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»Ich glaube ohne Einbildung sagen zu können, daß dieser Ball das größte Ereignis der Saison wird. Ja, seit vielen Jahren ist so etwas nicht dagewesen!«
Mit Befriedigung richtete, einige Tage vor der großen Nacht, Aloysius Stapleton diese Worte an seine Freundin Jessica Mervyn-Robertson, die in ihrem Wohnzimmer auf einem weichen Lehnstuhl hingestreckt, blaue Zigarettenwolken in die Luft blies, während sie ihm lächelnd zuhörte.
In diesem Augenblick erklang der Ruf des Telefons auf dem Schreibtisch und sie erhob sich, um zu antworten. Es war die Londoner Geheimagentur, die mit Stapleton zu sprechen wünschte.
Kaum hatte er den Hörer ans Ohr geführt, als die Tür sich geräuschlos öffnete und ein Mann in mittleren Jahren und von jüdischem Aussehen in das Zimmer trat.
Es war Levi Schomberg, der, wie Stapleton seinem Freunde La Planta vor einiger Zeit erzählte, »seinen Freunden Geld auslieh und ihn vor Hartsilvers intriganter Witwe« gewarnt hatte.
Stapleton verbarg mit Mühe seinen Aerger über die Störung, brach nach wenigen gleichgültigen Worten das Telefongespräch ab und ging Schomberg entgegen, dem er die Hand drückte.
»Welchem Anlaß verdanke ich die Ehre dieses Besuches?« fragte er und schob dem unerwünschten Gast einen Lehnstuhl zu. »Ist es diesmal Geschäft oder Vergnügen? Und warum sind Sie hierher gekommen statt in meine Wohnung?«
»Beides, lieber Freund,« erwiderte der kleine Jude mit eigentümlichem Grinsen, – beides! Geschäft – und Vergnügen. Sie wissen doch, warum ich komme?«
»Es gehört nicht viel Scharfsinn dazu, um es zu erraten,« bemerkte Stapleton in scharfem Ton. »Ich denke, Sie hätten bis nach dem Ball am Donnerstag abend warten können,« fügte er ärgerlich hinzu.
»Das meinten manche, die ich heute aufgesucht habe,« sagte Schomberg kühl. »Aber ich erwidere: warum lieber nach dem Ball als heute? Ist heute nicht ein guter Tag?«
»Gut, also heraus damit? Wieviel wollen Sie diesmal haben?«
»Achttausend. Diesmal – nur achttausend.«
Stapleton starrte ihn an, und wer Jessica in diesem Augenblick gesehen hätte, wäre über ihr verzerrtes Gesicht erschrocken.
»Achttausend!« rief Stapleton endlich aus. »Das ist lächerlich – ich habe das Geld nicht.«
Levi Schomberg schnalzte mit der Zunge, was etwas bedeuten sollte.
»Es tut mir leid, das zu hören, Louie,« sagte er achtlos. »Ist das nicht seltsam? Sie scheinen unbeschränkte Mittel zu haben, wenn es sich darum handelt, mit Geld um sich zu werfen und jedesmal, wenn ich zu ihnen komme, ist der Geldschrank leer! Aber ich brauche das Geld, und Sie wissen, daß ich mir immer verschaffe, was ich brauche, auch wenn ich zu diesem Zweck die Schraube fester anziehen sollte. Also, wann können Sie es mir geben? Sagen wir, morgen um zwölf, am gewohnten Ort?«
Stapleton ging im Zimmer auf und ab, Jessicas Finger zuckten nervös. Es war leicht zu sehen, daß der Mann und die Frau sich in ihres Besuchers Gewalt befanden.
So vergingen einige Minuten. Plötzlich blieb Stapleton vor dem Juden stehen und sah ihm ins Gesicht.
