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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Sie lenkten in eine lange und breite Straße ein, in welcher auch nicht ein einziges lebendiges Wesen die Perspektive unterbrach. Die Einsamkeit ist nie so überwältigend, als wenn sie unter den Werken der Menschen auftritt. In uralten Wäldern oder auf den Gipfeln der Berge ist sie reizend und wohlthätig, denn dort ist sie zu Hause; aber mitten unter dicht gedrängten Wohnungen hat sie ein geisterhaftes Aussehen.

Inesilla.

Wir hatten den Befehl, das amerikanische Geschwader aufzusuchen, welches unsern Handel so sehr beeinträchtigt hatte, und steuerten zu diesem Zwecke auf die afrikanische Küste los. Ungefähr zehn Tage waren wir in See, als wir vom Mastkorbe aus ein Segel erblickten. Wir mochten gegen hundertundachtzig Meilen von den Inseln des grünen Vorgebirges entfernt sein. Sogleich setzten wir alle Segel zur Jagd bei und erkannten in dem Fahrzeuge bald eine große Fregatte, welche durchaus keinen Widerwillen verrieth, mit uns zusammenzutreffen, aber von Zeit zu Zeit augenscheinlich mit uns in die Wette segelte. Ihre Bewegungen ließen uns nicht in Zweifel, daß es ein amerikanisches Schiff war, und wir rüsteten uns zum Gefechte.

Der Kapitän hatte vermuthlich noch keinem Seetreffen beigewohnt, oder wenn dieß der Fall war, Alles vergessen, was er gelernt hatte. Um sein Gedächtniß aufzufrischen, legte er die berühmte Epitome von John Hamilton Moore, – einem Schriftsteller, der zwar jetzt veraltet ist, aber damals für einen der einsichtsvollsten Männer galt, die jemals über Seeschlachten geschrieben hatten – vor sich auf den Kapstankopf. John, der über jeden Gegenstand eine Menge Rathschläge ertheilt, belehrt uns unter andern schätzenswerthen Anleitungen, wie wir auf die beste und erprobteste Weise ein Schiff in's Gefecht bringen und, wenn wir können, später den Feind nehmen sollen. Aber besagter John muß entweder der Meinung gewesen sein, die Kugeln können durch den gleichen Proceß, durch die er seine Nase entflammte, in Rothglühhitze versetzt werden, oder er muß die in solchen Fällen in See »üblichen Sitten und Gebräuche« gänzlich vergessen haben, denn er empfiehlt uns als Vorspiel, oder ersten Gang der bevorstehenden Mahlzeit, eine gute Dosis rothglühender Kugeln, um die Gäste damit zu bewirthen, sagt uns aber nicht, wo dergleichen Gerichte zubereitet werden. Es steht gar nicht zu bezweifeln, daß eine volle Lage solcher Ingredienzien ein hübsches Desideratum zu Gunsten des Sieges abgeben würde, und zwar besonders unter der Voraussetzung, daß sie vom Feinde nicht erwiedert werden könnten.

So dachte auch Seine Lordschaft. Er ging zum ersten Lieutenant und sagte:

»Herr Dings da, meinen Sie nicht, man sollte eine volle Ladung roth glühender, wie nennen Sie's, auf das Ding's dort loslassen?«

Roth glühende Kugeln, meinen Sie, Mylord?«

»Ja,« erwiederte Seine Lordschaft; »meinen Sie nicht, die würden der Sache bald ein Ende machen?«

»Wo Teufels sollen wir aber die her bekommen, Mylord,« erwiederte der erste Lieutenant, welcher nicht mehr derselbe war, von dem ich einst heraus gefordert wurde, weil ich ihn mit seinem Kapitän verglich. (Die Umtriebe Herrn Kriechers hatten diesen aus dem Schiffe entfernt.)

»Sehr wahr,« bemerkte Seine Lordschaft.

