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I. Von den heiligen Eichen im Lande Preußen

1. Die heilige Eiche zu Romove

In der Mitte des Landes der alten Preußen, nämlich in Nadrauen, befand sich einst ein Ort, der Romove genannt wurde. Der Name kam, wie behauptet wurde, von Rom. In diesem Orte wohnte ein Mann, der Kriwe genannt wurde. Den verehrten die Preußen wie einen Papst. Denn wie der Herr Papst die allgemeine christliche Kirche regiert, so wurden nach jenes Wink und Befehle nicht nur die preußischen Völkerschaften, sondern auch die Litauer und andere livländischen Völker regiert. Nach einem Siege brachten diese Völker ihren Göttern ein Siegesopfer dar, und von allem, was sie erbeutet hatten, schenkten sie den dritten Teil dem genannten Kriwe, der daraus ein Brandopfer machte. Die Opferstätte befand sich in Romove bei einer uralten Eiche, die von allen heiligen Eichen des Preußenlandes am meisten in Ehren gehalten wurde. Diese Eiche war sechs Ellen dick im Durchmesser, ihr Geäst war ungeheuer breit und so dicht, daß weder Schnee noch Regen hindurchdringen konnte. Was aber am meisten zu verwundern war, sie blieb im Sommer wie im Winter grün. Die Götter, welche dort verehrt wurden, waren drei und hießen Perkunos, Pikollos und Potrimpos. Perkunos war der vornehmste, der Gott des Donners. Er war von mittelmäßigem Alter, sein Bart und Haar waren kraus und schwarz, mit Feuersflammen gekrönt. Das Angesicht war feuerrot, aufgeblasen und zornig. Pikollos war der Gott des Todes; er war ein langer alter Mann mit einem grauen Barte, das Gesicht von bleicher Totenfarbe, das Haupt mit einem Tuch umwunden. Er schaute von unten nach oben. Potrimpos war der Gott des Getreides und des Krieges. Er war ein junger Mann und schaute das Bild des Perkunos an mit einem fröhlichen lachenden Gesichte, er hatte keinen Bart, sein Antlitz war mit Kornähren gekrönt. Die Götter wurden verehrt mit allerlei Gaben und Geschenken; das angenehmste Geschenk war ihnen das Blut der Feinde, vornehmlich der Christen; und wenn ein Christ das Angesicht der Götter geschaut hatte, so waren diese ihren Anhängern so lange gram, bis ihnen das Blut desselbigen Christen geopfert war. Die Eiche selbst war so heilig, daß ein Mensch oder sogar ein Stück Vieh, welches von ihren Blättern eins am Halse trug, dadurch vor allem Unglück bewahrt wurde. Sie hat noch lange zu des Ordens Zeiten gestanden, und beteten sie noch immer an, selbst nachdem sie Christen geworden waren. Deshalb ließ sie der Hochmeister Winrich von Kniprode auf Bitten des Bischofs von Ermland durch den obersten Marschalk Henning Schindekopf umhauen. Aber wenn nun auch die Eiche zerstört war, so wollte von dem Platze doch noch lange das Blut nicht weichen, welches von den vielen daselbst geopferten Menschen herrührte, und man hörte, wahrscheinlich auf Anstiften des Teufels, der die Preußen wieder zum Heidentume verführen wollte, gar oft um denselben Ort grausame Ungewitter, Donner und Blitz und ein Sausen und Stürmen, als wenn die Zweige und das Laub der Eiche noch weheten. Dabei ließen sich allerlei unförmliche und schreckliche Gestalten blicken, welche bald aussahen wie Menschen, bald wie Waldschrate, bald wie Drachen oder Schlangen oder Feuer. Da endlich ließen fromme Leute auf dem Orte das Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit bauen. Doch auch jetzt wollte der Satan, der dort durch die Abgötzen herrschte, aus seinem Sitze sich nicht vertreiben lassen, und er trieb in dem neuen Kloster allerlei Spuk und Rumor, hoffend, dadurch die Diener Gottes zu erschrecken und zu verjagen, daher man genötigt worden, einen Teufelsbanner aus Deutschland zu verschreiben, welcher dem Satan das Handwerk legen möchte. Dieser Teufelsbanner verfertigte aus reinem Golde ein Kruzifix, etwa eines Fingers lang, und einen dreieckigen Ring, auf welchem er vielerlei Worte eingrub; beide Stücke vergrub er unter den Eckstein der Kirche. Seitdem hatte der Teufel und seine Abgötzen an jenem Orte keine Gewalt mehr, und es war Ruh im Kloster und in der Gegend. Die Stadt Romove ist schon lange zerstört; das Kloster und die Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit sind nach der Reformation eingegangen. Als aber im Jahre 1700 der Herr von Kitlitz in Groß-Waldeck, dem das Land gehörte, einige Mauerstücke der Klosterruine abbrechen ließ, hat man das Kruzifix und den Ring mit großer Verwunderung unter den Trümmern gefunden. Der Herr von Kitlitz schenkte sie der Stadt Königsberg. Die Worte, die auf dem Ring geschrieben standen, konnte aber niemand verstehen.

