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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Zitternd und voll Reu' und Schmerzen
Flieh' ich zu des Vaters Herzen.

Lied.

Ich kam in die Stadt, wo die arme Eugenie ihren letzten Athem verhaucht hatte. In der Nähe lag der Kirchhof, der ihre irdischen Ueberreste barg. Ich fuhr am Gasthof an, entließ den Postillon, schickte mein Gepäck auf Mein Zimmer und ging zu Fuß an Ort und Stelle. Man sagte mir, der Weg führe zwischen der Kirche und dem bischöflichen Palaste durch. Bald fand ich ihn, fragte nach dem Todtengräber, der in einem anstoßenden Häuschen wohnte und ersuchte ihn, mich zu einem gewissen Grabe zu führen, das ich nur zu deutlich bezeichnen konnte.

»Ach, Sie meinen die sanfte junge Dame, die aus Gram über den Verlust ihres Knäbleins starb. Dort ist es,« fuhr er, mit seinem Finger auf ein Grab deutend, fort; »jetzt sitzt der weiße Pfau auf dem Leichensteine; neben ihr liegt das Knäblein begraben.«

Ich nahete mich, und der bescheidene Todtengräber zog sich zartfühlend zurück, um mich ohne Zeugen dem Schmerze nachhängen zu lassen, der auf meinem wunden Herzen lastete. Ohne den Ausdruck der Ueberraschung und Wachsamkeit, den das zahme Geflügel gewöhnlich annimmt, wenn es in seinem Schlupfwinkel gestört wird, ohne nur sein Gefieder aufzurichten, blieb der Vogel sitzen. Das arme Thier mauserte; seine Federn waren verstört und in Unordnung, sein Schweif verstümmelt. Ich sah durchaus nichts Schönes an dem Thier, und wahrscheinlich wurde es blos deßwegen gehalten, um eine Varietät seiner Species zu repräsentiren. Mir war es, als hätte man es absichtlich Hieher versetzt, um mir eine Lehre zu geben. In seinem schmucklosen Gewand, in seiner düsteren und träumerischen Stellung schien es mir mit seinem bunten Gefieder auch die Welt und ihre Eitelkeit abgeworfen zu haben, während es in tiefem, Schweigen die zahlreichen Denksteine der Ewigkeit betrachtete.

»Dieß ist meine Aufgabe, nicht die deinige,« redete ich den Vogel an, der durch meine Annäherung erschreckt, seinen Posten verließ und zwischen den umliegenden Gräbern verschwand. Ich setzte mich nieder, heftete meine Augen auf den Namen, der auf dem Steine eingegraben war, und überflog schnell den ganzen Theil meines Lebens, der mit Eugeniens Geschichte in näherem Zusammenhang stand. Ich rief mir ihre vielen Tugenden zurück; ich erinnerte mich, wie sie sich für meine Ehre und mein Glück geopfert hatte, wie sie sich vor mir verborgen hielt, um nicht durch die Fortdauer eines Verhältnisses, in welchem sie meinen Untergang erblickte, meine Aussichten zu zerstören; ich gedachte ihrer Charakterfestigkeit, ihrer großmüthigen Uneigennützigkeit und ihrer reinen Freundschaft, in welcher sie Elend und Verlassenheit dem Umgange mit dem Geliebten ihres Herzens vorzog. Ach, sie hatte nur Einen Fehler, und dieser Fehler war ihre Liebe zu mir. Ich konnte den Gedanken nicht los werden, daß ich durch meine unselige und unerlaubte Verbindung mit ihr Alles verloren hatte, was mir das Leben werth machte.

