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Fab. Aesop. 170. Phaedrus lib. IV. Fab. 18.
Ein Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. Mein liebes Thierchen, sagte der Knabe, ich würde mich mit Dir so gemein nicht machen, wenn Dir das Gift nicht benommen wäre. Ihr Schlangen seid die boshaftesten, undankbarsten Geschöpfe! Ich habe es wol gelesen, wie es einem armen Landmann ging, der eine, vielleicht von Deinen Urältern, die er halb erfroren unter einer Hecke fand, mitleidig aufhob und sie in seinen erwärmenden Busen steckte. Kaum fühlte sich die Böse wieder, als sie ihren Wohlthäter biß; und der gute, freundliche Mann mußte sterben.
Ich erstaune, sagte die Schlange. Wie parteiisch Eure Geschichtsschreiber sein müssen! Die unsrigen erzählen diese Historie ganz anders. Dein freundlicher Mann glaubte, die Schlange sei wirklich erfroren, und weil es eine von den bunten Schlangen war, so steckte er sie zu sich, ihr zu Hause die schöne Haut abzustreifen. War das recht?
Ach, schweig nur! erwiderte der Knabe. Welcher Undankbare hätte sich nicht zu entschuldigen gewußt!
Recht, mein Sohn, fiel der Vater, der dieser Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort. Aber gleichwol, wenn Du einmal von einem außerordentlichen Undanke hören solltest, so untersuche ja alle Umstände genau, bevor Du einen Menschen mit so einem abscheulichen Schandflecke brandmarken lässest. Wahre Wohlthäter haben selten Undankbare verpflichtet: ja, ich will zur Ehre der Menschen hoffen, – niemals. Aber die Wohlthäter mit kleinen, eigennützigen Absichten, die sind es werth, mein Sohn, daß sie Undank anstatt Erkenntlichkeit einwuchern.