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Günther ließ sich weder durch Cäciliens Klagegeschrei noch Fridas Tränen zurückhalten. Leo, der vermitteln sollte, lehnte ab und sagte:
»Liebe Cäcilie! Denk' an unser Abkommen: Ich bring' das Geschäft in die Höhe, du den Jungen. – Hoffentlich bleibt dein Erfolg nicht hinter meinem zurück. Ärger und Rückschläge gibt's in jedem Geschäft. Das muß man in Kauf nehmen. Wenn's nachher klappt, freut man sich um so mehr.«
»Der Junge ist kein Geschäft!« rief Cäcilie wütend. »Wie oft soll ich dir das sagen!«
»Gewiß, in dem Sinne nicht!« stimmte Leo bei.
»In gar keinem Sinne!« erwiderte Cäcilie. »Er ist ein Luxusgegenstand, aus dem man kein Kapital schlägt, sondern den man sich 'was kosten läßt.«
»Dann halt' ihn an, daß er Geld ausgibt. Ich hab' nichts dagegen. Ich mein' nur . . .«
»Was meinst du?«
»Das ist so eine Redensart, die ich mir von dir angewöhnt habe. Jedenfalls ist Nationalökonomie nicht gerade ein Beruf, den sich Verschwender wählen.«
»Dann muß er umsatteln! Im übrigen, wer weiß das? Günther Raffke ist zunächst 'mal Dichter. Als solchen kennt ihn, dank meiner Regie, heut' schon jeder. Was er nebenbei aus Liebhaberei treibt, ist Nebensache. Der eine wirft sich auf den Sport, der andre auf die Weiber . . .«
»Er ausgerechnet auf die Nationalökonomie.«
»Solange er sich nicht öffentlich damit kompromittiert, hat das nichts auf sich.«
»Also dann versteh' ich nicht, weshalb du dich so erregst und alle Welt wild machst, weil er nach Tübingen will.«
»Das ist verrückt! Ausgerechnet Tübingen! Wenn's noch Madrid oder Tokio wäre. Das könnte man bei unseren Verhältnissen verstehen. Aber Tübingen!« – Sie schlug sich gegen die die Stirn. – »Verrückt! verrückt!«
»Ist dir schon 'mal 'n Dichter begegnet, der normal war?«
Cäcilie dachte nach. Ihr Gesicht verklärte sich.
»Leo!« rief sie. »Du hast recht! Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dann ist es der! – Wie gut, daß er nicht nach Madrid will.«
»Oder nach Tokio,« ergänzte Leo.
»Tübingen!« rief sie begeistert »Hast du schon 'mal gehört, daß ein vernünftiger Mensch nach Tübingen geht?«
»Freiwillig jedenfalls nicht.«
»Am Ende ist da nicht einmal eine Universität. Leo, das wäre himmlisch.«
Cäcilie gab ihren Widerstand auf, traf selbst alle Anordnungen für die Reise und war nur noch in Sorge, daß Günther bis zum Abend seine Dispositionen ändern könnte.
*
Monate waren vergangen.
Günther schrieb Raffkes alle vierzehn Tage eine Karte, auf der, dem Sinne nach, immer dasselbe stand:
»Ich freue mich, zu hören, daß es euch gut geht. Ich kann das Gleiche von mir melden. Ich benötige nichts. Auch kein Geld. Also bitte, quält mich nicht! Ich verdiene durch Beiträge an Fachzeitschriften, was ich zum Leben brauche. Und ich brauche nicht viel. – Meine Studien machen Fortschritte. Ich bin zufrieden.
Viele Grüße!
Günther.«
Cäcilie geriet über diese Karten jedesmal in Erregung. Sie tobte erst eine Weile, stürzte dann ans Telephon und berief den Familienrat.
