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Wo die fernen Bermuda's liegen.
An des Oceans Busen.
Andrew Marvelt.
Diese Inseln haben eine ganz eigenthümliche Schönheit, die sie beinahe zu einer Feenwohnung stempelt. Sie bestehen aus einer Gruppe von Felsen, welche von Zoophyten oder Korallen gebildet sind. Es sollen ihrer so viele sein, als Tage im Jahr. Sie sind mit einem kurzen Rasengrün, dunkeln Cedern und niederen weißen Häusern bedeckt, was ihnen einen unbeschreiblichen Zauber der Anmuth verleiht. Die Häfen sind zahlreich, aber seicht, und ob sie gleich eine Menge Einfahrten haben, so gibt es doch für große Schiffe nur ein einziges Fahrwasser zum Hauptankerplatze.
In jedem Theile der Insel finden sich zahlreiche Höhlen, an deren Decke Zacken von Stalactiten funkeln, welche von dem Tropfwasser gebildet sind. Sie enthalten Quellen von entzückender Kühle, die eben sowohl den Durst löschen, als zum Baden geeignet sind. Nach der Vorstellung der Matrosen schwimmen diese Inseln, und die Kruste, aus der sie bestehen, ist so dünn, daß sie mit leichter Mühe durchbrochen wird. Ein Matrose, der im Wachthause eingesperrt war, weil er sich betrunken und schlecht aufgeführt hatte, stampfte auf den Boden und brüllte der Wache zu: »Laß mich heraus, oder deine verdammten Augen werden sehen, daß ich ein Loch in den Boden trete und euere Inseln versenke, um euch alle mit einander in die Hölle zu schicken!« Beinahe in jeder Richtung, hauptsächlich aber auf der Nord- und Westseite, finden sich Felsen und Untiefen, die den eingeborenen Lootsen wohl bekannt sind und die Bewohner vor nächtlichen Ueberfällen und Angriffen sichern.
Die Inseln sind reich an verschiedenen Gattungen von Fischen, die eben so schön für das Auge, als köstlich für den Geschmack sind; die beste derselben ist der rothe Grouper. Wenn man an einem stillen klaren Tage auf seinem Boote zwischen diesen lieblichen Eilanden einhergleitet, so glaubt man über einem unterseeischen Blumengarten zu schweben, worin Baumgruppen, Gebüsche, Blumen und Sandpfade sich in wilder, aber regelmäßiger Verwirrung durchkreuzen.
Meine Hauptbeschäftigung führte mich auf's Wasser, und meiner Gewohnheit gemäß kannte ich kein Vergnügen, das nicht mit Gefahren verbunden war. Diese Neigung fand auf dem Wallfischfang, dessen Zeit eben jetzt herannahte, ein reiches Feld der Befriedigung. Die Wildheit dieses Fisches in den südlichen Breitegraden scheint sowohl durch die Hitze des Klima's, als auch durch die Sorge für sein Junges vergrößert; und aus diesem Grunde ist noch mehr Gefahr mit dem Fange verknüpft, als in den Polarmeeren.
So viel ich von der Naturgeschichte des Wallfisches zu lernen im Stande war, so gebiert das Weibchen sein Junges, und zwar selten mehr, als eines auf einmal, in den nördlichen Gegenden, und sucht dann mit demselben einen geeigneteren Himmelsstrich, um es zur Reife zu bringen. Gewöhnlich kommen sie in die Mitte des Monats März nach Bermuda, wo sie jedoch nur wenige Wochen bleiben; dann besuchen sie die westindischen Inseln. Von da wenden sie sich nach Süden, umschwimmen das Kap Horn und kehren über die Aleuten durch die Behringsstraße wieder in's Polarmeer zurück, welches sie im folgenden Sommer erreichen, nachdem der junge Wallfisch durch die südliche Breite Umfang und Stärke genug gewonnen hat, um seine Feinde im Norden zu bekämpfen. Dort trifft auch das Weibchen wieder mit dem Männchen zusammen. So viel ich selbst gefunden oder von Anderen erforscht habe, ist dies so ziemlich die richtige Reisebeschreibung dieser Thiere. Die Weibchen machen jährlich in Begleitung ihrer Jungen die Runde um die beiden großen amerikanischen Continente.
