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In uralten Zeiten bewohnten zwei Brüder, gewaltige Riesen, die Ufer des Haffes bei Tolkemit und Kahlberg. Zum Fällen des Holzes hatten beide nur eine Axt, die sie sich gegenseitig über das Haff zuwarfen, sobald sie der andere brauchte. Einmal entstand ein Streit über das Recht am Besitze dieser Axt. Der Bruder auf der Nehrung wollte sie nicht herausgeben. Da ergriff der Riese, der in der sogenannten Wiek – einem Walde zwischen Tolkemit und Louisenthal – wohnte, in seinem Grimme einen mächtigen Stein, um seinen Bruder damit zu töten. Indem er warf, glitt aber die Hand fort, und der Stein fiel ins Haff, wo er noch heute liegt. Es ist ein Granit, der 10-12 Fuß über die Oberfläche des Wassers ragt und noch deutlich den Griff einer mächtigen Hand zeigt. Die Schiffer, denen er sehr gefährlich war, nannten ihn den heiligen Stein, um die Kraft des Bösen zu beseitigen.
Nicht weit von Danzig liegt ein Städtlein, Schöneck geheißen, wo sich vor vielen hundert Jahren folgendes merkwürdige Wunder zugetragen:
Es kam dort eines Tages ein Mann an, welcher aus Meißen gebürtig war; derselbe hatte zur Lösung eines Gelübdes nach Preußen sich begeben, um ein Jahr lang unter dem Orden gegen Swantepolk und die heidnischen Preußen zu streiten. Das Jahr war jetzt zu Ende gegangen, und er war nun auf dem Rückwege in seine Heimat. In dem besagten Städtlein aber wurde er krank, starb auch allda und wurde auf dem Kirchhofe begraben. Weil der Mann nun nach verlaufenem Jahr nicht wieder in seine Heimat zurückkam, so machte sein Sohn sich auf gen Preußen, um ihn zu suchen.
Derselbe kam auch in dieses Städtlein Schöneck, gerade an dem nämlichen Tage, als der Bischof dort war, um die Kirche und den Kirchhof zu weihen. Dem sah der Jüngling zu, weil es mit sonderlicher Pracht geschah. Als nun der Bischof auf den Kirchhof kommt und im Weihen mit dem Wasser hin und her sprengt, da öffnet sich plötzlich vor ihm ein Grab, und der Leichnam, so da begraben liegt, ersteht aus dem Grabe, geht voran und legt sich mit dem Rücken an die Mauer der Kirche, daß der Bischof und alles Volk ihn sehen konnte. Der Bischof aber trat zu dem Toten und beschwor ihn, daß er von sich sagen solle, warum er im Grabe keine Ruhe habe. Darauf antwortete der Leichnam, er habe im Leben seinem Nachbarn mit Unrecht ein Stück Ackers entzogen, und dafür müsse er nun, da ihm zwar die Pein der ewigen Hölle wegen seines Kreuzzuges gegen die Ungläubigen geschenkt sei, so lange im Fegefeuer büßen, bis seine Erben das unrechte Gut zurückgegeben hätten. – Als solches der Jüngling, der aus Meißen gekommen, um seinen Vater zu suchen, gehört, ist er plötzlich auf sein Angesicht gefallen, denn er erkannte seinen Vater in dem Leichname, und er hat geschworen, seinen Willen zu erfüllen. Worauf der Bischof dem Toten befohlen, sich wieder in sein Grab zu legen, welches auch geschehen.
In der Stadt Kulmsee stand vormals ein Schwarzmönchenkloster, in welchem die Mönche einen sehr ärgerlichen Lebenswandel führten. Der Abt dieses Klosters hatte einen Raben, den hatte er reden gelehrt, so daß er viele Worte auf polnisch, lateinisch und deutsch antworten konnte, je nachdem man ihn fragte. Eines Tages, als der Abt und der ganze Konvent wieder stark gezecht hatten, sah der Rabe seinen Herrn gleichsam wie in tiefen Gedanken an. Das bemerkte der Abt und fragte ihn: »Rabe, was gedenkst du?« Der Rabe antwortete: »Der ewigen Jahre deiner Verdammnis!« Da erschrak der Abt und sagte: »Du bist nicht ein Rabe, sondern der böse Geist!« Und er brachte den Vogel um. Dieses verdroß einen Mönch, der seine Kurzweil mit dem Raben zu treiben pflegte; er ersah seine Zeit und stach den Abt mit dem Messer tot. Als solche Greuel der Bischof erfuhr, hat er die Mönche vertreiben und das Kloster zerstören lassen. Andere sagen, der Rabe habe dem Mönche gehört und nicht dem Abt; das soll auch wohl wahrer sein.
In der Kapornischen Heide, unweit von Königsberg, steht mitten auf dem Wege eine Säule, die man die Vierbrüder-Säule nennt. Dieselbe war von Holz und 24 Fuß, auch wohl noch etwas mehr hoch. Oben darauf sind auf vier herausragenden Armen so viele ausgeschnitzte bärtige Mannesköpfe mit Helmen aufgesetzt. Die Säule stand schon vor undenklichen Zeiten, so oft sie auch schon umgefallen oder zerstört worden ist, immer wieder hat man sie aus öffentlichen Mitteln aufgerichtet und ausgebessert. In früheren Zeiten waren hiermit allerlei Zeremonien verbunden, die hat man jetzt aber vergessen, und es ist nur noch die eine übriggeblieben, daß der Zimmermann, der sie wieder setzt oder die Arme wieder anmacht, sich vor ihr verneigt und mit lauter Stimme ihr wünscht, daß sie lange stehenbleibe. Wie diese Säule entstanden, darüber hat man mancherlei Erzählungen und Mutmaßungen. Einige sagen, es seien an der Stelle vier Brüder gevierteilt, welche große Mörder gewesen. Andere behaupten, daß daselbsten vier Brüder eine Reise durch die ganze Welt verabredet hätten und auseinander gegangen wären, nach vielen Jahren aber an dieser Stelle sich wieder zusammengefunden hätten. Wieder andere meinen, es habe daselbsten früher eine alte vierzweigige Eiche gestanden, welche den Göttern der alten Preußen heilig gewesen. Noch andere glauben, daß vor mehreren hundert Jahren daselbst vier hohe Häupter, nämlich der Markgraf Albrecht, der König von Polen, der König von Dänemark und der König von Böhmen, bei einem großen Jagen Brüderschaft getrunken hätten.
