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Die Sonne war gesunken, und es begann stark zu dunkeln. Der ›Schwiegersohn‹ verdoppelte seine Schritte, und wir folgten natürlich sehr gern mit derselben Schnelligkeit. Es war schon vollständig Nacht, als er stehen blieb und, mit der Hand vorwärts deutend, sagte:
»Sehen Sie die Stelle vor uns, wo die Finsternis dicker ist als rechts und links davon? Das sind die Büsche, in denen meine Roten versteckt liegen.«
»Warum brennen sie kein Feuer?« fragte ich.
»Aus Vorsicht natürlich. So lange sie nicht wissen, wie es da hinten im See steht, dürfen sie es nicht wagen, da ein Toba zufällig in die Nähe kommen und das Licht sehen könnte. Nun ich ihnen aber die Nachricht bringe, daß so etwas nicht zu befürchten ist, werden sie sich ein Feuer machen. Warten Sie hier!«
»Sie wollen uns allein lassen?«
»Ja, ich muß. Die Leute werden scharf auslugen. Ihre Augen sind an die Finsternis gewöhnt. Sie erwarten nur mich zurück. Wenn sie drei Personen sähen, würden sie uns für Feinde halten und uns mit vergifteten Pfeilen begrüßen. Ich muß Sie also anmelden und werde bald zurückkommen, um Sie zu holen.«
Er ging.
»Schade, daß wir nicht bei ihm sein können!« flüsterte Pena. »Wir könnten da hören, was sie sprechen und beschließen. So aber können sie das Schlimmste über uns beschließen, ohne daß wir eine Ahnung davon haben.«
»Schlimmes werden sie allerdings verhandeln; an den Kragen soll es uns sicher gehen; aber sie können es nicht ausführen.«
»Wissen Sie das so gewiß?«
»Ja. Allerdings wenn ich Sie vorhin hätte ausreden lassen, so wären wir verloren gewesen.«
»Ausreden! Wann?«
»Als er nach dem Orte fragte, an welchem der Desierto sein Geld versteckt hat.«
»Da habe ich keinen Fehler gemacht. Ich habe doch nicht von der Felsenwohnung gesprochen?«
»Allerdings nicht. Aber sie wollten ihm einen Ort auf der Insel beschreiben, an welchem das Gesuchte angeblich zu finden sei.«
»Das wäre doch kein Fehler gewesen, denn sie hätten nichts gefunden; sie hätten nicht einmal die Zeit gehabt, nachzusuchen.«
»Aber es wäre um uns geschehen gewesen.«
»Wieso?«
»Das fragen Sie noch? Sehen Sie denn nicht ein, daß dieser sogenannte Sennor Arbolo uns nur deshalb nachgelaufen ist und uns nur deshalb mitgenommen hat, weil wir unter seinem Baume davon sprachen, daß wir wissen, wo die Reichtümer des Alten liegen?«
»Natürlich sehe ich das ein. Er will von uns den Ort erfahren und sie sich dann holen.«
»Nun, und wenn Sie ihm irgendeinen Ort sagen und beschreiben, so sind wir dann überflüssig und werden aus dem Leben befördert.«
»Ah! Daran dachte ich freilich nicht.«
»So seien Sie von jetzt an vorsichtiger!«
»Keine Sorge! Ich werde nicht ein Wort zu viel sagen. Am besten ist's, ich lasse Sie reden.«
»Tun Sie das. Und wenn wir beide mit einander sprechen, so nennen Sie mich ja du; wir haben das einmal so angefangen, damit er ja nicht daran zweifeln soll, daß wir so eng verbundene Leidensgefährten sind.«
»Ich werde keinen Fehler machen. Der geringste Verstoß könnte uns verderblich sein. Glauben Sie denn wirklich, daß der Sendador kommt?«
»Ja.«
»Ich nicht. Er erscheint mir unmöglich, daß er eine solche Reise nach Palmar gemacht und zugleich den Zug gegen die Tobas verabredet hat.«
»Warum nicht? Wir können nicht wissen, welche Dispositionen er in seinem Kopfe mit sich herumgetragen hat.«
»Aber was hatte er denn mit den Ariponern zu schaffen, wenn er seine Mbocovis nach dem Kreuze bestellt hatte?«
»Er traf zufällig auf sie, und da er mit ihnen auch befreundet ist, bediente er sich ihrer zur Erreichung seiner Zwecke. Daß sie nicht seine eigentlichen Verbündeten sind, ist dadurch erwiesen, daß sie nachher doch noch mit den Karawanenleuten Freundschaft schlossen, als er von ihnen fort war.«
»So meinen Sie, daß er den Indianer, von welchem er das Messer bekam, nicht zufällig getroffen hat?«
»Ja, das ist meine Ansicht. Die Mbocovis sandten diesen Mann voraus, um am Kreuz zu rekognoszieren, ob der Sendador schon da sei. Beide trafen auf einander. Der Bote kehrte zurück, um die Seinen nach dem Walde zu führen, an welchem wir überfallen werden sollten, und der Sendador heftete seinen Zettel an und machte dann so sichtbare Spuren, um uns sich nachzulocken. Ein eigentlicher Überfall war aber wohl nicht geplant. Nur dem feindseligen Verhalten dieses Gomarra haben wir das Folgende zu verdanken.«
Wir sprachen noch längere Zeit mit einander, als der Schwiegersohn sich nahte. Wir hatten bemerkt, daß ein Feuer in den Büschen aufleuchtete. Beim Scheine desselben sahen wir die Gestalt des Yerno auf uns zukommen.