Die ›mütterliche Sorgfalt‹ des Weibchens macht dasselbe zu einem gefährlichen Gegner, und manche ernste Zufälle ereignen sich in der Zeit des Wallfischfanges. Eines Tages hätte ich die Befriedigung meiner Neugierde beinahe mit dem Leben bezahlt. Ich befand mich in einem Wallfischboote, das von farbigen Männern. Eingeborenen der Insel, gerudert wurde, welche ebenso kühn, als erfahren in dieser Beschäftigung sind. Wir sahen einen Wallfisch mit seinen Jungen an den Korallenfelsen spielen; die Aufmerksamkeit, welche die Mutter ihrem Jungen bewies, und die Sorgfalt, womit sie dasselbe vor Gefahren warnte, war wirklich rührend. Sie führte es von den Booten weg, schwamm um dasselbe herum, umarmte es gleichsam mit seinen Flossen und überschlug sich mit ihm in den Wellen. Wir ›übervortheilten‹ sie dadurch, daß wir seewärts ruderten, und trieben sie durch dieses Mittel in das seichte Wasser zwischen den Felsen. Endlich kamen wir dem Jungen so nahe, daß der Harpunier seine Waffe richtete, indem er wohl wußte, daß, wenn einmal das Junge getroffen war, auch die Mutter unser wäre, weil sie es nie verlassen würde. Bekannt mit der Gefahr und dem drohenden Geschick ihres unerfahrenen Sprößlings schwamm sie in immer kleineren Kreisen schnell um dasselbe herum, wobei sie die äußerste Unruhe und Angst verrieth; aber die mütterlichen Ermahnungen blieben unbeachtet, und es ward von dem Pfeil des Schicksals getroffen.
Das Boot fuhr an die Seite des jungen Fisches an und der Harpunier begrub seine furchtbare Waffe tief in seinem Rücken. Sobald sich das arme Thier verwundet fühlte, schoß es hundert Klafter Lien von uns fort; aber ein junger Fisch ist bald überwältigt, wenn er einmal gut getroffen ist, und so war es auch hier der Fall. Nicht sobald wurde er von dem Lien festgehalten, als er sich auf den Rücken drehte und, den weißen Bauch nach oben gewendet, ein lebloser Körper einhertrieb. Die unglückliche Mutter folgte einem Instinkt, der stets mächtiger wirkt, als die Vernunft, und ließ nicht von dem Körper. Wir holten das Boot mit dem Lien heran und erreichten unsere Beute in dem Augenblick, als ein zweites Boot der Mutter eine Harpune in den Leib schoß. Mit unwiderstehlicher Gewalt traf das wüthende Thier mit seinem Schwanze unser Boot gerade in der Mitte, schlug es entzwei und tödtete zwei von den Matrosen; die Ueberlebenden zerstreuten sich schwimmend nach allen Richtungen, um sich zu retten. Der Wallfisch verfolgte das dritte Boot, wurde aber vom Lien desjenigen festgehalten, das ihn harpunirt hatte; und dieses zog er nun mit einer Geschwindigkeit hinter sich her, daß er zehn bis elf Meilen in der Stunde zurücklegte: hätte er tiefes Wasser gehabt, so würde er das Boot in den Grund gezogen haben, oder es wäre genöthigt gewesen, sich von ihm los zu kappen.
