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XIII. Was sich in Königsberg Seltsames ereignet hat

75. Hans von Sagan

Der schönste Teil der Stadt Königsberg besteht bekanntlich aus dem Kneiphofe, welcher früher eine Stadt für sich war und den Namen hatte von seinem Erbauer, dem Hochmeister Winrich von Kniprode. Diese Stadt hat in ihrem Wappen eine Hand mit einem blauen Ärmel, welche eine Krone trägt, von den Seiten sind zwei Hörner. Der blaue Ärmel schreibt sich her von folgender Geschichte: In der Rudauschen Schlacht ging es hart her für den Orden, und seine Streiter fingen an zu weichen. Da trat auf ein Schustergesell, genannt Hans von Sagan, eines Bürgers Sohn aus dem Kneiphof, der ergriff die schon niedergefallene Fahne, richtete sie wieder auf und machte dadurch und durch sein Zureden das schon flüchtig gewordene Ordensvolk wieder beherzt und freudig, so daß die Schlacht gewonnen und das Feld behauptet wurde. Derselbe Schustergesell trug aber einen blauen Ärmel, deshalb verlieh der Orden der Stadt in ihrem Wappen eine Hand mit einem blauen Ärmel und gab der Bürgerschaft alljährlich am Himmelfahrtstage auf dem Schlosse ein groß Bankett und Abendmahlzeit, welches das Schmeckbier genannt worden. Das letztere aber deshalb, weil Hans von Sagan, als der Hochmeister nach der gewonnenen Schlacht ihm befahl, sich eine Gnade auszubitten, nichts weiter verlangte, als daß jährlich am Himmelfahrtstage den Kneiphöfschen Bürgern zur Lust und Freude ein Gastmahl im Schloß, auf Unkosten der Herrschaft, gegeben werde. Auch auf dem Schlosse soll sich früher das Andenken an Haus von Sagan gefunden haben, und zwar auf dem Turme nach dem Schloßteich zu, wo die Gestalt des Schustergesellen als Wetterfahne die Windrichtung anzeigte.

76. Die sonderbare Leiter am Dome zu Königsberg

Wie stark man in alten Zeiten das Mauerwerk gearbeitet, davon hat man ein Wahrzeichen an der Domkirche zu Königsberg, an der Seite gegenüber dem alten Kollegiengebäude. Daselbst ist an der Kirchenmauer ein Ziegel an den anderen gelegt, so daß man auf demselben stehen kann. Dieses aber hat folgenden Grund: Als man den Arbeitsleuten, welche die Kirche bauten, das Essen hat hinaufreichen wollen und es an einem Gerüste fehlte, auf welchem man zu den Leuten hinaufsteigen konnte, hat der Maurer etwas Kalk an die Mauer geworfen und einen Ziegel darauf gelegt, welcher alsbald dergestalt angeklebt, daß von Stund an einer hat aufsteigen und den Arbeitsleuten das Essen hinaufreichen können.

Andere erzählen, als die Mauer fertig gewesen, habe der Baumeister gleichsam aus Übermut jene vorspringenden Ziegel dagegen geworfen, und durch die große Güte des Kalkes seien sie alsbald kleben geblieben.

77. Die wandernde Traube zu Königsberg

In alten Zeiten befand sich in der Schloßkirche zu Königsberg, dort wo jetzt der königliche Stand ist, am Gewölbe eine Hand mit einem leeren Beutel, aus Gips geformt. Solche Hand soll der Maurermeister nach vollendeter Arbeit verfertigt haben, weil ihm von dem ganzen Verdienst nichts übrig geblieben war. Andere machen zum Wahrzeichen eine aus Kalk oder Stein verfertigte Traube im Gewölbe, die der Meister dort angebracht habe, zum Zeichen, daß er seinen ganzen Verdienst vertrunken habe. Dafür soll aber der Maurermeister nicht eher selig werden können, als bis die Traube ganz von ihrem Platz abgefallen ist. Einstmals, im Jahre 1647 am 16. Februar, ging sie mitten in der Predigt los, und man sah sie sich herunterlassen vom Gewölbe und eine gute Handbreit von der Mauer in freier Luft baumeln. Darob fürchteten sich viele Leute, und die, die darunter gesessen, standen auf und gingen an einen anderen Platz, meinend, die Traube werde jeden Augenblick ganz herunterfallen. Allein sie fiel nicht, sondern blieb schweben, und am andern Morgen wurde sie, ohne daß eines einzigen Menschen Hand sie angerührt hatte, an ihrem Ort wieder fest gefunden.

78. Der heilige Brunnen

Unweit der Roßgärtischen Kirche zu Königsberg ist eine schöne und reiche Quelle, »der heilige Brunnen« genannt. Sie soll, als sie hervorgekommen, so heilsam gewesen sein, daß viele bresthafte Leute dadurch zur Gesundheit gelanget, und daher fing man an, das Wasser häufig als Heilmittel zu gebrauchen, insbesondere glaubte man, daß ein Trunk aus diesem Brunnen bei dem Frauenvolk wider die Unfruchtbarkeit gut sei. Weil aber die Eigentümerin des Grundstückes, Dorothea, des Dr. Andreas Gnadcovius Witwe, eine geborene v. d. Albe, den Brunnen mit Erlaubnis der Landesherrschaft verbauen ließ und von denen, die das Wasser gebrauchen wollten, Geld verlangte, soll sich die Wunderkraft plötzlich verloren haben und niemand mehr davon genesen sein. Daher bereute die habsüchtige Witwe ihre gehabten Unkosten.

