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Gern würde der Pastor Simon seinen Hanhenrich selbst unterrichtet haben, wenigstens in den ersten Anfangsgründen der Sprachen und andern jugendlichen Kenntnissen, wenn er nicht zu unwissend und zu faul dazu gewesen wäre. Er beschloß daher, ihn auf eine Schule zu schicken; um ihm aber doch etwas beyzubringen, erklärte er ihm bey einer Pfeife Tabak dann und wann die Pastoraltheologie, und zeigte ihm, wie man predigen, Kinder taufen und andere dergleichen Dinge verrichten müsse.
Hanhenrich fand an dieser Institution Gefallen, und bestürmte Liebpapachen mit einer Menge Fragen, daß dieser endlich ärgerlich wurde und den ungestümen Frager an die Agende oder Kirchenordnung verwies, wenn er mehr von solchen Spänen, wie er sagte, wissen wollte.
Nun fing Mosjeh Hanhenrich an, die Kirchenagende selbst zu lesen, und fand so viel Geschmack daran, daß er manches davon auswendig behielt; z. B. die Tauf- und Nachtmalsformel, den Ehesegen und dergleichen mehr.
Der Pastor beschloß daher, den guten, Gott wohlgefälligen Vorsatz, seinen Hanhenrich geistlich studieren zu lassen, je eher je lieber auszuführen, und schon sah er in demselben ein künftiges auserwähltes Rüstzeug des Herrn.
Er machte also Anstalten, seinen Sohn oder seinen Hanhenrich auf eine Schule zu schicken, und diese sollte das illustre Pädagogium seyn. Dieses Pädagogium, das Gebäude nämlich, ist so wenig illuster, daß es vielmehr einer Kohlenniederlage ähnlicher sieht, als einem den Musen geweihten Gebäude. Die Gießer Philister nennen es nicht Pädagogium, sondern Pihjoh: die Lehrer an demselben heißen alle Magister, ob sie's gleich selten sind, zum Unterschied der deutschen Stadtschulmeister, welche von den Gießern Mingister genannt werden, vielleicht von mingere: denn diese Herren lieben das Bier über alles, und können es, ad instart des Kichchens im Stalle hineinziehen. Der Verfasser kannte im Jahr 1778 einen solchen Mingister, welcher bey Balthasarn, vulgo der Stangenwirth genannt, alle Abend achtzehn Stangen (große Paßgläser) hineinwarf und doch immer klagte, daß ihm der Trunk nicht mehr so gut, als ehedem schmeckte.
Pastor Simon brachte seinen Hanhenrich selbst nach Gießen, und präsentirte ihn dem Scholarchen, dem alten Doctor Benner, dessen Zuhörer er ehedem gewesen war. Benner hatte ein sehr gutes Gedächtniß; er erkannte also seinen ehemaligen Zuhörer beynahe schon am Gang und freute sich ihn gesund zu sehen. Dann fragte er den Pastor, was das für ein junger Mensch sey, den er da bey sich habe? Der Pastor gab seiner Hochwürden gebührend Red und Antwort, und bat den Burschen unter die Zahl der Schüler des Pädagogiums aufzunehmen. Mit Vergnügen, Herr Pastor, erwiderte der Doctor: aber er soll doch Theologie studieren?
Pastor. Allerdings, Ihro Hochwürden, wenn's sonst Gottes Wille ist.
Doctor. Schön; aber doch in Gießen?
Pastor. O ja; denn Gießen ist doch die vortrefflichste Universität in Deutschland.
Doctor. Ganz gewiß, wenigstens in Rücksicht der Orthodoxie. Nun, der junge Mensch soll Schulunterricht und dereinst alle meine Collegien frey haben. Aber der junge Herr muß auch hübsch fromm sich aufführen, fleißig zur Kirche gehn, besonders, wenn ich predige, welches alle vierzehn Tage geschieht, das heil. Abendmahl wenigstens sechs Mal im Jahr gebrauchen, und sich besonders vor den neuen Irrtümern und Ketzereyen hüten, welche wie die Pestilenz sind, die im Finstern schleichet, und wie die Seuche, die im Mittag verderbt.
Der Pastor versicherte dem Doctor, daß in dieser Hinsicht kein Unglück zu befürchten sey, und ging vergnügt weg, und gerade zum Magister Aestas, mit welchem er wegen eines guten Quartiers für seinen Hanhenrich sprechen wollte. Magister Aestas war ehedem ein Universitätskamerad des Pastors gewesen, und freute sich gar mächtig, seinen alten Duzbruder wieder zu sehen. Nach eingenommenem Schnapps, wozu die Frau Magistern einige Tatschee Besondere Art Wecke, zu Gießen. L. auftrug, sprach der Pastor von der Hauptsache, und der Magister erbot sich, den jungen Menschen in sein Haus, und sogar, gegen ein Billiges, an seinen Tisch zu nehmen, und ihn zu behandeln, als wäre er sein eigenes Kind. Daß der Pastor diese Vorschläge annahm, versteht sich von selbst.
Nun war also Hanhenrich Schüler auf dem Gießer Pädagogium, oder er war, wie die Gießer zu sagen pflegen: Pijohist. So sehr unwissend er auch war, setzte ihn doch sein Hauswirth in die dritte Klasse, theils weil er bey ihm wohnte, theils aber auch deßwegen, weil er schon ein Bengel von sechszehn Jahren war.
In der Schule war unser Held der Schlechteste unter den Schlechten, woraus damals die Schulschaft zu Gießen componirt war. Überhaupt taugen die Schulen in solchen Städten, wo Universitäten sind, selten viel. Die Lehrer äffen den Professoren und die Schüler den Studenten zu viel nach, und daher wird der Unterricht versäumt oder verhunzt, und der Herr Gymnasiast lernt am Ende gar nichts.
Die fürchterliche Unwissenheit unsers Helden fiel sogar seinen Kameraden auf, und diese hatten ihn mit den Böcken, welche er in den Lehrstunden machte, immer zum Besten. Er bekam allerley Ekelnamen; so hieß er zum Exempel eine Zeitlang Bruder Mordio, weil er eine Stelle des Nepos: Alexandro Babylone mortuo, übersetzt hatte: Alexander schrie zu Babylon Mordio! – Dann hieß er Ritter Hering, weil er den Vers des Virgils: Formosam pastor Corydon ardebat Alexin, auf Deutsch so gegeben hatte: der Hirte Corydon kochte sich einen hübschen Hering. Hanhenrich ließ die Gymnasiasten spotten, wie sie wollten, und tröstete sich mit dem Gedanken: daß er bald Pastor seyn, und ein ruhiges Leben führen würde.
Der Magister förderte ihn alle halbe Jahre weiter, und so rutschte er durch alle Classen: er lernte zwar blutwenig, aber er bestand doch immer im Examen, weil der Magister bloß solche Fragen an ihn that, deren Beantwortung er auswendig gelernt hatte. Der Pastor Simon gaudirte sich höchlichst über die gewaltigen Progresse seines lieben Hanhenrichs, und beschloß, alles anzuwenden, um ihn einst zu einem großen Mann zu machen. So gingen die Schuljahre hin, und Euler ward endlich Student, oder Bursch, wie man zu Gießen und Jena, auch noch auf andern deutschen Universitäten die jungen Herren nennt, welche die Matrikel haben, und auf einer Universität existiren.