Die beiden Boote waren so sehr beschäftigt, daß sie lange Zeit nicht zu unserem Beistande herbeikommen konnten, und wir waren weit länger unserer eigenen Kraft überlassen, als mir lieb war. Ich wollte nach dem jungen Wallfische hinschwimmen, aber einer von den Matrosen warnte mich, indem er sagte: die Haifische würden sich so dicht um ihn herumschaaren, wie die Advokaten um Westminsterhalle, und ich würde gewiß verschlungen werden, sobald ich nahe käme. Zu meiner Beruhigung fügte er jedoch hinzu, »wenn sie etwas Besseres haben könnten, so gingen diese Teufel selten an einen Menschen.« Dies mochte wahr sein; aber ich muß gestehen, ich war herzlich froh, als ich eines der Boote zu unserem Beistande herbeikommen sah, während der alte Wallfisch – durch die Schwere der Harpune und des Lines gedrückt, und durch den Springquell schwarzen Blutes, den er in die Höhe blies, erschöpft – an sein Junges herantrieb und an seiner Seite verendete, in den letzten Augenblicken offenbar mehr mit der Erhaltung des Jungen, als mit der Rettung seiner selbst beschäftigt.
Sobald er sich auf den Rücken gedreht hatte, gewahrte ich, wie viel Grund für mich vorhanden war, dem »Mudian« für seinen guten Rath zu danken; wenigstens dreißig bis vierzig Haifische waren um die todten Körper versammelt und folgten ihnen, als wir sie hereintauten. Nachdem wir sie im seichten Wasser gegen das Ufer auf den Grund gelegt hatten, wurde der Speck herausgehauen, woraus wir das Fleisch den Schwarzen überließen, die sich schaarenweise versammelten und es mit ihren Messern in großen Stücken herausschnitten. Ebenso gierig zerrten auch die Haifische mit ihren Zähnen daran, aber wenn auch die Leute oft zwischen sie und den Wallfisch kamen, so fielen die Haie merkwürdigerweise doch nie einen Menschen an. Es war ein eigentümliches Schauspiel: die Schwarzen, mit ihren weißen Augen und Zähnen, jubelnd, lachend und schreiend unter einer Unzahl von Haifischen – den gefräßigsten Ungeheuern der Tiefe, und doch in Gegenwart eines dritten Gegenstandes eine Art von Waffenstillstand bewahrend. Si licet exemplis in parvo grandibus uti – es erinnerte mich an die Theilung von Polen.
Ich fand, daß bei dieser Unterhaltung weder Ehre noch Vortheil für mich zu gewinnen war; darum gab ich den Wallfischfang auf und fuhr an Bord eines Schooners nach Halifax. Es war eines von jenen Schiffen, die während des Krieges nach dem Muster der virginischen Lootsenboote gebaut worden waren, aber wie die Mehrzahl unserer Nachbildungen mit dem Vorbilde ungefähr eben so viel Ähnlichkeit hatten, wie eine Kuh mit einem Hasen, welches Verhältniß besonders auch in Bezug auf die Geschwindigkeit statt fand. Und als wäre es vom Schicksal bestimmt gewesen, daß durch diese Schiffe die britische Flagge in jeder Beziehung entehrt werden sollte, wurden sie unter den Oberbefehl von Offizieren gestellt, deren Betragen von der Art war, daß sie ein Kapitän der Flotte nicht in seinen Dienst aufgenommen haben würde, weßwegen sie sehr unkluger Weise auf kleine Schiffe geschickt wurden, wo sie ihre eigenen Herren waren, und viele derselben niemals nüchtern gesehen wurden. Das Letztere war auch bei unserem Befehlshaber der Fall, denn von der Zeit an, als ich unter Segel ging, bis wir Halifax erreichten, war er unaufhörlich betrunken. Dem Beispiele des Lieutenants folgten sein Gehülfe und drei Midshipmen. Die Mannschaft, welche aus fünfundzwanzig Köpfen bestand, wurde nüchtern gehalten, weil sie auf ihre Rationen beschränkt blieb. Ich hatte sehr hoffnungsvolle Aussichten.