Wir näherten uns jetzt dem fremden Fahrzeuge sehr schnell, als es sich zu unserem großen Bedauern herausstellte, daß es eine englische Fregatte war. Wir wechselten das Privatsignal und zeigten einander unsere Nummern, worauf der Kapitän der Fregatte, welcher jünger war, als der unsrige, zu uns an Bord kam, um seine Ehrfurcht zu bezeigen und seine Befehle vorzuweisen. Er war erst vor drei Wochen von England abgefahren und brachte die Nachricht vom Frieden mit Frankreich mit, so wie unter andern Neuigkeiten auch eine Flottenliste, welche dem Seeoffizier in fernen Zonen, nächst einer Flasche Londoner Porter, der größte Genuß ist.

Begierig durchliefen wir Alle das anziehende kleine Buch, und ich war überglücklich, unter den neuernannten Kommandeuren auch meinen Namen zu finden. Er war zwar der letzte auf der Liste, aber dies bekümmerte mich wenig. Ich empfing die Glückwünsche meiner Bekannten; wir trennten uns von der fremden Fregatte und steuerten nach dem Eiland St. Jago, weil unser Kapitän die Absicht hatte, in Port Praja-Bay seine Wassertonnen zu füllen, bevor er das amerikanische Geschwader aufsuchen wollte.

Wir trafen ein Sklavenschiff im Hafen, das von einem Flottenoffizier nach England geführt werden sollte, und ich hielt es für eine gute Gelegenheit, mein Schiff zu verlassen, denn nun ich wußte, daß ich Commandeur war, hatte ich keine große Neigung als Lieutenant zu dienen. Aus vielen Gründen, unter denen die Hand meiner Emilie oben an stand, sehnte ich mich nach England. Ich bat den Kapitän um die Erlaubniß, das Schiff zu verlassen. Weil er einem seiner Günstlinge einen aktiven Officiersdienst zuzuweisen wünschte, willfahrte er mir. Ich nahm Abschied von meinen Tischgenossen und meinem Kapitän, der zwar ein fühlloser Geck und nichts weniger als Seemann war, aber dennoch auch seine guten Seiten hatte. Seine Lordschaft war in der That ein Gentleman, und hätte sich sein Schiff mit einem Feinde zu messen gehabt, so wäre es heiß hergegangen, denn er hatte gute Offiziere und war sich seiner eigenen Unfähigkeit hinreichend bewußt, um guten Rath anzunehmen; auch besaß er einen Heldenmuth, der auf der Flotte vielleicht seines Gleichen suchte.

Am dritten Tage nach unserer Ankunft segelte die Fregatte ab. Ich ging auf das Sklavenschiff, fand jedoch nur vier Sklaven an Bord, welche Matrosendienste verrichteten. Es war in einem schmutzigen Zustande, aber was konnte ich machen? Am Lande war kein Gasthof, Port-Praya ist der einzige gute Ankerplatz des Eilandes; die alte Stadt St. Jago war verödet, weil bloß eine offene Rhede vor ihr lag, wo man nur mit Gefahr ankern konnte.

Die Stadt Port-Praya ist eine erbärmliche Sammlung von Lehmhütten; die Wohnung des Gouverneurs und außer ihr noch ein anderes Haus sind besser gebaut, aber schlechter eingerichtet, als ein englisches Bauernhaus. Nicht zehn Portugiesen befanden sich auf der Insel; dagegen war sie von mehr als zehntausend Schwarzen bewohnt, die ursprünglich sämmtlich Sklaven waren. Dennoch ging alles friedlich zu, obgleich täglich neue Sklavenschiffe ankamen.

Die verschiedenen Stämme waren leicht zu unterscheiden. Die Yattoffe sind große, nicht sehr kräftig gebaute Menschen, welche meistentheils Soldaten sind. Ich sah zehn von ihnen neben einander stehen, und der Kleinste maß nicht weniger als sechs Fuß, zwei bis drei Zoll. Die Fulahs aus dem Ashantilande, die einen andern Stamm bilden, haben einen starken muskelkräftigen Körperbau, abstoßende Züge und einen heimtückischen, verräterischen Charakter. Die Mandingus sind kleiner, als die übrigen Stämme, aber gutartig und lenksam.

