Joseph von Lauff
Die Seherin von der Getter
Joseph von Lauff

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13

Alte Sitten, alte Gebräuche! Sie sind nicht unterzukriegen. Besonders die in Westfalen halten daran, als wären sie vertaut mit ihnen, bis sich der letzte Eichbaum auf die Seite wirft und der letzte Freisasse nicht mehr imstande ist, die Faust um den Pflugsterz zu legen. Geschlechter kommen und gehen, die Besitzer wechseln, harte Herrenmenschen führen die Zügel, sensen die Schwaden, rackern sich ab wie die geringsten Hörigen, strecken sich unter dem Leichentuch, paradieren noch einmal in dem mit sechszölligen Nägeln zusammengeschreinerten Sarg, um mit einem sonoren oder auch gewinselten ›Kyrieleis‹ auf den Acker der Tränen getragen zu werden. Alles vergeht; nur die Gewohnheit ist wie der ewige Jude. Sie läßt sich nicht scheuchen. Sie fürchtet weder die bewaffnete Macht, noch den Gerichtsvollzieher, noch die Lichtjungfer. Sie ist wie die christkatholische Kirche mit ihren Heilsakramenten, ewig, unausforschbar, nicht niederzuzwingen. Auf jedem Dörpel sitzt sie, in jede Gräfte sieht sie hinein, auf jedem Prellstein ist sie zu finden, und wenn es einem einfallen sollte, sie auf eine andre Stätte zu verweisen, greift sie nach ihrem Dorn, der neben ihr wurzelt, und griemelt zwischen den Zähnen: »Gnade dem, der mich anpackt. Mit Strunk und Stiel kloppe ich ihm den Bregen auseinander. Verstanden?«

So auch auf Getter.

Die Gewohnheit behauptete ihr angestammtes Recht. Die alte Sitte und Satzung hatte noch Mark in den Knochen. Nichts veränderte sich. Nach den Festtagen blieb alles beim Hergebrachten. Auch die Abreise Hilles mit dem Freifräulein von Boeselager nach Darfeld ließ die Pulse weder langsamer noch hurtiger schlagen. Herrenleute und Bedienstete saßen wie früher an gemeinsamer Tafel unter der Bodenluke. Das Silbergeschirr und die vornehmen Gedecke waren fortgeräumt worden. An Stelle des feinen Tischzeugs war grobes getreten. Jeder hatte sein Laib Brot neben sich zu liegen und schnitt sich selbst die Brocken herunter. Irdene Schüsseln machten die Runde. Von irdenen Tellern nahm man die Speise. Frau Judith präsidierte wieder den Knechten und Mägden, sprach das Tischgebet, ermahnte zur Arbeit und sparte nicht mit ihren werktätigen Lehren und Episteln. Mit Bernd sprach sie selten. Sie ließ ihn gewähren, und wenn sie das Wort an ihn richtete, geschah es immer nur zu Nutz und Frommen von Hof und Gesinde. Sie entschuldigte ihn nicht, allein sie beobachtete ihn und bangte für ihn. Häufiger besuchte sie jetzt das umbrochene Stück Heideland, das Hövelkamp wider seinen Willen hatte umpflügen müssen. Auch sie war damit nicht einverstanden gewesen, hatte sich aber gefügt, weil ihr Sohn es so wollte, und jedesmal, wenn sie die Stätte erreichte, trat sie dicht an die Mergelgrube heran, wo das errichtete Holzkreuz von dem traurigen Geschick ihres Mannes erzählte. So auch heute. Trockenen Auges las sie:

»Was stehst
du hier,
um dies
zu lesen?

Was du jetzt bist, bin ich gewesen.
Was ich jetzt bin, wirst du einst werden;

Drum wandle
tugendhaft
auf Erden.
Im Namen
  des
Herrn.«

Wenn sie auch herb und nüchtern die bereits halbverwaschene Inschrift entzifferte, ihr Herz blutete, und die Mundecken verkrampften sich zu einem schmerzlichen Lächeln. Aber keine Schwäche wandelte sie dabei an. Sie blieb, was sie war, eine Travelmännin, die Alte auf Getter, ungebeugt, nicht niedergeworfen durch die Qual der Ereignisse.

Er, der ihr so viel des Leides angetan hatte, der seiner Lust und Begierde zum Opfer gefallen war, der hier starb, hingewürgt in der Kraft seiner Jahre, er war ihr nicht aus dem Gedächtnis genommen. Sie liebte ihn noch immer wie damals, als sie mit ihm die Ringe gewechselt . . . und wie ihn so den Sohn. O, daß ihm kein solches Ende widerfahre! Und sie betete auch für ihn, für den letzten des Hauses, auf daß es ihm wohlergehen möge und er teilhaftig werde eines christlichen Daseins, eines lieblichen Abends und eines sanften Hinscheidens bei einer versöhnlichen Sterbekerze: im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.