Da es mit Ausnahme von Cäcilie aber allen genehm war, daß Günther seine eigenen Wege ging, die mit den ihrigen weder zusammenliefen, noch sie kreuzten, so stimmte man dem Maestro bei, der meinte:
»Ich sehe in dem Verhalten Günthers nichts anderes als eine Überspanntheit. Die Jugend gefällt sich in Extremen. Zu Haus': zwei Jahrzehnte hindurch Überfluß und Luxus; von Hause fort: der Drang zu primitivster Einfachheit. Bei Günther, der schon als Kind exaltiert war, bis zur Leidenschaft gesteigert. Mein Rat ist: austoben lassen! Er wird eines Tages schon von selbst zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurückkehren, deren ungewöhnliche Qualität wir alle ja zu schätzen wissen.«
Cäcilie aber, die in den Fleischtöpfen Ägyptens eine durchaus unpassende Anspielung sah, die dem Maestro völlig fern lag, sagte spitz:
»Ich bitte mir aus, Maestro, keine Reminiscenzen. Sie haben als Junge auch noch nicht gewußt, was ein Klubsessel ist.«
Das verstand man nicht; aber man fand doch allgemein, daß des Maestro Vorschlag richtig war.
Auch als Günther kategorisch die Aufnahme folgender Notiz in der »Neuen Gesellschaft« verlangte:
»Günther Raffke legt Wert auf die Feststellung, daß seine Mitwirkung an den Operetten »Die fesche Samoanerin« und »Die Frau von tausend Jahren« in keiner Weise die Nennung seines Namens neben dem Viktor Grüns rechtfertigt.«
willfahrten sie aus Utilitätsgründen, nach einer Beratung, die bis in die Nacht währte, dieser Bitte.
Zwar hob Viktor Grün die von Günther beabsichtigte Wirkung durch eine Notiz, in der er sich gegen die »übertriebene Bescheidenheit« wandte, auf. Und andere Blätter machten unter der Überschrift: »Ein Autor, der sein eigenes Stück verleugnet« ihre mehr oder weniger boshaften Glossen. Die Folge war, daß Günther Raffkes Name ein paar Tage lang wieder in aller Munde war. Und neidvoll dachte manch einer: Der versteht's, Reklame für sich zu machen.
Günther aber, der sich ganz in seine wissenschaftliche Arbeit vertiefte, dachte nicht weiter über die Wirkung nach. Ihm genügte die Tatsache der Erklärung in der »Neuen Gesellschaft«.
*
Bald darauf erlebte Cäcilie ihre große Überraschung. Sie saß mit Leo beim Tee, als der Diener eintrat und ihr ein Tablett mit einer Karte reichte.
Sie nahm die Karte auf, las sie und rief laut:
»Leo! Die Röhren!«
Gleich darauf führte sie ängstlich die Hand zum Mund, sah verstohlen zur Tür und fragte flüsternd:
»Sie wird doch nicht gehört haben?«
»Wenn sie taub ist, nicht.«
»Was mach' ich?« fragte sie unbeholfen und sah erst Leo, dann den Diener an.
»Du bist doch angezogen. Also empfang' sie.«
»Das hätte ich ahnen sollen!« rief sie und war im selben Augenblicke auch schon aus dem Zimmer. Sie lief den Korridor entlang, die Treppe hinauf, stürzte in ihr Boudoir, schloß den eingebauten Schrank auf, entnahm ihm den Schmuckkasten und behing sich mit Perlen und Brillanten.
Der Diener stand noch immer mit dem Tablett vor Leo.
»Soll ich die Dame fortschicken?«
»Unsinn!« rief Leo. »Meine Frau wartet seit zwanzig Jahren auf der ihren Besuch. Da wollen Sie sie wegschicken! Soll sie vielleicht noch 'mal zwanzig Jahre warten? Sagen sie ihr, wir haben jeden Tag gehofft – oder nein! Führen Sie sie einfach in den Salon.«
Frau Röhren war kaum eingetreten, als Cäcilie durch die Portieren rauschte.
