Kurt Kluge
Die Zaubergeige
Kurt Kluge

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Der vorletzte Quartettabend dieser Saison war herangekommen. Nur wenige Einwohner sahen das Wettergewölk über der Kranichstedter Musik brauen: außer Mittenzwey nur Frau Krumbiegel.

Der Saal im Lamm war gut gefüllt. Schon rückte der Diener Schratte die Notenpulte, die vier Stühle. Er sah Mittenzwey kommen, eilte herbei und öffnete dem Vorstand die Tür des Künstlerzimmers. Mittenzwey empfand es als seine Pflicht, die vier Herren vor dem Konzert in kurzen Worten zu begrüßen und ihnen einen vollen Erfolg zu wünschen. Aber der Vorstand fand vorläufig nur drei Herren vor, die er mit einem Händedruck stärken konnte in ihrem Dienst an Kultur und Kunst – Andreas fehlte noch. Die Uhr zeigte auf vier Minuten vor acht.

Mittenzwey wandte sich an Lichtermark: »Dieser Geiger wird sich gestern nacht wieder in Leipzig herumgetrieben haben. Mit dem Barbier aus der Nickelsgasse. Wie man hört, kommen die beiden erst früh mit aufgehender Sonne zurück von ihren Fahrten.«

»Nun nun«, antwortete Lichtermark begütigend.

Zu Vollrath sprach Mittenzwey: »Die gehen nämlich zusammen lumpen, diese zwei« – Vollrath rieb seinen Bogen am Kolophonium und schmunzelte. Aschenbrenner sagte: »So was kommt vor.« Mittenzwey warf dem Cellisten einen forschenden Blick zu.

Aber der Uhrzeiger war nun auf Punkt acht gerückt.

51 »Schratte,« befahl Mittenzwey, »Sie laufen in die Seifengasse und holen diesen Herrn. Halt! Sie haben mich verstanden: Sie richten nicht eine Bestellung aus – Sie bringen den Geiger persönlich hierher.«

Lichtermark stand am Fenster und sah auf den dunklen Hof hinaus. Leere Bierfässer standen da. Lichtermark fing an, sie zu zählen. Mittenzwey hatte seine Uhr in der Hand. Vollrath stimmte leise die Geige. Sechs Minuten nach acht kam Schratte atemlos zurück: »Gleich! Er kommt gleich, Herr Archivrat!«

Mit diesen inhaltarmen Worten ließ sich der verantwortliche Vorstand des Quartettvereins nicht abspeisen. Die Wahrheit kam ans Licht. Schratte hatte den Unseligen schlafend auf dem Sofa gefunden.

»Auf dem Sofa! Jetzt also« – Mittenzwey wies seine Uhr im Kreise herum – »jetzt werden wir vermutlich noch warten müssen, bis sich dieser Mann umgezogen hat –«

»Nu, die schwarzen Hosen hatte er schon an«, sagte Schratte beruhigend.

»Acht Uhr neun Minuten und nichts als die Hosen!« – Mittenzweys Stimme zitterte, und Lichtermark hörte auf, Bierfässer zu zählen. Vollrath und Aschenbrenner hatten ihre Instrumente beiseitegelegt, auf den Holzstühlen Platz genommen und rieben ihre Knie. Mittenzwey ging in starken Schritten auf und ab. Die Uhr zeigte acht Uhr vierzehn. Der Vorstand befahl Schratte, den Armsessel in die Mitte des Künstlerzimmers zu rücken. Er setzte sich – Andreas mußte gleich erscheinen.

