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Als Klara Gulla in die kleine Hütte in Skrolycka trat, lag Katrine leichenblaß und mit geschlossenen Augen auf ihrem Bett. Es sah aus, als sei das Ende schon eingetreten.
Aber sobald Klara Gulla neben ihr stand und ihr die Hand streichelte, schlug sie die Augen auf und begann zu sprechen.
»Jan will mich holen,« brachte sie mit großer Anstrengung heraus. »Er trägt's mir nicht nach, daß ich von ihm fortgegangen bin.«
Klara Gulla zuckte zusammen. Sie fing an zu verstehen, warum die Mutter starb. Sie, die ein ganzes Leben lang treu gewesen war, grämte sich zu Tode, weil sie Jan zuletzt im Stich gelassen hatte.
»Deshalb werdet Ihr Euch doch keine Sorgen machen?« wendete Klara Gulla ein. »Ich bin's ja gewesen, die Euch zu der Reise gezwungen hat.«
»Jedenfalls ist mir der Gedanke daran schrecklich gewesen. Aber jetzt ist alles wieder schön und gut zwischen uns,« sagte Katrine.
Sie schloß wieder die Augen und lag ganz regungslos da. Über das abgezehrte Gesicht flog ein heller Schein wie ein Glücksschimmer.
Aber schon nach kurzem sprach sie wieder. Sie hatte noch allerlei auf dem Herzen, was notwendig gesagt werden mußte, sonst fand sie keine Ruhe.
»Sei deinem Vater nicht böse, weil er dir nachgesprungen ist. Er hat's nur gut gemeint. Du hast's nicht gut gehabt, seit du von uns gegangen bist. Und das hat er gewußt. Und auch er hat's nicht gut gehabt. Ihr seid alle beide in der Irre gegangen, jedes auf seinem Weg.«
Klara Gulla hatte gewußt, daß die Mutter wohl etwas Ähnliches sagen würde, und sich zum voraus dagegen gewappnet. Aber was die Mutter eben gesagt hatte, rührte sie mehr, als sie gedacht hätte, und so versuchte sie, eine freundliche Antwort zu geben.
»Ich will an Vater denken, so wie er früher war,« sagte sie. »Ihr wißt doch, wie gute Freunde wir damals immer gewesen sind?«
Es sah aus, als sei Katrine von dieser Antwort befriedigt, denn sie legte sich wieder zur Ruhe. Sie hatte auch gewiß nicht im Sinn gehabt, noch mehr zu sagen, aber plötzlich lächelte sie die Tochter voller Liebe an.
»Ich bin so froh, Klara Gulla, denn du bist jetzt wieder schön geworden,« sagte sie.
Bei diesen Worten und bei diesem Lächeln verließ Klara Gulla alle Selbstbeherrschung. Sie fiel neben dem niederen Bett auf die Knie nieder und fing an zu weinen. Jetzt zum erstenmal seit ihrer Heimkehr brach sie in richtiges Weinen aus.
»Ich begreif nicht, daß Ihr so gut gegen mich sein könnt, Mutter,« schluchzte sie. »Meine Schuld ist's ja, daß Ihr jetzt sterbt, und an Vaters Tod bin ich auch schuld.«
Katrine lächelte noch immer und bewegte die Hände zu einer kleinen Liebkosung.
»Ihr seid so gut, Mutter, Ihr seid so gut gegen mich,« sagte Klara Gulla, während sie noch immer heftig weinte und schluchzte.
Da faßte Katrine plötzlich Klara Gullas Hand mit festem Griff und richtete sich im Bett auf, um ein letztes Zeugnis abzulegen.
»Alles Gute, was in mir ist, verdanke ich Jan,« sagte sie mit deutlicher Stimme.
Dann sank sie zurück, und von da an drangen keine klaren verständlichen Worte mehr über ihre Lippen. Der Tod kam herbei, und am nächsten Morgen war es zu Ende.
Aber während des ganzen Todeskampfes lag Klara Gulla weinend neben dem Bett auf dem Fußboden. Da lag sie und weinte sich die Angst und die Fieberträume und die Schuldenlast vom Herzen. Ihre Tränen flossen, sie konnte nicht aufhören zu weinen.