2. Heiligenbeil

Nächst der Eiche zu Romove war die heiligste Eiche im Lande diejenige, welche da stand, wo jetzt das Städtchen Heiligenbeil liegt. Widewudho selbst, der erste König der Preußen, hatte sie geheiligt; sie war so groß wie die Eiche zu Romove, und gleich dieser grünte sie im Winter wie im Sommer. Unter ihr hatte seine Wohnung und wurde verehrt Kurcho, ein Gott des Essens und des Trinkens. Sein Bildnis wurde alle Jahre zerbrochen, und nachdem die Früchte eingesammelt waren, wieder neu gemacht, wie er denn auch nach verrichteter Ernte absonderlich verehrt wurde. Solche Abgötterei dauerte bis zu den Zeiten des ermländischen Bischofs Anselmus. Dieser begab sich an den Ort der Eiche und predigte wider dieselbe und vermahnte die Leute, von ihrem Götterdienste abzustehen und die Eiche umzuhauen. Er richtete jedoch nichts damit aus, und nun befahl er einem Christen, den er mitgebracht hatte, den Baum umzuhacken. Als er aber den ersten Hieb tun wollte, schlug das Beil um und verwundete ihn, daß er auf der Stelle starb. Da entstand ein großes Frohlocken bei den Preußen, welche dieses Ereignis als eine Strafe ihrer Götter ansahen, und die Christen, die Anselmus mitgebracht hatte, entsetzten sich sehr, und wollte keiner mehr Hand an die Eiche legen. Wie dieses der fromme Bischof sah, wurde er im Geiste entrüstet, und er selber nahm eine Axt zur Hand, ging mit großem Eifer an die Eiche und hieb getrost hinein; und es geschah ihm kein Leides, solange er auch hieb. Denn der Satan und seine Götzenbilder hatten keine Gewalt über den heiligen Mann. Darauf befahl er, Feuer herbeizutragen, und er verbrannte die Eiche mitsamt den Götzen, weil es zu lange gedauert hätte, sie vollends umzuhauen. Nachher ließ der Bischof an dem Orte eine Stadt bauen und in der Kirche derselben das Beil aufbewahren, womit die Eiche gefällt war. Die Stadt nannte er Heiligenbeil; das Beil selbst ist nicht mehr zu sehen, aber die Stadt führt noch jetzt zum Andenken an das Ereignis in ihrem Wappen ein Beil.

Nach einer andern Sage hat Heiligenbeil Namen und Wappen davon, daß das Beil, mit welchem der heilige Adalbert getötet worden, über das Haff geschwommen und an der Stelle, wo nachher die Stadt erbaut ward, ans Land gespült worden ist.

3. Thorn

Eine dritte heilige Eiche stand an der Stelle, wo nachher die Stadt Thorn erbaut wurde. Sie war von unglaublicher Größe, und viele Götter der alten Preußen wurden darin verehrt. Hermann Balk, der erste Landmeister in Preußen, fand sie, als er in das Land kam; er eroberte sie nach hartem Widerstande der Preußen, und weil sie gar so groß war, so ließ er sie befestigen, daß sie ihm anstatt eines Turmes und einer Festung wider die Preußen diente, welche unaufhörlich versuchten, sie wiederzuerobern. Er nannte sie auch seinen Turm.

Hernach wurde um diese Festung herum eine Stadt erbaut, welche ebenfalls Turm oder Thorn genannt wurde. Dies ist aber nicht die jetzige Stadt Thorn; denn jene Stadt wurde alljährlich überschwemmt, und daher legte man sie eine Meile weiter an einen besseren Platz, da wo noch jetzt die große und schöne Stadt Thorn steht. Die Grundmauern des alten Thorn findet man noch an dem ersten Orte in der Erde. Die Sage geht im Volke, daß es dort nicht richtig sei, und von der Mitternacht bis zum Hahnenschrei naht man sich nicht gern dem gefährlichen Orte.

4. Die Eiche bei Wehlau

Noch eine heilige Eiche, die die heidnischen Preußen verehrten, ist unweit Wehlau gewesen, in dem Dorfe Oppen über dem Pregel in einem Garten an der Landstraße von Königsberg nach Ragnit. Sie war von fast unerhörter Dicke und Höhe, so daß ein solcher Baum wohl seit der Sündflut nicht gewesen ist; sie war inwendig hohl und so weit, daß einer mit einem großen Gaul hineinreiten und darinnen mit dem Gaule sich herumwerfen und tummeln konnte. Unten an der Erde war sie siebenundzwanzig Ellen dick. Unter dieser Eiche wurden viele Götter verehrt, denen man Schlangen hielt und Milch vorsetzte. Sie hat noch gestanden bis vor 100 Jahren; da soll sie, wie man sich erzählt, in einer Nacht plötzlich verdorrt und umgefallen sein.

5. Die Eiche des heiligen Jodokus

In der Nähe der Stadt Labiau stand in früheren Zeiten hart am Wasser auch eine gewaltige Eiche. Sie war aber nicht den preußischen Göttern heilig, sondern einem christlichen Heiligen geweiht, der aus Preußen stammte, nämlich dem heiligen Jodokus. Diese Eiche war sehr groß und unendlich hoch, und jeder Schiffer, der an ihr vorübersegelte, unterließ es nicht, einen Pfennig in ihre Höhlung zu werfen. Denn der heilige Jodokus war der Beschützer der Gewässer, und wer ihm opferte, hatte kein Ungemach auf dem Wasser zu befürchten. Den Schatz wagte niemand anzurühren. Es hatte sich aber ein böser Mensch aus der Gegend die Sache gemerkt, und eines Tages nahm er das ganze Geld fort, welches sich auf mehr als 40 Gulden belief. Darauf ist der Baum verdorrt. Die Stelle, wo er gestanden, ist aber noch bekannt, und gottesfürchtige Schiffer werfen, wenn sie vorbeikommen, noch immer einen Pfennig hin.


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