Die Insel wird blos durch Sklaven in Unterwürfigkeit erhalten. Sie werden als Soldaten ausgehoben und bekommen eine erbärmliche Ausrüstung. Eine Mütze und eine Jacke war Alles, was sie der Kunst verdanken, für den übrigen Theil ihrer Uniform sorgte die Natur. Nur die Ordonnanz des Gouverneurs hatte ein paar Hosen, und dieses war fortwährend im Dienst, indem es nach der Reihenfolge von einem zum andern überging.

Ich machte dem Gouverneur meine Aufwartung. Obgleich ein Portugiese, folgte er der Mode, die auf der Insel herrschte, und war so schwarz, als die meisten seiner Unterthanen. Nach einigen französischen Komplimenten verabschiedete ich mich. Ich war begierig, die alte verlassene Stadt Jago zu sehen, und nach einem zweistündigen heißen Gange über unangebauten Boden, der mit schönen Ziegen, der Stapelwaare des Eilandes, bedeckt war, erreichte ich den öden Ort.

Er gewährte einen düstern Anblick; das menschliche Geschlecht schien ausgestorben. Die Stadt liegt auf einer breiten Anhöhe, die sich gegen das Meer hinabsenkt; die Häuser sind massiv und schön, und die regelmäßigen und gepflasterten Straßen beweisen, daß die Stadt einst von einiger Bedeutung war; aber höchst auffallend ist es, wie ein so unfruchtbares Land, als diese Insel im Allgemeinen ist, je einen blühenden Handel haben konnte. Auf jeden Fall muß dies vor der Zeit Statt gewesen sein, in welcher die Portugiesen das Kap der guten Hoffnung umschifften; und die Festigkeit und sogar Zierlichkeit der Bauart rechtfertigt diese Muthmaßung.

Die Mauern waren massiv und standen noch unverletzt; die Kirchen waren zahlreich, aber gleich den Wohnhäusern größtenteils abgedeckt. Mitten in den Straßen standen Bäume von beträchtlicher Höhe, welche das Pflaster durchbrochen und die Steine emporgehoben hatten; und die Klostergärten waren zur bloßen Wildniß geworden. Die Kokosnußbäume streckten ihre langen Wipfel aus einer Menge von Dächern und Giebeln hervor, und die Banana hatte die Fenster mit ihrem üppigen Laubwerk durchbrochen. Die einzigen Bewohner der Stadt, die eine Bevölkerung von zehntausend Seelen zu fassen vermochte, waren einige wenige Mönche, die in einer erbärmlichen Ruine hausten, welche einst ein schönes Kloster gewesen. Es waren die ersten Neger-Mönche, die ich je gesehen hatte; ihre Kutten waren so schwarz, als ihre Gesichter und ihr Haar grau und wollig. Ich vermuthete, sie hätten diesen Stand erwählt, weil er der trägste ist, konnte aber nicht ausfindig machen, wodurch sie ihren Lebensunterhalt gewannen, denn es war Niemand hier, der ihnen Almosen geben konnte.

Das Aeußere der armen Mönche erhöhte den nekromantischen Charakter, welche der ganzen Umgebung aufgedrückt war, und die ehrwürdigen Trümmer trugen das Gepräge einer Schönheit und Anmuth, die mich unwiderstehlich anzog. Eine feierliche Stille herrschte in der Stadt; aber eine leise Stimme flüsterte mir zu: »So mag seiner Zeit auch London und Paris aussehen; und du und deine Kindeskinder werden alle gelebt und geliebt und ihre Abenteuer bestanden haben; aber wer wird der Unglückliche sein, der von dem Gipfel des Primrose-Hill auf die öden Trümmer der ungeheuren Stadt hinabsieht, wie ich jetzt von dieser kleinen Anhöhe auf das einst so blühende St. Jago?«