Die wahrste ist die folgende Erzählung: In den Kriegen gegen die heidnischen Sudauer bedienten sich die Ordensbrüder vielfach preußischer Struter, d. i. Freibeuter, die zum Christentume bekehrt waren. Diese waren höchst mutig und verschlagen, taten dem Feinde viel Abbruch und hielten den Brüdern treue Freundschaft. So hatten einst die Struter Martin von Golin, Conrad Dywet, Stobemel, Kudare und Nakam zusammen mit vier Brüdern ein sudauisches Dorf zerstört und dann mit reicher Beute den Rückweg angetreten. Während sie aber auf der Heide ihr Mahl bereiteten, wurden sie plötzlich von den Feinden, die ihnen unbemerkt nachgesetzt waren, überfallen und jene vier Deutschen erschlagen. Die entkommenen Struter aber sammelten sich wieder, beschlichen ihrerseits die Sudauer im Schlafe, trugen ihnen die Waffen weg und erschlugen die Wehrlosen ohne Ausnahme. Die Waffen aber hängten sie an einem starken Pfahl aus zum Gedächtnis der vier Brüder.
Auf dem Schloßberge zu Bartenstein befindet sich ein seltsamer Stein, der in Gestalt einer unbeholfenen menschlichen Figur ausgehauen ist, die eine spitze Mütze auf dem plumpen Kopf und ein Trinkhorn in dem winzigen Händchen zu tragen scheint. Ein russischer General hat seinerzeit einen heiligen Bartholomäus aus ihm gemacht, aber die Sage behauptet, es sei das Standbild des Barto, eines Preußenfürsten, von dem die Landschaft den Namen hat. Auch die Stadt Barken hat ihren Bartel. In dem Schloßberge zu Bartenstein liegen große Schätze, und ein unterirdischer Gang führt von ihm unter der Allee hinweg zu einer benachbarten Kirche.
Ein zweiter Stein wird zu Bartenstein gezeigt, der einige Ähnlichkeit mit einem hockenden Mädchen mit einem plumpen Umhang hat. Er heißt die Gustabalde. Von ihm geht folgende Sage:
Eine Mutter geht einstmals mit ihrer mannbaren Tochter in die Messe; die Tochter beklagt sich, daß sie in so schlechten Kleidern in die Kirche gehen müsse, die Mutter solle sehen, wie anderer Leute Töchter weit, weit geputzter und zierlicher einhergingen. Darüber ergrimmte die Mutter, und es entfuhren ihr die Worte: »Geh, daß du zu Stein werdest.« Alsofort aber gewann der Mutter Fluch Kraft, und das Mädchen wurde in einen Stein verwandelt, wie man noch heute sieht.
Die Brüder des Deutschen Ordens waren durch ihre Ordensregel eidlich verpflichtet, Jerusalem, die heilige Stadt, gegen die Feinde des christlichen Namens zu verteidigen, und wenn es verloren gegangen sei, es wiederzugewinnen. Nachdem nun alle Aussicht im Morgenlande geschwunden war, dies Ziel jemals wieder zu erreichen, ließen die Ritter in Preußen, um jenem Eide zu genügen und ihr Gewissen einigermaßen zu beruhigen, fast bei allen ihren Schlössern im Felde die Erde aufgraben und ein Festungswerk mit vielen Gängen und Laufgräben aufwerfen, welches einem Labyrinth oder Irrgarten sehr ähnlich sah. Das nannten sie Jerusalem. Anfangs hatten sie hierbei ihre gottseligen Gedanken; hernach aber trieben sie bloß ihr Gespötte damit, denn wenn sie bei ihren Schmausereien recht lustig sein wollten, dann mußten sich die Knechte in dieses After-Jerusalem begeben, und die Ritter jagten sie wieder heraus, bei sich nun wähnend, Jerusalem befreit zu haben. Für solche Frechheit ist aber auch die Strafe nicht ausgeblieben. Es ist namentlich ein dergleichen Irrgarten im Felde bei Riesenburg gewesen, er war 55 Fuß lang und 60 Fuß breit, darin befand sich ein Kreuz im Felde gegraben, welches 54 Fuß lang und breit war. In diesem Kreuze war es geruhig, aber in dem Irrgarten selbst war öfters des Nachts ein gewaltiges Treiben und Rumoren. Man sah dort feurige Gestalten mit glühenden Schwertern, welche in den Gräben auf und nieder liefen. Die Ritter mußten zu ihrer großen Dual das Spiel treiben, welches sie früher so übermütig im Leben gespielt hatten. Nur wurden die Rollen umgekehrt, denn die Ritter wurden von den Knechten gejaget, und diese wieder von dem Teufel und seinem Anhänge.
Als die Pfarrkirche zu Kulm, noch jetzt eins der ehrwürdigsten Denkmale altdeutscher Baukunst in Preußen, gegründet ward, war es der Plan des Baumeisters, dieselbe mit zwei hohen Türmen zu versehen. Es hatte sich der Meister aber verpflichtet, zu einem bestimmten Tage das Werk zu vollenden. Schon nahte dieser, und noch war der Turm kaum bis zur Hälfte fertig. Da ließ der Meister ohne Unterlaß arbeiten und setzte selbst nicht Sonn-, nicht Festtags aus. So gelang es ihm, den Tag einzuhalten, und schon war die Menge zur Einweihung versammelt, als sich ein furchtbares Brausen in der Luft vernehmen ließ und man einen Engel herabeilen sah, der mit einem flammenden Schwerte den Turm, an welchem des Sonntags gearbeitet war, entzündete, so daß dieser bis auf den Grund niederbrannte, ohne daß jedoch der übrige Bau versehrt wäre. Noch einmal versuchte man den Turm aufzuführen, aber auch diesmal ward er, kaum beendigt, durch einen Blitzstrahl zerstört. So ist denn der Bau bis auf heute unvollendet geblieben.
