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Als sie einen Blick auf die Visitenkarte geworfen, die ihr der Zeitungsjunge gebracht hatte, huschte eine ärgerliche Grimasse wie ein Schlänglein über ihre Züge. Ihr Gesicht nahm aber gleich darauf den normalen, etwas gelangweilten und selbstbewußten Ausdruck an, den ich seit meiner Ankunft im Badeorte, also seit drei Tagen bewunderte. Sie war nicht unbekannt, hieß Cécile Garnier, hatte sich ins Fremdenbuch als Schauspielerin eingetragen, kam aus Rom und suchte offenbar in diesem kleinen, reinlichen Städtchen, das durch einen hohen Berg vor rauhen Winden geschützt war, wie die übrigen Fremden Erholung. Ich traf sie niemals beim Brunnen, obwohl sie recht kränklich aussah. Vielleicht traf ich sie auch aus dem Grunde nicht, weil ich selbst nicht zur Kur, sondern nur um die Menschen zu fliehen, hergekommen war. Vielleicht suchte auch sie Einsamkeit und wies daher alle Besuche, wie auch diesen ab. Allerdings war sie so aufgeregt, daß ich annehmen mußte, es sei kein ganz gewöhnlicher Gast gewesen, den sie eben abgewiesen. Ich hörte zum erstenmal ihre eigentlich recht gewöhnliche Stimme, als sie dem Jungen mit scheinbarer Ruhe sagte:
»Ich habe Ihnen ein für allemal gesagt, daß ich für diesen Herrn niemals zu sprechen bin. Sie brauchten mir seine Karte gar nicht zu bringen.«
Ich folgte dem Zeitungsjungen, der mit einer stummen Verbeugung hinausging. Im Vestibül stand ein schlanker junger Mann mit glattrasiertem Gesicht und traurigen dunklen Augen. Er trug einen grauen Reiseanzug, einen grünen Filzhut und gelbe Gamaschen. Vielleicht war er zu Pferde gekommen. Der Junge suchte ihm vergeblich etwas klarzumachen, er gab aber nicht nach.
»Ich weiß ganz bestimmt, daß Madame Garnier hier in diesem Hotel abgestiegen ist.«
»Ich bestreite es ja gar nicht. Sie wohnt wirklich hier, und Sie können ihren Namen im Fremdenbuche sehen, da steht er: Cécile Garnier. Sie ist aber augenblicklich nicht zu Hause.«
»Sie kommt wohl bald zurück: sie ist doch noch nicht abgereist. Ich will warten.«
»Vielleicht bleibt sie aber lange aus.«
»Mir ist es gleich. Ich habe genügend Zeit und bin ja fast nur um ihretwegen hergekommen.«
»Ganz wie Sie wünschen!«
Der Herr setzte sich der Türe zum Lesesaal gegenüber.
»Wollen der Herr vielleicht in den Salon hinübergehen? Eine Treppe höher? Der Herr wird es dort bequemer haben. Sobald Madame Garnier zurück ist, werde ich es dem Herrn melden.«
»Ich sitze auch hier bequem. Darf ich in den Lesesaal?«
»Der wird neu gestrichen . . .«
Ich rief den Jungen auf die Seite und fragte ihn, wer dieser Herr sei. Das einzige, was er mir sagen konnte, war, daß der Herr Bruck hieß. Irgendwo läutete es, und der Junge lief davon.