»Pst!« machte er schon von weitem. »Sind Sie noch da? Kommen Sie mit mir!«
Ich war noch selten so gespannt gewesen, wie in diesem Augenblick. Hatte sich der Sendador inzwischen eingefunden, so war ich fest entschlossen, ein Wagnis zu unternehmen, daß er uns in die Hände fiel. Dann war mit ihm für uns alles gewonnen. Glücklicher oder auch unglücklicher Weise fand ich keine Veranlassung, diesen Vorsatz auszuführen, denn der Sendador war nicht zu sehen.
In der Bodensenkung, welche von Sträuchern umgeben war, saßen und lagen die Mbocovis, welche wir bereits gesehen hatten. Keiner rührte sich vom Platze, als wir zu ihnen traten; sie starrten uns an, nicht feindselig und auch nicht freundlich. Diese zur Schau getragene Gleichgültigkeit war kein gutes Zeichen für uns; man ersah aus derselben, daß sie uns Freundlichkeit nicht erzeigen wollten und Feindseligkeit nicht zeigen durften und sollten. Penas Blick flog schnell forschend im Kreis umher; ich wußte, weshalb. Er suchte, ob vielleicht ein ihm bekanntes Gesicht zu sehen sei. Welches Resultat er erreichte, zeigte seine befriedigte Miene und die Ruhe, mit welcher die Roten seinem Blicke begegneten. Hätte einer ihn erkannt, so wäre das sicher durch einen Aufblick oder eine Bewegung der Überraschung kund gegeben worden. Daß er klug daran getan hatte, sich so schnell über diesen Punkt zu unterrichten, zeigte sich sofort, denn der Yerno sagte:
»Das sind also meine Mbocovis. Vielleicht können Sie mit denselben sprechen. Versteht einer der Herren ihre Sprache?«
»Nein,« log Pena beherzt.
»Leider kein Wort,« antwortete ich der Wahrheit gemäß.
»Wenn wir uns mit ihnen unterhalten sollen, so werden wir Sie also ersuchen müssen, den Dolmetscher zu machen.«
»Das soll geschehen. Setzen Sie sich hier nieder, und sagen Sie, ob Sie Hunger haben!«
»Wir danken, wir wurden von dem schon erwähnten alten Weibe gespeist, ehe man uns in das Boot brachte. Aber um eine andere Gabe müssen wir Sie bitten. Sie sehen, daß wir vollständig ohne Waffen sind.«
»Sie brauchen keine, denn Sie befinden sich unter unserem Schutz und Schirme.«
»Aber wir werden doch wohl mitkämpfen sollen?«
»Nein. Wir sind genug Leute und werden so schnell über den Feind kommen, daß er gar keine Zeit zur Gegenwehr findet.«
»Geben Sie Pardon, wenn die Tobas darum bitten?«
»Sie müssen alle sterben. Dann werden sich genug Waffen für Sie finden. Es sind doch jedenfalls auch diejenigen noch da, welche man Ihnen abgenommen hat.«
Auch diese Weigerung war ein Beweis, daß dieser Mann nichts Gutes mit uns plante. Doch fühlte ich mich nicht davon beunruhigt, denn er konnte uns erst dann nach dem Leben trachten, wenn er von uns die Stelle erfahren hatte, an welcher sich das Geld des alten Desierto befand. Und das – – sollte er ja nie erfahren.
