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Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Der Nepp


Das Glück vermag mehr als die Weisheit, sagt ein alter griechischer Philosoph, ich weiß nicht mehr, wie er hieß; aber er mag Hans oder Kunz geheißen haben, genug: der Mann hatte Recht. Es ist vergebens, seine Lage durch Klugheit verbessern zu wollen: wenn das Glück nicht dazu beyträgt, so ist alles Arbeiten vergebens. Eulerkapper dachte auch so, und ließ alles gehen, wie es ging: und hierin zeigte er sich einzig und allein als einen wahren Philosophen.

Eines Tages ging er voll Unmuth über das ewige Gequengel seiner lieben Frau nach Wieseck in die Schenke. Kaum hatte er eine Stange Bier vor sich stehen, als Herr Brichel, Oberamtmann von Grimberg hereintrat. Brichel war ehedem Eulerkappers Hausbursche gewesen, hatte hernach allerley Aemter verwaltet, und war endlich nach Grimberg als Oberamtmann versetzt worden.

Er erkannte sofort seinen alten Freund Eulerkapper, und reichte ihm traulich die Hand. Nach den ersten Ergießungen der alten Freundschaft und Kumpaney, fing Eulerkapper seine Litaney an, und erzählte dem Oberamtmann alle seine Not. Der Oberamtmann schwieg, ging einige Mal in der Stube herum, nahm manche Prise Taback, that mehrere Züge aus dem großen Paßglas; endlich trat er vor Eulerkappern und sagte: Höre Bruder, ich wüßte eine Stelle für Dich, welche ihren Mann nährt. Aber viel Ehre bringt sie nicht.

Eulerkapper. Ey was Ehre! von der Ehre kann man nicht leben. Wenn ich nur ohne Noth und Sorgen auf meinem Posten leben kann.

Oberamtmann. Vollkommen! Du kannst noch Geld zurücklegen. Dein Vorfahr war ein armer Teufel, als er das Aemtchen annahm, und ist als ein wohlhabender Mann gestorben.

Eulerkapper. Was ists denn für ein Aemtchen, Herr Bruder?

Oberamtmann. Aber Du mußt nicht böse werden.

Eulerkapper. Nicht im Geringsten. Sage nur.

Oberamtmann. Es ist das Aemtchen eines Amtsnepps oder Häschers zu Grimberg.

Eulerkapper. Bravo, Herr Bruder; ich nehms an, wenns so ist wie Du sagst.

Oberamtmann. Sollst es haben. Aber höre, wenn Leute zugegen sind, darfst Du mich nicht duzen: es würde sich schlecht schicken, wenn der Nepp den Oberamtmann duzte.

Eulerkapper. Das versteht sich, ich werde immer: hören Sie, zu Dir sagen.

Oberamtmann. Und ich immer: hör Er, Nepp, zu Dir.

Der Oberamtmann Brichel war ein Mann von Wort, und nach vierzehn Tagen zog Eulerkapper als Nepp oder Häscher auf das Hochfürstliche Amt zu Grimberg.

Er fand alles über seine Erwartung. Die eigentliche Besoldung war zwar nur geringe, aber die Accidenzien desto ansehnlicher, und da die Frau Eulerkapperin eine Häscherstochter war, so wußte sie alle Vortheile sich zu Nutze zu machen. Drey Mal war wöchentlich Amtstag, und drey Mal wöchentlich hatte Eulerkapper reichliche Einnahme. An Kraut, Rüben, Kartoffeln, Butter, Käse, Eyern, Würsten und Speck fehlte es ihm nie; nie brauchte er für dergleichen einen Heller auszugeben. Wenn einer eingesteckt wurde, welches zu Grimberg eben so frequent geschah, als irgend auf einem andern Oberamte, hatte Herr Eulerkapper seine richtigen und reichen Accidenzien; bey keiner Citation ging er leer aus, und wenn er einem Bauern meldete, daß sein Proceß gewonnen war, so ließ er sich für dieses Evangelium auch ein gutes Präsent geben, nach dem klaren Ausspruch des hl. Apostels Paulus, daß die, welche das Evangelium verkündigen, sich auch von dem Evangelium nähren sollen.

Die Praktik der Neppe ist vielfältig, und da ich mit der Nepperey wenig bekannt bin, so will ich auch nicht weiter erklären, wie Eulerkapper seinen Vortheil suchte: dieß verstehen die Herren Amtsneppe ja doch besser, als man es ihnen sagen kann, und andre Leute brauchen es nicht zu wissen. Sollten diese je, wie Eulerkapper, vom Schicksal in den Häscherstand geworfen werden, so werden sie die dahin gehörigen Kunstgriffe schon lernen.

Die Studenten zu Gießen ärgerten sich gar mächtig, daß ihr Sündenbock Eulerkapper, an welchem sie all' ihren Muthwillen auslassen konnten, nicht mehr da war. Als daher einige von ihnen nach Grimberg auf den Jahrmarkt kamen, und sich da betrunken hatten, liefen sie vor Eulerkappers Wohnung, und pereirten ihn in der besten Form. Eulerkapper aber, welcher Wind erhalten hatte, daß er das: es leben Ihro Magnificenz, der Herr Johann Heinrich Eulerkapper etc., hören würde, hatte so gute Anstalten getroffen, daß die Pereirer alle sammt und sonders gefangen und eingesteckt wurden. Sie hatten sich zu einem Ball abonnirt, und mußten nun im Brummstall auf dem Amt ihre Herberge nehmen. Dieß war eine Freude für den ehedem von Studenten so sündlich geplackten Eulerkapper, daß er nun seine Feinde selbst unter seiner Botmäßigkeit haben, und sich an ihnen durch hämische Stichelreden rächen konnte: auch die Frau Eulerkappern nahm Theil an ihres Mannes Glück, ging ins Gefängniß zu den Studenten, und las ihnen die Epistel.


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