Kantigen Mundes stieß sie ihren Stock in den Boden, beugte sich nieder und küßte das Holzscheit. Dann ging sie, harten Schrittes, in sich gefestet, an Bernd und Frau Hille denkend und den Spruch auf den zusammengekniffenen Lippen:

»Trag' gern dein Kreuz, dann trägt es dich
Zur schönen Heimat sicherlich;
Doch murrest du, so drückt es sehr
Und weichet nie und nimmermehr.
Wirfst du es ab, so glaube mir,
Ein schwereres – es naht sich dir.«

So trug sie denn das ihr auferlegte Marterholz in Geduld und Einfalt, wortkarg, ohne zu klagen, mit der rührenden Gewissenhaftigkeit starker Menschen von der roten Erde. Nur ihre Gedanken drängten ängstlich zusammen, gleich den armseligen, roten Karpfen in einem Goldfischbassin.

Der spitze Frost ließ nach. Bald nach dem Fest der heiligen Drei Könige begann es zu schneien, grobwollig und mit dem unsteten Wiegen von Fledermäusen. Von Süden her dunstete es mit laulichem Atem. In schweren Lasten klatschte es von den Dächern herunter. Auf allen Eisdecken bildeten sich Sprünge und Risse. Die Wässerchen gurgelten über Moor und Torf, zwischen den Wallhecken; Äste und Zweige schüttelten ihre Puderperücken.

Von Darfeld hörte man wenig, von Emmerich Dinklage nichts mehr. Er war wie verschollen, sein Name wie der auf einem Sarkophag. Mochte es so bleiben. Nur im Schweigen allein wird das Vergessen gefunden.

Um die Mitte des Monats hatte der Gutsherr Geschäfte in Münster. Größere Verkaufsabschlüsse in Roggen und Weizen führten ihn zur dortigen Schranne. Alle Umsätze wickelten sich glatt und zur Zufriedenheit ab. Das verflossene Jahr war reich und gesegnet gewesen. Der Gewinn über alles Erwarten. Nach Erledigung dieser Unterhandlungen hatte er Ohm Gideon zu einem frugalen Imbiß geladen. Rendezvous: ›Zum dicken Stienen‹ hinter dem Rathaus, dem historischen Bau, dessen Mauern den ehrwürdigen Friedenssaal umschlossen, wo sich Anno 1648 das römische Reich deutscher Nation, duckmäuserig, querköpfig und ungeschickt in politischen Dingen, von den welschen und den übrigen langfingerigen Staaten Europas hatte maulschellen lassen, daß man es knallen hörte vom Rhein bis zur Persante. Unseligen Angedenkens daher, dieser Friedenssaal in der Stadt mit den vielen Türmen und dem mächtigen Glockengeläut, verabscheuungswürdig und jammerselig bis zu unsern Tagen! Um so freundlicher und einladender präsentierte sich der Hochsitz der lukullischen Genüsse, dicht hinter dem städtischen Anwesen.

Herr Joseph Stienen, ein Mann in den vierziger Jahren, in seinem Beruf klassisch zu nennen, verkörperte das Gastronomische seiner Wirtschaft besser als alle Reklamen und Auslagefenster zusammengenommen. Sein, von einer flotten, rahmweißen Pikeeweste umkrustetes Bonvivant-Bäuchlein, der wulstige Stiernacken, einem Prager Rollschinken ähnlich, das glattrasierte Doppelkinn zwischen den abgesteiften Vatermördern, die gleichsam in das Vollmondgesicht hineingeknallten kregelen Schweinsäugelchen – alles das redete in Bänden, in Folianten und in feurigen Zungen. Man konnte Herrn Stienen nicht ansehen, ohne sich über die Lippen zu schlecken und Appetit zu bekommen. Wandelte ihn die Lust an, seine gewichtige Person in eine bequeme Lage zu bringen, mußten vom Oberkellner Charles zwei Rohrstühle herbeigeschafft werden. Bei einem Diner putzte er einen gespickten Hasenrücken wie eine Wachtel von seinem Teller herunter, ließ danach eine getrüffelte Fasanenpastete mir nichts, dir nichts verschwinden, um hierauf das kärgliche Mittagsmahl mit einem ›durchenen‹ Emmentaler Käse, an dem noch die Salzperlen tränten, einfach, aber gediegen zu beschließen. Fett wie ein Pinguin, trug er seine zweihundertfünfundsechzig Pfund klevisch Gewicht mit der sanften Würde eines emeritierten päpstlichen Legaten, der seine Tage in Frascati oder auf Isola bella verlebte. Gerbaulet war bonus, Midi melior, Stienen optime. Das stand bombenfest und war nicht umzustoßen. Selbst die Helgoländer Krustazeen drängten sich dazu, in diesem Etablissement gesotten zu werden.

Durch das sogenannte Lottergäßchen gelangte man in das raffinierteste Heim aller Restaurateure und Küchengewaltigen, die diesen Namen verdienten.