Im Jahre 1463 am Dienstage vor Jubilate trieb ein heftiger Sturm das Wasser im Nogatstrome so hoch, daß es eine Otternhöhle in der Nähe von Sommerau erreichte und dadurch einen solchen Bruch im Damme machte, daß alle Dörfer des Fischauschen Werders von den Fluten bedeckt, die Wohnungen fortgerissen, Menschen und Vieh ersäuft und die Bewohner in wenigen Augenblicken um all ihre Habe gebracht wurden. Als sich nun das Wasser endlich wieder in das Haff und den Drausensee verlaufen, versuchte man es, die entstandene Öffnung zuzudämmen. Aber alle Anstrengung war umsonst; denn was des Tages über gemacht worden, fand man am nächsten Morgen jedesmal wieder versunken. Als nun die Bauern noch eine Beratung hielten, aber keiner mehr aus noch ein wußte, da trat plötzlich ein Unbekannter in die Versammlung und eröffnete derselben, daß es erst dann gelingen würde, das Loch wieder zu verstopfen, wenn zuvörderst ein lebender Mensch in dasselbe hineingestürzt wäre. Die Bauern folgten diesem Rate und machten einen Bettler berauscht, der dann, als er seiner Sinne nicht mehr mächtig war, an das Loch geführt, in den Bruch hineingestürzt und sofort mit Erde beschüttet wurde. Und siehe! von Stund an gelang es mit leichter Mühe, die Öffnung im Damme zu verstopfen.
Eine Meile von der Stadt Rastenburg liegt ein Dorf, Eichmedien genannt. Daselbst hat früher eine gottlose Krügerfrau gewohnt. Auch war dort ein Schmied mit Namen Albrecht, der ist aber später von da fortgezogen nach Schwarzenstein. Da begibt es sich nun, daß die Krügersche, wenn sie das Bier verschenkt, eine solche Gewohnheit an sich hat, daß sie öfters zwei Stof Bier für eins angeschrieben. Wie es nun zur Zahlung kommt, und die Bauern das Brettchen von ihr fordern, da befinden sie, daß sie allezeit zwei Stof für eins bezahlen sollen, und sie sprechen zu ihr: »Wollt Ihr zu Gott kommen, so müßt Ihr recht tun.« Andere aber sprachen wieder: »Sie hat zu Gott nicht Lust, sondern zum Teufel!« Auf diese Reden der Bauern fängt die Krügersche an sich zu verfluchen, der Teufel solle sie mit Leib und Seele vor ihren Augen wegnehmen, wo sie ihnen auf ein einziges Stof unrecht getan hätte. In demselben Verschwören und Verfluchen hat sich auch der Teufel nicht verabsäumt, sondern ist stracks in die Stube gekommen und hat sie vor aller Augen angefaßt. Es ist darauf ein erschreckliches Sausen und Brausen in der Stube geschehen, daß die Leute, die darinnen waren, vor großem Schrecken wie tot gewesen. Indem ist der Teufel mit der Frau davongeflogen, bat sie zum schwarzen Gaul gemacht und ist denselbigen Abend auf ihr geritten nach Schwarzenstein vor die Schmiede. Es ist aber zur selbigen Zeit sehr glatt gewesen, daß man mit unbeschlagenen Pferden nicht hat können fortkommen. Da ist er vor das Fenster der Schmiede geritten und hat angefangen den Schmied zu rufen: »Hufschmied, schläfst du? Stehe auf und beschlage mir mein Pferd!« Der Schmied aber, so im ersten Schlaf gewesen, hat sich nicht gleich ermuntern können; da hat der Teufel ihn zum andern Male gerufen, er solle aufstehen und sein Pferd beschlagen. Der Schmied aber hat geantwortet: »Ich habe schon das Feuer ausgelöscht und muß mit meinem Gesinde ruhen!« Der Teufel aber hat nicht abgelassen, sondern zum dritten Male gesprochen: »Stehe auf, Schmied, ich werde es dir doppelt bezahlen; ich habe Briefe, die muß ich noch in der Nacht zur Stelle bringen; wenn du aber nicht wirst aufstehen und meinen Klepper beschlagen, so verklage ich dich bei meinem gnädigsten Herrn!« Als der Schmied solches gehört, ist er mit seinem Gesellen aufgestanden und hat angefangen zu arbeiten. Der Teufel aber hat zum Schmied gesprochen: »Fördere dich nur, mein Schmied, ich will dir dreierlei Geld zum Lohne geben.« Und so hat er immer angehalten, denn er müsse in der Nacht noch weit reiten. Als nun zwei Eisen fertig waren, hat der Teufel zum Schmied gesprochen, er solle hingehen und die Eisen dem Pferde aufmessen. Worauf der Schmied mit seinem Gesellen hingegangen. Als nun aber der Schmied dem Pferde die Eisen auf den Fuß gelegt, da fing das Pferd an zu reden und sprach: »Sachte, sachte, mein Gevatter, ich bin die Krügersche von Eichmedien!« Wie der Schmied solches gehöret, erschrickt er, daß ihm die Zange mitsamt dem Eisen aus der Hand fällt, und er läuft mit seinem Gesellen in das Haus. Der Teufel aber hat immerfort angehalten, er solle sich fördern. Weil indes der Schmied mit seinem Gesellen von großem Schrecken halb tot gewesen, so hat sich die Arbeit nirgends schicken wollen, bis die Hähne angefangen zum ersten Male zu krähen; da ist das Pferd wieder zum Menschen geworden; der Teufel aber ist sehr zornig geworden und hinausgegangen und hat die Frau zu dreien Malen aus das Maul geschlagen, daß man alle Teufelsfinger und Klauen in den Backen gekannt, und diese sind geronnen gewesen von Teer, welches sie auch zum Wahrzeichen behalten; der Teufel aber ist indem verschwunden. Dieselbe Krügersche hat noch ein halbes Jahr lang gelebt, aber sie ist herumgelaufen wie ein unsinniges Mensch, und wenn man sie in ihr Haus gebracht, hat sie nicht können darin bleiben, und wenn man sie noch so fest angebunden, so hat sie sich doch losgerissen. Solches ist geschehen im Jahre 1473. Der Schmied hat die beiden Eisen dem Pfarrer gegeben, der sie in der Kirche zu Schwarzenstein aufgehängt hat. Das eine davon haben im Jahre 1657 die Polen geraubt, das andere ist 1701 dem Könige Friedrich I. geschenkt worden, als er sich die Krone aufsetzte. An der Stelle derselben sind jetzt in der Kirche in Schwarzenstein zwei Hufeisen aus Holz verfertigt, die den rechten ganz gleich sehen.