»Nanu?« verstellte sich Cäcilie. »Sehe ich recht? Frau Röhren? – Ja, warum sagt mir denn das niemand?« – Sie trat ein paar Schritte auf sie zu und fragte: »Welcher meiner Diener hat Sie eingelassen?«
»Ich habe ihn mir wirklich nicht angesehen,« erwiderte Frau Röhren. »Aber wenn ich störe . . .«
»Nein! nein!« rief Cäcilie hastig und hätte Frau Röhren am liebsten an beiden Armen festgehalten. Aber sie nahm sich zusammen und sagte bloß: »Im Gegenteil! Ich freue mich sehr. Wenn Sie unseren Besuch auch etwas spät erwidern. – Bitte!« – und sie forderte sie auf, Platz zu nehmen.
»Sie entsinnen sich vielleicht,« erwiderte Frau Röhren, »daß wir damals jeden gesellschaftlichen Verkehr aufgeben mußten.«
»Ich bitt' Sie,« wehrte Cäcilie ab. »Wer weiß von diesen Dingen heute noch? Die sind vergessen. Sie sind wieder obenauf. Darauf kommt es an. Kein Mensch fragt mehr danach, was damals war.«
»O nein!« erwiderte Frau Röhren. »Sie irren. Ich schäme mich durchaus nicht, an die Zeit erinnert zu werden. Ganz im Gegenteil! Ich bin stolz auf sie. Diese Jahre gehören zu den schönsten meines Lebens, und ich möchte sie in meiner Erinnerung nicht missen.«
»Geschmacksache!« erwiderte Cäcilie. »Für mich hätten derartige Prüfungen etwas Unangenehmes.«
»Gewiß, ich kann es mir denken, Frau Raffke,« sagte Frau Röhren mit leiser Ironie.
Es wurde ihr schwer, zur Sache zu kommen. Mehrmals machte sie einen Ansatz. Immer wieder trat störend ein Gefühl dazwischen. Bis sie sich endlich zwang und sagte:
»Mein Besuch hat einen ganz bestimmten Anlaß. Er betrifft – ja, wie soll ich nur sagen? – Ihr Haus so gut wie das unsre.«
Cäcilie zog den Mund breit, schüttelte den Kopf, lächelte und sagte:
»Ne, beste Frau, da geben Sie sich man gar keine Mühe! Aus dem Hause hier, da bekommen Sie uns nicht mehr heraus. Hier sitzen wir. Und hier bleiben wir! – Überhaupt, wissen Sie denn, was wir in den letzten zwanzig Jahren hier hineingesteckt haben? Sie würden staunen, wenn ich es Ihnen sage.«
»Sie mißverstehen mich. Um Ihr Haus ist es uns natürlich nicht zu tun. Aber in einem gewissen Zusammenhange stehen die Dinge schon!«
»So! so! Da bin ich begierig.«
»Ihr Sohn Günther, der, wie Sie wissen, oft Gast in unserem Hause war . . .«
»Ob ich weiß,« erwiderte Cäcilie. »Wie hat er Ihnen gefallen?«
»Gut! – Sehr gut sogar.«
»Wie mich das freut! Schade, daß mein Mann das nicht hört.«
»Er hat fraglos Qualitäten.«
»Er ist ein Dichter!«
»Das meine ich nicht. Aber als Mensch! Er ist nicht wie die meisten andern. Er hat Charakter.«
»Leider! – Zu viel!«
Frau Röhren war entsetzt.
Cäcilie, die das sah, fuhr fort:
»Oder glauben Sie, das fördert heutzutage die Karriere? Glauben Sie mir: es hemmt! Auf Schritt und Tritt!«
»Möglich! Aber wenn es mein Sohn wäre, mir wär's schon recht.«
»Dann haben Sie keinen Ehrgeiz.«
»Nein! Den hab' ich freilich nicht. Wenigstens nicht in dem Sinne. Ich bin zufrieden, wenn meine Jungen ihre Pflicht tun und glücklich sind.«
»Bescheiden sind Sie, das muß ich sagen.«
»Möglich! Aber vielleicht verstehen Sie mich nun eher, wo Sie wissen, daß mir das Glück meiner Kinder über alles geht. Ich habe eine Tochter, eine einzige . . .«
»Suse,« sagte Cäcilie.