79. Das Schmerlenfließ

Herzog Albrecht von Preußen hatte einmal in einem geringen Fließlein unfern Königsberg, so jedermann frei und gemein war, fischen lassen, wobei man so viel Schmerlen gefangen, daß männiglich sich verwunderte. Weil nun dieser Fisch für einen großen Leckerbissen galt, so ward, damit solcher immer für die fürstliche Tafel hinreichend da wäre, das Fischen in dem Fließlein verboten. Aber sofort vergingen auch die Fische, so daß wenn man hernach Schmerlen für den Herzog hat fangen wollen, zwei Männer den ganzen Tag haben fischen können und doch kaum für eine Person genug gehabt, und was man fing, waren obendrein mehrenteils Stechbüttel.

Ähnlich sind auch an andern Orten die Fische plötzlich vergangen. So haben, als über die Befischung eines Baches einmal Streit entstand und daraus ein Totschlag erfolgte, in dem Teile, darum sich der Hader erhoben, nachher niemals wieder Fische gefangen werden können, während ober- und unterhalb deren genug waren. An einem anderen Ort vergingen alle Krebse, weil der Herr die Untertanen anhielt, alle Krebse an ihn für ein gar Geringes zu verkaufen.

80. Von dem Dr. Osiander

In der ehemaligen Altstädtischen Kirche zu Königsberg befand sich unweit des Altars der Grabstein des Doktors der Theologie Andreas Osiander aus Nürnberg, welcher zu Königsberg am 17. Oktober 1552 verstorben ist. Derselbe war ein gar namhafter Prediger und Lehrer; aber in jenen Zeiten war viel Haß und Zwietracht unter den Pfaffen, und so erwuchs auch dem Osiander vielerlei Streit und Nachrede unter den anders denkenden Gottesgelehrten. Derohalben hörte man, obgleich er bei großer Versammlung des Volks und in Gegenwart des Herzogs Albrecht und dessen ganzen Hofstaats begraben wurde, doch einige Tage nach seinem Begräbnisse, der Teufel habe ihm den Hals umgedreht und seinen Körper ganz zerrissen. Daher der Herzog durch solches Gerücht bewogen ward, den Leichnam durch das Allstädtische Gericht besichtigen zu lassen, um die Verbreiter des Gerüchtes Lügen zu strafen. Aber als der Sarg geöffnet wurde, fand man die Leiche Osianders nicht darin, dagegen den Leichnam eines anderen Menschen, welcher im Leben Nickel Balthasar geheißen; darüber entsetzten sich alle. Aber den Stein deckte man wieder über die Gruft.

81. Der Katzensteig

In Königsberg von der Tuchmacherstraße nach der Löbenichtscheu Bergstraße führt ein schmaler Steig, der den Namen Katzensteig trägt, und man möchte den Grund dieses Namens leicht darin finden, daß wirklich, besonders im Winter, die Turnkunst einer Katze dazu gehört, um ihn zu passieren. Der Grund liegt aber tiefer. In der Bergstraße wohnte nämlich eine Frau, welche die Brauerei betrieb und nebenbei die Hexerei. Sie und ein anderes Weib verwandelten sich alle Nacht in Katzen und gingen mit einem Braukessel den Katzensteig hinunter nach dem Pregel und gondelten dann in dem Kessel auf dem Wasser herum. Die Wache, welche früher an der Holzbrücke stand, sah dieses sonderbare Schauspiel oft an, und von ihr erfuhr es der Brauknecht der Hexe. Dieser versteckte sich in der Brauerei und sah wirklich, wie die beiden Katzen mit seinem Braukessel abgingen und nach dem Pregel wanderten. Nun erzählte ers diesem und dem, und das Gerede kam endlich auch zu Ohren der Frau, die darüber sehr böse auf den Brauknecht ward und sich an ihm zu rächen vornahm. Eines Tages nun, als der Knecht am Braukessel steht, kommt eine große Katze, umwindet ihn schmeichelnd, versucht ihn aber dabei in den Kessel zu werfen. Ihm ward ganz bange zu Mut, indes hat er doch noch so viel Fassung, daß er das heilige Kreuz schlägt, die Katze sodann mit beiden Händen ergreift und sie in das siedende Gebräu stürzt. Andern Tages fand man die Bräuerin im Kessel liegen, schon ganz verkohlt.

82. Die Mönchsgespenster

Im Jahre 1640, im Monat August, demselben, in welchem der Große Kurfürst die Herrschaft überkam, hat man in mehreren kurfürstlichen Ämtern Gespenster in Gestalt schwarzer und weißer Mönche, und zwar am hellen Tage gesehen. Sie erschienen in Hausen zu zweihundert Mann und scharmützelten miteinander. Die, welche sie beiderseits anführten, waren um zwei Köpfe größer als die übrigen. Zwei Jahre darauf ist im Anfange des Monats Juni um Mitternacht ein Gespenst in Gestalt eines Jesuiten in Königsberg erschienen. Selbiges ist den ganzen Steindamm hinaufgegangen, hat etliche Male überlaut: Wehe, Wehe! geschrien, aus einem Topfe Asche umhergestreut und an ein Haus Blut angesprengt, welches letztere noch lange Zeit, wie sich männiglich davon überzeugt, zu sehen gewesen ist.


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