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Als das kleine Mädchen in Skrolycka ungefähr drei Jahre alt war, bekam es eine Krankheit, die man wohl Scharlachfieber nennen könnte, denn sein ganzer Körper war dunkelrot und brannte wie Feuer, wenn man ihn anrührte. Die Kleine wollte nicht essen und konnte auch nicht schlafen, teilnahmlos lag sie in ihrem Bettchen und redete irre. Jan brachte es nicht über sich, von Hause wegzugehen, so lange das Kind krank war, Tag um Tag blieb er in der Hütte sitzen, und es sah nachgerade aus, als würde Erik in Fallas Roggen in diesem Jahr ungedroschen bleiben.
Katrine war es, die das kleine Mädchen pflegte, die es wieder zudeckte, so oft es die Decke zurückwarf, und ihm ein wenig von dem verdünnten Heidelbeersaft zu trinken gab, den Katrine von der Mutter in Falla bekommen hatte.
Wenn die Kleine gesund war, wurde sie meistens von Jan versorgt; aber in demselben Augenblick, wo sie krank wurde, wagte er nicht, ihr nahe zu kommen. Er hatte Angst, er könnte ihr schaden und würde sie nicht zart genug anfassen.
Aber aus dem Hause hinaus ging er nicht; still saß er in der Ecke am Ofen und starrte unverwandt zu der kleinen Kranken hinüber.
Das Kind lag in einem eigenen Bettchen, aber es hatte nur einen Strohsack unter sich und kein Bettuch. Dieses Liegen auf den groben werggarnen Überzügen mußte für den kleinen zarten Körper, der geschwollen und durch den Ausschlag sehr empfindlich geworden war, sicherlich sehr schmerzhaft sein.
Und es war sonderbar, so oft Jan sah, wie sich die Kleine in ihrem Bettchen aufgeregt hin und her warf, mußte er an das Schönste denken, was er auf der Welt sein eigen nannte, nämlich an sein Sonntagshemd.
Er besaß nur ein einziges, das aus weißer glänzender Leinwand war und eine steife Hemdenbrust hatte. Dieses Hemd war so schön gearbeitet, daß es für den Hüttenbesitzer auf Duvnäs gut genug gewesen wäre. Jan hielt es hoch in Ehren. Alle seine andern Hemden waren ebenso grob wie die Bettbezüge, auf denen die kleine Klara lag.
Aber es war sehr unrecht, wenn er jetzt an dieses Hemd dachte. Katrine würde ihm nie erlauben, es zu zerreißen, denn es war das Bräutigamshemd, das sie selbst ihm genäht hatte.
Katrine tat auch wirklich alles, was sie konnte. Sie hatte Pferd und Wagen von Erik in Falla entlehnt, hatte das Kind in Tücher und Decken gehüllt und war damit zum Doktor gefahren. Das war sehr brav von Katrine gewesen; aber einen Nutzen von dem Besuch beim Doktor konnte man nicht wahrnehmen. Weder die große Arzneiflasche, die sie aus der Apotheke mitgebracht hatte, noch irgendeine von den andern Vorschriften des Doktors hatte irgendeinen Erfolg gehabt.
Und dann quälte Jan noch ein Gedanke: Wenn Eltern einmal so ein merkwürdiges Kind geschenkt wird wie die kleine Klara Gulla, dann müssen sie auch bereit sein, das Beste, was sie besitzen, für dieses Kind zu opfern. Sonst dürfen sie dieses Kind am Ende gar nicht behalten... Aber es war nicht so leicht, eine Frau wie Katrine dazu zu bringen, dies zu verstehen.
Während das Kind so krank dalag, kam eines Tages die alte Finnen-Karin ins Haus. Wie alle Finnen verstand sie sich auf die Krankheiten bei den Tieren, und sie war auch gar nicht zu Ende mit ihrer Weisheit, wenn es sich darum handelte, Gerstenkörner am Auge oder Wurm am Finger oder allerlei Geschwüre zu besprechen. Für andere Krankheiten jedoch wollte man nicht gerade seine Zuflucht zu ihr nehmen. Man hielt es gewissermaßen für unrecht, wenn man von einer Hexe für andere als kleine Leiden Hilfe verlangte.
Als diese Finnen-Karin ins Zimmer trat, sah sie natürlich sofort das kranke Kind, und Katrine erzählte ihr auch, daß es das Scharlachfieber habe, aber weder sie noch Jan baten sie um einen guten Rat.