Wir ließen uns an der Stelle nieder, welche er uns angedeutet hatte, nämlich mitten im Kreise und ganz nahe am Feuer, so daß wir ringsum von den Roten umgeben waren. Der Yerno wollte uns so sicher wie möglich haben. Als wir nun saßen, sagte er:
»Eine eigentliche Beratung, an welcher alle teilnehmen, kann es nicht geben, da Sie die Sprache meiner Leute nicht verstehen. Sie werden mir also Ihre Ansichten mitteilen, welche ich dann ihnen bekannt gebe. Sind Sie vielleicht über die Lage, in welcher wir die Tobas finden werden, unterrichtet?«
»Sehr genau sogar. Wir horchten die alte Frau aus, welche sehr redselig war, und als man uns aus dem Loche geholt hatte, dauerte es eine Weile, ehe wir in das Boot gelegt wurden. Inzwischen erteilte der Desierto verschiedene Befehle, welche wir mit angehört haben.«
»Das wäre eine große Unvorsichtigkeit gewesen, wenn ich nicht wüßte, daß er ein sehr kluger und vorsichtiger Mann ist. Daß er die Befehle vor Ihren Ohren gegeben hat, beweist also, daß er Sie für sehr ungefährliche Leute hält. Sie scheinen von nicht sehr kriegerischer Gesinnung zu sein! Jetzt weiß ich, warum Sie sich alles so ruhig abnehmen ließen. Warum haben Sie sich denn nicht gewehrt?«
»Wir wollten wohl,« antwortete ich in selbstbewußtem Tone, »aber als wir schießen wollten, gingen unsere Gewehre nicht los. Mein Freund hier hatte das Zündhütchen vergessen, und bei meiner Flinte war der Hahn eingerostet. Ich gab mir alle Mühe, ihn aufzuziehen, doch wurde ich inzwischen zur Erde gerissen!«
»So, solche Leute sind Sie!« lachte er laut auf. »Nun, dann brauchen Sie überhaupt keine Waffen. Ich weiß nun sehr genau, woran ich mit Ihnen bin, und Sie mögen mir sagen, wie es im Dorfe an der Lagune steht!«
Er sprach diese Worte geradezu befehlend aus. Es war klar, daß wir uns seiner Achtung gar nicht zu erfreuen hatten. Ich antwortete:
»Das kann ich ganz genau sagen. Das Dorf ist ausgeräumt worden und ganz verlassen.«
»So ist nichts mehr dort zu holen?«
»Gar nichts mehr. Seit der Unglücksbote kam, haben die Tobas aus allen Kräften gearbeitet, um ihr ganzes Eigentum nach den Inseln zu schaffen.«
»Auch die Tiere?«
»Auch diese.«
»Das ist höchst fatal! Wie kommen wir hinüber?«
»Nichts leichter als das. denn es hängt ein Boot am Ufer.«
»Das ist unmöglich. Diese Kerle werden doch kein Fahrzeug zurücklassen, damit der Feind sich desselben bedienen kann, um sie zu überfallen?«
»Aus diesem Grunde freilich nicht,« antwortete ich halbklug. »Der Desierto hat einige Späher fortgeschickt, welche das Nahen des Feindes erkunden und dann melden sollen. Für diese hängt das Boot an Ufer, sonst könnten sie ja nicht nach der Insel.«
»Ah, so ist es! Das leuchtet mir ein. Wie aber sind denn die Leute auf den Inseln verteilt?«
»Auf der großen, von welcher wir aus an das Ufer, wo Sie auf dem Baume gesessen haben, gerudert wurden, befinden sich die Männer, auf den andern Inseln die Weiber und Kinder mit den Herden und andern Habseligkeiten.«
»Das ist ja ganz vortrefflich, denn da können wir die Männer mit einem einzigen Schlage unschädlich machen! Leider aber laufen wir Gefahr, bemerkt zu werden, und das ist sehr schlimm, da wir nicht alle zugleich hinüber können.«
»Es hat keine Gefahr, Sennor, wenn Sie es klug anfangen. Die Chiriguanos wohnen doch im Westen von hier, folglich kommen sie aus dem Westen. Darum wollen die Tobas auf dem westlichen Teile der Insel lagern, um den Feind möglichst bald zu hören.«