Unter meine Laster gehörte glücklicherweise die Trunkenheit nicht. Wenn ich mich in guter Gesellschaft befand und durch Witz und Laune aufgeregt war, so konnte ich wohl auch »bespitzt« werden, wie wir es nennen, aber nie kam es bis zur Betrunkenheit, und als ich in den Jahren vorgerückt war, hießen mich Stolz und Schlauheit noch mehr auf der Hut sein. Ich bemerkte den ungeheueren Vortheil, den mir Nüchternheit über einen Betrunkenen gab, und nie unterließ ich es, mir denselben zu Nutze zu machen.
Weil ich beinahe Tag und Nacht beständig auf dem Verdeck war, leitete ich den Lauf des Schiffes sowohl, als die Anordnung der Segel, die es führte, wobei ich mir niemals die Mühe nahm, den Lieutenant um Rath zu fragen, der gewöhnlich besinnungslos in seiner Kajüte lag. Wir erreichten den Sambroleuchthurm, der am Eingange des Hafen von Halifax steht, am Abend. Einer der Midshipmen, welcher mehr als halbbetrunken war, behauptete, er sei genau mit dem Strich bekannt, und sein Anerbieten, das Schiff einzulootsen, wurde angenommen. Da ich noch nie hier gewesen war, konnte ich von keinem Nutzen sein; aber höchst zweifelhaft über die Geschicklichkeit unseres Lootsen beobachtete ich sein Verfahren mit einiger Neugierde und Aengstlichkeit.
In einer halben Stunde befanden wir uns, wie ich nachher erfuhr, an der Cornwallis-Insel, wo wir auf den Strand liefen. Die über uns hinspülende See machte den Lieutenant und seine Offiziere nüchtern, und als die Ebbe eintrat, lagen wir hoch und trocken. Das Schiff legte sich auf die Seite, und ich ging an's Land, denn ich war entschlossen, mich einer solchen Bestienbrut nicht länger anzuvertrauen. Mit Tagesanbruch kamen Boote vom Dockhofe und brachten mich und einige Andere, die meinem Beispiele gefolgt waren, mit unserem Gepäcke an Bord des Flaggenschiffes. Nach zwei Tagen harter Anstrengung wurde das Schiff wieder flott gemacht und in den Hafen geführt. Der Admiral wurde von dem ganzen Vorfalle unterrichtet, und einer der Kapitäne gab ihm den Rath, den Lieutenant vor ein Kriegsgericht zu stellen, oder wenigstens aus dem Schiff zu entfernen und nach Hause zu schicken. Unglücklicherweise befolgte er diesen Rath nicht, sondern sandte ihn mit Depeschen wieder in See. Man wußte, daß die ganze Mannschaft beim Auslaufen aus dem Hafen betrunken war; der Schooner rannte auf ein Felsenriff, die Schwestern genannt, wo er scheiterte und das gesammte Schiffsvolk zu Grunde ging: am anderen Morgen sah man noch die Mastspitzen über das Wasser hervorragen.
Die Fregatte, an deren Bord ich zu gehen hatte, lief bald nach meiner Ankunft zu Halifax in den Hafen ein. Weil ich mich bereits in trefflichen Verhältnissen befand, so konnte ich dies blos bedauern. Ich hatte Empfehlungsbriefe an die ersten Häuser. Die Stadt ist durch ihre Gastfreundschaft zum Sprüchwort geworden, und der Umgang mit den jungen Damen, die ebenso tugendhaft, als liebenswürdig sind, besserte und verfeinerte einigermaßen die rohen und liederlichen Sitten, die ich in meiner Laufbahn angenommen hatte. Ich hatte eine Menge Liebchen, aber sie glichen mehr Emilien, als Eugenien. Von der einen flog ich zur andern, und gerne hätte ich noch längere Zeit in ihrer Gesellschaft zugebracht; aber mein Verhängniß oder Schicksal mußte erfüllt werden, und ich ging an Bord der Fregatte, wo ich meine Empfehlungsschreiben dem Edelmann überreichte, der sie befehligte. Ich erwartete einen verweichlichten jungen Mann zu finden, der zu fein gebildet wäre, um seinen Beruf zu lernen; aber ich hatte mich getäuscht. Lord Edward war ein Seemann