Unter dem Schlosse zu Tapiau ist ein tiefes Gewölbe, welches früher hart an die ehemalige untere Sakristei der Kirche stieß. In diesem Gewölbe sollen die Ordensritter viele Greueltaten verübt haben. Unter andern lebte zur Zeit des Hochmeisters Heinrich von Richtenberg ein gelehrter aber habsüchtiger und untreuer Mann, Dietrich von Cuba genannt, den machte Papst Sixtus gegen den Willen des Ordens und des Domkapitels zum Bischof von Samland. Darüber gerieten der Hochmeister und die Ordensbrüder in großen Zorn, und als der Bischof nach Königsberg kam, da wurde er empfangen, wie man einen pflegt aufzunehmen, den man nicht gern haben will, und sie trachteten nur, wie sie ihn ihres Gefallens demütigen möchten. Der Bischof aber gab nicht viel auf den Hochmeister, er tröstete sich seines Beschützers, des Papstes, und suchte nur durch Ablaßprediger möglichst viel Geld zusammenzuraffen, denn dadurch konnte er sich immer gute Freunde machen. Da solches ruchbar wurde, ließ ihn der Hochmeister mahnen, von seinem Vorhaben abzustehen. Der Bischof aber ward nur noch stolzer und hochmütiger, besonders gegen den Hochmeister; da berief dieser seine Gebietiger, legte ihnen des Bischofs Praktiken vor und fragte sie, was hierin nun zu tun sei, und es ward beschlossen, man solle ihn gefangennehmen. Also ward er am Montage nach Judika gefangen und gen Tapiau ins Schloß geführt. Dort hielt man ihn anfänglich in einem ehrlichen Gemache, wie einem Bischofe gebührte.
Es war aber zu derselben Zeit zu Tapiau auf dem Schlosse ein Kaplan, ein tückischer, böser Mensch. Dieser machte sich an den Bischof, besuchte ihn täglich und redete ihm zu, daß er solle entfliehen, seine Hilfe ihm anbietend. Der Rat gefällt dem Bischof, und er willigt darein. Allein der Kaplan verrät alles den Rittern, und als der Bischof schon glaubte, wieder frei zu sein, wurde er von neuem gefangen. Der Hochmeister und die Ritter berieten nun wiederum, was mit ihm anzufangen, und beschlossen endlich, ihn Hungers sterben zu lassen. Da wurde er durch zwei Kreuzherren heimlich in das finstere Gewölbe unter dem Schlosse geführt, allda mit Händen und Füßen kreuzweise an eine Mauer angeschmiedet und ohne Essen und ohne Trinken gelassen. Acht Tage lang hat der Unglückliche es also ausgehalten, denn als es sich am achten Tage nachher begeben, daß unter der Messe die Sakristei unversehens offen geblieben, hat alles Volk in der Kirche den Bischof mit heiserer Stimme rufen hören: »Mein Gott, mein Gott, erbarme dich meiner!« – Die Leiche des Bischofs ward nachher gen Königsberg gebracht, und als der Papst in Rom von der Untat hörte und Genugtuung verlangte, da traten sieben Männer, vom Orden mit Geld erkauft, vor den Papst mit aufgehobenen Fingern und schwuren, der Bischof sei eines rechten, natürlichen Todes gestorben, wodurch der Zorn des Papstes gelindert wurde. Aber man hört noch oft in dem Gewölbe des Schlosses zu Tapiau um Mitternacht eine heisere Stimme eines alten Mannes, welche mit ihren letzten Kräften ruft: »Mein Gott, mein Gott, erbarme dich meiner!« Man glaubt, daß dies die Stimme des Hochmeisters Heinrich von Richtenberg sei, der den Bischof hat ermorden lassen; seine Leiche liegt zwar im Dome zu Königsberg begraben, aber sein Geist muß in Tapiau umgehen. Denn als dieser Hochmeister nachher von einer schweren Krankheit schon wieder genesen war, hörte man ihn auf einmal rufen: »Auf, den Harnisch her, die Gäule gesattelt, die Pfaffen haben mich vor Gottes Gericht verklagt! Wer wird sich meiner erbarmen?« Und mit diesen Worten starb er plötzlich.
Als in der Stadt Kreuzburg noch der alte Markt und das uralte Rathaus stand, hat sich an jedem Neumonde eine gar seltsame Erscheinung wiederholt. Sobald die zwölfte Stunde ertönt war, ist nämlich aus der nach den Trümmern des alten Ordenshauses auf den Schloßberg führenden Kirchenstraße ein Zug von vier Wagen gekommen, die besonderer Art und unverdeckt waren, so daß man die darin Sitzenden deutlich erkennen konnte. Jeder Wagen war mit vier Pferden, die beiden ersten mit Schimmeln, die beiden letzten mit Rappen bespannt. Jene schritten ruhig einher, die Rappen aber haben Funken aus Maul und Nüstern geschnoben. In den beiden ersten Wagen haben, je zu sechs, zwölf Nonnen gesessen, in weißem Ordenskleide mit Kreuz und Rosenkranz, aber ohne Haupt; in jedem der beiden letzten Wagen befanden sich sechs Ritter, die ihren Kopf mit dem Helme unter dem Arme hielten. Dreimal hat der Zug die Runde um den Ring des Marktes gemacht, doch ohne daß von dein Rollen der Räder etwas zu vernehmen gewesen wäre. Statt des Kutschers hat auf dem Wagen der Nonnen ein weißes Lamm, auf dem der Ritter ein schwarzer Ziegenbock, gleich den von ihm gelenkten Rossen Funken sprühend, gesessen. Im alten Rathause ist der Zug verschwunden, und man hat dann aus demselben eine gar wilde, lustige Musik mit abwechselnden rauhen Männerstimmen und feinem weiblichen Gesänge gehört, zwischen denen es oft wie Orgeltöne und Choral geklungen. Mit dem Ende der Mitternachtsstunde ist der Zug der Wagen wieder aus dem Rathause herausgekommen, hat von neuem dreimal die Runde um den Markt gemacht, ist aber nicht zur Kirchenstraße, sondern zur Hof- oder Schloßstraße hinausgefahren. Nun haben aber auf den geharnischten Leibern der Ritter die verschleierten Nonnenköpfe gesessen, während die Nonnen mit Helmbusch und geschlossenen Visieren angetan gewesen sind.