Frau Röhren schloß unwillkürlich die Augen, und in Gedanken streichelte sie wie zur Abwehr das Haupt ihres Kindes.
»Ja,« sagte sie, »Suse heißt sie. Ich habe nur die eine – und für ihr Glück, da bringe ich jedes Opfer – jedes!«
»Nun also?« fragte neugierig Cäcilie.
Frau Röhren zwang sich – es fiel ihr maßlos schwer – und sagte:
»Mein Kind liebt Ihren Sohn.«
»Wa . . .?« entfuhr es Cäcilien.
»Nicht so, wie Mädchen ihres Alters sonst wohl lieben. Anders! Ganz anders! – Einfach so, daß sie zugrunde geht an dieser Liebe – dahinsiecht wie an einer Krankheit – innerlich auslöscht – zusammenfällt. – Sehen Sie, darum bin ich hier, um Sie zu bitten: helfen Sie mir, mein Kind retten!« – Sie nahm Cäciliens Hand und sagte mit Tränen in der Stimme: »Liebste Frau! Es stirbt mir!«
Cäciliens Triumph war ungeheuer.
»Sie kommen demnach, um von mir meinen Sohn zu erbitten,« sagte sie lebhaft und merkte in ihrer freudigen Erregtheit gar nicht, wie Frau Röhren litt – »Das bedeutet also den Zusammenschluß unserer Familien! Unser Günther wird Ihr Schwiegersohn! Aus Fräulein Suse Röhren wird Frau Suse Raffke. Ich finde das prachtvoll!« – Sie war so aufgeregt, so ohne jede Hemmung, daß sie die Worte, ohne sie erst verstandesgemäß zu wägen, ganz mechanisch hervorbrachte. – »Auf das Gesicht von Leo bin ich gespannt. Noch vor ein paar Minuten, als von Günther die Rede war, hat er mir vorgeworfen: ›Ich bring' das Geschäft in die Höh', du den Jungen!‹ – Ich habe, weiß Gott, in den Jungen hineingesteckt, was möglich war. Ich mein' natürlich, in seine Erziehung. Aber so das Rechte, was ich mir als Mutter dachte, wollte es doch nicht werden. Dagegen entwickelte sich das Geschäft, dank der günstigen Konjunktur, immer mehr. Na, was brauch' ich da viel zu reden? Raffke & Cie. hat heute Weltruhm. Und jetzt die neue Verwandtschaft! Jetzt sind wir über den Berg! – Ich habe es ja gewußt, Günther wird es machen.«
»Stehen Sie mit Ihrem Sohne denn in Verbindung?«
»Welche Frage! Sie können lange suchen, bis Sie noch einmal Mutter und Sohn finden, die sich so verstehen.«
»So?« sagte Frau Rohren erstaunt. »Freilich, das wußte ich nicht.«
»Ich werde ihm sofort nach Tübingen telegraphieren, daß er mit dem nächsten Zuge nach Berlin kommt«
»Und welchen Grund wollen Sie ihm nennen?«
»Die Verlobung! Na, der wird staunen! Das hätte er mir doch nicht zugetraut.«
»Daß ich das fertig bringe.«
»Sie haben demnach schon mit Ihrem Sohne darüber gesprochen?«
»I Gott bewahre! Wie kommen Sie darauf? Nicht ein Sterbenswort. Ich bin überzeugt, er hat keine Ahnung. Es wird wie eine Bombe bei ihm einschlagen.«
»Sind Sie denn so fest davon überzeugt, daß er die Liebe meiner Tochter erwidert?«
»Liebe? – Wieso Liebe?«
»Nun, auf einer andern Basis wäre ein solcher Bund doch wohl kaum möglich.«
»Seien Sie unbesorgt! Der Junge ist nicht auf den Kopf gefallen. Der tut schon, was nötig ist. Nur im rein Geschäftlichen, da versagt er. Sonderbar genug, bei seinen Eltern. Das müßten Sie dann schon mit meinem Mann abmachen.«
»Das ist ja alles nicht das, worauf es ankommt,« sagte Frau Röhren.
