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(Homo monet comm. Buffon.)
Der Naturforscher und Philosoph, ja selbst der gewöhnliche Mensch, wenn er nicht zu kurzsichtig ist, in welchem Falle er sich eine Brille aufsetzen kann, bemerkt auf der Erdoberfläche einen fabelhaften Wechsel von allerlei behaarten und unbehaarten Geschöpfen. Er entdeckt den lieblich singenden Esel und das geduldig der Scheere gehorsamende Schaaf, er fraternisirt mit dem Ochsen und dutzt sich mit seinem Hunde; er studirt die Politik der Katze und regelt seine Leidenschaften nach dem Vorbilde der Sperlinge, er durchschaut Alles und Jedes; der gemeine deutsche Geldmensch giebt ihm unheimliche und schwere Räthsel auf.
So viel die Wissenschaft bis jetzt erforscht, so viel versteinerte vorsündfluthliche Bestien sie bis jetzt in gelungenen Abdrücken in Grauwacke, Schiefer, schwärzlichen Kalk- und Sandsteinen, 52 Steinkohlen, Kupferschiefer und Mergel entdeckt hat, der gemeine deutsche Geldmensch ist nicht darunter. Er ist eine moderne Versteinerung und wird nur im europäischen Kies gefunden: auch will man in jener Kreideformation, welche unter dem Namen der doppelten Kreide bekannt ist, Exemplare gefunden haben.
Der gemeine deutsche Geldmensch lebt von der Börse und an der Börse und versammelt sich um die Abendzeit, wo alle fleischfressenden Raubthiere zum Trunke an die Quelle (source) eilen, an einem eigenthümlichen Pfuhl, den er sehr bezeichnend dem Worte »Reaction« nachbildend: »Ressource« nennt.
Wenden wir uns zuerst gründlich zu seiner Anatomie, so entdecken wir zahlreiche und, wissenschaftlich genommen, schöne Anomalien. Sein Herz ist ein Stein, der einem ungeschliffenen Demant nur sehr wenig an Härte, aber desto mehr an Kostbarkeit nachgiebt. Ist es in der Jugend noch weicher und gewisser Eindrücke fähig, z. B. für Havannacigarren, pariser Röcke, hamburger Stiefel, wiener Handschuhe u. s. w., so verhärtet es mit den steigenden Jahren und schlägt nur noch für seinen Besitzer selber. Der Magen gleicht einem Portemonnaie, besitzt aber eine Verdauungskraft, die stärker als die der Truthähne ist, die bekanntlich Kieselsteine, Stecknadeln und Knöpfe verdauen können; der Geldmensch verdaut ganze Fässer voll Geld.
Seine äußere Bekleidung ist von außerordentlicher Härte. Sie steht zwischen dem Rhinoceros und dem Nilpferde in der Mitte, nähert sich 53 aber Ersterem mehr durch ihre häufigen Runzeln. Wäre der Geldmensch nicht so überaus kugelscheu, man hätte nähere Kunde über die Kugelfestigkeit seiner Haut. Was man bis jetzt darüber weiß, gründet sich nur auf Vermuthungen; so viel aber ist gewiß, daß der Geldmensch seine Haut lieber auf alle andere Weise zu Markte trägt, ehe er sie den diätetischen Wirkungen jenes vegetabilischen Produktes aussetzt, das in der Flinteologie »blaue Bohne« genannt wird.
Seine Füße sind viermal gespalten, wodurch fünf einigermaßen menschliche Zehen entstehen. Der größte davon wächst aber durch das Podagra, woran der Geldmensch sehr leidet, bisweilen zu außerordentlichen Dimensionen. Seine Hand ist im Ganzen normal, nur zeichnet sich der Daumen der Rechten durch seine auffallende Breite aus, die er durch lang anhaltendes Geldzählen erhalten hat. Seiner Nägel bedient er sich nicht als Waffe, sondern nur zu türkisch-militairischen Demonstrationen, indem er zehn schwarzblaue Halbmonde darunter trägt. Sein Kopf ist meistens kahl, aber andere Leute haben so viel Haare lassen müssen, um ihn auf eine anständige Weise zu bedecken.
