Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VII. Sagen von Herzog Swantepolk

31. Die mutigen Kulmerinnen

Der Herzog Swantepolk von Pommern war zwar ein Christ und hielt es anfangs mit den Brüdern vom Deutschen Hause St. Marien. Später aber, als er sah, wie große Erfolge ihnen Gott gab für ihre Tapferkeit und Mühe bei der Bekämpfung der Heiden, ward er neidisch und den Brüdern feind. Er fiel deshalb von dem Orden ob, machte heimlich Freundschaft mit den Preußen und suchte die Deutschen wieder aus dem Lande zu vertreiben. Er war ein Mann von großer Vermessenheit und in allen Tücken und Listen bewandert. Mit großem Kriegsvolke war er eines Tages vor die Stadt Kulm gerückt, um sie zu belagern. Da aber die Ordensritter und die Bürger auf der Hut waren und Tore und Mauern besetzt hielten, Swantepolk aber zum Sturme nicht gefaßt war, so sah er wohl ein, daß er die Stadt nur durch List einnehmen könnte. Er zog sich daher mit seinem Heere von der Stadt zurück und legte sich hinter einen Morast, der Ronsensee genannt, in der Hoffnung, die Belagerten würden ihm folgen. Hierin täuschte er sich auch nicht; die Ordensherren in Kulm glaubten wirklich, er sei abgezogen, und verließen die Stadt bis auf wenige Mann, um neuen Proviant zu holen. So gerieten sie in einen Hinterhalt und wurden von Swantepolk und seinen Pommern fast bis auf den letzten Mann erschlagen. Swantepolk glaubte jetzt, es würde ihm ein leichtes sein, die Stadt einzunehmen, da kein Mann mehr darin sei, um sie zu verteidigen. Aber einer von den Überfallenen war in die Stadt zurückgelaufen und hatte die Nachricht gebracht von der Niederlage der Brüder. Da taten sich alle Weiber und Jungfrauen zusammen, die in der Stadt Kulm waren, zogen Kleider und Rüstungen der Männer an und stellten sich mutvoll zur Abwehr auf die Mauern. Als das Swantepolk sah, da wunderte er sich sehr, daß noch so viele Männer in der Stadt seien, und verzweifelte, sie in seine Gewalt zu bekommen. So wurde er durch die List der Weiber getäuscht und mußte sich besiegt zurückziehen. Noch heutigen Tages sind die Frauen und Jungfrauen von Kulm wegen ihrer List und ihres Mutes wohl gerühmt.

32. Der betrogene Betrüger

Ein andermal betrog Swantepolk sich selbst. Er hatte sich in Pomesanien an einem lustigen Orte nicht weit von der Weichsel gelagert und war fröhlich und guter Dinge. Es befand sich aber unter seinen Gefährten ein Hofdiener, der sich sehr vor den deutschen Rittern fürchtete, so daß Swantepolk ihn schon öfter mit solcher Furcht aufgezogen hatte. Auch dieses Mal wollte er seinen Scherz mit ihm treiben. Nachdem er daher befohlen hatte, die Mittagstafel anzurichten, schickte er, um über Mahlzeit etwas zu lachen zu haben, einen Diener heimlich fort mit dem Befehle, sobald sie bei Tische säßen solle er mit scheinbarem Erschrecken gelaufen kommen und schreien, daß die Kreuzritter im Anzuge wären. Den andern aber sagte er, was er vorhabe und wie er solchen Boten abgeschickt habe, um den Hofdiener zu erschrecken. Zufällig aber waren an demselben Tage die Ordensbrüder unterwegs, um Swantepolk zu überfallen, den sie ihrer nicht zu erwarten wähnten. Als nun der Herzog mit den Seinigen kaum angefangen hatte zu essen, da kam der Diener, der die Ritter wirklich erblickt hatte, mit großem Schrecken gelaufen und schrie: »Die Deutschen sind da und folgen mir auf dem Fuße, ein jeder rette sich, wie er kann.« Als dieses der furchtsame Hofdiener hörte, sprang er eilends hinter dem Tische weg und lies dem nächsten Busche zu, rettete auch damit sein Leben. Swantepolk aber und die anderen lachten laut über ihn, und je mehr der Diener schrie, die Deutschen seien da, desto mehr lachten sie, bis ihnen auf einmal das Ordensvolk über den Hals kam. Da verkehrte sich ihr Lachen in Angst, und sie wollten davonlaufen. Allein die Ritter erschlugen sie alle bis auf Swantepolk selber und einen einzigen Gefährten, die beide behende der Weichsel zuliefen, sich hineinwarfen und durch Schwimmen ihr Leben retteten.