In diesem Augenblicke fiel mir mein sonderbarer Traum ein. Seit dem Morgen, als ich aus ihm erwacht war, hatte ich mich nie mehr seiner erinnert. Die Gedanken, welche mir während meiner ereignißvollen Reise von den Bahamainseln bis zum Kap und von da nach England nie im wachenden Zustande vorgeschwebt waren, mußte mein Gehirn wenigstens im Schlafe beherrscht haben. Wie wäre es sonst möglich gewesen, daß es meiner Vernunft nie klar wurde, mein Verhältniß zu Eugenien müsse nothwendig meine Verbindung mit Emilien gefährden? Eugenie war es, welche Emilie in Trauerkleider hüllte, aus meinem Bereiche entfernte und gleichsam auf die Spitze des Kegelfelsens stellte. So hatte also mein Traum seine Auslegung gefunden, und ich fühlte jetzt alle Schrecken der Wirklichkeit, in denen ich damals nur die Wirkungen einer zerrütteten Einbildungskraft erblickt hatte. Dennoch konnte ich Eugenien keine Vorwürfe machen; das arme Mädchen war als Opfer der beklagenswerthen sinnlichen Erziehung gefallen, die ich im Kadettenraume eines Kriegsschiffes erhalten hatte. Ich, ich allein war der Schuldige. Sie hatte weder Freunde noch Eltern, welche die Schritte ihrer Jugend leiten konnten; sie fiel als ein Opfer meiner zügellosen Leidenschaften. Eine entsetzliche Angst erfüllte meinen Kopf und mein Herz; ich warf mich heftig auf das Grab, stieß meinen Schädel gegen das Gestein, rief in wildem Wahnsinn den Namen Eugeniens und sank endlich in einem Zustande von Betäubung und Erschöpfung zwischen die beiden Gräber auf den Rasen. Ein Strom von Thränen erleichterte meine Brust einigermaßen.

Rädergerassel und Hufschlag riefen mich in die Wirklichkeit zurück. Ich hob die Augen auf und sah den vierspännigen Wagen des Bischofs, von Reitern begleitet, vorüberfahren. Die Livree der Diener und die Farbe des Wagens war zwar, was wir »schlecht« nennen, aber doch war ein gewisser Prunk sichtbar, woran man bemerkte, daß der Eigenthümer der Hoffahrt und Eitelkeit dieser sündigen Welt noch nicht ganz entsagt hatte. Dieß brachte meine Galle in Aufruhr.

»Fahre nur dahin,« murmelte ich bitter, »würdiger Nachfolger der Apostel! Ich liebe den Stolz, der sich in Demuth kleidet. Ist dieß der Weg, auf dem ihr eurer Heerde nachrufet: ›Verlasset Alles und folget mir nach‹! Auf einmal sprang ich auf und sagte bei mir selbst: »Ich will diesen Mann in seinem Palaste aufsuchen und sehen, ob er mich gütig empfangen und trösten, oder durch einen Diener abweisen lassen wird.«

Ich war noch im Zustande des halben Wahnsinnes, als ich auf einmal den Gedanken faßte und eben so schnell in die That übergehen ließ. »Laßt mich einmal sehen,« sprach ich, »ob ein Bischof ein krankes Gemüth eben so zu behandeln vermag, als ein Landgeistlicher.«

Mehr in einem Anfall von Verzweiflung, als in der Absicht, den Frieden meiner Seele zu suchen, lief ich nach dem Palaste.

Ich zog heftig die Glocke und fragte, ob der Bischof zu Hause sei. Ein ältlicher Diener, der mich mit Erstaunen zu betrachten schien, antwortete bejahend und ersuchte mich, in ein Vorzimmer zu treten, während er mich seinem Herrn melden würde.

Jetzt begann ich, meine zerstreuten Sinne zu sammeln und von ihren Irrwegen zurück zu rufen. Ich erkannte die Albernheit meines Benehmens und stand eben im Begriffe, den Palast, in welchem ich auf eine so rauhe Weise eingedrungen war, wieder zu verlassen, ohne die Audienz abzuwarten, als der Diener die Thüre öffnete und mich ersuchte, ihm zu folgen.

Auf welch' unerforschlichen Wegen erreicht die Vorsehung ihre Absichten! Während ich blindlings den Eingebungen meiner Leidenschaften zu folgen wähnte, wurde ich rein durch die untrügliche Weisheit geleitet.