»So! Also auf der anderen Seite, wo die Bäume sind, ist niemand?«
»Kein Mensch.«
»So können wir dort landen und uns unter den Bäumen verbergen, bis wir alle beisammen sind.«
»Das ist sehr klug. Daran habe ich gar nicht gedacht. Ja, das ist das Beste, denn unter den Bäumen befinden sie sich im Freien, wo sie alles sehen können. Das ist also viel besser, als sich im Bethause versammeln, wie ich dachte.«
»Im Bethause? Die Idee ist nicht übel. Kann man denn in das Haus?«
»Ja, denn es ist kein Schloß, sondern nur ein Riegel oder eine Klinke an der Türe.«
»Vortrefflich. Unter den Bäumen könnten wir gesehen werden, ehe wir stark genug beisammen sind. In dem Hause aber sieht uns kein Mensch. Ich glaube nun zu wissen, was ich brauche, und werde mit meinen Leuten reden.«
Er wendete sich zu den Roten, denen er eine zusammenhängende Rede hielt. Sie hörten ihm aufmerksam zu und warfen zuweilen verächtliche Blicke auf uns. Er sagte ihnen wohl, daß wir nicht nur Dummköpfe, sondern auch Hasenfüße seien. Dann unterhielt er sich einige Zeit mit dem Häuptling allein. Ich verstand natürlich nichts. Aber am Schlusse der Unterredung wurde ein Wort wiederholt, welches mir auffiel; es klang wie Horno. Dieses Wort hatte ich in der spanischen Sprache nicht gefunden. Sollte das deutsche ›Horn‹ gemeint sein, welches im Spanischen cuerno heißt?
Eine auch für mich wichtige Bedeutung hatte das Wort jedenfalls, denn Pena sah mich, als es ausgesprochen wurde, mit einem zwar heimlichen aber bedeutungsvollen Blicke an. Sonst aber saß er mit der gleichgültigsten Miene da, und wer ihn auch noch so scharf beobachtete, konnte doch nicht vermuten, daß er jedes Wort verstand.
Endlich war das Zwiegespräch zu Ende, und der Yerno wendete sich wieder an uns beide:
»Da man in jedem Augenblicke das Eintreffen der Chiriguanos erwarten muß, so ist Eile nötig. Wir sind also entschlossen, schon jetzt aufzubrechen. Sie gehen in unserer Mitte!«
Die Bande erhob sich. Das Feuer wurde ausgelöscht, und dann traten wir die zweite Hälfte unserer Aufgabe an; die erste war gut gelungen. Daß wir während des Marsches in die Mitte genommen wurden, sah ich nicht als ein Zeichen von Mißtrauen an. Man hielt uns jetzt nicht mehr für Menschen, welche geistig genug begabt sind, um in diesem Falle Argwohn zu erwecken. Da ich Arm in Arm mit Pena ging, so befanden wir uns einander so nahe, daß wir uns zuweilen einige leise, ungehörte Worte zuflüstern konnten.
»Wir sollen ermordet werden!« raunte er mir in deutscher Sprache zu.
»Wann?«
»Wenn das Geld gefunden worden ist.«
»Und was geschieht mit der Goldmine, die wir entdeckt haben wollen?«
»Das Geheimnis soll uns durch Qualen entlockt werden.«
»Was war es mit dem Horno?«
»Ein Mann, welcher bei den Mbocovis gefangen ist. Man hat von dem Desierto Lösegeld für ihn erpressen wollen, was aber nun natürlich nicht als nötig erscheint!«
»Was sprechen Sie?« fragte der Yerno. »Haben Sie etwa Heimlichkeiten?«
»Wir sollen doch nicht laut reden!« antwortete ich.
»Sprechen Sie gar nicht!«
Um nicht etwa erst jetzt noch Argwohn zu erwecken, trennten wir uns und hielten uns so weit von einander, daß wir gehört worden wären, wenn wir gesprochen hätten. Von Minute zu Minute trat die Gefährlichkeit unserer Lage deutlicher hervor. Es bedurfte nur einer kleinen Berührung mit einer vergifteten Pfeilspitze, so war es um uns geschehen.