mit Leib und Seele. Er kannte ein Schiff vom Vorstagen bis zum Spiegel, verstand die Matrosen zu behandeln und erwarb sich ihr Zutrauen. Außerdem war er ein guter Mechaniker – ein Zimmermann, ein Seiler, ein Segelmacher und ein Faßbinder. Er konnte handen, reffen, steuern, Knoten schlingen und splissen; aber Redner war er nicht. Er las wenig, sprach noch weniger und war durchaus nicht für die Ostentation gemacht; dabei aber frohmüthig, redlich und bieder, und besaß einen sehr gesunden Verstand. Gegen seine Offiziere war er gut und offen, aber wenn er beleidigt wurde, stürmte er, wurde jedoch bald wieder ruhig, und verrieth nie irgend einen Stolz, der sich auf seinen Adel gegründet hätte. Meine Erfahrung im praktischen Theile der Schifffahrtskunde gefiel ihm sehr, und ehe wir den Hafen verließen, hatte er mich sehr liebgewonnen. Ich gab mir Mühe, mich in seiner Gunst zu befestigen, denn abgesehen von dem Vortheile, den es mir gewährte, mit dem Kapitän auf gutem Fuße zu stehen, liebte ich ihn sowohl wegen seiner selbst, als auch wegen seiner guten Eigenschaften.
Wir durften nicht lange in diesem Paradiese der Seefahrer verweilen; plötzlich erhielten wir Befehl, nach Quebek abzusegeln. Ich flog in der Runde umher, um allen meinen geliebten arkadischen Freundinnen Lebewohl zu sagen. Ein thränenvolles Auge, eine Haarlocke, der herzliche Druck einer schönen Hand, waren die Spolien, die ich mit an Bord nahm, und manchen sehnsüchtigen schmachtenden Blick warf ich hinter mich, als das Schiff aus dem Hafen glitt. Weiße Taschentücher wehten vom Gestade her und stille Gebete für unsere glückliche Rückkehr drängten sich aus manchem schneeweißen Busen, aus manchem brechenden Herzen. Ich vertheilte beim Abschied mein gewöhnliches Quantum Schwüre ewiger Liebe und Treue, und von wenigstens sieben oder acht Paar blauen Augen wurde der Tag meiner Abfahrt im Kalender von Halifax schwarz gezeichnet.
Wir waren noch nicht lange in See, als wir einen irischen Guineafahrer von Belfast trafen, der mit Auswanderern nach den vereinigten Staaten beladen war – wenn ich nicht irre, mit etwa siebenzig Familien. Dies war Contrebande. Unser Kapitän besaß auf der St. Johns oder Prinz Edwards-Insel, wie sie jetzt genannt wird, etliche zwanzig tausend Acres Land, die einem seiner Ahnen verliehen und an ihn vererbt worden waren, aus denen er aber noch nie einen Schilling Einkünfte bezogen hatte, und zwar aus dem trifftigsten Grunde von der Welt, weil keine Pächter da waren, die den Boden bebaut hätten. Nun fiel es unserem edlen Kapitän ein, dies sei gerade eine Ladung, wie er sie bedürfe, und die Irländer seien zur Urbarmachung und Verbesserung seines Landes trefflich geeignet. Er machte ihnen seinen Vorschlag, und da sie keine Aussicht hatten, die vereinigten Staaten je zu sehen, auch es für sie höchst gleichgültig sein konnte, wo sie sich niederließen, wenn sie nur ihren Familien Brod verschafften, so wurde das Anerbieten angenommen. Der Kapitän erhielt vom Admiral die Erlaubniß, sie nach der Insel zu begleiten, um sie dort angesiedelt und unter Obdach gebracht zu sehen. Wirklich konnte für alle Betheiligte nichts erwünschter sein; die Irländer vermehrten auf diese Art nicht die Anzahl unserer Feinde, sondern die sparsame Bevölkerung unserer Colonie. Wenige Stunden, nachdem wir die Bewilligung des Admirals erhalten hatten, segelten wir wieder von Halifax ab, fuhren durch die schöne Straße zwischen Neuschottland und der Insel Cap Breton, bekannt unter dem Namen »Gut of Canso,« und bald erreichten wir die Prinz-Eduards-Insel.