Ein Raub überreizter Gefühle, eine Beute von Verzweiflung, kostete ich im Vorgenuß die schadenfrohe Hoffnung, einen Heuchler zu entlarven – einen Mann, der Andern als Muster voranleuchten sollte, auf meiner Wage zu leicht zu finden; aber statt dessen taumelte ich meiner Erlösung entgegen. Wo ich Stolz und Hochmuth zu finden erwartete, fand ich Wohlwollen und Demuth. Nachdem ich mich in dem ganzen großen Kreise meines sichtbaren Horizontes umgesehen hatte und nirgends einen freundlichen Hafen erblicken konnte, um mein zerschelltes Fahrzeug darin zu bergen, sah ich die Zufluchtsstätte plötzlich vor mir.

Mit einer Art stumpfer Gleichgültigkeit folgte ich dem Diener, der mich vor einen Greis zwischen sechzig und siebenzig Jahren führte. Sein Gesicht hatte den Ausdruck des Wohlwollens, und seine ganze äußere Erscheinung, sowie seine weißen Haare forderten Ehrerbietung, die beinahe an Bewunderung gränzte. Ich war nicht darauf vorbereitet, mich gegen ihn auszusprechen. Er bemerkte es und begann freundlich:

»Da Sie mir fremd sind, so besorge ich, nach Ihren gramgefurchten Zügen zu urtheilen, es sei kein gewöhnlicher Fall, der Sie hieher führt. Setzen Sie sich. Sie scheinen sehr angegriffen, und wenn es in meiner Gewalt steht, Ihnen Erleichterung zu verschaffen, so dürfen Sie versichert sein, daß ich es thun werde.«

In seinem Benehmen und in seiner Sprache lag ein Ausdruck der Herzlichkeit, der mich entwaffnete. Ich konnte weder reden, noch ihm in's Auge blicken, legte den Kopf auf den Tisch, barg mein Gesicht in den Händen und weinte bitterlich. Der gute Bischof ließ mir hinreichend Zeit, mich zu sammeln, und fragte mich mit der Zartheit der feinen Bildung auf die freundlichste Weise, ob es mir nicht möglich sei, die Ursache meines Kummers zu entdecken.

»Lassen Sie sich weder durch Furcht noch durch Scham abhalten,« sagte er, »mir mitzutheilen, was Ihr Herz drückt. Wenn wir mit zeitlichen Gütern gesegnet sind, vergessen wir nicht, daß wir nur die Armenpfleger des Herrn sind, und suchen seinem Beispiele nachzufolgen; doch nach Ihrem Aeußern zu urtheilen, ist es nicht Geldunterstützung, die Sie suchen.«

»Nein, nein,« erwiederte ich, »Geld ist es nicht, was ich bedarf;« aber vom Sturme meiner Gefühle überwältigt, vermochte ich nicht weiter zu reden.

»Es ist offenbar ein wichtigerer Fall, als bloßer körperlicher Mangel,« sagte der gute Mann, »ihm könnten wir leicht abhelfen; in Ihrem Zustande glaube ich etwas zu sehen, das eine ernstere Aufmerksamkeit erfordert. Ich danke dem Allmächtigen, daß er mich zu diesem Dienste berufen. Unter seinem Segen hoffen wir des Erfolges nicht zu verfehlen.«

Er ging an die Thüre, rief eine junge Dame, die, wie ich später hörte, seine Tochter war, lehnte die Thüre an, um mich in meinem traurigen Zustande ihren Augen zu entziehen und sagte: »Liebe Caroline, schreibe an den Herzog, und bitte ihn, er möchte mich entschuldigen, wenn ich heute nicht mit ihm speise. Sage ihm, ich müsse wegen eines Geschäftes von Wichtigkeit zu Hause bleiben, und gib die nöthigen Befehle, daß ich auf keine Weise unterbrochen werde.« Hierauf drehte er den Schlüssel, setzte sich dicht an meine Seite und bat mich auf die einschmeichelndste Weise ihm Alles zu vertrauen, damit er die Mittel anwenden könnte, die der Fall zu erfordern schiene.