»Wieso?« fragte Cäcilie erstaunt »Worauf denn?«
»Auf das innere Verhältnis der beiden jungen Leute zueinander.«
»Richtig!« rief Cäcilie. »Ich verstehe. Es darf nach außen nicht der Eindruck erweckt werden, als wenn Sie diese Ehe aus pekuniären Gründen forciert hätten. Man könnte sonst am Ende auf den Gedanken kommen, daß Sie, wie damals, wieder parterre sind. – Ich hab' eine Idee, wie man nach außen das innige Verhältnis am besten dokumentiert. Mein Sohn fügt seinem Familiennamen den Ihrigen bei. Was sagen Sie dazu: Günther Raffke-Röhren. Klingt das nicht prachtvoll? Es wäre ja ein Jammer, wenn der Name unter den Tisch fiele. Genau wie Schaumburg-Lippe, Hatzfeld-Trachenberg, Arnim-Boitzenburg, Raffke-Röhren.« – Sie war ganz aufgeregt. – »Was sagen Sie zu meiner Idee?«
Frau Röhren ertrug es nicht länger. Sie stand auf, trat dicht an Cäcilie heran und sagte:
»Zwischen Ihrem Sohne und meiner Tochter hat bereits vor langer Zeit einmal eine Aussprache stattgefunden.«
»Soo?«
»Am Tage darauf bekam ich diese beiden Briefe.« – Sie reichte sie ihr. – »Bitte, lesen Sie!«
»Das ist ja die Handschrift meines Sohnes.«
»Gewiß!«
Cäcilie überflog die beiden Briefe, aus denen sie nur herauslas, daß bestimmte Gründe ihn von einer Ehe mit Suse zurückhielten.
»Der Junge ist verrückt!« rief sie. »Glauben Sie's mir! Wir sind uns alle darüber einig. Das hängt damit zusammen, daß er ein Dichter ist. Aber das muß sich austoben. Da darf man nicht dran rühren. Ein Rückfall wäre bedenklich.«
»Ich meine,« sagte Frau Röhren bestimmt, »daß es zunächst einmal darauf ankommt, den Grund festzustellen, aus dem Ihr Sohn glaubt, unwürdig für eine Verbindung mit meiner Tochter zu sein.«
»Dahinter werden wir schon kommen.« – Sie dachte nach. – »Ja, was sollte das nur sein?«
»Etwas Unredliches traue ich ihm nicht zu.«
»I Gott bewahre! Günther ist geschäftlich ganz unbeholfen. Fragen Sie Leo.«
»Es muß demnach etwas anderes sein.«
»Aber was?«
»Sie können sich denken, ich habe es mir Tag und Nacht durch den Kopf gehen lassen. Schließlich habe ich mir gesagt: es kann nur eins sein.«
»Nämlich?«
»Eine Frau.«
»Großer Gott!« schrie Cäcilie laut. »Sie glauben, er verplempert sich an Frauenzimmer?«
»Nein! Das glaube ich nicht. Denn auch das entspricht nicht der Vorstellung, die ich von ihm habe. Und schließlich: das fände mit dem Augenblick einer Ehe ja wohl auch sein natürliches Ende.«
»Nun also.«
»Aber vielleicht, daß es eine ist. Eine bestimmte! – Er brauchte ihr nicht gleich die Ehe versprochen zu haben. Bei seinem Verantwortungsgefühl genügte am Ende schon eine Beziehung, die das Mädchen für fest und dauernd hält.«
»Das soll so eine Person 'mal wagen!« rief Cäcilie empört. »Der würde ich heimleuchten.«
»Ich kann mir nicht denken, daß es ein wertloser Mensch ist, dem Ihr Sohn seine Sympathien zuwendet. Vorausgesetzt, daß meine Vermutung überhaupt zutrifft. Ist das aber der Fall, dann möchte ich doch bitten, dem Mädchen mit Schonung zu begegnen.«
»I was! – Übrigens, da fällt mir ein. – Natürlich! Das wird es sein!« – Sie preßte boshaft die Lippen aufeinander und ballte die Fäuste.