Die Finnen-Karin sah indes wohl, wie ängstlich und beunruhigt die Eltern waren, und als sie von Katrine mit Kaffee bewirtet worden war und ihr Jan ein Stück Rolltabak geschenkt hatte, sagte sie ganz von selbst:
»Diese Krankheit zu heilen, steht nicht in meiner Macht, aber ich will euch lehren, wie ihr selbst erkennen könnt, ob die Krankheit zum Leben oder Tod führt. Haltet euch wach bis Mitternacht, dann macht aus dem Daumen und Zeigefinger eurer linken Hand einen Ring und betrachtet da hindurch das Kind. Dann gebt wohl acht, was neben ihm im Bett liegt, und ihr werdet erfahren, was ihr zu erwarten habt.«
Katrine dankte ihr aufs herzlichste; denn es ist am besten, wenn man sich mit solchen Leuten gut stellt. Aber es fiel ihr keinen Augenblick ein, das zu tun, was ihr angeraten worden war.
Auch Jan legte kein Gewicht auf den Rat der Finnen-Karin. Er dachte an nichts als an das Hemd. Wenn er es nur gewagt hätte wegen Katrine!
Aber er konnte sie unmöglich bitten, ihn das Bräutigamshemd zerreißen zu lassen. Er begriff sehr wohl, daß dem kleinen Mädchen dadurch nicht geholfen würde, und wenn es doch sterben mußte, dann war das Hemd rein weggeworfen.
Als es Abend wurde, ging Katrine um die gewohnte Zeit zu Bett, aber Jan hatte nicht die nötige Ruhe, sich schlafen zu legen, sondern blieb wie gewöhnlich in seinem Winkel sitzen. Er sah, wie die kleine Klara sich in ihrem Bett vor Schmerzen wand, denn der Strohsack, auf dem sie lag, war zu grob und zu hart, und Jan dachte, wie herrlich es wäre, wenn er ihr ein kühles, weiches, glattes Lager zurechtmachen könnte!
Das Hemd lag frisch gewaschen und ungebraucht in der Kleidertruhe. Zu wissen, daß es dort lag, tat Jan im Herzen weh; aber es wäre ja auch nicht recht gegen Katrine gewesen, wenn er ihr Geschenk zu einem Bettuch für das Kind verwendet hätte.
Aber wie es auch sein mochte, als die Uhrzeiger sich der Mitternachtstunde näherten und Katrine im tiefsten Schlafe lag, ging Jan zu der Kleidertruhe hin und nahm das Hemd heraus. Zuerst riß er die steife Brust ab, und dann teilte er den Rumpf in zwei Teile. Den einen schob er sachte unter den kleinen Körper des Kindes und den andern breitete er zwischen das Kind und die warme, dicke Decke, mit der es zugedeckt war.
Dann kauerte er wieder in seinen Winkel zusammen und wachte bei der Kleinen wie zuvor. Er hatte noch nicht lange so gesessen, als die Uhr zwölf schlug. Fast ohne sich bewußt zu sein, was er tat, hielt er die Finger der linken Hand wie einen Ring vor die Augen und schaute nach dem Bett hinüber.
Und siehe! auf dem Bettrand saß ein kleiner nackter Engel Gottes. Er war von dem groben Strohsack zerkratzt und zerstochen und hatte sicher die Absicht gehabt, sich auf und davon zu machen. Aber jetzt drehte er sich um und befühlte das feine Hemd, strich mit beiden Händen über die Leinwand, und plötzlich schwang er die Beine wieder über den Bettrand herauf und legte sich wieder nieder, um weiter über das Kind zu wachen.
Aber an dem einen Bettpfosten kam zu gleicher Zeit etwas heraufgekrochen, das schwarz und unheimlich aussah, und als es sah, daß der Engel Gottes im Begriff war, fortzugehen, streckte es den Kopf über die Bettstatt herauf und grinste vor Freude darüber, daß es nun ins Bett hineinkriechen und sich an den Platz des Engels legen könnte.
Als es dann sah, wie der Engel Gottes seine Nachtwache wieder aufnahm, verrenkte es alle seine Glieder, wie wenn es die gräßlichsten Höllenqualen erleiden müßte, und dann zog es sich auf den Boden zurück.
Am nächsten Tag war die kleine Klara auf dem Wege der Besserung. Die Krankheit war gebrochen. Darüber war Katrine über die Maßen froh, und so hatte sie nicht das Herz, etwas über das zerrissene Bräutigamshemd zu sagen, obwohl man sich denken kann, daß sie meinte, sie habe doch einen recht verrückten Kerl zum Manne.