Also ist die Erscheinung von den Wächtern und den Marktbewohnern an jedem Neumonde gesehen worden, bis zum Pfingstfeste i8i8, wo Markt und Rathaus durch eine Feuersbrunst zerstört wurden. Nur ein einzelnes altes Gebäude war stehengeblieben. Am nächsten Neumonde nach dem Brande erschienen auch die Nonnen und Ritter wieder, nun aber nicht mit vertauschten, sondern mit ihren eigenen Köpfen, und zwar sogleich, als sie über Schutt und Trümmer aus der Kirchenstraße daher gerollt sind. Neunmal haben sie die Runde um den rauchenden Markt gemacht und sind dann in das stehengebliebene Haus eingefahren, in welchem sich der frühere Jubel wiederholt; doch sanfter hat die Musik geklungen, und Orgelton und Chorgesang haben den wilden, lustigen Reigen niedergehalten, so daß er je länger je mehr verhallt ist.
Als nun auch jenes Haus in Trümmer zerfallen und abgetragen ist, sind die Ritter und Nonnen nicht mehr erschienen; aber am ersten Neumonde, nachdem der Markt frei gewesen, hat sich an der Stelle des alten Gebäudes eine gar liebliche, sanfte Musik hören lassen, aus der man hat entnehmen können, daß die Ritter und Nonnen nun endlich zur ewigen Ruhe eingegangen wären.
Es war zur Zeit des Hochmeisters Friedrich von Meißen ein sehr behender Dieb, der einem ein Pferd stehlen konnte, wie vorsichtig er auch war. Nun hatte ein Dorfpfarrer ein schönes Pferd, das hatte er dem Fischmeister zu Angerburg verkauft, aber noch nicht gewährt. Da wettete der Dieb, er wollte solches stehlen und darnach aufhören. Aber der Pfarrer, dem dies zu Ohren kam, ließ es so verwahren, daß jener nicht dazu kommen konnte.
Als der Pfarrer jedoch nach einigen Tagen auf dem Pferde in die Stadt reitet, kam der Dieb auf zwei Krücken in Bettlerskleidung und bettelte in der Herberge, wo jener eingekehrt war, und als er merkte, daß der Pfarrer sich zum Weiterritt rüste, eilte er vorauf in das Feld, warf seine Krücken auf einen Baum am Wege und legte sich selbst darunter. Wie der Pfarrer nun ankommt und ihn auffordert, nach Haus zu gehen, da die Nacht eintrete und die Wölfe ihn zerreißen könnten, klagt der Dieb, daß ihm böse Buben die Krücken auf den Baum geworfen und er ohne diese nicht heimzuziehen vermöge. Der Pfarrer will sich sein erbarmen, springt vom Pferde, zieht sein Reitwams aus und steigt auf den Baum, um die Krücken herabzunehmen. Indessen wirft sich der Dieb aufs Pferd und jagt auf selbigem, mitsamt dem Reitrock des Pfarrers, davon. Die Sache kommt aber vor den Pfleger von Leunenburg, der den Dieb greifen und an den Galgen hängen läßt.
Aber noch nach dessen Tode erzählt man sich von dessen Listigkeit und Behendigkeit. Einstmals ritten mehrere Edelleute, die von einem Gelage kamen, bei dem Galgen vorbei, und wie sie gerade von den feinen Stücken des Diebes schwatzten, rief einer von ihnen, ein unmaßen wüster Mensch: »O du behender und kluger Dieb, du mußt ja viel wissen; komm nächsten Donnerstag mit deinen Gesellen zu mir zu Gast und lehre mich auch Listigkeit.« Da lachten die andern, und noch mancherlei hiervon redend, ritten sie fürder des Weges.
Des Donnerstags aber früh neun Uhr, als der Edelmann, der des Abends vorher sich brav bezecht hatte, noch im Bette lag, kommen die Diebe, so viele dort am Galgen hingen, in dessen Hof mit ihren Ketten, gehen zur Hausfrau, grüßen sie und sagen, wie sie der Junker zu Gast gebeten; sie möge ihn aufwecken. Diese entsetzt sich, geht zu ihrem Manne und erzählt ihm, was für Gäste gekommen wären, worauf der Junker, obwohl heftig erschrocken, aufsteht, sie willkommen und sich setzen heißt und Essen auftragen läßt, soviel er in der Eile vermag. Unterdes sagt der Edelmann zu dem gerichteten Pferdedieb: »Lieber, es ist deiner Behendigkeit viel gelacht, aber zwar jetzt ist es mir nicht lächerlich, doch verwundert mich, wie du so behend bist gewesen, da du doch ein grober Geselle scheinst.« Derselbe antwortete: »Der Satan, wenn er sieht, daß ein Mensch Gottes Wort verläßt, kann ihn leichtlich behende machen, sintemal die Wahrheit gesagt hat: wie die Kinder der Welt witziger sind in ihren Geschäften, denn die Kinder des Lichts.« Als nun die Mahlzeit beendet war, standen die Gäste auf, dankten dem Junker und sprachen zu ihm beim Abschiede: »So bitten wir Euch auch aus dem heimlichen Gerichte Gottes an das Holz, da wir um unserer Missetat willen von der Welt getötet worden, und da sollt Ihr mit uns aufnehmen das Gericht zeitlicher Schmach; und dies soll sein heut über vier Wochen.« Der Edelmann erschrak sehr, getröstete sich aber doch noch damit, daß er niemandem etwas genommen, und daß jener Tag auf Allerheiligen fiel, an welchem man nicht zu richten pflegte. Doch blieb er zu Hause, lud stets Gäste zu sich, um, falls etwas geschehen sollte, Zeugen zu haben, er wäre nicht ausgekommen.