Als Bernd eintrat, wurde er in der charmantesten Art vom Chef in eine trauliche Nische geleitet.

»Diese Ehre, Herr Travelmann, nein, diese seltene Ehre!« und er beugte sich nieder, indem er mit seinen Weißwurstfingern die Rückenlehne des Stuhles umgriff, auf den sich der Gutsherr niedergelassen hatte. Mit der ihm eigenen Fähigkeit, auch in diskretester Weise vernehmlich zu sprechen, deutete er auf die Speisekarte und sagte: »Salm zu empfehlen.«

»Frisch?« meinte Bernd.

Der Gefragte gab keine Antwort, richtete aber seine Schweinsäugelchen fromm und ergeben zur verräucherten Decke.

»Also genehmigt.«

»Charles,« rief Herr Stienen, »'ne Portion Rheinsalm in zerlassener Butter für Herrn Travelmann, hochwohlgeboren.«

»Ich möchte bemerken: Ohm Gideon kommt noch.«

»Das ändert die Sache. Charles, zwei Portionen. Noch sonst was, Herr Travelmann?«

»Das dürfte genügen.«

»Um Gotteswillen! Wo Herr von Hasenklever in eigener Person . . . Ein Entrecôte müßte unbedingt folgen.«

Erwartungsvoll stellte er seine Fingerspitzen gegeneinander.

»Können Sie es mit gutem Gewissen empfehlen?«

Herr Joseph Stienen schmunzelte gönnerhaft, überlegen, fast mitleidig und spielte mit seiner Berlocke.

»Haben Sie schon mal bei meinem Kollegen Gerbaulet im ›Römischen Kaiser‹ gegessen?« meinte er schließlich.

»Des öftern.«

»So! Und bei Midi?«

»Gewiß.«

»Auch fragliches Gericht?«

»Auch dieses.«

»Und wie waren die Dinger?«

»Ein Traum.«

»Meine sind Träume, schmalzige Träume, Träume, die auf Rosenwölkchen dahinmontgolfieren. Charles, zwei Entrecôtes mit Sauce Bearnaise für Herrn Travelmann, hochwohlgeboren. Nun kommen die Weine. Vielleicht 'ne Rauentaler Ausbruch gefällig?«

»Mein Freund Hasenklever ist mehr liiert mit dem Roten.«

Der Chef tippte sich gegen die Stirn, als müsse er wegen seiner Vergeßlichkeit vielmals um Entschuldigung bitten.

»Ach, du mein Göttchen! Ich Schafskopf. Allerdings, allerdings. Der Herr Baron belieben nur Roten zu trinken. Selbstverständlich, das ändert die Sache. Wollen mal nachsehen. Vielleicht ein Gewächs, gezeitigt zwischen Garonne und Dordogne? Noch besser die Medocs,« und er zählte an den Fingern herunter: »Lafitte, Château Margaur, noble Sachen, feinstes Bouquet, Haut-Brion oder Latour, rassig, abgelagert, gleichsam von einer Milchkuh bezogen.«

Er schnappte ab.

Seine Äugelchen leuchteten wie bengalische Flämmchen.

»Wählen wir 'ne Flasche Lafitte.«

Herr Joseph Stienen ließ die fetten Lider herunter, schnalzte etliche Male und rief mit der sanften Stimme eines Weihbischofs in partibus infidelium über die Schulter: »Charles, zwei Bouteillen Lafitte, mild temperiert, dazu Spitzgläser aus dem obersten Schrank, für Herrn Travelmann, hochwohlgeboren.«

In diesem Augenblick stelzte der Paderborner steifbeinig mit seinem Bülow Krawallo ins Zimmer, placierte den Stock, segelte auf Bernd los und drückte ihn an seine rotgepunktete Samtweste, als hätte der Stille Ozean lange Monde hindurch seine weißkämmigen Wogen zwischen eine edle Freundschaft geschoben, während Herr Stienen sich räusperte, diskret verschwand und sich an der Anrichte zu schaffen machte.

»Bernd, es lebe das Weizenkorn und die münsterische Schranne! Alles wieder vom obersten Ende! Gott segne die Landwirtschaft, Ochsen, Kälber und Kühe und alles, was ihnen verwandt und zugetan ist!«

Charles kam wie auf Pirmasensern gewandelt.

Der Salm war vortrefflich, der Lafitte außer Wettbewerb.

»Prosit, mein Junge! Wie steht es auf Getter?«

»So leidlich.«

Ohm Gideon zog die Augenbrauen zusammen.