Endlich erreichten wir den Carapawald und das Ufer der Lagune. Es ging jetzt nur sehr langsam vorwärts, da der Yerno so vorsichtig war, sich nicht allein auf meine Aussage zu verlassen, sondern mehrere Späher voranschleichen zu lassen. Die Leute fanden nichts Verdächtiges und machten erst an dem das Dorf jetzt umgebenden tiefen Wassergraben Halt. Der Yerno fand nichts Verdächtiges darin, daß die Tobas ihr Dorf in dieser Weise vor dem ersten Anprall der Feinde geschützt hatten, sandte aber mehrere Leute über den Damm in das Dorf, um nachzusehen, ob dasselbe wirklich verlassen sei. Als sie zurückkehrten, verstand ich ihre Meldung nicht, erfuhr aber später von Pena, daß sie in mehreren Häusern gewesen waren und dieselben vollständig leer gefunden hatten. Nun schlichen wir nach der Stelle, an welcher das Boot am Ufer lag. Der ›Schwiegersohn‹ untersuchte dasselbe und meinte dann enttäuscht:
»So klein! Es faßt höchstens sechs Mann. Da müssen wir ja zwölfmal fahren! Sucht nach, ob vielleicht noch ein zweites da ist!«
Auch ich und Pena suchten, natürlich vergeblich. Daß man uns diese Freiheit der Bewegung ließ, war ein Zeichen, daß man uns traute. Inzwischen hatte der Yerno sich mit dem Häuptling beraten. Das Resultat dieser Unterredung erfuhren wir, indem der Erstere uns fragte:
»Können Sie rudern?«
»Ja,« antwortete ich, erfreut darüber, daß wir wahrscheinlich gleich mit hinüber sollten.
»Auch gut und gewandt?«
»Ganz unhörbar, wenn es sein muß.«
»So werden wir erst einmal rekognoszieren, ob der Weg, welchen wir einschlagen wollen, auch sicher ist. Aber, was ist denn das? Es ist ja hell da drüben!«
»Der Desierto wird ein Feuer brennen. Man sieht es von hier aus nicht deutlich, da sich Büsche dazwischen befinden.«
»So ist er mehr als dumm. Er verrät ja den Ort, an welchem er sich befindet. Also wir fahren jetzt hinüber. Sie rudern. Ich und der Häuptling begleiten Sie. Geben Sie sich Mühe, kein Geräusch zu verursachen!«
Ich stieg mit Pena ein und löste das Boot. Dann kamen die beiden nach. Sie setzten sich nicht, sondern sie legten sich ausgestreckt in den Kahn. Also das hatten sie sich ausgedacht! Wenn man das Boot drüben ja bemerkte, so sollten Pena und ich es sein, welche die vergifteten Pfeile in den Leib bekamen!
Natürlich waren wir dieser Gefahr ganz und gar nicht ausgesetzt. Wir langten auf der dunkeln Seite der Insel an, stiegen aus, banden das Boot an und schlichen uns nach dem Bethause. Die Türe war leicht zu öffnen, und wir traten ein. Die Tobas hatten sich natürlich unter die Bänke versteckt, so daß der Yerno, als er rund um dieselben längs der Mauern herumschritt, nichts fand. Als er wieder zu uns an die Türe kam, sagte er leise:
»Es ist kein Mensch da. Sie beide bleiben hier, und zwar mit mir. Ich als Anführer muß mich hier befinden. Der Häuptling fährt allein zurück und kommt, nachdem er seine Leute herübergeschickt hat, erst mit dem letzten Trupp.«
Er gab diese Instruktion dem Indianer, welcher sich dann entfernte. Er selbst trat vor die Türe und blickte nach dem Feuer.
»Es scheinen auch Frauen dabei zu sein,« sagte er. »Ich möchte einmal zählen, wie viele Personen es sind.«
»Wollen Sie hin?« fragte ich.
»Ja. Ich schleiche mich so weit hinan, wie es möglich ist.«
»Das können Sie bequemer haben. Lassen Sie sich tragen!«
»Tragen? Sind Sie des Teufels? Von wem denn?«
»Von mir.«
»Mensch, Sie sind wirklich vollständig verrückt! Mich tragen zu lassen! Ich möchte wissen – – «
»Weshalb ich Ihnen das rate?« unterbrach ich ihn. »Ich will es Ihnen lieber zeigen als sagen; nämlich so, in dieser Weise – – «
Ich legte ihm die beiden Hände um den Hals und zog ihn in das Gebäude. Er strampelte ein wenig und lag dann still auf dem Boden.