Ziegen weideten auf dem Abhange des Hügels und die Jungen hüpften in luftigen Sprüngen um ihre Mütter. »Vielleicht bilden sie.« dachte ich, »die einzige Speise und Nahrung der armen Mönche.« Ich ging nach Port-Praya und kehrte auf mein schwimmendes Gefängniß, das Sklavenschiff, zurück. Der Offizier, der es als Prise nach England zu führen hatte, war ein Mann von abstoßendem Charakter, der mir nicht gefiel; wir hatten keinen weitern Verkehr mit einander, als die gewöhnliche Höflichkeit erforderte. Er war ein alter Steuermannsgehülfe, der seine Zeit wohl dreimal durch gedient hatte; aber da es ihm eben sowohl an persönlichem Verdienst, als an Freunden fehlte, welche diesen Mangel ersetzen konnten, war er nie befördert worden, und betrachtete also natürlich einen jungen Commandeur mit Neid. Bloß Gründe, denen er nicht widerstehen konnte, hatten ihn dazu bestimmt, mich an Bord zu nehmen; erstens war er genöthigt, den Befehlen meines früheren Kapitäns zu gehorchen, zweitens konnte meine Börse die Kajüte mit den nöthigen Erfrischungen in Gestalt von Obst, Geflügel und Vegetabilien versehen, welche zu Port-Praya zu haben sind, und folglich sah er sich in die Nothwendigkeit versetzt, die Last meiner Gesellschaft zu ertragen. Ich fand, daß das Schiff am folgenden Tage noch nicht unter Segel gehen konnte, wie er es beabsichtigt hatte. Deshalb nahm ich mit Tagesanbruch meine Flinte und durchstreifte die Thäler mit einem Führer, um wilde Truthühner oder Guineahühner zu schießen, an welchen das Eiland Ueberfluß hat; aber sie waren so scheu, daß ich nie zum Schuß kommen konnte. Ich machte den Rückweg über die Hügel, weil mir mein Führer versicherte, daß dies der kürzeste sei. Von meiner Wanderung ermüdet, war es mir nicht unerfreulich, in ein schattiges Thal zu gelangen, wo die Palmette und Platane einen freundlichen Schutz gegen die brennende Sonne gewährte. Mit bewunderungswürdiger Behendigkeit erkletterte mein Führer einen Kokosnußbaum und warf mir ein halb Dutzend grüne Nüsse herunter, deren Milch mir der erfrischendste und köstlichste Trunk dünkte, den ich je gekostet hatte.

Eben riefen die Vesperglocken in Port-Praya die armen Negermönche zum Gebet, und zugleich machte sich unter den kleinen schwarzen Buben und Mädchen, von denen ich bis jetzt noch nichts gesehen hatte, ein rührendes und lärmendes Treiben bemerkbar. Sie stürzten aus den Gebüschen hervor und versammelten sich vor der einzigen Hütte, die meinem Auge sichtbar war. Ein großer bejahrter Neger trat aus der Thüre und setzte sich auf einen Rasenhügel, der nur wenige Fuß entfernt lag. Ihm folgte ein Bursche von ungefähr zwanzig Jahren, der eine furchtbare »Kuhhaut« in der Hand trug. Zur Belehrung meiner Leser muß ich bemerken, daß eine Kuhhaut eine große, aus dem Fell der Seekuh oder des Hippopotamus bereitete, reitgertenartige Peitsche ist, welche sich durch die furchtbaren Streiche, die damit ausgetheilt werden können, einen gegründeten Ruf erworben hat. Hinter dem Repräsentanten der vollziehenden Gewalt folgten mit langsamen und abgemessenen Schritten die armen kleinen Verbrecher, fünf Knaben und drei Mädchen, die sich mit dem Ausdrucke des Jammers auf ihren Gesichtern in einer Linie vor dem alten Manne aufstellten.

