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Ein durch die Jagd ergrimmter Bär
Latscht hinter einem Wandrer her.
Aus Rache will er ihn zerreißen.
(Das mag dem Wandrer wol ein unverdientes Unglück heißen.)
Aus Rache, dummes Thier? wird mancher Leser sprechen,
Kannst Du Dich nicht an Deinen Jägern rächen?
O, schimpft mir nicht das gute Vieh,
Es folgt den Trieben nur, Vernunft regiert es nie.
Es hat ja unter uns ... was sagt' ich? nein ... bei Hunden
Gewiß nicht wenige von gleicher Art gefunden.
Geschwinde! Wanderer, geschwind und rette Dich.
Er läuft; der Bär läuft nach; er schreit, will sich verstecken;
Der Bär nicht faul, sucht ihn, bricht brummend durch die Hecken
Und jagt ihn wieder vor. Der ändert oft den Lauf,
Bald rechts, bald vor, bald links. Doch alle diese Ränke
Sind hier umsonst. Warum? Der Bär hat auch Gelenke.
Gewiß, so eine Jagd wär' mir nicht lächerlich!
Jedoch zu was wird sich der Wandrer nun entschließen?
Er springt den nächsten Baum hinauf.
O! das wird Niemand wol das beste Mittel nennen.
Er mußte doch in aller Angst nicht wissen,
Daß Bäre gleichfalls klettern können.
Das tolle Thier erblickt es kaum,
So stutzt es, brummt und kratzt den Baum,
Es bäumt den schweren Leib, es setzt die Vordertatzen
An Rind' und Aesten ein, so schnell als scheue Katzen.
So langsam gegentheils hebt es des Körpers Wucht:
Doch kömmt es schon so hoch, daß der den Gipfel sucht.
Was giebt uns oft die Angst nicht ein?
Der Wandrer sucht des Feindes los zu sein.
Er stößt, und stößt den Fuß mit voller Leibesstärke
Dem Bären vor den Kopf. Doch große Wunderwerke
That dieses Stößchen nicht. Wie kann es anders sein?
Wer Bäre tödten will, braucht der den Fuß allein?
Er taumelt nur, anstatt zu fallen,
Und fasset schnell mit seinen Krallen
Des Wandrers Fuß, der nach ihm stieß.
Er hält ihn wie ein Bär. Durch Zerren und durch Beißen
Sucht er den Raub herabzureißen.
Jedoch, je mehr er riß,
Je mehr hält Jener sich
An Aesten fest und ritterlich.
Wenn Witz und Tapferkeit uns nicht erretten kann,
Beut oft das blinde Glück uns seine Rettung an.
Der wüthend plumpe Bär
Ist für den dünnen Ast zu schwer;
Der bricht, und er fällt schlitternd schnell zu Boden.
Der Fall bringt ihn fast um den Oden,
Und keuchend schleicht er zornig fort.
Von Schrecken, Furcht und Schmerzen eingenommen,
Sieht kaum der Wanderer, daß er der Noth entkommen.
Nun lobt er wol durch jedes Wort
Mit zärtlich dankbarem Gemüthe
Des Himmels unverhoffte Güte?
O, weit gefehlet! nein! mit zitternd schwacher Sprache
Flucht, lästert, schreiet er selbst wider Gott um Rache.
Er kriecht vom Baum' herab und läßt sich murrend nieder.
Sein nasses Auge sieht das Blut der wunden Glieder.
Der Schmerz verführet ihn, daß er den Tod begehrt,
Den Tod, vor dem er sich mit Fliehn und Schrei'n gewehrt.
Bald flucht er auf den Bär, der ihn nicht ganz zerrissen,
Bald flucht er auf sich selbst, daß er sich retten müssen.
»O, näh're Dich, erwünschter Tod!
Benimm mir Leben, Schmerz und Noth!
Entführ' mir dieser Wunsch doch mit dem letzten Hauche!«
St! St! was raschelt dort, dort hinter jenem Strauche?
Beglückter Wanderer! Dein Wunsch ist schon erhört.
Es kömmt ein neuer Bär, der Dich im Klagen stört.
