Heinrich Lersch
Hammerschläge
Heinrich Lersch

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das war nun die neue Werkstatt

sie lag hundert Meter von der alten und unserm Wohnhaus entfernt. Sie war aus altem Holz neu gebaut und hatte vorn vier große Fenster und ein riesiges Tor. Auf dem flachen Dach war ein Schornstein. Wenn die Schmiedefeuer brannten und der Wind nicht wehte, dann qualmte es aus allen Fensterlöchern und Spalten zwischen den Brettern. Kurz vor dem Winter ließ der Vater die gelben Bretter teeren, damit sie nicht so schnell faulen sollten. Er hatte einen großen Prozeß verloren; nicht einmal der Grund und Boden war sein Eigentum geblieben, er mußte noch Miete bezahlen und hatte auf lange Jahre Schuld auf sich genommen.

Nun sah die Werkstatt finster und drohend aus; am Abend, wenn das Licht der Feuer durch die Fenster flammte, zeigten die Mütter den kleinen Kindern die feurige Höhle und sagten ihnen, daß dort der Teufel wohne. Wenn sie nicht brav seien, dann käme er mit seinen schwarzen Gesellen und hole sie. Auf dem Vorplatz lagen alte Dampfkessel und Wasserbehälter, die auch alle schwarz gestrichen waren. Wir spielten in ihnen Verstecken und Nachlaufen; man konnte sich lange in den vielen Winkeln und Ecken verbergen, ehe man gefunden wurde.

Um der Werkstatt nahe zu sein, zogen wir wieder in dies Haus. Ich kam auch in eine andere Schule. In der Stadtschule war ich einer der dümmsten, hier konnte ich mehr als die andern. Da brauchte ich einfach keine Aufgaben zu machen, die meisten taten es auch nicht. Als der Vater das merkte, nahm er mich nach dem Kaffetrinken in die Werkstatt, ich mußte den beiden Bohrmännern das Stellrad drehn und den Bohrer schmieren. Es dauerte nicht lange, da waren die Bohrer zufrieden mit mir: zuerst setzte ich schon mal zuviel Druck auf den Bohrer, dann brannte der sich fest und brach ab. Oder ich vergaß, beizeiten mit dem Pinsel Öl an die Schneide zu streichen, dann wurde sie stumpf und mußte geschliffen werden. Wenn ich kam, dann ging das Bohren noch einmal so schnell. Die Männer machten sich nicht müde, denn sie konnten nun zu zweit die Kurbel drehn; vorher war das Löcherbohren eine Quälerei, nun machte es Spaß.

Es war wunderbar, wie sich die Speichen im Schwungrad drehten, wie die Zahnräder ineinandergriffen und die Spindel rundschmissen. Wenn ich um sieben Uhr noch nicht müde war, bohrten die Gesellen noch eine Stunde länger. Dann wurde die Lampe angemacht, es war eine Kessellampe aus Eisen, die einen Docht hatte, der in einem kleinen Ölbehälter lag. Eigentlich sollte sie mit gereinigtem Baumöl gebrannt werden. Das war zu teuer, darum gossen die Gesellen Schmieröl mit Petroleum drauf. Dann brannte sie mit einer handlangen Flamme und rußte, daß die Nasenlöcher von den herumfliegenden Flöckchen schwarze Ränder kriegten. Die Lampe hing an einem kleinen Gestell, so, daß ich den Bohrkörner sehn konnte. Die Gesellen brauchten nichts zu sehn, sie drehten im Dunkel die Kurbel, die Arme gingen wie eine Maschine, immer im Kreis, hoch und tief, voran und rückwärts. Die Lampe beglänzte ihre nackten, schwarzen Arme, das Gesicht schimmerte rötlich, die öligen Teile der Bohrmaschine glänzten gelb im flackernden Licht, alles andere lag im pechschwarzen Dunkel. Bald wurden die Gesellen müde, sie sahen gar nicht mehr auf, unterhalten konnten sie sich in den späten Stunden auch nicht mehr. Wenn ein Loch durch war, ging die Maschine leicht; sie rückten die Stange vorwärts, indes ich den Körner suchte. Das war in ein paar Sekunden gemacht, dann legten sie sich wieder auf die Kurbel und orgelten weiter.

Einmal mußte ich müde gewesen sein, die Lampe war auch niedergebrannt, ich rückte ganz an den Bohrer heran, um ordentlich sehn zu können. Da packten die Zahnräder mein Halstuch und die Jacke, ich wurde langsam an die Maschine gepreßt, der Hals war mir zugeschnürt, das Kinn lag fest vor dem Gußeisen, der Bauch an der Spindel, immer mehr zogen die drehenden Zahnräder mich in die Maschine hinein, da merkten die Männer, daß etwas nicht stimmte: als sie mich sahen, drehten sie schnell links herum. Da bekam ich Luft und fing an zu schreien. Die Jacke war vorn von den Zahnrädern zerfetzt, von hinten die Naht schon aufgerissen, die Haut auf der Brust hatte schon in den Rädern gesessen und war zerquetscht. Im Kinn hatte ich eine Wunde, es war nur ein Glück, daß ich die Hände weit abgestreckt hatte, sonst wären sie zwischen die Zähne gekommen und bloß noch Stumpen gewesen.

Daraufhin bin ich drei Tage nicht in die Schule gegangen.

Ich sollte nun nicht mehr an der Bohrmaschine helfen. Die Gesellen brachten sich einen Vierzehnjährigen mit. Der aber lernte es nicht. Es zerbrachen mehr Bohrer an einem Tag als sonst in der Woche und sie bekamen noch weniger getan, als wenn sie allein drehten. Da konnte ich, wenn ich den Blasbalg zog, mich weigern, soviel ich wollte – sie fragten mich so lange, bis ich es endlich wieder machte. Auch der Vater war böse, weil ich um das bißchen ungeschicklich Fleisch so viel Trara machte. Wenn erst das ungeschickte Fleisch all abgeklemmt, gequetscht, geschnitten und abgeklopft sei, dann passiere nichts mehr. Es ging eben nicht ohne Wunden und blaue Nägel, verbrannte Finger und Risse im Fell ab. Ich mußte weitermachen, bis die Bohrarbeit getan war.


 << zurück weiter >>