Bald bemerkte ich, daß die Mannschaft hier zum Peitschen versammelt war, aber das Verbrechen sollte ich erst noch erfahren; auch wußte ich nicht, ob Befehl zur Entkleidung gegeben war. Bei den Knaben wäre dieser überflüssig gewesen, da sie ganz nackt waren. Die Mädchen hatten baumwollene Hemden an, welche sie nur langsam und mit Widerstreben aufrollten, bis sie dieselben dicht unter ihren Achselhöhlen zusammenhielten.

Jetzt befahl der Greis dem ältesten Knaben, sein Paternoster zu beginnen, und zugleich schwang der Peitschenmeister zur Aufmunterung seine Kuhhaut. Der Arme schielte aus dem Winkel seines Auges nach dem furchtbaren Werkzeug und begann: »Pateri nobstor, qui, qui, qui (hier empfing er einen schweren Hieb mit der Kuhhaut) – »aes in Sellis,« heulte der Knabe, als hätte die Anwendung der äußeren Gewalt auf seinen Rücken durch die Stärke der bewegenden Kraft die Fortsetzung aus seinem Munde herausgeschlagen – sangti fiseter nom tum, ad veni regnum tum, fi notuntass, ta, ti tu, terror« heulte der arme Bursche, als die Ruthe der Zucht auf seinen wehrlosen Rücken niederfiel.

»Allerdings terror,« dachte ich.

»Pannum nossum quotiddi hamminum da nobs hoddi; e missi nobs debitti nossa si cut nos demiddimissibus de petoenibas nossimus e, ne, nos hem-duckam in, in, in templationemum, sed lilliberi nos a mal – mal –« hier trieb ein schwerer Hieb die Ergänzung des Satzes, das O, vollends heraus.

Meine Leser dürfen nicht glauben, daß die übrigen Schüler ihre Aufgabe mit eben so viel Geschicklichkeit lösten, wie ihr Anführer, der in Vergleich mit ihnen ein wahrer Gelehrter war. Sie erhielten beinahe vor jedem einzelnen Worte einen Peitschenhieb. Zuerst wurden die Knaben vorgenommen; vermuthlich sollten sie in den vollen Genuß der Muskelkraft ihres Zuchtmeisters gesetzt werden; während die armen Mädchen noch das besondere Vergnügen hatten, die Zurechtweisung mit anzusehen, die bald an sie selbst kommen sollte. Daß sie vollkommen wußten, was ihrer wartete, ging aus den Vorbereitungen hervor, die sie im Anfange des Schauspieles mit der Gewandung getroffen hatten. Eines um das andere wurde vorgerufen, um sein Ave Maria, als das ihrem Geschlechte angemessenere Gebet herzusagen; aber kaum konnte ich meine Wuth bändigen, als die scheußliche Kuhhaut auf sie angewendet wurde, oder mein Gelächter unterdrücken, wenn sie unter ihren Streichen benedicta mulieribus heulten, indem sie den beleidigten Theil krampfhaft mit ihren kleinen Händchen drückten.

Ich hätte dem jungen Neger die Peitsche aus der Hand reißen und ihn sammt seinem alten Schurken von Herrn, dem Vater der armen Kinder, wie ich nachher erfuhr, aus Leibeskräften damit züchtigen mögen. Meine Geduld war beinahe zu Ende, als das zweite Mädchen für ihr plena gratia einen Hieb erhielt. Es kreischte und tanzte und hob ihre Beine krampfhaft in die Höhe, während es sich seine Westseite, wie es die Damen in Philadelphia nennen, mit einem solchen Eifer rieb, als hätte der Arzt eine Friktion verordnet.

Doch die Hauptsache sollte noch kommen. Ehe der Vorhang fiel, mußte noch ein Bühneneffekt hervorgebracht werden. Das jüngste Mädchen hatte seine Aufgabe so schlecht auswendig gelernt, daß selbst die Kuhhaut kein Wort aus ihm herausbringen konnte; ein durchdringendes Geschrei, das mein Herz zu zerreißen drohte, war Alles, was das arme Schlachtopfer zu äußern vermochte. Ergrimmt über die Unfähigkeit des Kindes, im Gedächtniß zu behalten, was es nicht verstand, sprang der Alte von seinem Sitze auf und streckte es bewußtlos zu Boden.