»Nur leidlich?«

»Die Gnädige fühlte sich bewogen, mir das harte Los eines Strohwitwers auf die Schultern zu legen.«

»Wohin denn?«

»Nach Darfeld.«

»Warum das?«

»Weiberlaunen.«

»Tausend noch mal!«

Der Paderborner nahm einen tiefen Schluck aus dem Kelchglas und sagte bedächtig: »Frau Hille ist nicht zu tangieren, steht himmelhoch über allen, die sich in der Krinoline bewegen, aber im allgemeinen gesprochen: Ich habe mir in den letzten Tagen die unumstößliche Meinung gebildet: es ist besser, gen Damaskus zu wallfahren und in der Wüste Ziegel zu streichen, als mit dem schönsten Weibe Bett und Tafeltuch gemeinsam zu teilen. Jawoll, ja,« und dann mit Bedeutung: »Du, nimm's mir nicht übel, aber mir schwante so was, ohne zu wissen . . .«

»Möglich, aber Schwamm über die Sache.«

»Schwamm drüber,« bestätigte Ohm Gideon und spülte den letzten Bissen Salm mit einem Glase Rotspon hinter seine tadellos geknotete Binde.

»Charles,« ertönte es geheimnisvoll wie aus einem Zauberkasten heraus, »die Entrecôtes mit Sauce Bearnaise für Herrn Travelmann, hochwohlgeboren.«

Die Entrecôtes kamen.

»Sprechen wir lieber von andern Dingen,« nahm Bernd wieder das Wort auf. »Unerfreulichen Geschichten soll man den Hals umdrehen. Kommt überall vor. Leider, ich gestehe es offen: meine Schuld ist nicht gering, obgleich lediglich fixe Ideen sie heraufbeschworen. Mea culpa. Ich armer, sündiger Mensch . . . Aber warten wir ab. Zeit muß Wandel bringen. Doch nichts mehr davon! Es wäre schon besser, du erzähltest mir aus deinem eigenen Leben . . . zum Beispiel . . . nehmen wir an: du als Hans in allen Hecken und Hägen, mußt doch etwas auf der Pfanne haben und losbrennen können.«

Ohm Gideon feixte.

»Hab' ich und kann ich, mein Junge, und ich bin eigentlich erstaunt, dich so gelassen zu wissen. Du mußt mir doch ansehen, daß etwas passiert ist. Männerstolz vor Fürstenthronen. Also noch immer nichts?«

Bernd zuckte die Achseln.

»Nicht das geringste. Deine Visage ist dieselbe geblieben.«

»Also nein,« bedauerte Gideon. Dann laß dir berichten,« und während er sein Entrecôte kunstgerecht zerteilte, es mit Sauce Bearnaise einsalbte und ihm alle Ehre erwies, warf er die gewichtigsten Brocken seines Erlebnisses in die verschiedenen Stadien der soliden und erfolgreichen Mahlzeit.

»Du weißt ja: seit Olims Tagen hatte ich die Ehre, dem Klub der Adeligen Damen anzugehören . . . vornehme Sache . . . nur Leute der primissima Klasse . . . nur solche, die schon unter dem seligen Wittekind hoffähig waren . . . Herren und Damen . . . jawoll, ja . . . Dann weiter: Anno Donmini 1803 bis 6 . . . der alte Gebhard Leberecht Blücher in Münster . . . wohnte als Generalleutnant im Residenzschloß am Neuplatz . . . ulkiges Huhn das . . . aber Retter des Vaterlandes . . . war ebenfalls Mitglied . . . eingeschworenes Mitglied . . . machte aber leider dieselben traurigen Erfahrungen, die ich machen mußte.«

»Und worin bestanden diese traurigen Dinge?«

Gideon kullerte mit seinen kreisrunden Augen.

»Nochmals gesagt: alles vornehme Menschen . . . nur der erste westfälische Adel . . . die Schmising, die Landsberg, die Galen zur Assen und ähnliche Großprätendenten . . . Spielten auch gerne . . . so'n kleines Jeuchen . . . Skat oder Poker . . . zuweilen Roulette . . . douze . . . rouge . . . pair et passe . . . so damals wie heute . . . Aber alles fair und in grauen Zylindern  . . . Nichts dagegen zu sagen . . . nur, ich erkannte: an allen Ecken und Enden haperte es mit der patriotischen Gesinnung. Päpstlich war Trumpf. Der König von Preußen und seine Offiziere wurden geduldet, aber nur mäßig. Kein militärischer Auftakt . . . lediglich Rosenkranzgesichter . . . nirgends ein Tambour-Major . . . kein Zapfenstreich . . . Am Geburtstag des Pontifex gab's Sekt . . .. an dem des Königs münsterisches Altbier . . . Schauderös! So damals wie heute. Das ging mir wider die Kandare . . . gegen Kandare und Striegel. Ich hatte meine Konsequenzen zu ziehen, als ehemaliger Kavallerieoffizier und als Freiherr von und zu Hasenklever. Und daher: ich konnte nicht anders und tat, was der alte Blücher getan hat.«

»Was tat denn der Alte?«

Der Entrüstete legte Messer und Gabel beiseite und fuhr sich etliche Male durch die Spitzen seines fadigen Schnurrbarts. Hierauf griff er in seine Brusttasche und brachte ein sorglich gefaltetes Schriftstück zum Vorschein.