Wir ankerten in einem kleinen Hafen in der Nähe des Landgutes, auf welchem ein Mann mit Frau und Familie wohnte. Dieser Bursche nannte sich Verwalter, und schien mir, soviel ich während unseres dreiwöchigen Aufenthaltes von ihm sehen konnte, Schurke genug zu sein, um die Verwalterschaft auf jedem Adelsgute in England zu übernehmen. Der Kapitän landete und nahm mich als seinen Adjutanten mit. Im Hause des Verwalters wurde für Seine Lordschaft ein Bett bereitet, aber er zog es vor, auf reinlichem Heu in der Scheune zu schlafen. Dieser edle Lord war ein Mann, dessen Gedanken seiner Zunge selten viel zu schaffen gaben: er hörte lieber Andere sprechen, als sich selbst, und wer immer sein Begleiter war, er mußte die Kosten der Unterhaltung tragen. Uebrigens drückte sich seinem Geist bei der gewöhnlichen Art der einfachen Erzählung das Bild, das man ihm darzustellen beabsichtigte, nicht vollkommen ein; er forderte von derselben Geschichte oder Bemerkung drei verschiedene Wendungen oder Umschreibungen, und dafür hatte er auch drei verschiedene Ausrufungen, nämlich: Hm! He! und Ah! Die erste bezeichnete seine Aufmerksamkeit, die zweite ein theilweises Verständniß, die dritte Zustimmung und völlige Billigung, welch letztere dadurch noch bestimmter ausgedrückt wurde, wenn er die Sylbe ah zu unmäßiger Länge und mit einer Art von Halblachen begleitete.
Ich will hier ein Beispiel unseres dialogischen Zeitvertreibs geben. Nachdem wir auf dem weichen, trockenen Heu unser Nachtlager aufgeschlagen hatten, begann Se. Lordschaft also:
»Hören Sie« – eine Pause.
»Mylord?«
»Was würde man wohl in England über ein solches Nachtlager sagen?«
»Ich glaube, Mylord, was mich betrifft, so würde man nichts sagen; was aber Ihre Lordschaft betrifft, so dürfte es wohl heißen, es sei eine höchst unangemessene Lagerstätte für einen Edelmann.«
»Hm.«
Ich wußte, daß dies das Signal zu einer neuen Wendung war. Ich bemerkte: »Mylord, wenn ein Mann von Ihrem Rang sein Nachtlager in einem Heuschuppen aufschlägt, so würde dies unter Ihren Freunden in England Verdacht erregen.«
»He,« rief Se. Lordschaft.
Es war also noch nicht genug – entweder muß Ihrer Lordschaft Kopf oder der meinige etwas dick sein, dachte ich. Ich will's noch einmal versuchen, wiewohl ich zum Sterben schläfrig bin. »Ich meine, Mylord, wenn die Leute in England wüßten, welch ein guter Seemann Sie sind, so würden sie sich über nichts wundern, was Sie thäten, aber diejenigen, welche nichts davon wissen, würden es seltsam finden, daß Sie sich mit einer solchen Lagerstätte begnügen.«
»Ah,« rief Seine Lordschaft triumphirend. Welche ferneren Bemerkungen er an diesem Abende noch zu machen beliebte, weiß ich nicht, denn ich fiel in einen festen Schlaf und erwachte nicht früher, als bis die Hühner von ihren Stangen herabflatterten und mit einem verdammten Geschrei ihr Frühstück forderten. Seine Lordschaft sprang auf, schüttelte zuerst sich, dann mich – nur auf etwas andere Weise – und kündigte dadurch seine Absicht an, mich dem Gebrauche der Vernunft zurückzugeben, für welche durch das Gegacker des Geflügels nur erst eine schwache Morgendämmerung angebrochen war.
