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Superlative sind für die heutige Sowjetunion charakteristisch.
Daher war es nur natürlich, daß die »schlechteste Eisenbahn der Welt« nach dem größten Baulager der Welt, am Fuße des reichsten Eisenerzlagers der Welt führte, daß amerikanische Ingenieure, die auf Grund des gewaltigsten, je in der industriellen Geschichte geschlossenen Vertrages arbeiteten, mithalfen, dieses Lager in das geplante größte Stahlzentrum auf der Welt umzuwandeln.
Hier in den fernsten Tiefen Rußlands, 180 Meilen im Innern Asiens, an dem stählernen Herzen des Fünfjahresplans, wird das industrielle Schicksal der Sowjetunion geschmiedet.
Die Investierung von 800 Millionen Rubel seitens der Sowjetregierung zur Errichtung dieser Fabrik macht sie bei weitem zu dem gewaltigsten industriellen Einzelunternehmen im Rahmen des Plans, ist doch diese Neugestaltung noch viermal größer als das bedeutendste zweite Werk, die hydroelektrische Kraftstation Dnjeprostroy.
Magnetogorsk ist das noch im Embryonalzustande befindliche Gary Rußlands. Es ist ein eindrucksvoller Embryo, das eindrucksvollste von all den industriellen Unternehmungen, die ich auf meiner Reise besuchte, das Werk, das am meisten zum Nachdenken über die Bedeutung des Fünfjahresplans für die »bourgeoise« Welt anregt.
Unser alter, schwacher »Samovar« dampfte um 3 Uhr früh mit 11 Stunden Verspätung in Magnetogorsk ein. Im Osten hob sich eine Masse apfelrunder Felsen schwarz gegen den Himmel ab. Hinter den düsteren Umrissen des Magnetberges warf die Morgenröte blaue Schatten über eine weiße Ebene. Längs des westlichen Horizonts umrahmte eine Reihe purpurner Berge die Steppe. Hinter ihnen lag Europa.
Vor kaum einem Jahr war in Magnetogorsk von menschlicher Tätigkeit noch nichts zu spüren. Es ist zwecklos, auf einer gewöhnlichen Landkarte nach Magnetogorsk zu suchen, denn keine, außer der größten und neusten Sowjetkarte, zeigt die Lage der Stadt, die in drei kurzen Jahren zum größten Stahlzentrum der Welt außerhalb Amerikas werden soll. Sehr alte Chroniken berichten, daß die Reisenden diesem Gebiete mißtrauten, versagte doch hier plötzlich der Kompaß. Recht wohl möglich bei einem Lager von 275 Millionen Tonnen von 62prozentigem reinem magnetischem Eisenerz. Keine Uhr zeigt in Magnetogorsk zuverlässig die Zeit an. Der Berg ist 3 Meilen lang, 2 Meilen breit und 300 Meter hoch und besteht vom Gipfel bis zur Basis aus einer einzigen soliden Masse von magnetischem Eisen. An zahllosen Stellen schaut das reine Metall frech hervor. Kein Lager kann sich mit diesem an Größe und Reichtum messen.
Kein fremder Berichterstatter hat je diesen Ort gesehen. In Moskau erklären die Weisen des Planes, es habe keinen Zweck, Magnetogorsk aufzusuchen, das Projekt existiere lediglich auf dem Papier.
Wir fuhren durch eine Siedlung von 35 000 Seelen. Über Wege humpelnd, die die Leistungsfähigkeit der Federn des dem Agenten der Gesellschaft gehörenden Fordautos auf eine harte Probe stellten, kamen wir an großen Lagern aus Zelten und Baracken vorüber. Lichter funkelten. Gähnend standen die Männer vor ihren baufälligen Behausungen. Die Frühschicht schüttelte den Schlaf ab.