»Bitte, dies lesen zu wollen. Aber kräftig. Die Abschrift eines Blücherschen Briefes an den derzeitigen Sekretär des Klubs der Adeligen Damen, Freiherrn von Schmising. Von mir selber kopiert aus dem Archiv der Gesellschaft, mit all seinen Schnitzern und Lustigkeiten, die der Alte höchsteigenhändig hineinpraktizierte. Bitte, lies deutlich,« und Bernd Travelmann las kernig und mit munteren Augen:

»Da man in dem hisigen hoch Ahdligen Damens-Club schon verschiedentlich Abneigung vor die Preusischen Offiziers gezeigt, ich aber die vorzügliche Ehre genieße ein Mitglidt dieses Officir Corps zu sein, so finde ich mich bewogen, auf die mich so Gracieuse ertheilte Erlaubniß, den hohen Damens-Club besuchen zu dürffen, Verzigt zu leisten. Ich werde mich in die gesellschaft meiner Waffenbrüder entschädigen. Eu. hochwürden und hochwohlgeboren ersuche ich als beiständigen Sekretair dieses Instituts die Löschung meines nahmens gefälligst vorzutragen.

Mit vollkommenster hochachtung verharre

Eu. hochwürden und hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
v. Blücher.

Münster, d. 23. November 1803.«

Der Freisasse klopfte sich die Schenkel und fragte: »Na – und du?«

Der Paderborner mit einem Imperatorengesicht: »Ich ließ mich streichen, ratzekahl streichen.«

»Bravo!« rief Bernd. »Das wird dir nicht vergessen, mein Söhnchen. Charles . . .

Herr Joseph Stienen, der schon seit geraumer Zeit inmitten seines Restaurants auf zwei Rohrstühlen paradierte und der Unterhaltung gefolgt war, fiel ihm ins Wort: »Charles, 'ne frische Lafitte, mild temperiert, für Herrn Travelmann, hochwohlgeboren.«

Dann stand er auf.

»Charles . . .

»Herr Stienen . . .

»Ein Spitzglas für mich.«

Er flüsterte dem Ober etwas ins Ohr, und seine zweihundertfünfundsechzig Pfund klevisch Gewicht mit der Grandezza eines emeritierten päpstlichen Legaten vorwärts bewegend, segelte er der traulichen Nische zu.

»Wenn die Herren gestatten . . .

»Selbstverständlich. Wir haben Ihre Träume genossen.«

»Merci. Da sehen Sie: Midi und Gerbaulet, allerhand Hochschätzung – aber nur saure Gurken gegen Stienen, in Firma Stienen und Söhne. Ich wollte mir auch nur erlauben . . . selbstverständlich auf mein eigenes Konto . . . dieselbe Sorte, bloß ein älterer Jahrgang . . . Ich meine: was der Herr Baron soeben dartaten . . . ganz meine Ansicht. Mir aus der Seele gesprochen. Diese Ambitionen des westfälischen Adels ohne patriotischen Einschlag . . . völlig verwerflich . . . Charles, schenken Sie ein! Ich kann nur sagen: eine solche Antwort war das beste, was getan werden konnte. Sich einfach streichen zu lassen. Herr Baron, meine Hochachtung. Stoßen wir an!«

Die Gläser klangen zusammen.

»Und Blücher?« warf Bernd dazwischen.

»Natürlich! Gedenken wir seiner in erster Linie. Wie konnte ich nur? So etwas unter den Tisch fallen zu lassen . . .«

»Es gilt!« rief Ohm Gideon. »Dem alten Husaren und Haudegen, dem Retter des Vaterlandes, wenn auch mit orthographischen und grammatikalischen Schnitzern behaftet . . .«

»Dem Helden,« sagte der Freisasse mit ernster Betonung, »der es verstand, seinen preußischen Sarraß tief ins französische Mark zu treiben . . . und wolle Gott, daß wir Männer haben wie ihn, für später und jetzt, wenn die Not uns angrinst. Er lebe!«

Der weißhaarige Marschall hätte sicherlich vor Freude die Falkenaugen in seiner Gruft aufgeschlagen, wäre ihm das begeisterte Läuten zu Ohren gedrungen.

Der Küchengewaltige ließ Zigarren kredenzen.

»Apropos,« meinte er, als eine dicke Havanna in seiner rechten Mundecke ihren Weihrauch austat, »vorliegender Fall, Herr Baron, steht nicht vereinzelt. Er hat Schule gemacht, 'ne vortreffliche Schule.«

»Ventre à terre! Das wäre denn doch! Wie nennt sich der Heros? Darf man wissen . . .

