Gotthold Ephraim Lessing
Fragmente und Fabeln
Gotthold Ephraim Lessing

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7. Das Geheimniß

Hans war zum Pater hingetreten,
Ihm seine Sünden vorzubeten.
Hans war noch jung, doch ohne Ruhm,
So jung er war, von Herzen dumm.

Der Pater hört' ihn an. Hans beichtete nicht viel.
Was sollte Hans auch beichten?
Von Sünden wußt' er nichts und desto mehr vom Spiel.
Spiel ist ein Mittelding, das braucht er nicht zu beichten.
»Nun, soll das Alles sein?
Fällt,« sprach der Pater, »Dir sonst nichts zu beichten ein?«
»Ehrwürd'ger Herr, sonst nichts« ... »Sonst weißt Du gar nichts mehr?«
»Gar nichts, bei meiner Ehr'!«
»Sonst weißt Du nichts? Das wäre schlecht!
So wenig Sünden? Hans besinn' Dich recht.«
»Ach Herr, mit Seinem scharfen Fragen ...
Ich wüßte wol noch was.
«
»Nu? Nur heraus!« ... »Ja das,
Herr Pater, kann ich Ihm bei meiner Treu nicht sagen.
«
»So? weißt Du etwa schon, worüber junge Dirnen,
Wenn man es ihnen thut und ihnen nicht thut, zürnen?«
»Herr, ich versteh!' Euch nicht« ... »Und desto besser; gut.
Du weißt doch nichts von Dieberei, von Blut?
Dein Vater hurt doch nicht?« ... »O, meine Mutter spricht's;
Doch das ist Alles nichts.
«
»Nichts? Nu, was weißt Du denn? Gesteh! Du mußt es sagen!
Und ich versprech' es Dir,
Was Du gestehest, bleibt bei mir.«
»Auf Sein Versprechen, Herr, mag es ein Andrer wagen;
Daß ich kein Narre bin!
Er darf's, Ehrwürd'ger Herr, nur einem Jungen sagen,
So ist mein Glücke hin.
«
»Verstockter Bösewicht, fuhr ihn der Pater an.
Weißt Du, vor wem Du stehst? ... daß ich Dich zwingen kann?
Geh! Dein Gewissen soll Dich brennen!
Kein Heiliger Dich kennen!
Dich kenn' Maria nicht, auch nicht Mariens Sohn!«
Hier wär' dem armen Bauerjungen
Vor Angst beinah' das Herz zersprungen.
Er weint' und sprach voll Reu': »Ich weiß« ... »Das weiß ich schon,
Daß Du was weißt; doch was?« ... »Was sich nicht sagen läßt« ...
»Noch zauderst Du?« ... »Ich weiß« ... »Was denn?« ... »Ein Vogelnest.
Doch wo es ist, fragt nicht; ich fürchte, drum zu kommen.
Vorm Jahre hat mir Matz wol zehne weggenommen.
«
»Geh, Narr, ein Vogelnest war nicht der Mühe werth,
Daß Du es mir gesagt, und ich's von Dir begehrt.«

* * *

Ich kenn' ein drollig Volk,Die Freimaurer. mit mir kennt es die Welt,
Das schon seit manchen Jahren
Die Neugier auf der Folter hält,
Und dennoch kann sie nichts erfahren.
Hör' auf, leichtgläub'ge Schaar, sie forschend zu umschlingen!
Hör' auf, mit Ernst in sie zu dringen!
Wer kein Geheimniß hat, kann leicht den Mund verschließen.
Das Gift der Plauderei ist, nichts zu plaudern wissen.
Und wissen sie auch was, so kann mein Märchen lehren,
Daß oft Geheimnisse uns nichts Geheimes lehren,
Und man zuletzt wol spricht: war das der Mühe werth,
Daß Ihr es mir gesagt, und ich's von Euch begehrt?



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