»Kommen Sie, kommen Sie doch, stehen Sie auf, verdammte Schlafhaube,« rief mein Kapitän. »Wollen Sie den ganzen Tag schlafen? Wir haben eine Masse zu thun.«
»Ja, ja, Mylord,« antwortete ich und sprang in die Höhe, während in derselben Zeit und durch dieselbe Operation, wie das Fell eines Neufoundländer Hundes, nämlich durch ein tüchtiges Schütteln, meine Toilette in Ordnung gebracht wurde.
Eine starke Abtheilung der Schiffsmannschaft kam mit dem Zimmermann an's Land und brachte alle Gerätschaften mit, die zum Baumfällen und Häuserbauen nöthig waren; dies war unsere Beschäftigung, da wir die armen Auswanderer unter Dach und Fach zu bringen hatten. Unsere Leute begannen ihre Arbeit mit Fällung einer Anzahl Tannenbäume, aus denen beinahe ausschließlich der Wald bestand, und nachdem wir eine Stelle für die Gründung der Kolonie ausgesucht hatten, zu welcher der Zugang gelichtet worden war, legten wir vier Baumstämme in ein Parallelogramm, die an jedem Ende einen tiefen Einschnitt hatten, um wechselseitig in einander gefügt zu werden, eine Operation, welche so lange wiederholt wurde, bis die Wände hoch genug waren, um die Dachsparren aufzusetzen, die wir sodann mit Tannenzweigen und Birkenrinde bedeckten, und die Zwischenräume mit Moos und Schlamm ausfüllten. Durch Uebung wurde ich ein sehr erfahrener Baumeister, und mit Hülfe von dreißig bis vierzig Mann war ich im Stande, ein sehr wohnliches Haus zu bauen.
Hierauf machten wir durch Brennen und Ausreiten so viel Land um, als die kleine Kolonie für ihren Unterhalt bis zur nächsten Ernte bedurfte, und nachdem wir das nöthige Getreide eingesäet, desgleichen auch die erforderlichen Kartoffeln gesteckt hatten, versahen wir die Ansiedler mit einer Menge Gegenstände, die ihnen in ihrem neuen Wohnorte von Nutzen waren; dann zogen wir ab, um, unsern Verhaltungsbefehlen gemäß, zu meiner großen Freude nach dem lieben Hallifax zurückzukehren, wo ich durch das Wiedersehen meines unschuldigen Harems entzückt wurde. Ich erinnere mich noch wohl, daß ich vom Kapitän wegen Achtlosigkeit auf die Signale einen strengen Verweis erhielt. Das Flaggenschiff hatte uns ein solches aufgesteckt, aber statt mein Fernrohr auf den alten Centuno zu richten, wandte ich es nach einer gewissen jungen Calypso, deren schöne Gestalt ich auf dem blumigen Rasen einherwandeln sah. Wie lange würde ich nicht in diesem glücklichen Arkadien geweilt haben, hätte mich nicht ein zweiter Mentor die Felsen hinabgestürzt und wieder auf die Meerespfade geschickt, um mich auf den salzigen Fluthen zu wiegen.
Ganz gegen die Ansicht jedes vernünftigen Wesens dachte der Präsident der vereinigten Staaten auf Krieg wider England, und jedes Schiff im Hafen von Halifax bereitete sich zum Kampfe gegen die Yenkees. Das Geschwader ging im September unter Segel, und ich sagte den Nymphen Neuschottlands mit mehr Gleichgültigkeit Lebewohl, als mir zustand, oder der Empfang, den sie mir hatten angedeihen lassen, zu verdienen schien, denn ich war immer noch das gleiche selbstsüchtige und undankbare Wesen. Ich kümmerte mich um Niemand, als um mein eigenes theures Ich, und so lange dieses befriedigt wurde, fragte ich wenig darnach, wie manches gebrochene Herz ich zurückließ.