Der Tag brach an, und als wir höher den Berghang hinaufstiegen, breitete sich vor uns das Panorama von Magnetogorsk. 6 Meilen in der Länge und 3 in der Breite zog sich ein Kreis von Gerüsten, Zelten, Baugruben, ziegelrot, weiß und stahlblau über die dunkelgraue Oberfläche der harten Steppe. Es hätte das Hauptquartier einer Zusammenkunft von Zirkusbesitzern oder das Biwak einer Armee sein können. Zelte zu Tausenden, jedes groß genug, um einer Korporalschaft Raum zu bieten, wechselten mit flachen Baracken aus mit Lehm verkleideten Kiefernstämmen ab. Gähnende Baugruben, Wälder von Gerüsten, Lager von Eisenbahnschwellen, gelegentlich eine Reihe von Ziegelmauern zeigten an, wo sich die Hochöfen, die Walzwerke, die Kraftwerke, die chemische Fabrik und die Bahnanlagen erheben sollten, um Magnetogorsk zur stählernen Hauptstadt der Roten Welt zu machen.
Es ist buchstäblich das größte Baulager auf Erden, erklärten die Ingenieure der Arthur G. McKee Company von Cleveland. 19 Ingenieure, mit Max McMurray von Cleveland als Chef, wohnen hier in einer Kolonie Landhäuser am Fuße des Berges in einem als »american City« bezeichneten Viertel der Stadt. Sie erfreuen sich aller Vorzüge, die Magnetogorsk zu bieten hat. Ernährung, Wohnung, Heizung sind angemessen, aber, um es gerade herauszusagen, trotz allem ist Magnetogorsk kein angenehmer Aufenthaltsort. In diesem nördlichen, asiatischen Klima ist Magnetogorsk auf der kahlen Uralsteppe einer der trostlosesten vorgeschobenen Posten des weiten Rußlands. Im Winter könnte es mit der berühmten Strafkolonie auf der Solowetzky-Insel im Eismeer wetteifern. Mrs. McMurray ist die einzige amerikanische Frau, die hier nach dem ersten Schneefall noch standhält. Sie wird zusammen mit ihren beiden Kindern in diesem Winter erproben, wie es sich hier lebt.
Die Direktion der Gesellschaft hat alles, was in ihrer Macht steht, getan, um so weit wie möglich die unvermeidliche Härte der Lebensbedingungen wettzumachen und die Küche des amerikanischen Restaurants gut und die Wohnungen behaglich zu gestalten. Ein Frühstück, aus Roastbeef, Butter in Menge, Weizenbrot und Kaffee, bewies, daß die Nahrungsmittelknappheit den Ausländern nichts anhaben würde.
Der McKee-Vertrag ist nicht nur wegen der Dimensionen der Aufgabe interessant, sondern auch für die Geschichte der Entwicklung des Plans als Ganzem bezeichnend. Bestimmt ließ sich keine amerikanische Ingenieurfirma träumen, daß sie den größten je geschlossenen Vertrag aus dem Grunde erhalten würde, weil die Regierung von Mukden eine Anzahl von Sowjet-Administratoren der chinesischen Ostbahn verhaftet hatte. Dennoch war es diese Kriegsdrohung, die den Plan des Kremls abänderte und zu dem Schlagwort führte: »Der Fünfjahresplan in vier Jahren«, und die Geburt eines weit größeren Magnetogorsk anregte, als beabsichtigt worden war. Das ursprüngliche Magnetogorsker Projekt sah eine Fabrik zur Erzeugung von jährlich 650 000 Tonnen Eisen und Stahl vor. Mukden bewirkte eine Vervierfachung dieses Plans.
Anstatt das Unternehmen mit eigenen Kräften oder nur mit einer gewissen Beihilfe auszuführen, unterzeichnete die Sowjetregierung einen Vertrag mit der McKee Company, der diese verpflichtete, die gesamte Verantwortung für die Errichtung eines Werkes zu übernehmen, das innerhalb von zweiundeinemhalben Jahr eine Leistungsfähigkeit von 2 500 000 Tonnen, in 3 Jahren von 3 000 000 Tonnen haben und sich zu einer Leistungsfähigkeit von 4 000 000 Tonnen steigern lassen sollte. Gary in Indiana, das größte stahlerzeugende Zentrum der Welt, mit einer jährlichen Produktion von etwa 3 400 000 Tonnen, wurde, wie die Sowjets betonen, in 12 Jahren erbaut.
