratuliere ich Ihnen auf das herzlichste. Wie aber kamen Sie dazu, sich gerade Pena zu nennen?«

»Weil dieses Wort die Übersetzung meines deutschen Namens ist.«

»Also heißen Sie wohl Kummer?«

»Ja.«

»Nun, dann halte ich es für überflüssig, daß wir spanisch sprechen. Lassen Sie uns doch deutsch reden!«

»Mit dem größten Vergnügen. Ich hätte mich damals in Mexiko Ihnen gegenüber sehr gern der Muttersprache bedient, hielt dies aber, wie gesagt, für eine Unvorsichtigkeit.«

»Darf ich Sie fragen, aus welchem Teile Deutschlands Sie stammen?«

»Warum nicht? Ich bin ein Preuße.«

»Aus welcher Provinz?«

»Schlesien. Ich bin aus Breslau.«

Wir sprachen nun natürlich über unser gemeinsames Vaterland und kürzten so unsern Weg ab.

Mittlerweile hatten wir schon zweimal die Pferde gewechselt, und nun war es dunkel geworden. Das hinderte uns aber wenig, denn Pena war ein vortrefflicher Führer, und wenn er ja einmal in Zweifel gekommen wäre, so hätte Gomarra ihn mit Auskunft unterstützen können.

Der Weg war beiden freilich nicht bekannt; aber die Richtung wußten sie, und da sie die Eigenart der Gegend früher studiert hatten, so brauchten wir uns nicht zu fürchten, uns etwa zu verirren.

Nach und nach trat der Camp zurück, und das Buschwerk wurde häufiger. Auch Bäume gab es, aber sie standen so weit aus einander, daß sie uns nur sehr wenig hinderlich waren. Die Gegend bestand aus einer vollständigen Ebene, so daß der Boden uns keinerlei Schwierigkeiten bot. Die einzigen Hindernisse waren die Lagunen, welche wir entweder umgehen oder an schmalen Stellen durchreiten mußten. Dazu standen die Sterne am Himmel, und für später war der Mond zu erwarten.

So ritten wir mehrere Stunden durch das abendliche Halbdunkel, bis wir auf eine breite Ausspülung des Erdbodens stießen, bei deren Anblick Pena in frohem Tone erklärte:

»Das ist der Weg zum Kreuze des Urwaldes. Ich habe mich also nicht geirrt.«

»Ein Weg?« fragte ich. »Das hat eher das Aussehen eines Flußbettes.«

»Ist es auch. Wenn zur Regenzeit die Wasser vom Gebirge stürzen, so breiten sie sich weit über die Ebene aus. Es entstehen an tieferen Stellen Nebenarme des Flusses Salado, welche ihre Wasser an geeigneten Stellen dem Hauptarm wieder zuführen. An einem solchen Nebenarme befinden wir uns.«

»Aber können da Wagen fahren?«

»Gewiß. Dieses Flußbett bietet fast die einzige Gelegenheit, per Wagen nach dem Kreuze zu gelangen. Natürlich benutzen wir es jetzt auch.«

»Meinen Sie nicht, daß wir dabei auf den Sendador stoßen werden?«

»Nein, denn wir haben ihn überholt. Er befindet sich hinter uns.«

»Das wäre ja vortrefflich, denn wir würden noch vor ihm beim Kreuze ankommen. Wie weit haben wir bis dorthin?«

»In drei Viertelstunden sind wir dort.«

»Hm! Ich wollte, ich hätte die Gegend einmal gesehen, weil wir dort höchst wahrscheinlich gezwungen sein werden, zu kämpfen. In einem solchen Falle ist es stets vorteilhaft, die Gegend genau zu kennen.«

»Nun, ich kenne sie und kann sie Ihnen beschreiben. Meiner Ansicht nach hat vor alter Zeit ein Kloster dort gestanden, denn es sind noch Mauern vorhanden, und einst entdeckte ich sogar den Eingang zu einem Kellergewölbe.«

»Dann stammt dieser Bau freilich von den Weißen; denn die hiesigen Indianer bauen kein Gewölbe. Ist die Gegend ebenso eben wie hier? Hat sie Wald?«

»Es gibt dort einen Hügel, um dessen Fuß sich unser Flußbett schlingt. Seine Seiten sind mit Bäumen bewachsen, und auf dem Gipfel liegen die Ruinen des Bauwerks, von welchem ich sprach. Auf dem höchsten Punkte, der hinab zum Fluße blickt, steht das Kreuz des Urwaldes.«

»Führt ein Weg, welcher von Wagen benutzt werden kann, auf den Hügel?«

»Nein – der Sendador wird mit seinen Karren unten am Hügel halten.«

»Und dort wird er von den Indianern erwartet. Es ist anzunehmen, daß sie sich nicht sofort sehen lassen werden. Sie werden sich verstecken.«

»Das denke ich auch. Sie werden den Überfall nicht eher unternehmen, als bis sie mit dem Sendador gesprochen haben.«

»Er wird sie also aufsuchen, um ihnen mitzuteilen, daß sein Anschlag gegen die Männer gelungen sei, und daß sie sich nun die Frauen und Kinder holen können. Ich denke, daß die Roten oben in dem Gemäuer stecken werden,«

»Auch ich bin so sehr davon überzeugt, daß ich glaube, darauf schwören zu können.«

»So dürfen wir nicht ganz bis an den Hügel reiten, weil man uns sonst bemerken würde. Vielleicht haben die Indianer sogar Posten aufgestellt.«

»Das glaube ich nicht. Sie haben keine Veranlassung dazu. Sie erwarten ja nur die Wagen mit den Weibern. Etwas anderes wäre es, wenn sie das Nahen einer bewaffneten Kriegerschar befürchten müßten. Ich glaube, daß sie in den Ruinen, vielleicht gar in dem Keller stecken und ganz ruhig warten, bis der Sendador kommt, um sie abzuholen.«

»Haben Sie damals das Kellergewölbe genau untersucht?«

»Natürlich. Man kann ja niemals wissen, in welcher Weise die Kenntnis eines solchen Ortes einem von Nutzen sein kann.«

»Ist es groß?«

»Wenn sie eng stehen, haben zweihundert Personen Platz.«

»Gibt es mehrere Ein- oder Ausgänge?«

»Das war es, was ich vor allen Dingen suchte; aber ich habe trotz aller Mühe nur den einen Eingang gefunden. Es führten früher Stufen hinab, welche aber jetzt nur noch teilweise vorhanden sind. Der Eingang gleicht also nicht einer Treppe, sondern einem Stollen, welcher steil hinunter führt.«

»Ich wünschte, die Roten befänden sich da unten. In diesem Falle wäre es leicht, uns ihrer ohne alle Gefahr zu versichern, während im andern Falle ein Kampf nicht zu vermeiden ist. Und dieser würde wegen der Giftpfeile für uns höchst gefährlich sein. Jetzt läßt sich freilich gar nichts sagen; wir müssen sehen, wie wir die Sache finden.«


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