»Herr Rat,« sagte Lichtermark, »reden Sie lieber erst nach dem Konzert mit ihm. Nicht jetzt. Damit keine Zeit mehr verlorengeht.«

52 »Ach, Verzeihung!« – da stand Andreas! »Ich habe mich etwas verspätet –«

Schratte meldete: »Herr Wandler von der Ilmpost läßt fragen, was 'n los is«, und Schratte setzte aus eigner Beobachtung hinzu: »Un 'n paar Leute sind aufgestanden, un 'n paar schimpfen auch schon.«

In amtlichem Ton legte Mittenzwey dem Geiger die Frage vor: »Sie haben gehört, daß man im Publikum empört ist?«

»Ich fand nämlich meinen schwarzen Rock nicht gleich, und die Wirtin hatte vergessen –«

»Gedenken Sie etwa in der abgetragenen grauen Jacke da zu konzertieren?«

»Ich sitze hinter Herrn Vollrath. Da sieht mich keiner.«

»Man sieht mehr als Sie denken! Und man weiß mehr, als Sie ahnen!«

Andreas schüttelte den Kopf: »Was denn schon.«

»Man kommt wohl eben aus der Blauen Fackel, wie?!«

»Da bin ich nie drin gewesen.«

»Aber es hat ausgefackelt!!«

»Ich sagte Ihnen doch eben –«

»Nichts haben Sie hier zu sagen! Man befindet sich hier nicht in einem Vergnügungslokal! Der Quartettverein ist ein Kunstinstitut!«

Andreas hatte seine Geige aus dem Kasten genommen: »Ich bin ja schon fertig.«

»Fertig – wir sehn es!« Mittenzwey erhob sich, wandte sich ab von Andreas und richtete seine Worte an die anderen Mitglieder des Quartetts: »Wer seine Gaben in gewissen Nachtlokalen vergeudet, in großstädtischen Nachtlokalen, der kann wohl sagen, daß er fertig ist – wie, meine 53 Herren? Nun, man wollte Geduld haben. Man kennt das Leben, meine Herren. Man ist ergraut in nutzbringender Tätigkeit. Man hat manchen jungen Lümmel einlenken sehen –«

»Herr Vorstand, ich verbitte mir –«

»– wer aber saufend, schwelgend –«

»– halten Sie Ihren Mund, Herr Mittenzwey!«

»– wie ein Zigeuner –«

Nur zu den anderen Herren des Quartetts sprach Mittenzwey, sah Andreas gar nicht an, aber jetzt drängte sich der Geiger zwischen den Vorstand und Vollrath; mit seiner Geige in der Faust stand er zitternd vor Mittenzwey: »Sie –«

»– wer solchermaßen seine Zeit hinbringt« – Mittenzwey wendete sich wieder ein wenig, sprach jetzt zu Aschenbrenner – »und dann noch wagt« – Mittenzweys Stimme wurde immer voller – »wagt! sage ich, an den Maßnahmen der verantwortlichen Träger des hiesigen Musiklebens hämische Kritik zu üben –«

»Das ist gelogen!« schrie Andreas – vergeblich. Mittenzwey wandte sich abermals und sagte das Folgende zu Lichtermark: »Wagt! sage ich, Persönlichkeiten, welche Großstädte kaum je auch nur betreten haben, hinterrücks mit verleumderischen Bemerkungen nähertreten –«

»Aber meine Herren« – Lichtermark legte seine Linke auf Mittenzweys Arm, seine Rechte auf Andreas' Faust –

»– wagt! sage ich, übernächtig, verrissen – sehn Sie ihn an! – ohne jegliche Weihe zur Stunde der Musik zu erscheinen, meine Herren, ein solcher Mensch, bar allen Gefühls der Verantwortung vor Kunst und Publikum –«

Etwas Entsetzliches war geschehn, blitzartig: eine finstere 54 Gewalt hatte des Andreas Arm hochgerissen – in der Faust hielt er die Geige – knack knerr, und die Geige schmetterte zerberstend auf Mittenzweys Kopf. Jemand schrie etwas, ein Stuhl kippte um, Lichtermark packte den seiner selbst nicht mehr bewußten Geiger an der Weste, Mittenzwey sackte in den Sessel, der Gott sei Dank zupaß stand . . . inmitten des Künstlerzimmers saß der Vorstand des Quartettvereins reglos im Sessel . . . starrte Andreas gänzlich verständnislos an . . . öffnete den Mund langsam . . . nichts sagte er . . .