Das Magnetogorsker Projekt ist für den Plan entscheidend. Auf der Eisen- und Stahlproduktion beruht die ganze künftige Entwicklung der Sowjetunion. Nicht nur wegen der eigentlichen Bedeutung, sondern weil dieses Projekt zum Symbol der Größe und der hochfliegenden Bestrebungen des Planes geworden ist, ist dessen erfolgreiche Durchführung für die Regierung von ausschlaggebender Wichtigkeit. Aus diesem Grunde genießt Magnetogorsk in bezug auf Finanzierung und Zuteilung von Materialien eine Vorzugsstellung. Selbst für den Fünfjahresplan bedeuten 800 Millionen Rubel, d. h, mehr als 1 Prozent der gesamten Kapitalinvestierung während einer Dauer von fünf Jahren, eine gewaltige Summe. Und aus diesen Gründen sind auch ausländische Beobachter, im Bewußtsein der Bedeutung von Magnetogorsk als Gradmesser für den Erfolg des Planes, eifrig bemüht, Berichte über den Fortschritt der Arbeit zu erhalten. Die Sowjetbehörden haben nur wenige Berichte veröffentlicht, und der Skeptizismus der Ausländer über die Möglichkeit eines Erfolges ist überall groß, abgesehen von jenen ausländischen Ingenieuren, die tatsächlich in Magnetogorsk leben, die einzigen Außenseiter, die bis zu unserem Besuch Gelegenheit hatten, persönlich das Werk in Augenschein zu nehmen.
Diese Beobachtung läßt eine erstaunliche Bautätigkeit während der wenigen Monate erkennen, die seit Beginn der Arbeit im Juli 1930 verstrichen sind.
Die erste vollendete Aufgabe hat einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. In etwa vier Monaten ist der Uralfluß durch einen dreiviertel Meilen langen Damm, der 40 000 Kubikmeter Eisenbeton enthält, abgedämmt worden. Fünfhundert Mann, in drei Schichten zu acht Stunden, vierundzwanzig Stunden pro Tag arbeitend, angespornt durch Akkordbezahlung, Prämien und alle sonstigen Propagandakünste, haben diesen Damm nach den Angaben Jack Clarks, des aufsichtsführenden amerikanischen Ingenieurs, so schnell und so gut errichtet, wie er nur irgendwo auf der Welt hätte gebaut werden können.
Dieser Bau war als erster Schritt wesentlich, um die Fabrik mit Wasser zu versorgen. Die Vollendung des Dammes bedeutet, daß im kommenden Frühjahr das kleine Uralflüßchen durch einen acht Meilen langen und anderthalb Meilen breiten See ersetzt sein wird.
Methoden sogenannte »sozialistische Wettbewerbs« zum Anreiz der Arbeiter in Magnetogorsk seien Lehrbeflissenen des angewandten, nicht des theoretischen Sozialismus zum Studium empfohlen. Weniger wirksam ist die Propaganda, die auf zwei riesigen Schildern zu lesen ist, die sich über beide Seiten des Dammes erstrecken. Auf dem einen Schilde liest man: »Das rechte Ufer muß zuerst fertig sein«, auf dem zweiten heißt es: »Das linke Ufer muß zuerst fertig sein.« Wirkungsvoller sind die ausgesetzten Prämien. Am Tage unserer Ankunft erschien in der Magnetogorsker Arbeiter-Zeitung auf der Titelseite die Ankündigung, daß die gesamte Belegschaft der Dammarbeiter eine zweiwöchentliche Extralöhnung und daß fünfzig ausgewählte Arbeiter freie Reise nach dem Kaukasus erhielten, weil sie den Damm planmäßig vollendet hätten.