»Sind Leute da?« fragte Pena jetzt halblaut. »Wir sind es, die beiden Freunde.«
»Ja, wir sind da,« antwortete es in gebrochenem Spanisch. »Sollen wir kommen?«
»Ja. Bindet und knebelt den Kerl.«
Die Tobas waren im Nu bei uns. Als der Yerno die Riemen und auch den Knebel hatte, hob ich ihn auf und trug ihn nach dem Feuer. Als man dort meine Schritte hörte, wendeten sich mir alle Gesichter zu.
»Hier ist der Yerno,« sagte ich, indem ich den Körper zu Boden warf. »Nehmen Sie ihn in Ihre Mitte. Ich mochte ihn nicht im Hause lassen, weil er der Unternehmendste von allen ist und auf den Gedanken kommen könnte, uns durch lautes Schnaufen zu verraten.«
»Aber man sieht Sie doch!« warnte der Desierto.
»Nein; die Büsche decken mich.«
»Wir sind in großer Sorge. Wie geht es?«
»Ausgezeichnet; viel besser, als ich vermuten konnte. Postieren Sie nun mehrere Leute in das Dunkel. Wir bringen Ihnen die jedesmal Überwältigten, da ich es doch für geraten halte, sie nicht im Bethause liegen zu lassen.«
Jetzt kehrte ich schleunigst nach dem Letzteren zurück, denn es war die Zeit, in welcher die ersten Fünf kommen mußten. Ein Sechster hatte den Kahn zu rudern und fuhr leer zurück.
Wir standen innerhalb des Hauses im Volldunkel. Die fünf kamen. Der Vorderste von ihnen tat eine Frage in seiner Sprache; Pena antwortete und wurde also für den Yerno gehalten. Die Kerle traten ein und fühlten im nächsten Augenblicke unsere Hände um ihre Kehlen. Als sie unschädlich gemacht worden waren, wurden sie hinausgetragen zu den Leuten, welchen der Desierto inzwischen befohlen hatte, die Gefangenen zu bewachen. So erging es jedem einzelnen Trupp, und es kam nicht ein einziges Mal vor, daß einer der Mbocovis Mißtrauen gefaßt hätte. Sogar der zu allerletzt ankommende Häuptling kam so getrost zur Türe herein, als ob er da zu Hause sei.
Die ganze Prozedur hatte ein wenig über eine Stunde gedauert. Als ich dem Desierto meldete, daß das schwierige Werk gelungen sei, wollte er es kaum glauben. Nur als er die Männer mit seinen eigenen Augen liegen sah, kam ihm die Überzeugung, daß wir fertig seien.
»Gott sei Dank!« seufzte er erleichtert auf. »Ich habe große Angst ausgestanden, weniger um uns als vielmehr um Sie beide. Wie aber haben Sie das fertig gebracht?«
Pena erzählte es ihm einstweilen in großen Zügen, und ich fügte hinzu:
»Nun meinen Sie aber nicht, daß die Gefahr vorüber sei! Die eigentliche und größere kommt erst noch. Der Sendador ist selbst im Anzuge mit einer noch viel zahlreicheren Schar. Der Yerno sagte es.«
»Dem Himmel sei Dank!«
»Wie! Sie erschrecken nicht?«
»Nein, sondern ich freue mich. Wir werden diesem Menschen das Handwerk legen.«
»Wir sind vielleicht zu schwach dazu.«
»O nein. Nachdem ich gesehen habe, was Sie wagen und fertig bringen, fühle ich mich stark genug. Sennor, ich habe Sie sehr um Verzeihung zu bitten. Ich traute Ihnen beiden nichts Gutes zu; ich beleidigte Sie; ich – – – «
»Pah! Sprechen Sie nicht davon!« unterbrach ich ihn. »Wir haben zunächst anderes und nötigeres zu tun. Senden Sie einige Kundschafter aus, welche die Annäherung des Sendadors erlauschen mögen. Damit aber ist's noch bis gegen morgen Zeit. Jetzt müssen wir vor allen Dingen die Gefangenen in Sicherheit bringen. Gibt es keinen Ort, von welchem sie nicht befreit werden können?«