Schratte aber stemmte sich mit aller Kraft gegen die Türe, weil jemand herein wollte. Totenstille im Zimmer. Nur das laute Pochen an der Tür . . . Ein Geigensplitter war Schratte unter die genagelten Stiefel geraten, er rutschte, die Tür flog auf. Herr Wandler, der Schriftleiter der Ilmpost, stand auf der Schwelle – eine Sekunde kaum, er tat jäh einen Satz ins Zimmer: Andreas hatte im Hinausstürzen dem Pressevertreter einen Stoß vor den Leib versetzt . . .

Schratte kratzte sich hinter den Ohren, ganz laut, unaufhörlich. Nichts als dieses Kratzen war zu hören.

Hat sich, dachte Wandler, hat sich um Gottes willen das Quartett geprügelt? Er besah die Splitter der Geige am Boden, die verworrenen Saiten, die sich um den abgespaltenen Wirbelkasten ringelten. Schratte las die Gedanken aus Wandlers Gesicht: »Nee nee,« sagte er beruhigend, »die Geige is bloß hingefalln, un der Herr Vorstand is aus Versehn 'neingetreten.«

»In – wie bitte? In die Geige??« Wandler starrte den Anwesenden der Reihe nach ins Gesicht.

»Ja,« sagte jetzt Lichtermark langsam, »ein Unglück. 55 Ein großes Unglück. Hier ist soeben eine Geige zugrunde gegangen, wenn ich mich nicht irre.«

»Sie irren nicht,« murmelte Wandler und hob einen Splitter auf, »ganz offenbar nicht, Herr Professor.«

Eine Geige, stofflich betrachtet, ist ein zartgebautes Ding, wenig mehr als etwas zusammengeleimter Holzspan. Nur der Balken unter der Resonanzdecke hat einigen materiellen Gehalt. Aber auch dessen Schlagkraft wird einesteils von der Unterdecke der Geige, andernteils von der Kopfbedeckung des Betroffenen gemildert. Thedor Kegel hatte stets in schmeichelhaftesten Worten von dem vollen Haarwuchs des Archivrates gesprochen. Mittenzwey war unverletzt geblieben. Gewiß hatte ihn der Schlag gut getroffen und auf einen edlen Körperteil – Schaden gelitten hatte nur die Geige. Der Vorstand erhob sich langsam vom Sessel . . . er stand . . . sah sich um im Künstlerzimmer . . . ringsum . . . o, man war nicht unter sich. Sein Blick blieb auf Wandler haften. Dieser Mann mußte eine Antwort bekommen, irgendeine. Immer noch starrte Wandler offenen Mundes in Mittenzweys Gesicht.

»Seit ich denken kann«, sprach der vor der Öffentlichkeit verantwortliche Vorstand des Quartettvereins, »seit wir alle zu denken vermögen, ist ein solcher Unfall nicht bekanntgeworden –«

»Nein«, sagte Wandler tonlos.

»Herr Vorstand!« rief Schratte dazwischen, »was soll ich 'n machen? 's kommt n' Haufen Leute! Soll'n die hier reingelassen werden?«

»Drücken Sie,« sagte Mittenzwey mit etwas bebenden Händen, aber würdevoll gemessen zu Lichtermark, »drücken Sie bitte dem Publikum mein und unser aller lebhaftes 56 Bedauern aus. Erklären Sie ihm, ich sei vom Schreck noch etwas angegriffen, und infolge höherer Gewalt – nein, infolge Unbrauchbarwerdens einer Geige könnten wir nicht umhin, das Konzert zu verschieben. Die morgige Nummer der Ilmpost bringt das Nähere.« Er wandte sich wieder zu Wandler: »Man wird Sie morgen mit allem nötigen Material ausstatten, verehrter Herr Wandler.«