Schließlich und endlich ist Akkordlöhnung – ursprünglich von Karl Marx als eine der besonders teuflischen Erfindungen der Kapitalisten verdammt und immer noch seitens der deutschen und amerikanischen Kommunisten als eines der Mittel verschrien, um dem Arbeiter das Blut abzuzapfen – die wirksamste Beschleunigungsmethode und daher zum Rückgrat der Arbeiterpolitik der Sowjetregierung bei ihrem Versuch, den Fünfjahresplan zu überbieten, gemacht worden. Diese Bezahlung wird ganz allgemein und ausschließlich bei sämtlichen Bauarbeiten in dem ganzen Lande angewandt. Der durchschnittliche Arbeitslohn bei den Magnetogorsker Dammarbeiten beträgt nach Bericht des leitenden Sowjet-Ingenieurs fünf Rubel pro Tag. Aber der besondere Fleiß einiger Arbeiter, erklärte er weiter, hätte deren Verdienst auf zwölf Rubel pro Tag gesteigert.
Außer diesen erprobten Mitteln zur Förderung der Arbeit genießt das Magnetogorsker Projekt in hohem Maße die Vorteile der Mechanisierung. Zahlreiche amerikanische Maschinen waren an dem Damm in Tätigkeit. Eine Neun-Tonnen-Dampf-Ramme, zahlreiche Dampfbagger, Betonmischmaschinen, pneumatische Bohrmaschinen und riesige Gerüste mit mächtigen Scheinwerfern waren von der besten Qualität, die man für Geld kaufen konnte.
In einem merkwürdigen, hochräderigen Sowjet-Automobil, einem Erzeugnis der Amo-Fabrik, ruckelten wir über den Weg von dem Damm zu dem Fabrikgelände, erklommen einen Hügel und hatten das leibhaftige Asien vor uns. Baschkiren, Kirgisen, Kosaken und russische Bauern waren mindestens zu Tausend hier versammelt, um mit den Eroberern ihrer Steppenheimat Handel zu treiben. Ihre niedrigen Karren und ihre mongolischen Ponys nahmen ein Gelände von sechs großen Häuserblocks ein. Auf dem Basar herrschte ein lebhafter Schacher mit Fleisch, Milch, Eiern und Butter, mit all den rationierten Lebensnotwendigkeiten. Die Preise waren kennzeichnend für die ständig beobachtete Tatsache, daß in wichtigen Industriezentren die Nahrung reichlicher und billiger ist als in Moskau oder in irgendeiner der größeren Städte.
Fleisch kostete 80 Kopeken pro Pfund; Butter, für die man in Moskau 10 Rubel pro Pfund bezahlte, kostete hier 4 Rubel und zehn Eier 2 Rubel; Kumys, die gegorene Stutenmilch, eine kirgisische Spezialität und eine Delikatesse, war in großen Mengen in Flaschen, Gläsern oder Schüsseln zu erhalten.
Der Lärm orientalischen Feilschens starb allmählich dahin, als wir weiter über den Hügel schwankten und uns einer riesigen Grube näherten, in deren Mitte sich ein Turm erhob. »Das«, erklärte der uns führende diensttuende Ingenieur, »ist der höchste je von Menschenhänden in Asien aufgeführte Bau.«
Es war ein amerikanischer Röhrenturm, wie er in den Vereinigten Staaten bei Betonbauarbeiten gewöhnlich Verwendung findet. Mit einem Siebzigmeterfinger zum Himmel deutend, konnte er sehr wohl das sein, was der Ingenieur behauptete. Seine Errichtung kennzeichnete den Platz für das elektrische Kraftwerk, eine Fabrik von 236 000 Kilowatt Leistungsfähigkeit, einen Häuserblock lang und einen halben breit, bei 60 Meter Höhe, mit Turbinen, die durch Kohlen aus den Kuznetzgruben und mit Gas aus den Magnetogorsker Koksöfen betrieben werden sollten.