»Haben Sie eine Vermutung?«
»Ja! – Na, das Frauenzimmer kann sich freuen! – Im eigenen Hause haben wir's großgepäppelt. Es konnte gar nicht genug kosten. Bis aus dem Domestikenkinde eines Tages eine Operettendiva wurde! Aber solch' Volk verleugnet sich nicht. Es bleibt, was es ist. Selbst die Kunst veredelt da nicht.«
»Sie meinen doch nicht etwa die Tochter von Franz Linke?« fragte Frau Röhren.
»Doch! doch! Sie werden es erleben, die ist es!«
»Darf ich wissen, worauf Sie Ihre Vermutung gründen?«
Cäcilie dachte nach.
»Sehr einfach! Er als Dichter fühlt sich natürlich zu ihr, die seine Gedanken kreiert, hingezogen.«
»Aber Ihr Sohn hat die Autorschaft an den Operetten doch abgeleugnet.«
Cäcilie schmunzelte.
»Haben Sie das geglaubt?« fragte sie.
»Ja, gewiß! Durchaus! Um so mehr, als diese . . . nun, nennen wir's mal Arbeiten, so ganz und gar nicht zu dem Bilde passen, das mein Mann und ich mir von Ihrem Sohne gemacht haben.«
»Da unterschätzen Sie ihn aber gewaltig. Das war noch gar nichts. In dem steckt noch viel mehr! Das mit dem Widerruf ist eine Marotte. Nichts weiter. Glauben Sie mir, für die Berühmtheit Günther Raffke-Röhren ist gesorgt. Wenn wir uns erst verwandtschaftlich näher sind, dann verrate ich Ihnen auch: wie.«
»Ich habe doch Bedenken,« sagte Frau Röhren.
»Wieso Bedenken?«
»Falls Ihr Sohn diesem Fräulein Linke wirklich ein bindendes Versprechen gegeben hat, dann darf man ihn nicht zu einem Wortbruch veranlassen. Auch dann nicht, wenn er mein Kind liebt – und das geht ja wohl aus seinen Briefen unzweideutig hervor. Was aus meinem Kinde wird, daran darf ich dabei freilich nicht denken.«
»Was? was?« rief Cäcilie kurz hintereinander. »Mein Sohn, ein bindendes Versprechen dieser Frida Linke? Ja, was denken Sie von uns? Was soll er ihr denn versprochen haben? Die Treue? Glauben Sie, ich werde dulden, daß die ihr Leben lang zusammenhocken? Und wer erbt dann unsere Millionen? Vielleicht Frida Linke? – Oder denken Sie gar an eine Ehe? – Frida Linke meine Schwiegertochter! Das wäre das Richtige! Ich glaube, ich versänke vor Scham unter die Erde. Tollhaus ist das! – Stellt sich heraus, daß Günther je daran gedacht hat, darauf verlassen Sie sich: entweder er sagt sich auf der Stelle los und verlobt sich mit Ihrer Tochter, oder wir stecken ihn in ein Sanatorium, so lange bis er nachgibt.«
Frau Röhren war außerstande, das Gespräch mit Cäcilien fortzusetzen.
»Ich möchte den Frieden Ihres Hauses nicht stören,« sagte sie kalt. »Ich habe mich überzeugt, es geht wohl doch nicht.«
»Was heißt das?« rief Cäcilie entsetzt.
»Daß ich Sie bitte, meinen Besuch als nicht geschehen zu betrachten.«
»Ausgeschlossen! Die Sache zwischen uns ist klipp und klar! Ich habe Ihr Anerbieten akzeptiert, gern akzeptiert. Sie sind so gut gebunden wie ich.«
»Ich aber erkläre Ihnen, und zwar zugleich im Namen meines Mannes: wir waren in einem Irrtum befangen. Mein Kind wird dies Haus nie betreten. – Ich bedaure, Ihnen diese Ungelegenheit gemacht zu haben.«
Sie verbeugte sich kurz, ging zur Tür und verließ das Haus.
Cäcilie stand, den Mund weit aufgerissen, da und starrte ihr nach.