33. Die Jungfrau Maria auf der Walstatt

Als nach der Schlacht am See Ronsen, wo Herzog Swantepolk die Ordensbrüder geschlagen hatte, ein Weib mit andern Bürgern der Stadt Kulm zur Beerdigung der Toten nach der Walstatt sich begab, fand sie dort ihren Ehegatten, wenn auch schwer verwundet, so doch noch bei Leben. Sie wollte ihn heimbringen, er jedoch weigert sich, das Schlachtfeld zu verlassen. Als sie darüber verwundert war und ihn schalt, erzählte er, wie die Jungfrau Maria an selbigem Tage unter Vorgang von zwei brennende Kerzen tragenden Jungfrauen mit einem Rauchfasse in der Hand gekommen wäre und dieses über jeden Gebliebenen geschwenkt habe. Als sie aber an ihn gelangt und ihn noch lebend gefunden, habe sie gesagt, am dritten Tage wirst du sterben, aber freue dich, denn deine Seele wird mit den Seelen der übrigen Erschlagenen zur ewigen Freude eingehen. Und wie er es voraus verkündigt hatte, starb der Mann am dritten Tage und wurde in der Stadt Kulm begraben.

34. Die Auffindung des Hauptes der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Barbara

Unweit der Stadt Schwetz an der Weichsel liegt das Dorf Sartowitz. Dort hatte der Pommernherzog Swantepolk sein festes und bestes Schloß, welches er mit starker Mannschaft besetzt hielt, und von wo dem Orden viel Schaden geschah. Daher beschloß der Ordensmarschall Dietrich von Bernheim, die Burg um jeden Preis zu erobern, und zog am Vorabend des Festes der heiligen Barbara mit vier Ritterbrüdern und vierundzwanzig Knechten heimlich davor, setzte Leitern an die Mauern und stürmte. Nach langem Kampfe überwältigten die Deutschen die Feinde, obgleich diese an Zahl doppelt so stark waren, und machten sie bis aus wenige, die entfliehen konnten, mit Gottes Hilfe nieder. 150 Weiber und Kinder aber fielen als Gefangene in ihre Hände. Als sie mm die Burg durchsuchten, fanden sie in einem Kellergewölbe eine Kiste und darin einen Heiligenschrein von Silber, in diesem Schrein aber das Haupt der heiligen Barbara. Da knieten sie nieder und lobten Gott für ein so gnadenreiches Geschenk. Sie hoben die heiligen Reliquien auf und verließen voller Freude den Keller. Als das eine alte Frau sah, die unter den gefangenen Weibern stand, sagte sie zu den Brüdern: »Wahrlich, ihr freut euch mit gutem Grunde, denn was ihr heute erreicht habt, das habt ihr durch das Verdienst der heiligen Barbara erreicht.« Daraus sprachen jene: »Wer hat dir solches verkündigt, oder wie kannst du es wissen?« Sie aber antwortete: »Immer habe ich mit höchster Verehrung die heilige Barbara geliebt. Nun erschien sie mir die letzte Nacht dreimal hintereinander mit hochgeschürztem Gewände, als sei sie bereit, über Land zu gehen. Beim dritten Male aber redete ich sie an: ›Wohin gehst du, heilige Jungfrau?‹ Da sprach sie: ›Ich will nach Kulm gehen und dort die Messe hören. Lebe wohl!‹ Da erschrak ich sehr und fiel vom Bett und eilte ihr nach bis zur Haustür, und dort verschwand sie; und da sah ich euch kommen in Waffen. Unzweifelhaft ist es daher, daß die Burg euch durch das Verdienst und die Vorbitte der Heiligen in die Hände gegeben ist, damit ihr ihre Reliquien gen Preußen bringt, wo sie frömmer als hier verehrt werden.« Hernach brachte Bruder Dietrich die heilige Reliquie nach Kulm, wo sie unter einer großen Prozession von Geistlichen und Volk zur Schloßkirche getragen wurde; dort genoß sie lange Zeit wegen der vielen Wunder, die sie verrichtete, große Verehrung. Bald danach aber kam König Wenzel von Böhmen zum Bruder Dietrich von Bernheim; der bat ihn gar sehr, ihm einen Teil der Reliquie zu schenken. Da gab Bruder Dietrich dem Könige einen Teil des heiligen Hauptes. Der brachte es gen Prag und baute bei St. Claren eine Kapelle zu Ehren der St. Barbara. Da war nun der untere Teil des heiligen Hauptes, der obere aber blieb zu Kulm, und es geschahen beiderorts viele Zeichen und Wunder.


 << zurück weiter >>