Die Eisenbetonfundamente des Kraftwerkes waren innerhalb dreier Wochen vollendet worden, und bis zum Winter würde der ganze Bau unter Dach sein. 450 Mann arbeiten in zwei Schichten an dem Bau des Elektrizitätswerkes. Auch diese Arbeit vollzog sich in amerikanischem Tempo, obwohl die Amerikaner mit dem Bau des Kraftwerkes nichts zu tun hatten.
Dagegen ruht die ganze Arbeit der riesigen Hochöfen auf amerikanischen Schultern. Einen halben Häuserblock lang schritten wir über einem Plankenweg bis zum Mittelpunkt der im Werden begriffenen größten einzelnen Hochofenanlage der Welt hinunter. Die Fundamente waren bereits ausgehoben, und ein Strom von Beton, 500 Kubikmeter täglich, ergoß sich aus den Röhrenleitungen einer modernen automatischen amerikanischen Betonmisch- und Verteilungsmaschine in die Schächte. 400 Mann sind 24 Stunden pro Tag in 3 Schichten gegenwärtig hier an der Arbeit, und deren Zahl wird zu Beginn der nächsten Bauperiode verdoppelt oder verdreifacht werden, mit dem Ziele, daß am 1. Oktober 1931 zwei Hochöfen in Betrieb genommen werden können.
Im ganzen sollen acht Hochöfen gebaut werden, jeder 33 Meter hoch, jeder mit einem Fassungsvermögen von 1180 Kubikmeter und einer täglichen Erzeugung von 1000 Tonnen Eisen. In Amerika gibt es nur acht so große Hochöfen.
Bei dem Sowjetsystem mit seinen 365 Arbeitstagen pro Jahr würden diese acht Hochöfen fast 3 Millionen Tonnen jährlich erzeugen.
Das gleiche Bild intensiver Tätigkeit, unbestreitbaren Baufortschrittes trat an den Plätzen für die Koks- und Gasöfen und für die Bessemer Birnen und für die Flammöfen zutage. Geplant sind drei Bessemer-Anlagen mit Raum für vier weitere, ferner verlangt der Plan 14 Flammöfen.
Trotz des elenden Zustandes der Bahn, die im Augenblick Magnetogorsk so stark behindert, ist die Versorgung mit Baumaterialien, wenn sie auch nicht allen Bedürfnissen entspricht, hier reichlicher als auf fast allen anderen Bauplatzen. Die größte Knappheit herrscht an Arbeitern. Es wurde immer offensichtlicher, daß die Behauptung der Sowjets, es gäbe in Wahrheit in dem Lande keine Arbeitslosigkeit, eine solide Grundlage besitzt. Der Bedarf nach Arbeitern jeder Art, gelernten und ungelernten, ist so brennend, daß die verschiedenen großen Truste im ganzen Lande in heißem Wettbewerb miteinander liegen. Magnetostroy z. B. entsendet Werber durch ganz Rußland und bezahlt die Löhne für die Rekruten vom Augenblick ihrer Anwerbung an, zuzüglich der Eisenbahnfahrt nach Magnetogorsk und einer Barsumme für Beköstigung während der Fahrt. Trotzdem steht die Belegschaft, die jetzt rund 20 000 Köpfe beträgt, um 10 000 Mann hinter dem Bedarf zurück.
Hauptsächlich infolge dieser Tatsache ist der Bau gegenwärtig hinter dem Plan zurückgeblieben. Die Sowjetbehörden, repräsentiert durch Jakob Pawlowitsch Schmid, dem ersten Exekutivbeamten von Magnetostroy, schieben jedoch die Verzögerungen zum großen Teil darauf, daß sie die Pläne zu spät erhielten.