»Wenn ich Ihnen die Summe – sagen wir, am Freitag – heute ist Dienstag – übergebe, wollen Sie sich schriftlich verpflichten, uns nicht mehr zu verfolgen?«
»Schriftlich? Nein. Wo sollte ich mir sonst Geld holen? Meine Forderungen sind nicht übertrieben, Louis, wenn man die Größe ihres Portemonnaies in Betracht zieht. Wären Sie weniger reich, so würde ich sie entsprechend Ihrem Einkommen herabsetzen. Sie wissen, das habe ich mir zur Regel gemacht. Ich stelle genau fest, wie hoch das gesamte Einkommen meines Klienten ist und bemesse danach meinen Tarif. Das ist recht und billig. Darf ich also am Freitag darauf rechnen?«
»Machen Sie, daß Sie fortkommen!«
»Nein! Nicht solche Worte! Nicht diesen Ton!« fuhr der Jude fort, ohne sich im geringsten aus der Fassung bringen zu lassen. »Ich habe Neuigkeiten – gute Nachrichten für Sie, Louie!«
Er kreuzte die Beine und lehnte sich in seinen Sessel zurück. Dann vergrub er seine Hände tief in die Hosentaschen und sagte:
»Louie – und Jessica,« – er warf auf beide einen Blick – »es wird Sie freuen zu hören, daß alle geheimen Nachforschungen, die über Sie angestellt werden, nicht den geringsten Erfolg gehabt haben. Nichts ist bekannt geworden.
»Wer hat Nachforschungen angestellt?« fragte Jessica schnell.
»Nun, wer anders als die Dame, der Sie so ergeben sind – Cora Hartsilver sowie ihr Schatten, Yootha Hagerston, ferner Captain Preston und ein junger Journalist namens Hopford, endlich ein Freund dieses Kreises, der Blenkiron heißt. Diese fünf haben es sich zur Aufgabe gemacht, alles zu erfahren, was Sie beide und Archie La Planta betrifft, und ich wäre nicht überrascht, wenn sie bald auf die rechte Spur kommen. Wenn nun durch irgendeinen unglücklichen Zufall das Sümmchen, von dem ich sprach, Freitag nicht in meine Hände gelangen sollte, so –«
»Gott im Himmel, Levi, das würden Sie – das könnten Sie nicht tun!«
Jessica war aufgesprungen. Sie schien ganz außer sich.
»Natürlich würde ich es nicht tun, Jessica, obwohl ich Ihnen darin nicht beistimmen kann, daß ich es nicht tun könnte,« sagte der kleine Jude in gleichgültigem Ton, während er sie durch seine halbgeschlossenen Augenlider betrachtete.
Jessica war etwas beruhigt.
»Immer vorausgesetzt,« fuhr Schomberg fort, »daß Sie ihren Teil der Abmachung einhalten.«
»Abmachung!« rief Stapleton aus. »Ich habe nie etwas abgemacht. Sie wollten es, aber ich – wir beide haben uns geweigert. Das können Sie nicht vergessen haben!«
»Ich vergesse alles, woran ich nicht denken will,« erwiderte Levi, mit fast geschlossenen Augen. »Jessica. Sie sind heute sehr schön – ich habe Sie noch nie so schön gesehen. Es wundert mich nicht, daß London in Sie vernarrt ist.«
Er erhob sich, bevor sie etwas erwidern konnte und ergriff ihre Hand, die sie ihm widerstrebend gab. Er hielt sie einen Augenblick länger fest, als die Umstände zu rechtfertigen schienen, dann ließ er sie los.
»Also Freitag,« sagte er zu Stapleton gewandt. »Donnerstag. abend werden wir uns vielleicht nicht sehen. Sie werden beide zu viel zu tun haben oder vielmehr zu sehr in Anspruch genommen sein. Es sei denn, daß Sie mich einladen. Also – für heute guten Abend!«
Stapleton begleitete ihn nicht hinaus und schellte auch nicht nach dem Diener. Sobald der kleine Jude fort war, schloß er eilig die Tür.
Man hörte die Haustür ins Schloß fallen, und immer noch saßen beide schweigend da. Endlich sagte Jessica mit harter Stimme:
»Aloysius, was sollen wir machen?«
»Da ist nichts zu machen,« erwiderte er. »Wir müssen zahlen, zahlen, bis –«
»Bis –?«
Sein Gesicht nahm plötzlich einen anderen Ausdruck an. Nach einer Pause sagte er:
»Angenommen, Levi könnte unvorhergesehenerweise sterben, wie – passend wäre das!«
»Die Menschen sterben an allerhand unvorhergesehenen Krankheiten. Herzfehler, Schlaganfall, natürliche Ursachen –. Angenommen, er stürbe an – einer natürlichen Ursache,« fügte er leise hinzu.
»Angenommen! Nun, was wäre dabei? Ein Jude weniger auf der Welt – nichts weiter!«
»Und viele tausend Pfund würden in unserer Tasche bleiben, statt wie bisher hinauszugleiten.«
»Es ist zu überlegen.«
»Allerdings.«
»Solange er lebt, sind wir solchen Besuchen ausgesetzt, wie der heutige, vergiß das nicht!«