Friedrich Maximilian Klinger
Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt
Friedrich Maximilian Klinger

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Dieses bedeutende Gesicht, und die schaudervolle Erscheinung durchbebten die Seele Fausts; er sprang auf, öffnete das Fenster, um freie Luft zu atmen, die ungeheuren Alpen lagen vor ihm, die aufgehende Sonne vergoldete nun eben ihre dunklen Spitzen, und dieses Bild schien ihm eine Dolmetschung seines Gefühls. Er versank in tiefe Betrachtungen; das Luftgebäude seines Stolzes fiel zusammen, und die schlummernden Empfindungen seiner Jugend schossen hervor, um seine Qual zu vermehren. Der Gedanke, sein Leben dem Wahn geopfert, die Kraft seines Geists nicht genützt, in dem Strudel der Wollust, in dem Geräusche der Welt verbraust zu haben, drang durch seine Seele. Er bebte vor der Enthüllung des nächtlichen Gesichts zurück; schon arbeitete sein Geist an der Deutung der Bilder, als sein Herz ihn ins Dunkel zurücktrieb:

»Woher kamen nun diese Ungeheuer, die die fleißigen Arbeiter überfielen? Wer berechtigte sie zu dem Frevel, sie in ihrer Arbeit zu stören, und sie unter ihrem edlen Tagwerk zu ermorden? Wer ließ es zu? Wollte, konnte er's nicht hindern, der es zuließ? Wenn ich die Bilder des Gesichts recht verstehe, so deuten sie auf die Grundstützen der in Gesellschaft gesammelten Menschen, und jede derselben behauptet ihren Ursprung vom Himmel? Ist ihr Vorgeben Betrug, warum leidet der schmähliche Strafe, welcher sie antastet? deuten sie auf Mißbrauch – wie dann? so ist alles Mißbrauch unter der Sonne, so soll es so sein, und mein Unwille ist gerecht. Ist es nicht das Werk eines Höhern, den wir nicht befragen können, der uns nichts enthüllt hat? Warum erlagen so viele Tausende der Wut dieser Ungeheuer? Konnte, wollte sie der Genius nicht alle bergen? Sind einige vorher bestimmt, als Opfer für die andern zu fallen? Wer steht mir dafür, daß ich nicht einer von denen bin und sein muß, den das Los der Verwerfung bei der Entstehung getroffen? Mußten es diese mit ihrem Leben erkaufen, damit jene im Triumph einzögen, und der Ruhe genössen? Was haben die Unglücklichen verschuldet? Was die verschuldet, die lechzend nach dem Becher griffen, ihren glühenden Durst zu stillen?«

So trieb er sich lange auf dem Meere der Zweifel herum, als ihm durch die Erscheinung seines Vaters seine seit so langer Zeit vergeßne Familie einfiel. Er faßte den Entschluß, zu den Verlaßnen zurückzukehren, in die bürgerliche Ordnung wiederum einzutreten, sein Gewerbe zu treiben, und sich von der lästigen Gesellschaft des Teufels zu befreien. So machte er sich nun auf den Weg zu seiner Heimat, wie viele, die unbestimmtes jugendliches Brausen für Genie halten, mit großen Ansprüchen in die Welt treten, das wenige Feuer ihrer Seele schnell verdampfen, und mit den schalen Überbleibseln sich nach kurzem auf eben dem Punkte befinden, von dem sie ausgelaufen, sich und der Welt zur Last. Faust kochte dieses alles im stillen aus, er ritt stumm, düster und mürrisch an der Seite des Teufels. Dieser überließ ihn gerne seinen Betrachtungen, lachte seines Entschlusses, und verkürzte sich die Zeit mit der süßen Hoffnung, bald wieder den süßen Dampf der Hölle zu riechen. Er freute sich schon im voraus darauf, wie er des Satans spotten wollte, der ihm Fausten als einen Kerl besondrer Kraft empfohlen hätte, den er doch vor der Entwicklung seines Schicksals so mürbe sah. Er stellte sich den Kühnen in dem Augenblick vor, da er ihm zum erstenmal erscheinen mußte, und nun sah er ihn gebeugt, wie einen büßenden Mönch, neben sich her reiten. Sein Haß gegen ihn nahm zu, und er jauchzte in seinem schwarzen Inneren, als er Worms in der Ebene vor sich liegen sah.


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