Einer der größten Nachteile für Magnetogorsk als Stahlzentrum ist seine Entfernung von entsprechenden Brennstoffquellen. Nach dem Plane sollen die Kohlen aus dem Kuznetzbezirk, 1500 Meilen weiter östlich in Mittelsibirien, bezogen werden. Zu diesem Zweck ist eine direkte Bahnverbindung Kuznetz–Magnetogorsk im Bau begriffen und, um die Kosten des langen Transports etwas zu verringern, sollen weitere Stahlwalzwerke in Kuznetz gebaut werden, damit die Wagen, welche Kohle nach Magnetogorsk bringen, mit Erz beladen nach Kuznetz zurückkehren können. Diese Bahn soll planmäßig im Oktober 1931 fertig werden. Trotzdem werden die Brennstoffkosten hoch sein.
Schmid rechnet, daß die Baukosten der Fabrik sich 20 Prozent höher stellen werden, als es bei Berechnung des Rubels zu Pari in Amerika der Fall gewesen sein würde. Er erklärte jedoch, daß die Gestehungskosten für Eisen und Stahl sich in Magnetogorsk wesentlich billiger stellen würden als die Produktionskosten in den alten Sowjet-Industrien, und daß sie hier mit einem Durchschnittspreis von 30 Rubel pro Tonne Gußeisen gegen 48 Rubel in den bestehenden Sowjet-Werken rechneten. Eisenbahnschienen, meinte er, würden pro Tonne auf 56 Rubel gegen heute 110 Rubel zu stehen kommen und erstklassiger Konstruktionsstahl auf 78 Rubel gegen jetzt 110 bis 115 Rubel.
Das Problem gelernter Arbeiter ist hier wie auch anderswo bei all den verschiedenen Industrien des Plans eines der am schwierigsten zu lösenden. Schmid erklärte, daß vom Januar 1931 an in Magnetogorsk eine Anzahl technischer höherer Schulen eröffnet würden, die mehrere tausend Arbeiter vorbereiten könnten, während weitere Tausende aus den bestehenden Stahlwerken herangezogen und eine Anzahl erstklassigster Arbeiter zur Schulung in amerikanische Fabriken gesandt werden sollen. Die McKee Company ist verpflichtet, lange genug bei dem Unternehmen zu bleiben, um das Werk voll in Betrieb zu setzen.
Die hier arbeitenden amerikanischen Ingenieure bezweifeln keinen Augenblick, daß das Magnetogorsker Werk fast rechtzeitig vollendet werden wird, und daß im Oktober 1931 die beiden ersten Hochöfen in Betrieb gesetzt werden können, und daß dann in kurzen Zwischenräumen weitere Hochöfen installiert werden, bis bei Abschluß des Planes alle acht arbeiten. Zu dieser Ansicht muß jeder Beobachter, der die bereits erreichten Fortschritte sieht, gelangen, vorausgesetzt, daß nicht unvorhergesehene Zwischenfälle die Arbeit behindern. Eine andere Frage, die nur Erfahrung zu beantworten vermag, ist, wie die Ergebnisse nach Fertigstellung der Fabrik sein werden, wie nutzbringend und wie produktiv sie unter russischer Leitung arbeiten wird.
Lange bevor unser Besuch der Plätze und Persönlichkeiten in Magnetogorsk beendigt war, hatte sich Dunkelheit auf die Steppe gesenkt. Nur die Berge des Ural wahrten noch einen bläulichen Lichtsaum von der versunkenen Sonne. Der Berg mit seiner Last an magnetischem Eisen hatte unsere Chronometer irregemacht, aber es war etwa 8 Uhr.
Die Umgebung von Magnetogorsk erstrahlte plötzlich in silbernem Glanze. Die 60 Prüfstationen hatten für die Nacht die Lichter entzündet, um mit ihren diamantenen Bohrern tiefer in des Berges Herz nach weiteren Geheimnissen zu bohren. Die Scheinwerfer auf dem Damm und in den Bauten zeichneten strahlende Flecke über dem Gelände der Stadt; die Nachtschicht hatte begonnen.