Zuerst bat ich um ein Glas Wein, welches augenblicklich gebracht wurde. Er nahm es dem Diener unter der Thüre ab und überreichte es mir eigenhändig.

Nachdem ich es getrunken hatte, entwarf ich eine kurze Schilderung meines Lebens im Allgemeinen, und erzählte ihm zuletzt Alles beinahe so ausführlich, als ich es dem Leser erzählt habe. Er hörte mir mit gespannter, schmerzlicher Theilnahme zu und fragte mich bei manchen wichtigen Veranlassungen um meine Gefühle. Nachdem ich ihm endlich eine aufrichtige und redliche Beichte ohne alle Bemäntelung abgelegt hatte, sprach er:

»Mein junger Freund, Ihr Leben war eine Reihenfolge besonderer Versuchungen und Ausschweifungen. Sie haben Vieles zu beklagen, Vieles sich vorzuwerfen und Vieles zu bereuen; aber der Zustand Ihrer Gefühle, der Sie zu mir geführt hat, ist ein Beweis, daß Sie jetzt nur dasjenige suchen, was ich Ihnen mit Gottes Hülfe geben zu können hoffe. Es ist spät, und wir bedürfen beide einiger Erfrischung. Ich will das Mittagessen bestellen, und Sie müssen in Ihren Gasthof schicken und sich Ihren Mantelsack holen lassen.« Als er bemerkte, daß ich im Begriff war, mich zu entschuldigen, setzte er hinzu, »ich nehme keine abschlägige Antwort an. Sie haben sich meiner Seelsorge anvertraut und müssen meinen Verordnungen Folge leisten. So hoch die Seele über dem Körper steht, so hoch steht meine Pflicht über der Pflicht des Arztes.«

Nachdem das Mittagessen aufgetragen war, entließ er die Diener sobald als möglich, und legte mir manche Frage über meine Familie vor, die ich ihm alle ohne Rückhalt beantwortete. Unter anderem erwähnte er auch einmal Miß Somerville; aber ich wurde so tief ergriffen, daß er meine Qual bemerkte und, mir ein Glas Wein eingießend, auf einen andern Gegenstand überging. Wenn ich glauben könnte, daß Worte von mir die überzeugende Beredtsamkeit dieses würdigen Bischofs erreichen könnten, so würde ich der Welt durch die Veröffentlichung seiner Gespräche eine Wohlthat erweisen; aber es ist unmöglich für mich, und hoffentlich wird keiner von meinen Lesern des Trostes so sehr bedürfen, als ich desselben bedurfte. Deßhalb will ich nur kurz anführen, daß ich in der vollkommensten Abgeschiedenheit zehn Tage lang im Palaste verweilte.

Jeden Morgen widmete der gute Bischof zwei bis drei Stunden meiner Belehrung um Besserung. Zugleich gab er mir einige Bücher, worin er die Stellen bezeichnet hatte, die ich lesen sollte. Er wollte mich seiner Familie vorstellen, aber ich bat ihn, es vor der Hand ablehnen zu dürfen, weil ich zu niedergeschlagen und schwermüthig sei. Er willfahrte mir, und ich durfte ungestört in den Zimmern bleiben, die er mir eingeräumt hatte.