Gehen wir zu seinen Gewohnheiten über, so müssen wir sie als wenige aber unangenehme bezeichnen. Als Anführer einer Heerde versammelt er kleinere und schwächere Individuen um sich, die er Commis oder Gesellen nennt, für sich arbeiten läßt und dabei spärlich ernährt. Sein Weibchen sieht er nur selten, hat aber gern, daß es sich mit Federn, bunten Steinen und Läppchen 54 schmückt, worauf er denn sein Geweih stolzer aufrichtet, denn er ist eine Art Elendthier. Seine Jungen liebt er merkwürdiger Weise und bezahlt sogar, wenn auch seufzend, ihre Schulden, stößt aber dabei ein eigenthümliches Gewinsel aus, das vom Weiten wie »falliren»klingt. Er hält sich den Tag über in seinem Bau auf, den man Comtoir nennt, zerzaust moralisch seine Heerde und versammelt sich Mittags für kurze Zeit an der Börse, von wo er sehr vergnüglich oder verdrießlich nach Hause kommt. An der Börse entwickelt er das Talent des Habichts. Wie dieser auf das Steigen der Tauben, so wartet er auf das Steigen der Papiere, und rupft ihre Besitzer, wie Jener, gern bei lebendigem Leibe. Und doch ist in ihm wieder ein ungemeiner fast krankhafter Widerspruch, denn wenn er eine Spielart seiner eigenen Species, den sogenannten »Fixer«, der ihn mittelst der Leimruthe »anzuleimen« sucht, fangen kann; so schlägt er ihn wie der Landmann den Habicht an sein Scheunenthor, d. h. er schreibt ihn an die schwarze Tafel, und das nur unter diesen Animalien seltsame Schauspiel zeigt sich, daß Jemand vor »seiner eigenen Firma« flieht.
In seinem Glanze zeigt er sich jedoch Abends auf der Ressource, wo er als Menschenfeind glänzt und beweist, daß er sich dem Menschengeschlecht gegenüber fühlt, also wissenschaftlich nicht dazu gehört.
In allen Orten Deutschlands, wo sich seines Gleichen aufhalten, trägt dieser Pfuhl einen andern Namen, immer aber einen sehr schönen, auf Verträglichkeit und Eintracht, oder Pflanzen und 55 Buschwerkdeutenden. Hier wird ein Hauptmann gewählt, der die Eigenschaften eines Raudon Crotinus besitzen muß, diesem gehorchen die Untergebenen. An gewissen Tagen im Jahre bestimmt dieser Hauptmann mit einigen besonders kühnen Untergebenen festliche Tage. Dann bringen die Geldmenschen ihre Töchter und Frauen mit, dann erlauben sie auch, daß gewöhnliche menschliche Geschöpfe männlichen Geschlechts, welche aber besonders gut mit ihren Füßen springen müssen, in das Heiligthum kommen. Diese männlichen Personen sättigen sie auch und tränken sie nach Gebühr, daß davon geredet wird in der ganzen Stadt, wie viel es gekostet haben kann und wie viel Geld einer wohl haben muß, der so viel drauf gehen läßt. An solchen Tagen ist der Geldmensch auch gütig gegen den Commis, genehmigt im Tanzsaale den Sprung mit seiner Familie; ja er ladet den Offizier ein.
Für gewöhnlich ist die Ressource aber ein verschlossenes Asyl, eine abgelegene undurchdringliche Gegend, von wo aus die Menschheit »schlecht« gemacht wird. Das Nest der Wespe, die Lagerstelle des Tigers, die Grube des Bären sind harmlose Vergnügungsörter für das jugendliche Alter gegen die mörderische Gefährlichkeit der Ressourcen. Der harmlose Wanderer, der vielleicht nur fünf Thaler neunzehn und einen halben Silbergroschen bei sich hat und unvorsichtig dem Fenster oder Wasserspiegel dieses Alligatorenpfuhles zu nahe kommt, wird rettungslos von ihnen heruntergerissen und jämmerlich zerklatscht. Wie der Schlächter seine Thierchen nach dem 56 Gewicht, so taxiren sie sich unter einander nach dem Betrage der Kassa, und dem Gewichtigsten wird wie dem »boeuf gras« am Fastnachtstage zu Paris, von seinen Commilitonen die höchste Bewunderung gezollt.
Unter den Krankheiten, von denen er befallen zu werden pflegt, ist der »Banquerott« am meisten zu fürchten. Die deutsche Medizin besitzt noch keine wissenschaftliche Behandlung dieser Krankheit doch hat die gerichtliche Medicin (medicina forensis) eine Menge von Krankheitsfällen aufgezeichnet, wo einzelne Individuen »muthwillig« die Symptome dieser Krankheit simulirten, sich sehr eilig nach Seebädern begaben und ein sehr genaues Recept nebst Personalbeschreibung nachgeschickt erhielten. Oft überfällt der Banquerott seinen Mann so plötzlich wie ein Schlagfluß, oft tritt er als schleichendes abzehrendes Uebel auf. Unter den Mitteln dagegen hat sich eine längere Entziehungskur und leichte Beschäftigung wie Spinnen, Spulen und Wollekrämpeln am wirksamsten gezeigt. Der gemeine deutsche Geldmensch wird aber auch in der Gefangenschaft nie ganz zahm, so daß man sich sehr vor ihm zu hüten und ihm nie ohne Schein zu borgen hat. 57