Nun war damals viel Räuberei im Lande, sonderlich von den Reutern Gregor Maternens, des Danzigers, von denen einer den Hauskomtur Bruder Ebharden von Empten erstochen hatte. Deshalb hatte der Komtur den Befehl erhalten, so man einen von diesen ergriffe, ihn ohne alle Audienz zu richten; der Mörder ward auch ausgekundschaftet, und der Komtur setzte ihm mit den Seinen nach. Es war gerade Allerheiligen gekommen, und der Edelmann, der da dachte, daß er nun frei sei und sich gegen Abend auf das lange Einsitzen etwas erlustigen wollte, ritt in das Feld. Indes ward sein des Komturs Volk gewahr, und da es diesen deuchte, es sei des Mörders Pferd und Kleid, ritten sie flugs auf ihn zu und wollten ihn fangen. Der Junker stellt sich zur Wehr, ersticht einen jungen Edelmann, des Komturs Freund, worüber er ergriffen und gen Leimenburg geführt, auch ohne auf sein Ausreden zu achten, zu seinen Gästen an den Galgen gebracht wird.
In dem Jahre 1520, als der Herr Albrecht der Ältere, Markgraf zu Brandenburg und derzeit Hochmeister des Deutschen Ordens, mit dem Polenkönige Sigismund in offenem Kriege lebte und von diesem in große Enge getrieben war, ließen sich auch plötzlich die Schiffe der Polen auf der See und im Haff sehen und drohten einen Einfall in Samland. Dort lebte damals an dem Strande ein Freibauer, namens Valtin Supplik, sehr angesehen unter allen seinen Landsleuten, denn er stammte ab von den alten Priestern des Landes und war auch im stillen der oberste Weideler oder Priester. Dieser sagte, daß er wohl Rat wisse, den Feind von dem Lande abzuhalten, wenn er nur die Erlaubnis der Obrigkeit hätte. Das wurde dem Markgrafen überbracht, welcher in der großen Not des Landes zu allem seine Einwilligung gab. Als dies der Baltin hörte, versammelte er die Bauern aus allen benachbarten Dörfern; dann nahm er einen ganz schwarzen Stier und zwei Tonnen Bier, und begaben sich alle damit an den Strand. Als man dort ankam, hat er den Stier geschlachtet und abgestreift und dann zerhauen; das Eingeweide aber nahm er heraus und verbrannte es samt den Knochen, und das Fleisch wurde in einem großen Kessel gekocht. Dies alles begleitete er durch seltsame Gebärden mit Händen und Füßen, und dabei sprach er viele Gebete zu den Göttern des Landes. Darauf wurde das Fleisch und das Bier verzehrt, bis nichts mehr davon übrig war, wobei wiederum viele seltsame Gebete gesprochen wurden.
Einige Tage darauf ließen sich wieder die Schiffe der Polen sehen; sie versuchten zu landen, aber es gelang ihnen nicht, weder mit großen noch mit kleinen Schiffen noch mit den Booten, obgleich es das beste Wetter war und kein Feind sich ihnen entgegenstellte. Das konnten nun der Markgraf und seine Krieger nicht begreifen. Als aber nach Beendigung des Krieges mehrere, so in den Schiffen gewesen, nach Samland gekommen, haben sie den Grund angegeben, wie sie nämlich durch seltsame Verblendungen abgehalten worden. Bald war ihnen der Strand wie ein grausamer und entsetzlicher Abgrund vorgekommen, bald wie hohe und unersteigliche Sandberge. So ist es ihnen überall ergangen, bis sie zuletzt unverrichteter Sache wieder umgekehrt.
Allein seit dieser Zeit ist den Bauern der Gegend das Unglück widerfahren, daß sie keine Fische mehr in der See haben fangen können, so viel Mühe sie sich deshalb auch gegeben. Das hat sieben Jahre gedauert, und es ist dadurch große Not in der Gegend entstanden. Da hat endlich Baltin Supplit bekannt, daß dieser Unfall aus seinem eigenen großen Versehen geschehen, da er bei der Opferung des Stiers alles zurückgewiesen, was sich dem Ufer nähere, und mit großer Unbedachtsamkeit die Fische auszunehmen vergessen habe. Um ihnen nun wieder zu helfen, hat er darauf eine Sau kaufen und wohl mästen, auch zwei Tonnen Bier anschaffen lassen; damit ist er unter Begleitung der Bauern an den Strand gegangen. Alsdann hat er die fette Sau mit vielerlei sonderbaren Gebärden geschlachtet, sie rein gemacht und die abgeschnittenen Zitzen in die See geworfen, das andere aber in einen Kessel getan und zum Trunk wohl gesalzen. Als dies nun gekocht gewesen, haben alle davon gegessen, auch das Bier getrunken, bis nichts mehr davon übriggeblieben. Darauf sind die Fische wiedergekommen in größeren Haufen denn je.
Der Pfarrer zu Pobethen hat zwar die Sache angezeigt, und Supplik und die Bauern haben Strafe zahlen müssen; allein dies haben sie gern getan, da sie wieder Fische hatten.
In dem Mönchskloster zu Wehlau lebte zur Zeit der Reformation ein frommer Mönch namens Valentin Eckert. Als nun überall die Nonnen aus den Klöstern gingen und in den Stand der Ehe traten, und die Mönche, je nachdem ihr Sinn stand, ein Handwerk ergriffen oder die Heilige Schrift studierten und nach der neuen lutherischen Weise verkündeten, wollte Valentin Eckert von alledem nichts wissen, sondern betete noch fleißiger wie zuvor seinen Rosenkranz; und da das Kloster eingezogen wurde, machte er sich auf die Pilgerschaft nach St. Jakob von Compostella im fernen Spanien, um dort in harten Bußübungen nicht nur das ewige Leben, sondern auch schon hier aus Erden den Ruf eines Heiligen zu erwerben. In dem berühmten Kloster angelangt, ergab er sich mit heißer Inbrunst den schweren Bußübungen. Tagelang lag er auf dem harten Steinboden der Klosterkirche, betete und büßte. Da trat eines Tages ein Mann an ihn heran und sprach in echt preußischer Mundart: »Wunderlicher Mann, wo bist du her?« – »Aus Wehlau in Ostpreußen.« – »Was suchst du hier?« war die weitere Frage. – »Vergebung der Sünden und die wahre Heiligung.« – »Freund«, erwiderte ihm der Unbekannte, »der die Sünden vergibt, ist auch in Wehlau zu finden. Willst du aber Buße tun, so verrichte sie dort, wo du gesündigt hast. Gehe nur nach Hause zurück und grüße mir die Wehlauer.« Der Sprecher aber war ein Ostpreuße, der schon vor vielen Jahren nach dem St. Jakobskloster gewandert war, aber seine Heimat nie hatte vergessen können. Seine Worte erschütterten den Mönch tief, erzog wirklich nach Wehlau zurück, legte die Kutte ab und wurde ein ehrsamer und fleißiger Bürger.