Ein Bär? Erschrick nur nicht! Ein Bär.
Ohn' Zweifel schickt der Tod ihn her.
»Der Tod?« Ja, ja, der Tod, den Du gewünschet hast,
Gewünschet und erfleht. »Das ist ein schlimmer Gast.
Der Henker! weiß er denn gar nichts von Complimenten?
Wenn meine Beine mich doch nur erretten könnten!«
Mit Mühe sucht er aufzustehn;
Doch kann er nicht vom Flecke gehn.
Hier kam ihm schnell ein ander Mittel ein,
Das ihm vorher nicht eingekommen.
Er hatt' es einst (zehn Jahre mocht' es sein)
Von einem Reisenden vernommen
Und hatt' es nie, nur in der Noth, vergessen,
Daß Bäre selten Todte fressen.
Sein Einfall wirft ihn hurtig nieder:
Die schon vor Schrecken kalten Glieder
Streckt er starr von sich weg, so sehr er immer kann,
Und hält den Oden mühsam an.
Der Bär beschnopert ihn, find't keines Lebens Spur,
Mag sich an Todten nicht begnügen,
Kehrt sittsam um und brummet nur
Und läßt den Schalk in Ruhe liegen.
Was ist bei Dir ein Wunsch? Mein Freund, lass' mich's verstehen.
Du wünschst den Tod: er kömmt; Du suchst ihm zu entgehen.
Steh auf! der Bär ist fort. Was fluchst Du ihm noch nach?
Zum Danke, daß er Dir nicht Hals und Beine brach?
Was soll die Lästerung? Verringert sie die Schmerzen?
Noch wünschest Du den Tod? Das geht Dir wol von Herzen?
Nur schade, daß er Dich vorhin so spotten sah,
Sonst wär' er wahrlich längst auf Dein Ersuchen da.
Der schwüle Tag vergeht, der Abend bricht herein.
O, könnt' er in geborstnen Feldern,
Wie durch die Hitze matten Wäldern,
Mein Wandrer, ebenfalls Dir zur Erquickung sein!
Man sieht die Luft, sich abzukühlen,
Mit stummen Blitzen häufig spielen.
»O!« schreit der Wanderer, »zog' sich ein Wetter auf!
O, hemmten Blitz und Schlag mir Pein und Lebenslauf!«
Schnell zeigt der Donnergott dem Wunsche sich gewogen.
Des ganzen Himmels weite Ferne
Verdeckt viel Dunst; die hellsten Sterne
Sind schwarz mit Wolken überzogen,
Schnell fährt der Blitz heraus, kracht hier und dort ein Schlag.
Auf, Wandrer, freue Dich! das ist Dein Sterbetag!
Nun wird der Tod auf Donnerkeilen
Zu Dir verlass'nem Armen eilen.
Was scherzst Du noch voll Furcht? ... Ihr Freunde, gebt doch Acht;
Doch bitt' ich, zwinget Euch, daß Ihr nicht drüber lacht. ...
»Ja! das ist Pein ... o, stürb' ich doch! – –
Komm, Tod! komm doch ... Du zauderst noch?
Jedoch hier mag ich wol nicht allzu sicher liegen?
Ich habe ja einmal gehört,
Wie die Erfahrung oft gelehrt,
Daß Donner gern in Eichen schlügen.
O, machte mir ein Lorbeerbaum
Doch unter seinen Aesten Raum.
O weh! wie schmerzt das Bein! Erbarm Dich doch, o Tod!
Jedoch dort schlug es ein ... Nun ist's die höchste Noth,
Soll mich das Wetter nicht verletzen,
Mich schnell in Sicherheit zu setzen!«
Geh! dummer Wandrer, geh! such' einen sichern Ort
Und wünsche bald den Tod, bald wünsch' ihn wieder fort.
Mich soll Dein Wankelmuth der Menschen Zagheit lehren,
Muß ich sie so, wie Dich, verwegen wünschen hören.
Glaubt, Freunde, glaubet mir! der ist ein weiser Mann,
Der zwar das Leben liebt, doch muthig sterben kann!