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Zur Zeit, als der Orden zuerst nach Preußen kam, wohnte im Lande Pomesanien ein vornehmer Häuptling namens Pipin, der den Brüdern lange vielen Schaden zufügte, zuletzt aber durch den Verrat seines Schwestermannes, den er zum Hauptmann in Rogau gemacht hatte, in die Hände der Deutschen fiel und eines jämmerlichen Todes sterben mußte. Der Sohn dieses Pipin, Matho, wandte sich zur christlichen Lehre und ließ sich taufen. Der Teufel aber war über diesen Abfall so erbost, daß er ihm, gleich nachdem die Taufhandlung geschehen war, erschien und ihn erwürgen wollte. Da ward dem Neubekehrten plötzlich von unsichtbarer Hand ein Kreuz dargereicht, vor dem der Teufel alsbald zurückwich, so daß er ihm nichts anhaben konnte. Dies Kreuz zeigte Matho hernach seinen Freunden und erwarb damit dem Orden und dem christlichen Glauben viele Anhänger. Er selbst aber blieb beiden stets getreu und hold, so daß, als im Kriege wider Swantopolk, den Pommernherzog, alle anderen pomesanischen Häuptlinge von den Brüdern abfielen, er allein diese nicht verließ und ihnen durch seine männlichen Taten eine sonderliche Stütze im Lande ward. Seine Tochter aber heiratete den reichen deutschen Ritter Dietrich Stange, nach dem der Ort Stangenberg genannt ist.
Bald nachdem der Orden die Burg zu Elbing gebaut hatte, war sie wegen ihrer Festigkeit den benachbarten Pogesaniern sehr zum Verdruß. Sie zogen daher mit starker Heeresmacht davor, um sie zu zerstören. Dieses wollte ihnen aber nicht gelingen. Daher raubten und plünderten sie in der ganzen Gegend, soviel sie nur konnten. Wie sie nun mit Raub beladen sich auf den Heimweg machten, da dachten die Ritter in der Burg, obgleich ihrer nur wenig waren, die Räuber würden mit so vielerlei geraubtem Gut beladen sich ihnen nicht so recht zur Wehre stellen können, und machten sich auf und verfolgten sie. Ehe es aber zum Treffen kam, ergriffen die Pogesanier alle die Flucht bis auf einen, der gefangen ward. Als dieser so wenige Kämpfer in der Schar der Brüder sah, so fragte er ganz verblüfft, wo denn die übrigen wären, und als ihm gesagt ward, mehr wären es nicht, so erzählte er, daß er und seine Volksgenossen das ganze Feld voll von bewaffneten Männern gesehen hätten, die an Bekleidung und Rüstung den Brüdern ganz gleich gewesen wären, weshalb seine Freunde sich auch eiligst auf die Flucht begeben hätten. Hiernach ließen die Pogesanier sich bekehren, und da bekannten sie alle öffentlich, durch welche wunderbare Erscheinung sie über die Zahl der Brüder getäuscht worden wären.
In der Zeit, als Hartmann von Heldrungen Hochmeister war, kam ein edler Sudauer namens Russigenus mit seinem ganzen Hause und seinem Gefolge zu den Brüdern nach Balga und wollte dem Gottesdienste beiwohnen. Das wurde ihm aber nicht erlaubt, weil er ein Unchrist sei. Darauf ließ er sich taufen mit seinem ganzen Anhange; aber gleich nach der Taufe wurde er krank, und auf dem Bette liegend, ließ er den Priesterbruder von Balga zu sich kommen und bat ihn innigst, daß er ihn im christlichen Glauben unterweise. Das tat der Priester mit allem Fleiße, und wie er sich umblickte, sah er zu den Füßen des Sudauers ein hölzernes Kreuz, welches jener sich hatte machen lassen. Da sich der Priester wunderte, daß ein eben erst Getaufter schon eine solche Geneigtheit zum christlichen Glauben habe, so fragte er ihn aus, was er vor Annahme des christlichen Glaubens schon Gutes getan habe. Russigenus antwortete: »Ich habe viele Christen getötet, aber von einer guten Tat weiß ich nichts, es sei denn vielleicht das: Als ich einmal mit einem großen Heere in Polen eingefallen war, sah ich, wie ein Sudauer das Bild der Jungfrau Maria mit ihrem Knäblein auf dem Schoße davonschleppte und unterwegs zum Hohne mit dem Pfeile danach schoß. Da nahm ich es ihm mit Gewalt fort, denn ich konnte es nicht mitansehen, und gab das Bild einem Christen, damit er es an einen Ort zurückbringe, wo es in gebührlicher Verehrung gehalten würde. Darauf in der nächsten Nacht erschien mir die heilige Jungfrau in herrlicher Schönheit und Kleidung und sprach zu mir: ›Die Ehrerbietung, die du mir in meinem Bild erwiesen, soll dir in dem Reiche meines Sohnes vergolten werden‹.« Nachdem Russigenus solches erzählt, entschlummerte er sanft noch am selbigen Tage zum ewigen Leben.
Ähnliches wird auch von Skomand, dem bekehrten Sudauerfürsten, erzählt.