In dem Kriege des letzten Hochmeisters Albrecht von Brandenburg gegen die Polen belagerten die letzteren die Stadt Holland mit großer Heeresmacht; wohl 8000 Mann sollen davor gelegen haben. Und die Danziger und Elbinger brachten den Polen große Geschütze, womit sie bei Tag und Nacht in die Stadt schossen. Aber die Holländer fürchteten sich nicht davor, und Gott war mit ihnen; das war recht deutlich darin zu ersehen, daß einst eine große Kugel aus einer Notschlange durch die Wand eines Hauses schlug und in eine Wiege mitten zwischen zwei darin liegende Kinder fiel, ohne ihnen auch nur ein Härchen zu krümmen. Als aber die Not in der Stadt immer größer wurde, da erschien eines Tages auf der Mauer ein Ritter in glänzender Rüstung; das war der heilige Georg selbst, und sein Anblick erschreckte die Polen so, daß sie die Belagerung aufgaben und unverrichteter Dinge abzogen.
An der äußeren Festungsbrücke zu Memel, die heute auch schon längst verschwunden ist, befand sich ein Glomssack Glomse ist der ostpreußische Ausdruck für Quark., aus Metall gegossen, der zwei Zentner schwer war und zum Aufziehen und Niederlassen der Brücke diente. Wieso man grade einen Glomssack als Gewicht an die Zugbrücke hängte, das erklärt sich daher: Als nämlich König Erich von Schweden einstmals das Schloß Memel belagerte, hatte sich die inliegende Mannschaft so tapfer und lange gehalten, daß zuletzt gar kein Proviantvorrat mehr da war, außer einem einzigen litauischen Glomskäse. Da berieten die Belagerten untereinander, was zu tun, und sie kamen endlich überein, den Käse in das Lager der Feinde zu werfen und diese dadurch glauben zu machen daß sie noch vielen Vorrat hätten. Sie taten also und täuschten den Feind dadurch wirklich, denn dieser verzweifelte nun, die Übergabe durch Hunger zu erzwingen, wenn die Belagerten noch so schöne Käse mutwillig fortwerfen könnten, und er hob die Belagerung auf und zog ab. Daraus man denn zum steten Andenken diesen Glomssack gegossen und dort aufgehangen, nach welcher Seite der Käse über die Mauer geworfen war.
In der frühesten Zeit war es jedem frei gewesen, den von der See auf den Strand geworfenen Bernstein aufzusammeln; als aber die Brüder des Ordens das Land in Besitz nahmen, erkannten sie, wie großen Nutzen sie daraus ziehen möchten, wenn sie sich solchen vorbehielten; und Br. Anselmus von Rosenberg, der Vogt auf Samland, ließ ein Gebot ergehen, daß jeder, welcher unbefugt Bernstein sammle, mit der Strafe des Stranges belegt werden solle. Die Preußen aber, von denen viele ihren Unterhalt hieraus bezogen, insonderheit die Fischer, denen der Bernstein oft beim Fischen zur Hand kam, kehrten sich nicht daran. Da ließ der Vogt jeden, der beim Sammeln ergriffen ward, ohne weiteres Urteil und Recht an dem nächsten Baume aufknüpfen, so daß viele jämmerlich ums Leben kamen. Für diese Tat hat aber Anselmus keine Ruhe im Grabe gehabt. Noch mehrere Jahrhunderte hernach hat man zu Zeiten seinen Geist am Strande umherwandeln gesehen, ausrufend: O um Gott, Bernstein frei! Bernstein!
Im Jahre 1523 ereignete es sich, daß einige Strandbauern, denen der Hochmeister Albrecht das Salz, was sie sonst bekommen, vorenthielt, aus Not etliche Stücke Bernstein aufsammelten und an Bürger in Fischhausen verkauften; die Sache wurde ruchbar, und die Täter wurden hart gestraft. Seit der Zeit nahm die Menge des Bernsteins so ab, daß man kaum den tausendsten Teil soviel erhielt wie früher. Wohl sah man ihn noch in großen Mengen am Ufer schwimmen, wenn man aber mit den Gezeugen hinankam, so war er entschwunden. Da meinten die Brüder, Gott habe ihnen die köstliche Gabe nicht ferner gegönnt.
Der Weihnachtsschimmel soll nie über eine Grenze gehen; wenn er auch gut hinüber kommt – auf dem Rückweg kann er jämmerlich zugrund gehen. – Vor alter Zeit ritt mal der Schimmelreiter von Klein-Karnitten nach Groß-Karnitten. Auf der Grenze kam ihm ein anderer, der wirkliche Schimmel, entgegen und kämpfte mit ihm, und das war etwas ganz Gewaltiges. Als der arme Mensch nach Hause kam und sich den Rock aufknöpfelt, konnte man sehen, daß er ganz blutrünstig aus der Brust war. Und schon am dritten Tage war der Mensch tot. Ein rechtschaffener Schimmel ist jener nicht gewesen, sondern Spuk. Aber mancher belacht das.
Dicht an der Straße von Puschdorf nach Insterburg liegt ein mit Tannen und Eichen beschatteter runder Hügel, der alte Kirchhof genannt, von welchem man eine prächtige Aussicht hat. Hierher wollten die Puschdorfer vor alten Zeiten eine Kirche bauen; aber den Engeln im Himmel gefiel die Stätte nicht. Und sooft man Holz und Steine nach dem Berge schaffte und anfing zu bauen, kamen nachts die Engel und trugen alles nach dem Dorf hinunter ins Tal. Alles Arbeiten der Leute auf dem Hügel war vergeblich; morgens fand man das Bauwerk immer nach Puschdorf geschafft. Da gaben die Leute dem höheren Willen nach und errichteten die Kirche an ihrer jetzigen Stelle.