Der alte Lichtermark beruhigte mit seiner Großvaterstimme das erregte Publikum sehr rasch. Wandler stand im Torweg des Lammes, rieb sein Kinn: »Der Vorstand war sehr höflich. Hm. Man wird also nicht viel Wahres hören.« Er sann über eine wirkungsvolle Schlagzeile nach. Vollrath und Aschenbrenner saßen zigarrendampfend in der überfüllten Gaststube, tranken Bier aus großen Gläsern und antworteten auf Fragen nur so ungefähr. Die Geige des Andreas sei zerbrochen, ja. Aber sie habe wenig getaugt. Der Andreas habe nicht an ihr gehangen. Wie das Unglück geschehen sei? Es wäre so schnell gegangen – die beiden Musikanten schüttelten die Köpfe, zuckten die Schultern. Niemand erfuhr Genaueres. Gewiß war nur, daß die beiden Herren selten so oft Prost zueinander gesagt hatten, selten so geschmunzelt, sich mit hochgezogenen Augenbrauen angeguckt und dabei erst lautlos, dann vernehmlicher gelacht hatten und zuletzt in ein gemeinsames und wahrhaft donnerndes Gelächter ausgebrochen waren. Nun war Kranichstedt aufs äußerste gespannt. An einem solchen Gelächter wünschte die gesamte Einwohnerschaft teilzunehmen. Wandler konnte dem Verlag der Ilmpost ruhigen Gewissens den Rat geben, die nächsten zwei, drei Nummern in doppelter Auflagenhöhe herauszugeben, selbst wenn er wider 57 Erwarten nichts Näheres über die Vorgänge am Quartettabend zu bringen vermöge.

Lichtermark ging langsam ins Künstlerzimmer zurück, blieb oft stehen unterwegs, schüttelte den Kopf. Schwer drückte er die Klinke nieder und trat ein. Er fand nur noch Schratte vor, sah nachdenklich zu, wie der die Splitter der Geige mit einem Besen zusammenkehrte und wie endlich die Geige als ein Häufchen Holz in der Mitte der Stube lag – ein kaltes Scheiterhäuflein, aus dem der Geist entwichen ist.

Ein Holzstückchen hatte Schrattes Besen nicht erwischt. Ein rundes, halbfingerlanges Stäbchen rollte Lichtermark vor die Füße. Er hob es auf: »Sieh da, der Stimmstock . . .« Der Alte seufzte und sagte zu dem Holz: »Eigentlich lebst du im Verborgenen« – im Innern des Geigenkörpers nämlich sitzt dieses Stäbchen und verbindet die Resonanzdecke mit der Unterdecke. »Stimmstock« heißt es, »Stimme« nennen es andre, und manche geben ihm den Namen ›Seele‹, weil es die Schwingungen der Saiten in das Instrument überträgt und den ganzen Klangkörper der Geige beseelt.

»Dieses verwaiste Seelchen«, murmelte Lichtermark, »das soll man sich denn wohl aufheben zum dauernden Angedenken.«

Er legte es in die Federschale auf seinem Schreibtisch. Dieses Stäbchen aus Ahornholz kam nie mehr von diesem Tisch, solange der Alte noch lebte. Er sah es an, jeden Tag, traurig erst, eines Tages bis ins Herz erschrocken, aber zuletzt lächelnd: »Ja ja, was wirklich eine Seele hat, das kann gar nicht zugrunde gehen, und wenn den Klangkörper eines Künstlertums die Summa der Dummheit in Splitter zersplittert und zernagt.«

58 Nach solcher Betrachtung und Herzbewegung ging er an seinen Flügel und spielte andächtig Mozarts Rondo in a-moll, das leise, wieder, immer wieder vor sich hinsagt: Ich muß doch ein Rondo sein und muß mich drehn und möchte doch eigentlich weinen . . . Ein süßes Körperchen, seelenallein im Leeren, mit feuchten Augen lächelnd, lieblich und trotzdem allwissend – Kind: darum eben der letzten Weisheit habhaft, wie auch nur einer so mit sich hat reden können, seit die Erde gemacht ist und das Meer und der Himmel: Wolfgang Amadeus Mozart – dieses und vieles andre noch brummte Lichtermark vor sich hin beim Spielen.