Ich konnte es nicht länger mit ansehen. Mein erster Gedanke war, dem Neger die Kuhhaut aus der Hand zu reißen und das arme Kind zu rächen, welches blutend und ohne Bewegung am Boden lag; aber ich sann einen Augenblick nach und begriff, daß ein solcher Schritt dem Unglücklichen nach meiner Entfernung eine doppelte Züchtigung zuziehen würde. Deßhalb nahm ich meinen Hut, wandte mich mit Abscheu weg und ging langsam der Stadt und Bucht Port-Praya zu, während ich darüber nachdachte, welch' heitere Begriffe die armen Geschöpfe von der Religion bekommen müssen, wenn sich an den Namen Gottes unwandelbar der Gedanke an die Kuhhaut knüpfte. Ich parodirte den Ansang einer von Watt's Hymnen:

»Herr, wie lieblich ist's zu hören,
Wie die Deinen Dich verehren!«

Der Unwille, den ich gegen den rohen und unwissenden Neger fühlte, war mit schmerzlichen Erinnerungen an meine eigene Kindheit vermengt, wo man in meinem christlichen und protestantischen Lande Bibel und Gebetbuch zu Gegenständen des Schreckens für mich gemacht hatte; Aufgaben, welche meine Fassungskraft überstiegen, und entsprechende Züchtigungen waren nicht sehr geeignet, Geist und Herz eines starrköpfigen Jungen für religiöse Belehrung empfänglich zu machen.

Am Ufer angekommen, ging ich an Bord meines Sklavenschiffes, und am folgenden Tage traten wir unsere Fahrt nach England an. Wir hatten den günstigsten Wind, bis wir den Eingang in den Kanal erreichten, wo ein Nordost aufsprang und uns so weit nach Süden trieb, daß sich der Prisenmeister in die Nothwendigkeit versetzt sah, in den Hafen von Bordeaux einzulaufen, um sein Schiff auszubessern und den Wasservorrath zu ergänzen.

Ich bedauerte es keineswegs, denn ich war der Gesellschaft dieses Offiziers müde. Er besaß eben so wenig Bildung, als Gemüth, und war weder Seemann noch Gentleman. Gleich vielen andern Angestellten der Flotte, welche am lautesten über Hintansetzung schreien, war er meines Erachtens selbst in seinem gegenwärtigen Rang, was wir einen »schlechten Handel für den König« nennen – d. h. sein Salz nicht werth. Leute seines Gelichters zu befördern, heißt nur dem Staate das Geld aus der Tasche stehlen. Sobald wir in der Gironde auf der Höhe der Stadt Bordeaux Anker geworfen und der betreffenden Behörde unsere Aufwartung gemacht hatten, verließ ich das Schiff und seinen Kapitän, und ging an's Land.

Ich schlug meine Wohnung im Hôtel d'Angleterre auf, bestellte vor Allem ein gutes Mittagessen, und nachdem ich dieses verzehrt und mit einer Flasche vin de Beaune – ich bin kein übler Kenner und empfehle allen Reisenden dringend, sich diesen Wein geben zu lassen, wenn sie ihn bekommen können – hinuntergeschwemmt hatte, fragte ich meinen valet de place, wie ich für den Rest des Abends über mich verfügen könne?

»Mais, Monsieur,« erwiederte er, »il faut aller au spectacle.«

»Allons« sagte ich, und nach wenigen Minuten saß ich in einer Loge des schönsten Theaters der Welt.

Welch' seltsame Ereignisse – welch' unerwartete Zusammenkünfte und plötzliche Trennungen knüpften sich an das Loos eines Seefahrers – welch' rasche Uebergänge von Schmerz zur Freude, von der Freude zum Schmerz, vom Mangel zum Ueberfluß, vom Ueberfluß zum Mangel! Die sechs letzten Monate aus der Geschichte meines Lebens liefern hiezu die schlagendsten Beweise.


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