Als Anno 1757 die Schlacht bei Groß-Jägersdorf geschlagen, in der die Russen durch ihre große Übermacht den Sieg davontrugen, wurde ganz Puschdorf niedergebrannt, und nur die Kirche blieb unversehrt. Wie das zugegangen ist, weiß man nicht, denn wenige Schritte davon brannten die strohgedeckten Häuser nieder, die Feuerflammen züngelten am Kirchendach empor, die Russen warfen Feuerbrände in die Kirche hinein, nichts zündete. Ein wunderbarer Schutz bewahrte die wunderbar begründete Kirche vorm Verderben.
In alten Zeiten hieß die Brücke, welche an dem Zusammenfluß der Seime und des großen Friedrichsgrabens liegt und später von dem Besitzer des gegenüberliegenden Hauses Adamsbrücke genannt wurde, die Teufelsbrücke. Mit ihr hatte es folgende Bewandtnis:
Zur Zeit, als der große Friedrichsgraben angelegt wurde, hatte der Teufel und seine Familie seine Wohnung gerade an der Stelle, wo der Graben mit der Deime in Verbindung gesetzt werden sollte. Sie Arbeit war so weit vorgerückt, daß man diese Stelle durchstechen wollte, aber vergebens: denn was man tagsüber gegraben hatte, war den folgenden Morgen wieder zusammengefallen. So ging es Wochen und Monate, und es blieb zuletzt kein andrer Rat, als daß ein Schwarzkünstler geholt wurde, der mit dem Teufel reden sollte. Das geschah. Aber der Teufel wollte die Stelle nicht verlassen, er sagte unter anderm: »Ich wohne hier schon so lange, zu der Zeit, als hier im Haff noch Grücken Grücken ostpreußisch für Buchweizen. gesäet wurde«; und als er endlich auf den Handel einging, verlangte er so viele Menschenseelen für seinen Abzug, daß der Schwarzkünstler unmöglich darauf eingehen konnte. Aber der Schwarzkünstler ließ ihm keine Ruhe und war nahe daran, ihn von der Stelle wegzubekommen, ohne auch nur eine Menschenseele preiszugeben. In dieser Bedrängnis stellte der Teufel eine anscheinend gefahrlose Forderung. Er bat sich nur die Seele desjenigen aus, der Butter auf Speck schmieren und so essen würde, und zum Abzüge für sich und seine Familie dreißig Kähne. Der Schwarzkünstler bewilligte beides. Die Fischer kamen zur festgesetzten Stunde mit ihren Kähnen an Ort und Stelle an und luden ein jeder, der Abmachung gemäß, ein Bund Stroh. Hierdurch wurden die Kähne, obwohl man deutlich sah, daß nichts anderes hineinkam, so in den Grund geladen, daß sie kaum wegkommen konnten. Mit großer Anstrengung erreichten die Fischer das Haff, und als sie eine Strecke hineingefahren waren, warfen sie die Strohbündel über Bord. Da waren die Kähne augenblicklich ganz leicht: denn mit den Strohbunden waren die Teufel hinausgeworfen. Nach einiger Zeit begab sichs, daß das Volk in jener Gegend sehr übermütig wurde; so reichen Gewinn brachte die Fischerei und die Ackerwirtschaft, und lange waren nicht so gute Zeiten gewesen. Da überhob sich ein Bauer und sprach: »Wir haben lange nicht so gute Zeiten gehabt; jetzt haben wir so viel, daß wir Butter auf Speck schmieren und essen können.« Wie gesagt, so getan; aber kaum war es geschehen, so versank er auf der Stelle, auf welcher er stand, und wurde so der Preis für den Abzug des Teufels. –
Einige meinen, es seien damals nicht alle Teufel fortgebracht, sondern einer sei zurückgelassen und treibe noch sein Wesen. Denn in jedem Jahr verlangte er noch sein Opfer, und schwerlich ist ein Jahr vorübergegangen, daß nicht an jener Stelle ein Mensch ertrunken wäre. Überdies haben viele einen auffälligen schwarzen Hund mit nachschleppender eiserner Kette über die Brücke laufen sehen, meistens in der Nacht, aber auch schon von Abend. Sie wissen nicht, von wo er kommt, und können auch nicht berichten, wo er hingeht, da sie ihm nicht nachgegangen sind. Aber es dauert nicht sehr lange, dann läuft er wieder zurück. Das ist gewiß und wahr, wenn man auch an andern Erzählungen der Art zweifeln mag.
Auch will ich nicht übergehen, daß dieser zurückgebliebene Teufel nach der Aussage mehrerer derselbe ist, welcher an der jetzigen Teufelsbrücke sein Wesen treibt. Von der einen Brücke zur andern führt ein nicht sehr langer Graben.
Übrigens treibt der Böse sein Spiel auch an anderen Stellen des großen Friedrichsgrabens. In dem Winkel von Gewend verunglückt, nicht ohne sein Zutun, fast jährlich ein Schiff, und auf dem Kirchhof von Gewend ist es nun gar aus. Zwei Reisende, die von einem Jahrmarkt kamen und sich in der Nähe desselben unter einen Heuhaufen schlafen gelegt hatten, fanden sich, als sie morgens aufwachten, auf hohen Bäumen. Den Spaß hatte sich in der Nacht der Teufel gemacht. Noch weiter hin, in der Nähe des Nemonienstromes, geht ein Steg von dem Graben nach Wiepe. Auf diesem Stege wird gewöhnlich das Krummholz (Griwule Der seltsam geformte Schulzenstab, der den Boten des Schulzen als Erkennungszeichen mitgegeben wurde.) weiter befördert. Aber der Reiter, der es überbringen soll, wird von dem Bösen über die Maßen belästigt. Meistens wird er mit seinem Pferde so gewaltsam fortgedrängt, daß er nur mit Mühe anhalten kann, wenn er an den Graben kommt, um nicht hineinzustürzen. In den beiden Häusern übrigens, welche am Anfang und Ende dieses Grabens liegen, spukt es mit Eimern und andern Geräten, und Messer z. B., welche die Leute seit ihrer Kinderzeit nicht mehr gesehen hatten, kamen plötzlich wieder zum Vorschein.