Andreas aber lief jetzt – wohin? Wo in der Welt konnte er noch hinlaufen? Zu wem? Zu Lichtermark – nein, zu dem auch nicht, der war doch eben dabeigewesen. Fort aus diesem Nest!

Wo, wo war denn ein Mensch, ein Amt, eine Stelle – irgendein Ohr, in das er sagen konnte: Ich bin ein großer Geiger, aber ich habe eben meinem Vorstand die Geige auf den Kopf geschlagen. Ich habe nun keine Geige mehr, und ich habe keinen Vorgesetzten und kein Notenpult mehr im Quartett – wo fände Andreas einen grünbezogenen Tisch, hinter dem ein lebender Mensch sitzt, vor Gott verantwortlich für das bißchen Kunst im Unkraut eines Menschenalters, einen Mann, der im Schein des Unrechts die Flamme Recht erspäht wie du, geliebter Leser, der du jetzt den Kopf schüttelst und murmelst: warum schlug dieser Andreas einem solchen Vorstand nicht das Cello auf den Kopf? Ach, lieber Leser – da sitzt du, hier sitze ich, und wir sehn uns an: es sitzen immer nur wenige im Unkraut und merken, daß Kleist sich erschießen muß, Mozart an Geldsorgen zugrunde geht, Mörike 59 vierhundertsechsundachtzig Mark Ruhegehalt im Jahr bezieht, Hölderlin im Wahnsinn lebt, Dürer lächerliche Aufträge bekommt und Kunst und Künstler im übrigen mit Pauken und Trompeten ihres Weges ziehn.

In fieberndfliegenden Gedanken hetzte Andreas jetzt die Orte durch im großen Deutschen Reich, wo ein Geiger, der seinem Vorgesetzten die Geige auf dem Kopf zerhieb, nun noch unterkommen könnte . . . keinen fand er . . . ach, einen doch! Grotte genannt! Dort steht ein schlechtes Klavier, und wenn er's drischt, kellt Schmalfuß Fleischsuppe auf, schenkt ihm Wein ins Glas, und Hasel stiehlt, was noch fehlt. Aber Grotten-Nächte gehn zu Ende – und wenn es zu tagen beginnt?

Morgengrauen . . . soll es noch einmal grauen, wieder grauen, brav weitergrauen nach dem alten schönen Verse: Unser Leben graut siebenzig Jahre, und wenn es hoch kommt, graut es achtzig Jahre – Andreas hob die Schultern, fröstelnd summte er: Die Pleiße hat ein schlammigt Bett . . . aber weich, weich, gut drin zu liegen. Meine Mutter würde sich wundern, wenn sie mich in dem Steckbett sähe. Und mein Vater erst . . . Der hätte die Musik dazu machen können. Tot. Alle tot. Wen habe ich noch in Leipzig, bei dem sich's unterkriechen läßt, wenn's graut? Hasel. Hasel! Sechshunderttausend Einwohner gegen eine Kellnerin!

Wie Andreas ging und stand, war er in den Zug gestiegen – ohne Mantel und Hut, aber mit einem Geigenkasten unter dem Arm. Er wußte nicht, daß er den Geigenkasten unterm Arm hielt, einen leeren Behälter – nein, ganz leer nicht; ein Bogen war drin, ein Stück Geigenharz, der Dämpfer und ein paar Saitenringel: sein Besitztum. Das Kapital war in Splitter gegangen.

60 Hasel sah den Geigenkasten: »Spielst du heute?«

Andreas knurrte.

»Wo ist dein Hut?«

»Im Geigenkasten.«

»Und dein Mantel?«

»Im Geigenkasten.«

»Andreas, fehlt dir was?«

Er schlug auf den Kasten: »Das Herz da drin!« schrie er.

»Du –«

Eratmend ließ er sich küssen: »Du bist warm, Hasel. Und wie weich du bist. Hasel, ich glaube, du bist ein Mensch. Daß es noch Menschen gibt –«

»Sei doch still.«

 


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