Am siebenten Morgen kam er zu mir und sagte nach einem kurzen Gespräche, daß er auf zwei bis drei Tage durch Geschäfte abgerufen sei, und daß er mir eine Aufgabe zutheilen wolle, die mich so lange beschäftigen könne, bis die kurze Zeit vorüber sein werde. Er gab mir eine Schrift über das heilige Abendmahl in die Hand und sagte: »ich bin überzeugt, Sie werden sie mit besonderer Aufmerksamkeit lesen, so daß ich Sie bei meiner Rückkehr zu der heiligen Feier einladen darf.« Mit zitternder Hand öffnete ich das Buch. »Fürchten Sie nichts, Herr Mildmay,« fuhr er fort: »nach den Merkmalen zu schließen, die ich in Ihrem Zustand entdecke, sage ich Ihnen, daß die Heilung vollständig sein wird.«

Nach diesen Worten gab er mir seinen Segen und ging. Am Ende des dritten Tages kehrte er zurück, und nach einer kurzen Prüfung erlaubte er mir, das heilige Sakrament zu empfangen. Weil er wußte, wie tief ich dadurch erschüttert werden würde, nahm er die heilige Handlung in seinem eigenen Zimmer vor. Er brachte das Brod und den Wein, und nachdem er sie in der vorgeschriebenen Form geweiht und selbst davon genossen hatte, sprach er ein kurzes Gebet aus dem Herzen für mich.

Hierauf trat er auf mich zu und reichte mir das Brod. Mein Blut erstarrte, wie ich es in den Mund nahm; und als ich den Wein gekostet hatte, das Blut des Erlösers, dessen Wunden ich auf meiner verbrecherischen Laufbahn so oft auf's Neue geöffnet hatte, und von dessen Verdiensten ich jetzt meine Vergebung erwarten mußte, fühlte ich zugleich Liebe, Dankbarkeit, Freude und eine Leichtigkeit und Schwungkraft der Seele, als könnte ich, der schweren Bürde entledigt, die mich bis jetzt zu Boden gedrückt hatte, die Erde unter mir zurücklassen. Ich fühlte, daß ich glaubte – daß ich ein neuer Mensch geworden war – daß ich Vergebung meiner Sünden erlangt hatte, und verharrte, den Kopf auf den Tisch gelehnt, mehrere Minuten lang in glühendem Dankgebet.

Nachdem der Gottesdienst vorüber war, beeilte ich mich, gegen meinen verehrungswürdigen Freund den innigsten Dank auszusprechen.

»Ich bin das demüthige Werkzeug, mein theurer, junger Freund,« sagte der Bischof; »lassen Sie uns beide dem Allmächtigen danken, welcher die Herzen erforscht. »Lassen Sie uns hoffen, daß das Werk vollendet ist – denn in diesem Falle wird Freude im Himmel sein! Und nun erlauben Sie mir noch eine Frage,« fuhr er fort, »fühlen Sie sich in der Gemüthsverfassung, einen Kummer, der Sie treffen könnte, ohne Murren zu ertragen?«

»Ich hege das Vertrauen, Sir, daß ich ihn nicht nur freudig, sondern auch dankbar hinnehmen werde, und ich erkenne es jetzt an, daß es zu meinem Besten diente, wenn mir ein Unglück widerfuhr.«

»Dann ist Alles recht,« sprach er; »wenn Sie solche Gefühle hegen, so wage ich es, Ihnen einen Brief zu geben, den ich Ihnen eigenhändig zu überliefern versprochen habe.«

Als ich meine Blicke auf die Aufschrift richtete, rief ich aus: »Barmherziger Himmel! Von Emilien!« »Von ihr ist er,« sagte der Bischof. Ich riß ihn auf. Er enthielt nur fünf Linien, welche also lauteten:

»Unser gemeinschaftlicher liebevoller Freund, der Bischof hat mir bewiesen, wie stolz und thöricht ich gewesen bin. Vergib mir, mein theuerster Frank, denn ich habe zu viel gelitten und komm so bald als möglich zu deiner dich ewig liebenden