Den Göttern der alten Preußen waren alle Tiere verhaßt, welche eine weiße Farbe hatten, daher hielten, wie es auch jetzt noch in manchen Gegenden Preußens der Brauch ist, die alten Preußen auf ihren Höfen kein weißes Vieh. Nun trug es sich zu, daß, nachdem der Deutsche Orden Samland sich unterworfen hatte, daselbsten ein Vogt war, geheißen Thammin von Gersleben. Derselbe war nicht anders gewohnt, als einen weißen Gaul zu reiten. Dieser reitet nun eines Tages nach Geilgarben, wo der preußische Fürst Dorgo wohnte, mit dem er große Freundschaft hielt, und den er besuchen kam. Er kam dort gegen Abend an und blieb die Nacht zu Gaste. Dorgo geriet zwar in Sorge ob des weißen Pferdes, allein er ließ sich nichts davon merken. Am andern Morgen jedoch wurde der weiße Gaul des Vogts tot im Stalle gefunden. Da sprach Dorgo zum Herrn Vogt: »Der Unfall tut mir sehr leid, denn du bist zu mir in aller Freundschaft gekommen, mein lieber Gast; darum nimm meinen besten Gaul für den deinigen! Ich bitte auch, daß du deinen Freund oft wollest besuchen, aber daß du kein weißes Pferd mitbringest, denn meine Götter lassen es hier nicht lebendig bleiben.«
Nach einiger Zeit kam der Vogt wiederum zum Dorgo, und ob aus Vergessenheit oder mit Fleiß, wiederum auf einem weißen Pferde. Auch dieses wurde am andern Morgen tot im Stalle gefunden. Dorgo beklagte den Unfall wiederum sehr, der Vogt aber erwiderte ihm: »Ich sage dir, wo es zum dritten Male geschieht, werde ich an deine Götter glauben.« Dem entgegnete Dorgo: »Und ich verspreche dir, so du zum dritten Male ein weißes Pferd zu mir bringst und meine Götter lassen es am Leben, so will ich an deinen Gott und Jesum Christum glauben und mich taufen lassen!« – Da nun dreizehn Wochen vergangen waren, reitet der Vogt wiederum auf einem weißen Rosse zum Dorgo. Er hatte aber seinen Dienern befohlen, den Sattel nicht von dem Gaule zu nehmen; an den Sattel hatte er ein Kreuz gehangen. Wie nun in der Nacht Herren und Knechte waren zur Ruhe gegangen, da erhob sich im Stalle ein groß Gerumpel und Getümmel, daß alle davon erwachten, und es war nicht anders, als wenn das ganze Schloß sollte über den Haufen geworfen werden. Wie man aber am andern Morgen aufstand, da war das weiße Pferd ganz frisch und gesund. Da zeigte der Vogt dem Dorgo das Kreuz, welches am Sattel hing, und Dorgo glaubte von Stund an an Christum und ließ sich taufen mit all seinem Volk. Also sind die Samländer Christen geworden.
Bevor noch die Samländer Christen geworden waren, hatten sie sich schon einmal den Brüdern unterworfen, und das war folgendermaßen gekommen: Als die Kreuzfahrer nach ihrer Ankunft in Preußen schon so weit gekommen waren, daß sie das feste Schloß Balga erbauet, sandten die benachbarten Samländer, um zu sehen, was sie an solchen Nachbarn hätten, einen ihrer Ältesten nach Balga zu den deutschen Brüdern, der unter dem Schein eines Gesandten erkunden sollte, welcherlei Art und Tuns die Deutschen wären. Die Ritter nahmen den Gesandten auch freundlich auf und ließen ihn das ganze Schloß mit dem Remter, den Schlafstuben, der Küche und dem Waffensöller sehen. Nachdem der Same sich alles genau besehen und auch die Lebensgewohnheiten der Brüder erforscht hatte, kehrte er zu den Seinen zurück und erstattete ihnen Bericht. »Die Deutschen«, so sprach er, »sind Menschen wie wir, sie haben Bäuche, die ebenso weich sind wie die unseren, ihre Waffen sind wie die unseren von Eisen, Holz und Leder, auch essen und trinken sie zumeist das gleiche, was wir essen und trinken. Deshalb könnten wir den Kampf mit ihnen wohl aufnehmen. Aber zwei Dinge sind es, die ich bei ihnen bemerkt habe, dadurch sie uns besiegen werden: Sie pflegen jede Nacht von ihrem Lager aufzustehen und in ihrer Kapelle zusammenzukommen, um ihren Gott zu verehren. Das tun wir nicht, deshalb werden sie uns besiegen. Und dann vermögen sie auch, wie das liebe Vieh, sich von Kräutern zu ernähren, was wir nicht können (er hatte die Brüder Kohl essen sehen), und deshalb finden sie auch in der Wildnis Nahrung, wo wir verhungern müssen, wenn wir aus unsern Wohnsitzen vertrieben sind. Wer also könnte solchen Leuten widerstehen?« Nachdem sie solche Kunde vernommen, beschlossen die Samländer, sich den Rittern freiwillig zu unterwerfen. Hernach freilich haben sich ihrer viele verleiten lassen, wieder abzufallen, zu ihrem zeitlichen und ewigen Verderben.