»Ja, und im Vertrauen gesagt, er ist ein häufiger Gast in meinem Hotel-Restaurant. Mäßig, aber mit feinem Verständnis für meine bessern Sorten.«

»Sie machen uns neugierig.«

»Selbiger nun,« und Herr Stienen verstand es wieder, mit hingehauchter Stimme, erstaunlich klar und vernehmlich zu sprechen, »hat wie Sie, Herr Baron, und zwar aus den nämlichen Erwägungen heraus, genau dasselbe Manöver entriert. Ich meine . . .«

»Dann heraus mit dem Namen!«

»Ganz unter uns: der Herr Doktor von Dinklage.«

»Dunnerwetter noch mal!«

»Erstaunt Sie das so?«

»Keineswegs.«

»Freut mich, aber bedeutsam. Der Herr Doktor ist hoch zu bewerten. Charles, 'nen Aschenbecher für Herrn Travelmann, hochwohlgeboren. Ganz Münster verehrt ihn, wenigstens das vaterländisch gesinnte Münster. Er wird auf Händen getragen. Seine Vorlesungen machen Furore. Alles träumt nur noch von Leukas und Mykenä. Hab' selbst keine Ahnung, aber was die Professoren und die Herren Studenten so sagen . . . Man spricht allerdings davon, er trüge sich mit Abschiedsgedanken, natürlich, um sein Lehramt auf einer andern Hochschule freier zu betätigen. Unmöglich, völlig ausgeschlossen. Man läßt ihn einfach nicht ziehen.«

»Da brate mir einer 'nen Storch.«

»Zwei, Herr Baron. Zwei komplette, leibhaftige Störche. Der Mann verdient es. Gestern noch dinierte der Rektor magnificus in meinem Etablissement. Saß, wo die beiden Herren jetzt sitzen. Dasselbe Menü. Sprach auch über Herrn von Dinklage. Viel Löbliches. Ein Lorbeerblatt neben dem andern. Auch die Herren Senioren der hiesigen Verbindungen äußerten sich in ähnlicher Weise . . . überraschend . . . in total ähnlicher Weise . . .«

»Doch nicht solche vom baumwollenen S. C.?«

Herr Stienen hielt ihm die offenen Handflächen verweisend entgegen.

»I Gott bewahre! Keine Holzkomment-Leute. Nur erstklassige Ware. Planen was Großes. Diverse Ehrungen sind vorgesehen. Zum Beispiel: morgen Abend soll ein pompöser Fackelzug steigen . . . alle Kulören in Wichs . . . die Kapelle der Dreizehner vorweg . . . über den Prinzipalmarkt . . . dreimal um die Lambertikirche herum . . . immer mit Lampions und voller Musik . . . Dann zur Neubrückenstraße . . . dort wohnt er . . . dem Boeselagerschen Hof schräg gegenüber . . . Mächtige Reden . . . Absingung des Liedes: Alles schweige, jeder neige . . . Rückmarsch unter seiner Begleitung . . . Schließlich Ende gut, alles gut: Ananas-Bowle in meinem Lokal . . . O, o!« – und Herr Stienen wölkte etliche Kringel zur Decke – »so ehrt die Vaterstadt einen ihrer größten Söhne.«

»Dunnerwetter! und das alles für Emmerich?«

»Alles.«

»Bernd,« wandte sich der Paderborner mit aufgerissenen Augen an seinen Freund und Gönner, »das hätte ich doch nicht hinter unserm Klamottenaugust vermutet. Schwerebrett und kein Ende! Vor meinen Fähnrichszeiten habe ich mal in des alten Cornelius Nepos ›Liber de excellentibus ducibus exterarum gentium‹ geblättert. Lebte der gediegene Römer noch heute, er könnte nicht blindlings an Emmerich vorbeigehen.«

»So scheint es.«

Der Freisasse erhob sich.

Er blickte auf Charles.

»Was zum Kuckuck nochmal! Sie wollen schon abbauen?«

»Herr Stienen, meine Zeit ist bemessen.«

»Bedauere äußerst. Wollen Herr Travelmann nicht den heutigen Abend . . .

»Unmöglich.«

»Dann allerdings.«

Herr Stienen perlmutterte mit seinen Schellfischaugen. Sein glattrasiertes Doppelkinn zog sich wie eine fette Weinbergschnecke in die Vatermörder zurück.

»Äußerst betrüblich. Charles, die Nota, per cassa, für Herrn Travelmann, hochwohlgeboren.«

Als er die Rechnung beglichen hatte, fragte ihn Gideon: »Du gestattest doch, Bernd, wenn ich unserm Gönner noch etwas Gesellschaft leiste? Es bringt mir Verdauungsstörungen, wenn ich so plötzlich . . .«

»Bleibe nur ruhig. Dem Glücklichen schlägt keine Stunde.«

»Danke. Und das mit dem Bau-, Schleif-, Rund- und Grubenholz, von wegen der Abtaxierung? Ich denke, der Termin wird doch eingehalten?«

»Wird innegehalten.«

»Gut, ich werde pünktlich erscheinen. Jawoll, ja. Schlag zehn Uhr auf Getter.«

Der Gutsherr empfahl sich.