Emilie.«

Dieß war also der Zweck der Abwesenheit des ehrwürdigen Bischofs gewesen. Von Alter und Kränklichkeit gebeugt, hatte er eine Reise von dreihundert Meilen unternommen, um einem Menschen, der ihm völlig fremd war, die zeitliche und ewige Wohlfahrt zu sichern – um eine Versöhnung zu Stande zu bringen, von welcher er wußte, daß mein irdisches Glück ohne dieselbe nie vollständig werden konnte. Ich erfuhr später, daß er ungeachtet des Gewichtes, das ihm sein Charakter und sein heiliges Amt gab, Emilien weit entschiedener bei ihrer Verwerfung fand, als er erwartet hatte. Erst nachdem er ihr strenge Vorwürfe über ihren Stolz und ihre Unversöhnlichkeit gemacht hatte, konnte sie dazu vermocht werden, seinen Worten ein geduldiges Gehör zu schenken, und als er sie endlich überzeugt hatte, daß die Erfüllung ihrer eigenen Hoffnungen von der Verzeihung abhange, die sie Andern angedeihen lasse, ward sie erweicht, erkannte die Wahrheit seiner Bemerkungen an, und gestand, daß ihre Liebe gegen mich noch immer die gleiche sei. Wahrend dieses Bekenntnisses lag sie, wie ich beim Empfang ihres Briefes, weinend vor dem Bischof auf den Knieen. Er gab mir die Hand und richtete mich auf. »Und nun, mein junger Freund,« sagte er, »lassen Sie sich eine Warnung geben. Ich hoffe und vertraue zu Ihnen, daß Ihre Reue aufrichtig ist. Wäre dieß nicht der Fall, so müßte die Schuld auf Ihrem Haupte bleiben; aber ich vertraue zu Gott, daß Alles ist, wie es sein soll. Deßhalb will ich Sie nicht länger aufhalten. Sie müssen voll Ungeduld Ihrer Abreise entgegensehen. Erfrischungen sind für Sie bereit, meine Pferde sollen Sie bis zur ersten Station führen. Sind Sie hinreichend mit den Mitteln zu der Reise versehen? Denn sie ist lang, das können meine alten Beine bezeugen.

Ich versicherte ihn, daß ich keines Geldes benöthigt sei, dankte ihm auf's Gerührteste für seine Güte, und drückte den Wunsch aus, es möchte in meiner Gewalt stehen, meine Dankbarkeit zu beweisen. »Stellen Sie mich auf die Probe, Mylord,« sagte ich, »wenn es Ihnen möglich ist.«

»Gut, das will ich,« erwiederte er: »wenn der Tag Ihrer Vermählung mit Miß Somerville festgesetzt ist, so erlauben Sie mir das Vergnügen, Ihre Hände in einander zu legen, sofern es Gott gefällt, mich so lange zu erhalten. Die Krankheit habe ich gehoben, aber die Pflege, die der Genesene erfordert, um vor Rückfällen gesichert zu werden, muß ich Andern überlassen. Und glauben Sie mir, mein theuerster Freund, so freudig entschlossen ein Mann auch nur sein mag, auf dem rechten Wege zu bleiben, so leistet ihm die Leitung und das Beispiel eines liebenswürdigen und tugendhaften Weibes keinen geringen Beistand.

Ich versprach Alles bereitwillig, was er verlangte; nachdem ich ein leichtes Frühstück zu mir genommen hatte, drückte ich dem würdigen Prälaten noch einmal die Hand, sprang in meinen Wagen und fuhr von bannen. Ich reiste die ganze Nacht hindurch, und befand mich am folgenden Tage in der Gesellschaft derjenigen, die ich liebte, und die mich liebten, und trotz meiner Verkehrtheit und Thorheit stets geliebt hatten.

Wenige Wochen darauf wurden Emilie und ich von dem ehrwürdigen Bischof getraut, der uns mit großer Rührung seinen Segen gab; und da das Gebet des Gerechten viel vermag, so empfand ich in meinem Herzen, daß es im Himmel für uns erhört wurde. Herr Somerville führte die Braut zum Altare, mein Vater wohnte mit Talbot und Klara dem Feste bei, und wir Alle waren nach den vielen seltsamen Wechseln meiner Laufbahn bei dieser Versöhnung und Vereinigung auf's Tiefste ergriffen.


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