Herr Stienen begleitete ihn bis zur Hausschwelle.

Charles wedelte ihm mit seiner blütenweißen Serviette nach.

Ohm Gideon trank noch rasch ein Glas auf sein Wohlgedeihen, auf eine ewige Freundschaft, auf eine unverbrüchliche Treue. Dabei sang er:

»Die Treue, so klar wie ein Wiesenborn,
Floh eiligst davon in ein Jägerhorn.
Der Jäger, der blies sie hinein in den Wind,
Daher sie zuzeiten so selten sich find't.

Ich führe kein Jägerhorn. Bei mir ist sie trefflich geborgen, die Treue,« und er maß sich abermals ein Gläschen Lafitte zu.

Inzwischen schritt Bernd durch das Lottergäßchen dem Prinzipalmarkt entgegen.

Am späten Abend desselben Tages war er wieder zu Hause.

* * *

Der Schnee war von den Feldern genommen. Vor der Hand hatte der Winter seine gestrenge Herrschaft verloren. Gegen alles Erwarten ließ er die Ohren hängen, wetterwendisch, ohne blanke Tage, ohne Nächte mit kaltem Sternenfeuer. Graue Regenfäden schraffierten die Landschaft. Auf den Äckern war wenig zu schaffen. Die ganze Arbeit spielte sich in Hof, Haus, Ställen und Scheunen ab. Die Spinnstubenabende kamen zu ihrem Recht. Auch auf Getter. Jans Schwarte und Hövelkamp wohnten ihnen bei, saßen zwischen den Mägden, rauchten ihre Pfeife Tabak und sahen stur und steif in die zirpende Lampe. Dabei horchten sie auf das Rappeln der Fensterläden, das Wispern des Rohres und das Plaudern des Wassers, das wieder monoton gegen die grauen Mauern schwaderte.

Im letzten Drittel des Monats hellte das Himmelreich auf. Überall Blinklichter. Es hatte den Anschein, als wollte es schon zu grünen beginnen. Selbst die Merle bäumte auf und versuchte eine neue Strophe zu pfeifen. Aber alles nur Schein, nur ein verhaltenes Leuchten und Mückentanzen.

Um diese Zeit kam der Postbote von Hiltrup. Er brachte ein Schreiben von Darfeld. Es war an Frau Judith gerichtet.

Nach gemeinsamem Mittagstisch schob sie es Bernd hin, wortlos, ohne dabei eine Miene zu ändern.

Er nahm und las:

»Meine teure Judith!

Gottes Segen bei Dir und Deinem Hause. Seit meinem letzten Lebenszeichen ist so ziemlich alles beim alten geblieben. Die lieben Eichen rauschen mir Trost zu, und ich bin Dir von Herzen verbunden, daß Du Ohm Gideons minderwertige Pläne so unerschrocken bekämpftest. Wenn er auch ein guter und amüsanter Herr ist, von Poesie hat er gar keine Ahnung. C'est plus qu'un crime, c'est une faute, wie Talleyrand sagt. Annette von Droste scheint er überhaupt nicht zu kennen, meine Heimgegangene, in Gott ruhende Schwester nur wenig, sonst hätte er doch nicht solche verfänglichen Anträge gestellt. Habe Dank, meine Liebe! Die geretteten Bäume scheinen es selbst zu empfinden, denn wenn ich sie mit Hille aufsuche, ist es uns immer so, als würde aus den kahlen Zweigen Dein Name geflüstert. Wie wird es erst sein, wenn ihre belaubten Kronen wieder zu Domorgeln werden?! Ich freue mich darauf wie die ersten Veilchen auf das Trompeten der Kraniche, wenn diese aufs neue ihrer nordischen Heimat zustreben. Hille wird mit jeder Stunde voller und schöner. Ich sage das mit Vorbehalt, mit einer gewissen Reserve. Das menschliche Herz hat seine verborgenen Tiefen und ist schwer zu ergründen. Auch bedünkt es mich: sie ist milder geworden, weniger streng in ihren Anschauungen. Verschiedene Gründe sprechen dafür. Den Namen ihres Mannes weist sie nicht mehr in schroffer Art von sich ab. Bernd ist ihr offenbar näher gerückt. Ich kann von ihm reden und seine Vorzüge rühmen. So weit wären wir nun. Gott möge weiter helfen! Nur eins macht mir Sorge. Darüber zu sprechen kommt mir schwer an, aber es muß dennoch geschehen. Seit einigen Tagen gibt sie sich stiller und insichgekehrter, will immer allein sein und trägt sich mit Gedanken, die andere Menschen nicht kennen. Auch äußerte sie, nach der Getter zu fahren, sie habe etwas auf dem Helweg zu suchen. Sollten da wieder die alten Geschichten . . .?! O mon dieu! mon dieu! und ich wähnte bereits, sie habe das Sehen der ›Blassen‹ im Lande von sich gewiesen, wie eine Genesende das Sterbekränzlein, das bereits über ihrem Haupte schwebte, lächelnden Mundes dem lieben Gott überantwortet. Ich halte ihr Bleiben auf Darfeld noch für unbedingt nötig. Nur hier kann sie völlig gesunden. Es ist auch besser für beide Teile. Das eheliche Vertrauen vertieft sich und reicht sich inniger die Hände. Ich zähle auf Dich. Du bist die nächste dazu. Dein Wort ist wie das einer Zugreifenden. Drum komme! Je eher, je besser. Auch verlangt sie nach Dir. Du bleibst so lange, wie es Dir behagt. Die Rückfahrt könntet ihr dann gemeinsam antreten. Hille läßt Dich grüßen. Meine schönsten Empfehlungen an Bernd. Erhalte mir Deine Liebe und Zuneigung, wie ich sie Dir in reichstem Maße entgegenbringe. Stets Deine getreue

Stephanie.«

Er ließ das Schreiben herunter. Die einzelnen Zeilen, vornehmlich die, die sich mit der traurigen Gabe befaßten, drückten ihn nieder. Vieles ging ihm durch den Sinn, preßte ihm die Kehle zusammen. War er denn der alleinschuldige Teil? Hatte auch sie nicht ihre Fehler, ihre seltsamen Wandlungen, die, wenn auch unbewußt, sich bei ihr zu einer gewissen Schuld verdichtet hatten? Warum diese Übereilung? Die unerklärliche Sucht, aus seiner Nähe zu kommen, ohne Aussprache, ohne das geringste zu tun, die Hand zur Versöhnung zu reichen? Noch einmal hielt er die große Heerschau über die verflossenen Tage und Wochen. Sie brachte ihm wenig. Nur verworrene Bilder und Erwägungen, mit denen er nichts anfangen konnte. Nirgendwo eine Quelle des Lichts.

Unwillig, fast schroff, erhob er sich, und was seine Mutter kurz zuvor getan hatte, das geschah auch seinerseits. Der Brief wurde wortlos beiseite geschoben.

Die Alte wischte sich über die Stirne. Alle Zuversicht hatte die Stunde in graue Asche verwandelt.

»Es wird öde um uns, öde und leer,« sagte sie uneben, spröde und brüchig wie rissiges Eichenholz. »Man möchte vieles ändern, manches ins Gleichgewicht bringen. Die Zeit scheint verpaßt.«

Sie war gleichfalls aufgestanden. Mit welken Händen griff sie in die Falten ihres schwarzen Kleides, als sei sie gewillt, der Unterredung ein Ende zu machen.

Sie sah ihn schweigend an, und dieses Schweigen schien eine Frage zu sein.

Er gab keine Antwort.

»Ihr seid hart, ihr Travelmänner,« fiel es ihr dürr von den Lippen, »hart wie die unerbittliche Not vor dem Pfandhaus. Ihr habt ein Gewächs im Leibe, das euch aussaugt bis auf das Mark eurer Knochen. Tut, was ihr nicht lassen könnt, ihr Unbegreiflichen aus einem unbegreiflichen Geschlecht. Ich für meine Person habe bereits meine Dispositionen getroffen und fahre noch heute.«

Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, verließ sie die Diele.

Er sah ihr nach, als wenn seine Gedanken von einem Sterbehaus in das andre zögen. Dann nahm er Stock und Hut und ging auf die benachbarten Felder.

Eine Stunde später hielt Jans Schwarte mit seinem Halbverdeck vor der Einfahrt.

Hövelkamp war bei ihm.

Judith erschien, führte ihn abseits und sagte: »En guten Statthöller is biäter as en feren Frönd. Haltet die Augen auf und seht nach dem Rechten. Hochzeitskleid und Totenlaken liegen dicht nebeneinander. Gute Wacht ist wie der Stern Gottes. Er sieht alles und leuchtet denen, die für die Ordnung gesetzt sind.«

Hövelkamp straffte sich hoch.

»Urbanus Hawer un Veits Giärste kumt buowen in't Hausfirste, Frau Travelmann. Die schlafen. Ich nicht, denn ich will wie der Stern Gottes für die Ordnung gesetzt sein, sonst wär' ich nicht Hövelkamp, sondern ein blökendes Schaf im Pferch, ohne Betrachtung und Einsehen. Wer bei die Preußen gedient hat . . . Gute Reise, Frau Travelmann!«

»Gott lohn's,« und sie fuhr in den Mittag hinein und hörte auf den Gesang einer Merle, die auf einer Birke saß und bereits vom kommenden Lenz erzählte, und doch war die Erde noch kahl und leer und wie ein Menschenherz ohne freudiges Pulsieren.

 


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